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Chronik Februar 2004

Haiti: Wichtige Ereignisse

1. bis 8. Februar
  • Zehntausende Demonstranten haben am 1. Feb. erneut gegen Präsident Jean-Bertrand Aristide demonstriert. Bei ihrer Protestaktion in der Hauptstadt Port-au-Prince forderten die Demonstranten den Rücktritt des Staatschefs. Aristide kündigte unterdessen an, die Einschränkung des Demonstrationsrechts zu überprüfen. Seit Dienstag erlaubt die Polizei Proteste nur noch auf einem bestimmten Platz in der Stadt. "Jeder hat das Recht zu demonstrieren, solange er das Gesetz achtet und bei der Organisation der Demonstrationen mit der Polizei zusammenarbeitet", sagte der Präsident.
  • Bewaffnete Rebellen haben am 5. Feb. die viertgrößte Stadt des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. "Gonaives ist frei", sagte ein Anführer der Widerstandsgruppe RARF in der im Nordwesten gelegenen Stadt. Bei einem Angriff auf eine Polizeiwache wurden mindestens elf Menschen getötet und 20 weitere verletzt. Im angrenzenden Gefängnis der Stadt befreiten die Kämpfer außerdem mehr als hundert Häftlinge. RARF-Mitglieder patrouillierten schwer bewaffnet durch die Stadt. Nach Berichten örtlicher Medien flohen zahlreiche Einwohner aus dem Stadtzentrum. Elf Menschen wurden getötet und etwa zwanzig weitere Menschen verletzt, als die Widerstandsgruppe die Polizeiwache in Brand steckte und zerstörte, wie ein Mitarbeiter vom Roten Kreuz den örtlichen Medien sagte. Die meisten der bis zu hundert Polizisten, die zum Zeitpunkt des Angriffs im Gebäude waren, konnten nach Angaben von Augenzeugen entkommen. Demnach steckten die Angreifer auch das Haus des Bürgermeisters in Brand.
  • Ein Sprecher von UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte am 6. Feb. in New York, der UN-Generalsekretär verfolge die Lage in Haiti genau und sei "zutiefst besorgt über die zunehmende Gewalt". Mit den "Ereignissen" in Gonaives sei die Gewalt weiter eskaliert. Die Bevölkerung solle den Konflikt friedlich und "mit verfassungsgemäßen Mitteln" lösen.
  • Mehrere tausend Bewohner der haitianischen Stadt Gonaives haben am 6. Feb. die Vertreibung der bisherigen Verwaltung als Sieg über Präsident Jean-Bertrand Aristide gefeiert. "Die Revolution hat begonnen!" rief eine 27- jährige Demonstrantin vor der am Vortag gestürmten Polizeiwache. Ein Sprecher der Widerstandsfront Gonaives, Buteur Metayer, kündigte Widerstand gegen jeden Versuch der Regierung an, die Stadt wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. "Wir werden unseren Sieg verteidigen", sagte Metayer der Nachrichtenagentur AP.
  • Die USA haben die jüngsten Rebellenangriffe in Haiti scharf verurteilt. Die US-Regierung lehne jede Gewalt als Mittel für politische Ziele kategorisch ab, erklärte die amerikanische Botschaft am 7. Feb. in der Hauptstadt Port-au-Prince.
  • Zwei Tage nach der Einnahme der viertgrößten Stadt Haitis durch Rebellen ist am 7. Feb. die Polizei eingeschritten. Mehrere Menschen seien durch Schüsse verletzt worden, als die Polizisten am Vormittag (Ortszeit) mit rund einem Dutzend Geländewagen in Gonaives im Nordwesten des Landes angekommen seien, berichteten örtliche Korrespondenten vor Ort. Der haitianische Staatssekretär Mario Dupuy sagte in der Hauptstadt Port-au- Prince, die Verantwortlichen der Aufstände würden vor Gericht gebracht. Die Widerstandsgruppe RARF teilte über den Rundfunk mit, sie habe das am 5. Feb. eroberte Polizeikommissariat aufgegeben, habe die Stadt aber weiterhin unter Kontrolle. Den Angaben zufolge war Gonaives am Vormittag wie ausgestorben.
    Kämpfer der lose organisierten Widerstandsfront Gonaives versteckten sich beim Einmarsch der Polizei in Seitenstraßen oder suchten in Hauseingängen Deckung. Ein Sprecher der Widerstandsfront, Wilfort Ferdinand, sagte von seinem Balkon aus: "Ich bin kein Terrorist. Wir kämpfen für das Volk von Haiti." Er werde seine Waffe niederlegen, sobald Präsident Jean-Bertrand Aristide zurücktrete.
    Bei einer Polizeiintervention in Gonaives sind 14 Polizisten getötet worden. Das sagte der Rebellenchef Winter Etienne am 7. Feb. im Rundfunk. Von offizieller Seite lag zunächst keine Bestätigung vor. Die Widerstandsgruppe RARF habe zudem das Département Artibonite, in dem die mit 200.000 Einwohnern viertgrößte Stadt des Karibikstaats liegt, zur "unabhängigen Zone" erklärt, sagte der Rebellenchef. "Wir werden weitere Orte in der Region befreien."
    Präsident Bertrand Aristride verkündete unterdessen in der Hauptstadt Port-au-Prince vor mehreren zehntausend Anhängern, die Aufständischen würden festgenommen und vor Gericht gebracht.
  • Auch aus der westlichen Küstenstadt St. Marc wurde die Polizei vertrieben. Hunderte Menschen zogen am 8. Feb. plündernd durch die Straßen der über 100.000 Einwohner zählenden Stadt 70 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Port-au-Prince. Bewohner errichteten Straßensperren mit brennenden Reifen, gefällten Bäumen, Stacheldraht und Autowracks. "Erst wenn Aristide zurücktritt, wird das Land zur Normalität zurückkehren", sagte ein 34-jähriger Mann. Bei der Erstürmung einer Polizeiwache wurden am Vortag (7. Feb.) in St. Marc mindestens zwei Menschen getötet.
9. bis 15. Februar
  • Einem AFP-Bericht vom 9. Feb. zufolge steckten in mehreren Städten Aristide-Gegner Regierungsgebäude in Brand. Aus der Großstadt Cap Haďtien wurden brennende Straßensperren gemeldet, in der Stadt Grand-Goave brannte demnach eine Polizeistation nieder. Auch Aristide-Anhänger gingen in mehreren Städten auf die Straße. In Port-au-Prince errichteten sie Barrikaden und zündeten diese an.
    Ministerpräsident Yvon Neptune warf am 9. Feb. der Opposition vor, die Regierung durch einen Putsch zu Fall bringen zu wollen. Er bezichtigte die politischen Gegner von Aristide, die Gewalt zu schüren.
  • Der Regierung gelang es am 9. Feb., die strategisch wichtige Stadt St. Marc wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Vorausgegangen waren in der rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince gelegenen Hafenstadt Feuergefechte zwischen Einheiten der Polizei Mitgliedern einer lokalen Widerstandsbewegung. Den Berichten zufolge fiel auch die Stadt Grand Goave (60 Kilometer südwestlich von Port- au-Prince) wieder an die Regierung. Seit dem 5. Feb. hatten Regierungsgegner in Haiti zeitweilig elf Städte im Norden und Südwesten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Etwa 40 Menschen kamen seit Mitte voriger Woche ums Leben.
  • Die US-Regierung verurteilte am 9. Feb. die Gewalt in Haiti. Der Sprecher des Außenministeriums, Richard Boucher, rief die Regierung von Präsident Jean- Bertrand Aristide auf, die Menschenrechte zu respektieren und forderte alle Haitianer auf, sich an die Gesetze zu halten.
  • Die Unruhen in Haiti haben sich auf die Nordküste des Landes ausgeweitet. Wie Radiosender meldeten, gab es in der Nacht zum 10. Feb. in der Hafenstadt Cap Haitien, der zweitgrößten des Landes, heftige Schießereien. Anhänger von Präsident Jean-Bertrand Aristide hätten zahlreiche Häuser angezündet und alle Oppositionellen aufgefordert, die Stadt sofort zu verlassen.
  • Die mit bewaffneten Aufständen konfrontierte Regierung in Haiti hat drei Städte wieder unter ihre Kontrolle gebracht. "Wir werden tun, was notwendig ist, ohne der Bevölkerung zu schaden", sagte der Minister für öffentliche Sicherheit, Jean-Gérard Dubreuil, am 11. Feb. in der Hauptstadt Port-au-Prince. Dubreuil sagte, die Polizei sei nicht auf einen "Krieg" vorbereitet. Er verurteilte die "Terroristen, die Polizeiwachen einnehmen, niederbrennen und dann fliehen".
    Nach der Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Saint- Marc gelangten auch die Städte Grand-Goâve im Südosten und Dondon im Norden wieder unter die Kontrolle der Regierungskräfte. Die Aufständischen halten derzeit acht Städte und Ortschaften.
    In Port-au-Prince verletzte eine Gruppe von Vermummten beim Raub mehrerer Privatautos zwei Menschen durch Schüsse. Zwischenfälle wurden auch aus der Stadt Cap- Haďtien gemeldet. Dort sollen bewaffnete Männner Lotteriebüros von mutmaßlichen Anhängern der Opposition in Brand gesteckt haben.
    Die haitianische Opposition ging auf Distanz zu den bewaffneten Rebellen, ist sich aber mit ihnen einig in der Forderung nach einem Rücktritt von Präsident Aristide, dem Wahlbetrug, Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen werden.
    Unterdessen traf eine Abordnung mehrerer humanitärer UN- Organisationen in dem bitterarmen Karibikstaat ein, unter ihnen Vertreter des Kinderhilfswerks UNICEF sowie des UN- Büro für die Koordination Humanitärer Angelegenheiten. (AFP, 11. Feb.)
  • Zwei Tage nach Einnahme der Rebellenhochburg Saint-Marc durch Regierungstruppen sind in der haitianischen Stadt am 11. Feb. erneut Kämpfe ausgebrochen. Ein Korrespondent berichtete telefonisch aus Saint-Marc von Schusswechseln im Stadtviertel "La Scierie", das als Bastion der Rebellengruppe Ramicos gilt. Nach offiziell nicht bestätigten Informationen versucht die Polizei, Regierungsgegner aus dem Viertel zu vertreiben.
    Radioberichten zufolge steckten Aufständische das Krankenhaus in St. Marc an, weil ihnen die Herausgabe von zwei verwundeten Kameraden verweigert wurde. Daraufhin hätten Anhänger Aristides das Gebäude eines Lokalsenders und die Häuser von zwei Regierungsgegnern in Brand gesetzt. Insgesamt kamen an diesem Tag in St. Marc fünf Menschen ums Leben.
  • In Haitis zweitgrößter Stadt Cap- Haďtien wurde in der Nacht zum 11. Feb. ein Lebensmittellager ausgeplündert und in Brand gesteckt. Die Stromversorgung war zusammengebrochen. In der nahe gelegenen Ortschaft Limbé wurde bereits am Abend des 9. Feb. ein Polizeikommissariat angezündet. (AFP vom 12. Feb.)
  • Die USA zeigten sich "äußerst betroffen über Welle der Gewalt, die über Haiti hereinbricht". Washington rufe die haitianische Regierung auf, "das Recht zu achten, insbesondere die Menschenrechte der Bürger und Einwohner Haitis", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan am 11. Feb. Die USA würden die Bemühungen der karibischen Gemeinschaft sowie "amerikanischer Staaten" um eine friedliche Lösung weiterhin unterstützen. Tags zuvor hatte die US-Regierung ihre Landsleute in dem Karibikstaat aufgerufen, die Insel zu verlassen, sofern sie dies "sicher" tun könnten.
  • Mit Gewalt und brennenden Barrikaden haben Anhänger des haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide am 12. Feb. einen Massenprotest der Opposition verhindert. Die Militanten warfen Steine auf die Demonstranten und setzten Autoreifen in Brand. Die Opposition sagte daraufhin die Protestkundgebung in der Hauptstadt Port-au-Prince ab.
  • Anhänger des haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide haben am 12. Feb. einen Fotografen der Nachrichtenagentur AFP angegriffen und ihn zur Herausgabe seiner Fotos gezwungen. Zuvor hatte der Fotograf Thony Bélizaire brennende Barrikaden auf einem Platz im Zentrum der Hauptstadt Port-au-Prince abgelichtet, auf dem eine Demonstration der Opposition geplant war. Anhänger des Präsidenten schubsten und schlugen Bélizaire so lange, bis er sein Material herausrückte. Erst nach heftigen Diskussionen lenkten die Anführer der Gruppe ein und gaben ihm die Negative wieder zurück, meldete AFP.
  • Angesichts der gewaltsamen Unruhen in dem Karibikstaat Haiti hat US-Außenminister Colin Powell Enttäuschung über die Amtsführung von Präsident Jean- Bertrand Aristide geäußert. Zugleich betonte er am 12. Feb. aber, dass ein "Regimewechsel" keinen Ausweg aus der Krise darstellen würde. Powell verwies darauf, dass die Instabilität in Haiti vor elf Jahren eine Flüchtlingswelle auslöste und viele Haitianer versuchten, in Booten in die USA zu gelangen. Eine Wiederholung dieser Vorfälle gelte es zu vermeiden.
  • Die Rebellen in der viertgrößten haitianischen Stadt Gonaives haben zum bewaffneten Aufstand aufgerufen, um Präsident Jean Bertrand Aristide zu stürzen. Der Aufstand müsse das ganze Land erfassen, sagte der Chef der RARF, Butteur Metayer, am 13. Feb. der Nachrichtenagentur AFP. "Wir werden nicht bis Ende des Monats warten, um (zur Hauptstadt) Port-au-Prince zu marschieren, um Aristide die Macht zu entreißen." Metayer rief zudem seine Landsleute auf, alle Polizeiwachen in Haiti zu besetzen. Der 33-Jährige bestritt, in Kontakt mit der politischen Opposition zu sein. Seine Rebellen kontrollierten mehrere Ortschaften im Departement Artibonite, darunter Anse Rouge und Marchand-Dessalines, sagte Metayer.
  • Die USA, Kanada und die Karibikstaaten sind gegen einen gewaltsam erzwungenen Rücktritt des haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide. Ein "illegaler" Abgang des gewählten Präsidenten wäre inakzeptabel, sagte US-Außenminister Colin Powell nach einem Treffen mit seinem kanadischen Kollegen Bill Graham und einem Vertreter der Karibikstaaten am 13. Feb. in Washington. Zugleich rief Powell Aristide zum Handeln auf. "Was wir brauchen, sind nicht nur Worte und Unterstützungsparolen" für die internationalen Bemühungen zur Beilegung der Krise, betonte der US-Außenminister. Er schloss erneut eine militärische Intervention auf dem Inselstaat aus. Dafür gebe es keinen Plan.
  • Regierungsgegner überfielen in der Nacht zum 14. Feb. eine Polizeiwache in der Ortschaft Saint Suzanne und brannten sie nieder, wie Augenzeugen berichteten. Die Polizisten seien geflohen. Saint Suzanne liegt in der Nähe der Hafenstadt Cap Haitien im Norden des Landes.
  • Im von den Rebellen kontrollierten Norden Haitis könnten nach Aussage der Regierung die Notvorräte an Mehl und anderen Grundnahrungsmitteln schon in vier Tagen aufgezehrt sein. "Die Bevölkerung, die von den übrigen Landesteilen abgeschnitten ist, befindet sich in einer sehr riskanten Lage", sagte Ministerpräsident Yvon Neptune bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Port-au- Prince im Süden. Nach Berichten von Händlern blockierten die Aufständischen am 14. Feb. auch Lebensmittellieferungen aus dem östlichen Nachbarland Dominikanische Republik.
  • In der Rebellen-Hochburg Gonaives, wo der Aufstand am 5. Februar begann, ist der Krankenhausbetrieb nach Berichten von Angestellten praktisch zum Erliegen gekommen. Die Ärzte fürchteten sich zurückzukehren, nachdem es vor einer Woche zu einer Schießerei in der Klinik gekommen sei, sagte Hausmeister Pierre Joseph am 14. Feb. Polizisten seien von Rebellen bis in das Krankenhaus verfolgt worden und hätten daraufhin das Feuer eröffnet. Mindestens drei Unbeteiligte seien dabei ums Leben gekommen.
  • Mehrere tausend Demonstranten haben am 15. Feb. in Port-au-Prince den Rücktritt von Präsident Jean Bertrand Aristide gefordert. Nachdem am 12. Feb. eine Großkundgebung der bürgerlichen Opposition von gewalttätigen Aristide-Anhängern im Keim erstickt worden war, verlief der Protestmarsch dieses Mal zunächst friedlich. "Nieder mit Aristide" riefen die von der Demokratischen Plattform mobilisierten Regierungsgegner in Port-au-Prince im Süden des Landes. "Noch bedienen wir uns friedlicher Mittel", sagte Gilbert Leger, ein Anwalt und Mitglied der Oppositionsbewegung. "Aber wir haben ein Ziel. Wir unterstützen die Bemühungen der Rebellen."
  • Aus der benachbarten Dominikanischen Republik trafen nach Augenzeugenberichten zahlreiche Exil- Haitianer ein und stellten sich auf die Seite der Aufständischen in Gonaives, wurde am 15. Feb. gemeldet. Die Kämpfer aus der Dominikanischen Republik werden von Louis-Jodel Chamblain geführt, einem früheren haitianischen Soldaten und Anführer von Todesschwadronen. Chamblain war auch Anführer der Front für Entwicklung und Fortschritt in Haiti (FRAPH). Diese Miliz brachte während Aristides Exil von 1991 bis 1994 mehrere hundert Menschen um. Auch der ehemalige Polizeichef Guy Philippe kehrte aus der Dominikanischen Republik zurück. Dorthin war er geflohen, nachdem ihm die haitianische Regierung 2002 Putschpläne vorgeworfen hatte. Die Männer versammelten sich im östlich der Rebellenhochburg Gonaives gelegenen Saint-Michel de l'Atalaye, wie mehrere Augenzeugen berichteten. Der Oppositionspolitiker Himler Rebu erklärte, Chamblain und seine Männer versuchten, die Lage für ihre eigenen Ziele auszunutzen.
  • Unterstützt von Exilkämpfern haben Rebellen in Haiti am 16. Feb. eine weitere Stadt im Nordwesten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Rebellen griffen die Polizeiwache in Hinche an und töteten drei Menschen, wie aus haitianischen Sicherheitskreisen verlautete. Sie vertrieben die Polizisten und bedrohten Anhänger der Regierung von Präsident Jean-Bertrand Aristide.
  • Einer der Rebellenführer in der Stadt Gonaives, Winter Etienne, sagte am 16. Feb., Polizisten und aus dem Exil zurückgekehrte Milizionäre hätten sich der Bewegung angeschlossen. Gemeinsam habe man eine nationale Widerstandsfront gegründet, sagte Etienne. "Wir werden einen großen Teil Haitis einnehmen."
  • Ein Hilfskonvoi des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) traf unterdessen begleitet von bewaffneten Rebellen im Norden des Landes ein. Er brachte 1,6 Tonnen Hilfsgüter nach Gonaives. Nach Angaben aus Regierungskreisen gehörten auch Ärzte dem Transport an. Sie sollten rund 40 Verletzte behandeln, die seit dem Beginn des Aufstands am 5. Februar zumeist Schusswunden erlitten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen schickte 16 Tonnen medizinischer Ausrüstung nach Haiti, wie ein Sprecher erklärte. Ein UN-Vertreter hatte am 15. Feb. an beide Seiten appelliert, einen "humanitären Korridor" für Hilfslieferungen zu öffnen.
16. bis 22. Februar
  • Die Europäische Union hat sich über die Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen in Haiti "tief besorgt" geäußert. Die EU "ruft alle politischen Kräfte ohne Ausnahme dazu auf, jede Form gewaltsamen Verhaltens zu unterlassen", hieß es am 16. Feb. in einer Erklärung der irischen EU-Ratspräsidentschaft. Die Union glaube fest daran, dass die gegenwärtige Krise in Haiti auf dem Weg von "Dialog und Kompromiss" friedlich beigelegt werden müsse. Haitis Präsident Jean Bertrand Aristide solle den von der karibischen Staatengemeinschaft Caricom vorgelegten Friedensplan umsetzen.
  • Der haitianische Präsident Jean Bertrand Aristide hat am 16. Feb. die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufgerufen, zur Unterstützung im Kampf gegen die zunehmende Anarchie in seinem Land Polizeitruppen zu entsenden. "Mehrere Ministerpräsidenten der Region" hätten ihm Unterstützung zugesichert, sagte Aristide. Aristide betonte, die gegenwärtige Krise in seinem Land lasse sich nicht "auf der Straße", sondern nur auf dem Verhandlungsweg lösen. Die politische Opposition forderte er auf, sich von den Aufständischen im Norden des Landes zu distanzieren. Er bot ihr an, bis zu Neuwahlen einen Teil der Regierungsverantwortung zu übernehmen.
  • Der französische Außenminister Dominique de Villepin brachte am 17. Feb. die Entsendung einer Friedenstruppe ins Gespräch. Haitis Präsident Jean Bertrand Aristide forderte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auf, zur Unterstützung des Kampfs gegen die Anarchie in seinem Land Polizeitruppen bereitzustellen. "Wir wollen darüber nachdenken, was in der Notsituation getan werden kann - kann man eine Friedenstruppe entsenden?", sagte De Villepin im Rundfunksender France Inter. Er wies darauf hin, dass Frankreich, das Überseegebiete in der Karibik und in Südamerika besitzt, über "Kompetenzen für eine humanitäre Intervention" verfüge. Auch andere Länder seien zum Eingreifen bereit. Dafür müssten zunächst die Konfliktparteien konsultiert werden. De Villepin warnte vor der Gefahr einer Teilung Haitis. In Paris werde ein Krisenstab eingerichtet, der sich mit den Unruhen befassen solle. Frankreich war jahrelang Kolonialmacht in Haiti. Im Zuge der Französischen Revolution begannen die Sklaven einen Aufstand; 1804 erklärte die Inselhälfte schließlich ihre Unabhängigkeit.
    Die USA haben zurückhaltend auf Vorschläge zur Entsendung internationaler Sicherheitstruppen nach Haiti reagiert. "Ehrlich gesagt, gibt es im Moment keine Begeisterung, Soldaten oder Polizisten zu schicken, um die Gewalt einzudämmen", sagte US- Außenminister Colin Powell am 17. Feb. in Washington. Der US-Botschafter in Port-au-Prince sagte, sein Land werde in Haiti keine durch Gewalt an die Macht gekommene Regierung anerkennen.
  • Die Polizei auf Haiti hat im Zentrum des von Unruhen erschütterten Landes weitere Orte kampflos geräumt. Nach Agenturmeldungen vom 18. Feb. wurde unter anderem der etwa 40 Kilometer vor der Hauptstadt Port-au-Prince gelegene Ort Mirebalais aufgegeben. Zudem mehren sich Berichte, dass Polizisten in größerer Zahl desertieren und ihre Uniformen verbrennen. Aus dem Zentralbezirk, dessen Hauptstadt Hinche bereits von Rebellen gestürmt worden war, wurden Sympathiekundgebungen für die Aufständischen gemeldet.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat am 18. Feb. Regierung und Oppositionsgruppen in Haiti zu Verhandlungen über eine friedliche Lösung der Krise im Land aufgerufen. Zugleich verurteilte das Gremium in einer Erklärung die anhaltenden Gewaltakte und "massiven Verletzungen der Menschenrechte" in dem Karibik-Staat. Ein UN-Team in Haiti hat sich indes bislang ohne Erfolg bemüht, die Einrichtung eines "humanitären Korridors" für die Versorgung der Not leidenden Menschen in den von Rebellen kontrollierten Gebieten auszuhandeln.
  • Der haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide hat am 18. Feb. Forderungen zurückgewiesen, zur Beendigung der blutigen Unruhen sein Amt vorzeitig niederzulegen und Neuwahlen anzuberaumen. Wie ein Mitarbeiter der US- Regierung mitteilte, werden in Washington derartige Vorschläge erwogen. Solche Forderungen seien inakzeptabel, sagte Mario Dupuy, ein Sprecher der haitianischen Regierung, am Mittwoch. "Dadurch würde ein Staatsstreich legitimiert."
  • US-Außenminister Colin Powell hat einen Friedensplan für das von blutigen Unruhen erschütterte Haiti angekündigt. Die Vorschläge der USA und weiterer Länder würden Präsident Jean-Bertrand Aristide sowie seinen Gegnern unterbreitet, sagte Powell am 19. Feb. in einem Radio-Interview des Senders ABC. Powell machte keine Angaben zu Einzelheiten der US-Vorschläge. Er sagte lediglich, ein Rücktritt Aristides vor Ablauf von dessen regulärer Amtszeit im Februar 2006 werde nicht empfohlen. Die USA würden jedoch keine Einwände erheben, wenn sich Aristide in Verhandlungen mit der Opposition bereit erklären würde, vorzeitig sein Amt aufzugeben. Powell bekräftigte, dass die Vereinigten Staaten jede Lösung ablehnten, die demokratische oder verfassungsrechtliche Normen verletze. Zwischen den USA, der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), den Vereinten Nationen sowie Kanada und Haitis einstiger Kolonialmacht Frankreich bestehe bezüglich Haitis Einigkeit, betonte Powell.
    Trotz Kritik an Präsident Jean-Bertrand Aristide hat die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) der haitianischen Regierung am 19. Feb. Unterstützung zugesichert. Die Staatengruppe will Aristide dabei helfen, "die öffentliche Ordnung durch verfassungsgemäße Maßnahmen wieder herzustellen", wie die OAS in einer Erklärung mitteilte.
    Die USA kündigten unterdessen die Entsendung von einigen wenigen Militärexperten nach Haiti an, die die Sicherheit der amerikanischen Botschaft dort prüfen soll. In einer am Abend des 19. Feb. veröffentlichten Reisewarnung forderte Washington alle US-Bürger in Haiti dringend auf, das Land zu verlassen, "so lange die kommerziellen Fluggesellschaften noch ohne Unterbrechung operieren".
  • Am 19. Feb. wurde laut Medienberichten eine Polizeiwache in der Ortschaft Ouanaminthe im Nordosten des Landes in Brand gesteckt. Die Versorgungsrouten von der Hauptstadt Port-au-Prince in den Norden sowie aus der westlich angrenzenden Dominikanischen Republik sind unterbrochen.
    In der zweitgrößten Stadt Cap-Haitien versteckten sich die Polizisten in ihren Wachen und signalisierten damit, die Hafenstadt im Norden nicht gegen die Rebellen verteidigen zu wollen. Berichte über das Vordringen der Aufständischen nach Cap-Haitien konnten zunächst nicht bestätigt werden. Bewaffnete Anhänger Aristides patrouillierten auf den Straßen.
  • Die US-Regierung trägt nach Ansicht von Larry Birns eine Mitschuld an dem jüngsten Ausbruch von Gewalt auf Haiti, schreibt die Berliner Zeitung am 19. Feb. Der Chef des Council on Hemispheric Affairs, eines links-liberalen Think Tank, habe Washington vorgeworfen, Versprechen nicht gehalten und Präsident Jean-Baptiste Aristide nicht ausreichend finanziell unterstützt zu haben. "Die USA haben nicht - wie versprochen - das Justiz- und Polizeiwesen in Haiti mit aufgebaut und der Regierung Aristide auch sonst die zugesagte Entwicklungshilfe vorenthalten", sagt Birns in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung. Aristide habe so seinerseits seine Wahlversprechen gegenüber der Bevölkerung nicht halten können und sei damit bei seinen Landsleuten in Verruf geraten. Für diese Entwicklung macht Birns vor allem "rechte Ideologen" innerhalb der Bush-Regierung verantwortlich. Ihnen sei Aristide zu radikal und dem kubanischen Präsidenten Fidel Castro gegenüber zu freundlich eingestellt. Aus diesem Grund habe das Außenministerium die finanzielle Unterstützung für Haiti quasi gestrichen.
  • In derselben Ausgabe der Berliner Zeitung wird erzählt, wie und warum der Münsteraner Menschenrechtsexperte Heiner Rosendahl sich von einem Anhänger zu einem scharfen kritiker des Regierungsstils Aristides gewandelt hat. In dem Artikel heißt es u.a.: "Ich will Aristide wirklich nicht mit den Duvaliers vergleichen, aber unter seiner Regierung hat sich Ähnliches entwickelt. Der heutige Rebellenführer Butteur Métayer hatte 1994 mitgeholfen, die Putschistenregierung zu bekämpfen, und wurde dafür von Aristide belohnt: Er erhielt freie Hand für seine Banden in Gonaďves. Als sich Aristide schließlich auf Druck der USA gegen ihn stellte und seine Verhaftung befahl, haben Métayers Anhänger das einfach nicht begriffen." Um die drohende Katastrophe in Haiti abzuwenden, müsse Aristide so schnell wie möglich zurücktreten, sagt Rosendahl. Die Einsetzung eines Übergangspräsidenten hält er nicht für hilfreich: "Keine einzelne Person genießt genug Vertrauen in Haiti. " Als Alternative bis zu Wahlen empfiehlt er daher eine Regierungsjunta wie nach dem Sieg der Revolution in Nicaragua 1979.
  • Die haitianischen Rebellen haben erstmals eine Grenzstadt eingenommen. Das teilten Militärs der benachbarten Dominikanischen Republik am 19. Feb. mit. Demnach stürmte eine bewaffnete Gruppe das Polizeihauptquartier der Gemeinde Ouanaminthe im Nordosten der Insel. Über den dortigen Grenzübergang läuft fast die Hälfte des Handels zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik.
  • Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gefolgsleuten des haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide und Anhängern der Opposition sind am 20. Feb. mindestens zwölf Menschen verletzt worden. Eine Gruppe von Aristide-Anhängern schoss bei einer Kundgebung in Port-au-Prince mit Vogelschrot-Munition auf oppositionelle Demonstranten, wie ein ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Unter den Verwundeten waren auch zwei Journalisten. Ein spanischer Kamermann sei mit einer Machete am Kopf verletzt worden. Ein haitianischer Radiojournalist wurde von einer Kugel in den Rücken getroffen.
  • Diplomaten mehrerer Länder haben dem haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide am 20. Feb. einen Plan zur Beilegung der politischen Krise vorgelegt. Die Delegation habe Aristide ihre Vorschläge in einem kurzen Gespräch unterbreitet, teilte ein Sprecher des US-Außenministeriums in Washington mit. Im Laufe des Tages wollten sie sich demnach auch mit den Oppositionsführern treffen. Der Plan werde von Deutschland, Frankreich, Kanada, den USA und den Bahamas als Repräsentant der karibischen Staatengemeinschaft Caricom gestützt.
  • Eine ranghohe internationale Delegation ist zur Vermittlung in der schweren politischen Krise in Haiti eingetroffen. Die Mission unter Leitung des Lateinamerika-Beauftragten im US-Außenministerium, Roger Noriega, landete am 21. Feb. auf dem internationalen Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince. Die Vertreter aus den USA, Kanada, Frankreich sowie der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wollen gemeinsam Druck auf den haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide und die politische Opposition ausüben. Den beiden Konfliktparteien war am Vortag eine Frist bis zum 23. Feb. (andere Quellen: 24. Feb.) gesetzt worden, einen internationalen Krisenplan zu akzeptieren.
  • Die Opposition in Haiti hat den internationalen Friedensplan zur Beilegung der schweren politischen Krise abgelehnt. Der Rücktritt von Präsident Jean Bertrand Aristide sei der einzige Weg aus der Krise, sagte Oppositionsführer André Abaid am 21. Feb. Das Staatsoberhaupt sei "der Ursprung des Problems". Aristide sei "der direkt Verantwortliche für die Gewalt in Haiti". Er habe Waffen verteilt und bewaffnete Banden gegründet, "um die Bevölkerung zu terrorisieren, die politischen Parteien einzuschüchtern und jegliche Opposition zum Schweigen zu bringen".
  • In Cap Haitien im Norden Haitis ist am 21. Feb. ein Rundfunkjournalist beschossen und schwer verletzt worden. Wie die haitianische Journalistenvereinigung mitteilte, schossen Unbekannte auf Pierre Ellisen, Eigentümer des Radiosenders Radio Hispaniola, als er in seinem Auto unterwegs war. Zuvor hatten die bewaffneten Rebellen im Norden des Landes angekündigt, Cap Haitien und die westliche Stadt Saint-Marc angreifen zu wollen. Der Rebellenführer und ehemalige Polizeichef Guy Philippe sagte, die knapp eine Million Einwohner zählende Stadt sei bereits von allen Landwegen abgeschnitten.
  • Dagegen hat der haitianische Präsident Jean-Betrand Aristide dem Friedensplan für den Karibikstaat zugestimmt. Es werde wie vorgesehen eine neue Regierung und einen neuen Ministerpräsidenten geben, sagte Aristide nach einem zweistündigen Treffen mit der Vermittlungsdelegation in Port-au-Prince am 21. Feb. Er kündigte eine Entwaffnung der Rebellen und Neuwahlen an. Einzelheiten nannte er nicht. Die Opposition erklärte, sie bestehe auf Aristides Rücktritt. Aristide deutete an, seine Zustimmung sei auf die Zusage der Diplomaten zurückzuführen, mit dem Friedensplan eine sichere Umgebung für Wahlen zu schaffen. Der Plan stellt Anhängern und Gegnern Aristides ein Ultimatum, sich bis zum 23. Feb. auf die Bildung einer neuen, parteiübergreifenden Regierung unter einem neutralen Ministerpräsidenten zu einigen. Die Vermittler unter Führung des US-Diplomaten Roger Noriega wollten das Vorhaben auch der Opposition vorlegen.
  • Zwei Wochen nach Beginn ihres Aufstands sind die Rebellen in Haiti in die zweitgrößte Stadt des Landes vorgestoßen. Ihre bewaffneten Kämpfer drangen am 22. Feb. vom Süden kommend in Cap-Haitién ein. In den Außenbezirken waren Schießereien zu hören, später auch aus der Nähe des Stadtzentrums. Zahlreiche Einwoher ergriffen in Panik die Flucht. Über dem Flughafen stiegen Rauchwolken auf. Anhänger von Präsident Jean-Bertrand Aristide versuchten offenbar vergeblich, den Angriff der Rebellen mit brennenden Barrikaden zu stoppen. Die etwa 180 Polizisten der Hafenstadt hatten schon zuvor erklärt, dass sie sich nicht in der Lage sehen, die letzte Stellung der Regierung im Norden gegen einen Angriff zu behaupten. Nach unbestätigten Berichten stürmten die Angreifer eine der vier Polizeiwachen von Cap-Haitién und befreiten Häftlingen aus ihren Zellen.
  • Die Aufständischen in Haiti wollen in Kürze auch die Hauptstadt Port-au-Prince erstürmen. "Ich denke, in weniger als 15 Tagen werden wir ganz Haiti kontrollieren", sagte Rebellenführer Guy Philippe am Abend des 22. Feb. nach der Einnahme von Cap-Haitien, der zweitgrößten Stadt des Karibik-Staates. Rund zwei Wochen nach Beginn der Revolte gegen Präsident Jean-Bertrand Aristide kontrollieren die Rebellen bereits die Hälfte des Landes.
23. bis 29. Februar
  • Frankreich forderte am 23. Feb. seine Bürger am Montag auf, Haiti zu verlassen. Zwar sei zunächst nicht geplant, die 2.000 in Haiti lebenden Franzosen außer Landes zu bringen, sagte der französische Außenminister Dominique de Villepin dem Radiosender RMC-Info. Aber wer sich nicht aus wichtigen Gründen dort aufhalten müsse, solle das Land verlassen. Auch das Auswärtige Amt warnt dringend vor Reisen nach Haiti.
  • Die USA haben der haitianischen Opposition weitere 24 Stunden zur Annahme eines internationalen Friedensplans eingeräumt. Wie der haitianische Oppositionsführer Evans Paul am 23. Feb. in Port-au-Prince vor Journalisten bekannt gab, schlug US-Außenminister Colin Powell den Gegnern von Präsident Jean Bertrand Aristide vor, ihre offizielle Reaktion auf den Krisenplan bis auf Dienstag (23.00 Uhr MEZ) zu verschieben. Die von den internationalen Vermittlern gesetzte Frist endete ursprünglich am Montagnachmittag (Ortszeit; 23.00 MEZ).
  • Die Rebellen in Haiti haben eine weitere Stadt im Nordwesten des Karibikstaats eingenommen. Wie örtliche Radiosender am 24. Feb. berichteten, eroberten die Aufständischen die Stadt Port-de-Paix in der Nacht zum 24. Feb. (Ortszeit). Dort leben rund 120.000 Menschen. Reporter berichteten von Plünderungen und Bränden in der rund 300 Kilometer von Porte-au-Prince entfernten Stadt. Inzwischen kontrollieren die Aufständischen unter dem Kommando von Guy Philippe etwa die Hälfte des Landes.
  • Als Zugeständnis an die Opposition hat Haitis Präsident Jean Bertrand Aristide vorgeschlagen, die Parlamentswahl vorzuziehen. Die Wahl könne "vielleicht" bis November stattfinden, sagte der Präsident am 24. Feb. Der Karibikstaat hat seit vergangenem Jahr kein Parlament mehr. Nach Auslaufen der Legislaturperiode waren keine Neuwahlen zustande gekommen, weil sich die politischen Gruppierungen nicht auf die Einrichtung einer Wahlkommission verständigen konnten. Präsident Aristide regiert seitdem per Dekreten. Er bekräftigte seine Entschlossenheit, bis zum Ende seines Mandats im Februar 2006 im Amt zu bleiben. Zugleich rief er seine Mitbürger auf, das Land nicht zu verlassen, damit sie an der Wahl teilnehmen könnten. Er hoffe, dass die Opposition dem internationalen Friedensplan zustimmen werde.
  • Die haitianische Opposition hat Verhandlungen in Paris über die Beilegung der Krise abgelehnt. Angesichts der Lage in dem Karibikstaat komme eine Reise in die französische Hauptstadt "ungelegen", sagte Oppositionsvertreter Micha Gaillard am 25. Feb. Wenn sich eine Delegation auf den Weg mache, dann habe sie "privaten Charakter". Bislang gebe es aber keine offizielle Einladung seitens der französischen Regierung. Ein mögliches Treffen mit einem haitianischen Regierungsvertreter in Paris lehnte Gaillard dagegen entschieden ab.
  • Die USA wollen keine Flüchtlinge aus dem von schweren Unruhen erschütterten Karibikstaat Haiti aufnehmen. US-Präsident George W. Bush kündigte am 25. Feb. in Washington an, alle Flüchtlinge, die mit Booten versuchten, US-Gewässer zu erreichen, würden zurückgeschickt.
  • In der Dominikanischen Republik sind rund drei Dutzend haitianische Sicherheitskräfte aufgegriffen worden, die vor den vorrückenden Rebellen in ihrem Heimatland flohen. Die Polizisten sowie Mitarbeiter der Zoll- und Einwanderungsbehörden seien bereits in der vergangenen Woche aus dem Norden Haitis ins Nachbarland geflüchtet, teilten die Behörden am 25. Feb. mit. Sie seien festgenommen und in die haitianische Hauptstadt Port-au- Prince gebracht worden. Die geflohenen Polizeioffiziere sagten der Zeitung "El Caribe" (Ausgabe vom 25.02.2004), sie wollten sich in Port-au-Prince mit besseren Waffen ausstatten und die Stadt vor einem Vormarsch der Rebellen schützen.
  • Die Aufständischen, die große Teile Haitis kontrollieren, nahmen am 25. Feb. auch die Schildkröteninsel im Norden Haitis ein. Die Aufständischen plünderten das Polizeikommissariat der etwa 50.000 Einwohner zählenden Insel und setzten es anschließend in Brand. Die Polizisten durften sich vorher in Sicherheit bringen. Die Schildkröteninsel dient im Handel zwischen Haiti, den USA und den Bahamas als eine Art Drehscheibe.
  • Frankreich hat den unter starkem Druck der Opposition stehenden haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide indirekt zum Rücktritt aufgefordert. Der Präsident möge die "Konsequenzen" aus der "Sackgasse" ziehen, in der sich seine "bereits außerhalb der verfassungsmäßigen Gesetzlichkeit stehende" Regierung befinde, erklärte der französische Außenminister Dominique de Villepin am 25. Feb. in Paris. Es gehe darum, "ein neues Kapitel in der Geschichte Haitis aufzuschlagen".
  • Die bewaffneten Aufständische in Haiti wollen im Fall eines Rücktritts des von ihnen bekämpften Staatspräsidenten Jean Bertrand Aristide die Waffen niederlegen. Das sagte ihr Kommandeur, der aus dem Exil zurückgekehrte frühere Polizeikommissar Guy Philippe, am 25. Feb. in der von den Rebellen kontrollierten zweitgrößten haitianischen Stadt Cap Haďtien. Phillippe äußerte sich lobend zu den Äußerungen des französischen Außenministers Dominique de Villepin, der kurz zuvor indirekt Aristides Rücktritt gefordert hatte.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat am 25. Feb. die Gewalt und die Krise in Haiti in einer formalen Erklärung verurteilt. Gleichzeitig kritisierte der Rat die bewaffnete Opposition wegen ihrer Ablehnung des internationalen Friedensplans. Für den 26. Feb. wurde der UN-Sicherheitsrat zu einer öffentlichen Sondersitzung einberufen.
    Bei der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates zu Haiti am 26. Feb. hat die Gemeinschaft karibischer Staaten (CARICOM)die UNO aufgefordert, sofort eine Friedenstruppe zu entsenden. Die derzeitige Lage in dem Karibikstaat könne nicht länger als eine "interne Angelegenheit" betrachtet werden, sagte der jamaikanische Außenminister Keith Desmond Knight in New York. Die Welt dürfe nicht zusehen, wie das Land in die Anarchie abgleite. Es wurde erwartet, dass der Sicherheitsrat eine Erklärung verabschieden werde, in der er die Gewalt in Haiti verurteilt und Beratungen über eine Friedenstruppe ankündigt. Mit konkreten Beschlüssen wurde nicht gerechnet.
  • Der haitianische Außenminister Joseph Philippe Antonio ist am 26. Feb. in Paris eingetroffen. Er wolle am 27. Feb. seinen französischen Kollegen Dominique de Villepin treffen, teilte eine Sprecherin der Botschaft Haitis mit. Begleitet werde Antonio vom Kabinettschef des Präsidenten Jean-Bertrand Aristide, Jean-Claude Desgranges, und Kulturministerin Lilas Desquiron.
  • Die Aufständischen in Haiti haben am 26. Feb. die Kontrolle über die drittgrößte Stadt des Landes übernommen. Cayes sei in die Hände in der Rebellen gefallen, teilte die Polizei mit. In der Stadt leben 125.000 Menschen. Es ist die erste Stadt im Süden, die von der bewaffneten Opposition kontrolliert wird. Auch die zweitgrößte Stadt des Karibikstaates, Cap Haďtien, ist bereits in den Händen der Aufständischen. Nach ihren eigenen Angaben haben die Rebellen auch die Hauptstadt Port-au-Prince bereits umzingelt.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat am 26. Feb. einen Sonderbeauftragten für Haiti ernannt. Der 68-jährige Diplomat Reginald Dumas aus Trinidad und Tobago solle die Entwicklungen in dem Karibikstaat verfolgen und den Kontakt zu den Konfliktparteien halten, teilte ein Sprecher in New York mit. Der Generalsekretär hoffe, dass die UNO dadurch zu einer Beilegung des derzeitigen Konflikts beitragen könne.
  • US- Außenminister Colin Powell sagte am 26. Feb. in Washington, Aristide solle sorgfältig überlegen, ob er weiterhin Präsident bleiben könne.
  • Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sind am 27. Feb. mehrere Menschen ums Leben gekommen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, wurden dabei auch Geschäfte geplündert.
  • AP meldete am 27. Feb., Anhänger des umstrittenen Präsidenten Jean-Bertand Aristide hätten im Stadtzentrum brennende Barrikaden errichtet, würden plündern und hätten das einzige Krankenhaus der Stadt angegriffen, das seinen Betrieb noch nicht eingestellt hat. Nach Rundfunkberichten suchten die Aristide-Anhänger in der Privatklinik Canape Vert nach Oppositionellen. Gewehrsalven waren vereinzelt zu hören und drei Militärhubschrauber kreisten über dem Gebäude.
    "Wir rufen Präsident Aristide dringend auf, seine Anhänger zum Ende der Gewalt zu bewegen", hieß es in einer Erklärung der US-Botschaft vom 27. Feb., in der der Angriff auf die Klinik bestätigt wurde. Washington mahnte alle US-Bürger in Haiti, sich in Sicherheit zu bringen. UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte alle haitianischen Führer und Anwärter auf Regierungsämter, dass sie für jede Verletzung der internationalen Menschenrechte zur Verantwortung gezogen würden.
    Trotz der eskalierenden Situation wies Aristide jede Rücktrittsforderung zurück. In einem Interview mit dem Sender CNN sagte er: "Als gewählter Präsident habe ich die Verantwortung, hier zu bleiben." Er forderte erneut ein kleines Kontingent internationaler Soldaten, um den Vormarsch der Rebellen auf die Hauptstadt zu stoppen.
  • Trotz der unsicheren Lage hat die US-Küstenwache am 27. Feb. mehr als 500 haitianische Bootsflüchtlinge in ihre Heimat zurückgebracht. Es war die erste Massen-Repatriierung seit dem 5. Februar, dem Beginn der Rebellion gegen Präsident Jean-Bertrand Aristide. Die 537 Flüchtlinge - darunter auch Kleinkinder - wurden an einem Dock im Süden der Hauptstadt Port-au Prince an Land gebracht. Die meisten sagten, sie seien wegen Armut und Elend nach den USA aufgebrochen, nicht aus politischen Gründen. In den USA hatten Menschenrechtsgruppen und drei demokratische Senatoren vergeblich gefordert, den Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. Präsident George W. Bush hat zuvor erklärt, alle haitianischen Flüchtlinge würden zurückgeschickt.
  • Regierungstruppen haben die drittgrößte Stadt des Landes zurückerobert. Nach Polizeiangaben nahmen am 27. Feb. Gefolgsleute von Präsident Jean Bertrand Aristide die Stadt Cayes mit rund 125.000 Einwohnern ein, die einen Tag zuvor in die Hände der Rebellen gefallen war. Cayes liegt rund 200 Kilometer von Port-au-Prince entfernt.
    Insgesamt sollen am 27. Feb. fünf (andere Meldungen: sechs) Menschen bei den Auseinandersetzungen ums Leben gekommen sein.
  • Bei den Unruhen in Haiti sind in den letzten Tagen offenbar weitaus mehr Menschen ums Leben gekommen, als von amtlicher Seite bislang bekannt gegeben wurde. Der Arzt Ted Lazarre erklärte am 28. Feb., in die Leichenhalle des größten Krankenhauses von Port-au-Prince seien seit dem 27. Feb. bis zu 30 Tote gebracht worden. Zuvor war von sechs Todesopfern die Rede gewesen. dpa meldete am späten Abend des 28. Feb., an diesem Tag hätte es in Port-au-Prince 10 Tote gegeben.
  • Anhänger des haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide haben in der Hauptstadt Port-au-Prince einen privaten Rundfunksender angegriffen, der auf der Seite der Rebellen steht. Das Büro von Radio Vision 2000 sei in der Nacht zwei Mal mit Maschinengewehren beschossen worden, teilte der Radio-Chef Léopold Berlanger am 28. Feb. mit. Die Studios, technische Geräte und die Büros seien beschädigt worden. Der Betrieb sei daher vorerst ausgesetzt worden.
  • Die Lage in der von Rebellen belagerten haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince nimmt anarchische Züge an. Anhänger des Präsidenten raubten nach Berichten von Augenzeugen am 28. Feb. einen Fahrer der US-Botschaft und einen der französischen Botschaft aus. Der Fahrer der französischen Botschaft wurde außerdem zusammengeschlagen. Die Übergriffe auf Mitarbeiter ausländischer Institutionen haben in den letzten Tagen zugenommen, nachdem der französische Außenminister Dominique de Villepin und sein US-Kollege Colin Powell Aristide zum Rücktritt aufgefordert hatten.
  • Haitis Präsident Jean Bertrand Aristide hat angesichts der vorrückenden Rebellen dem internationalen Druck nachgegeben und am 29. Feb. sein Land fluchtartig verlassen. Wie Diplomaten in Port-au-Prince mitteilten, unterzeichnete Aristide seine Rücktrittserklärung und setzte sich in die benachbarten Dominikanische Republik ab.
    US-Präsident George W. Bush schickte unterdessen Marineinfanteristen nach Haiti. Die Soldaten sollen im Rahmen einer "internationalen Friedenstruppe" für Stabilität zu sorgen.
    Aristide erklärte zur Begründung, er wolle "ein Blutbad" verhindern, wie es in der von Regierungschef Yvon Neptune verlesenen Erklärung hieß. Ob Aristide in der Dominikanischen Republik bleiben würde, war zunächst unklar. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs Haitis, Boniface Alexandre, übernahm gemäß der Verfassung übergangsweise Aristides Posten.
  • Panama und Marokko wollen dem entmachteten haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide kein Asyl gewähren. "Es wird kein Asyl für Aristide geben", sagte der Sprecher des Außenministeriums am 29. Feb. in Panama-Stadt. In dem mittelamerikanischen Land fanden bereits zahlreiche lateinamerikanische Staatschef Unterschlupf; auch dem ehemaligen haitianischen Militärmachthaber Raoul Cedras war in Panama Asyl gewährt worden. Sollte Aristide in Marokko um Aufnahme bitten, werde diesem Anliegen keinesfalls stattgegeben, teilte das Außenministerium in Rabat mit. Marokko, Panama, Taiwan oder Südafrika galten unbestätigten Berichten zufolge als mögliche Zufluchtsorte für Aristide.
  • Die USA haben in einer ersten Stellungnahme die Vorgänge in Haiti begrüßt. Mit dem Verlassen seines Landes habe Staatschef Jean Bertrand Aristide "das Richtige getan" und im Interesse seines Volkes gehandelt, sagte ein ranghoher Vertreter der US-Regierung am 29. Feb. in Washington. Jetzt sei für alle Haitianer die Zeit gekommen, zusammenzuarbeiten und sich der Demokratie zu verpflichten.
  • Nach dem Rücktritt von Präsident Jean Bertrand Aristide haben sich die Rebellen angeblich bereit erklärt, ihre Waffen niederzulegen. Die Aufständischen unterstützten zudem die schnelle Entsendung einer internationalen Friedenstruppe, sagte Rebellenführer Guy Philippe am Sonntag, den 29. Feb. in Cap Haďtien der Nachrichtenagentur AFP. "Wir brauchen eine internationale Streitmacht, und wir hoffen, dass diese vor Dienstag oder Mittwoch kommt", fügte Philippe hinzu.
  • Panama hat angekündigt, dem ehemaligen haitianischen Präsidenten Jean Bertrad Aristide Asyl zu gewähren. Die Regierung komme damit einer Bitte der Vereinigten Staaten nach, teilte Außenminister Harmodio Arias am 29. Feb. in Panama-Stadt mit. Die Entscheidung sei nach einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Colin Powell gefallen.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat die Entsendung einer internationalen "Friedenstruppe" nach Haiti beschlossen. Die 15 Mitglieder stimmten am Abend des 29. Feb. einstimmig für eine Resolution, die einen Einsatz für bis zu drei Monate vorsieht. Die internationale Truppe soll dabei helfen, die Ordnung in dem krisengeschüttelten Karibikstaat wiederherzustellen. Nach Ablauf von 90 Tagen soll eine UN-Stabilisierungstruppe für weitere zwei Monate entsandt werden. UN-Generalsekretär Kofi Annan betonte in New York, die internationale Gemeinschaft stehe Haiti "in der Stunde der Not" bei.
  • Die ersten US-Marineinfanteristen sind laut Augenzeugen am späten Abend des 29. Feb. in Haiti eingetroffen. Die Elitesoldaten landeten am Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince, wie Augenzeugen berichteten.
  • Haitis zurückgetretener Präsident ist laut "New York Times" auf dem Weg in die Zentralafrikanische Republik. Das Blatt beruft sich in seiner Onlineausgabe auf einen amerikanischen Regierungsbeamten.


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