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Tödlicher Protest

Guatemalas Großgrundbesitzer wollen Wasserkraftwerk um jeden Preis bauen

Von Benjamin Beutler *

Die mittelamerikanischen Großgrundbesitzerfamilien haben ein neues einträgliches Geschäftsfeld entdeckt: Wasserkraftwerke.

In Guatemala ist der Widerstand gegen ein privates Wasserkraftprojekt erneut mit Gewalt niedergeschlagen worden. Bei einem Einsatz von über 1500 Sicherheitskräften gegen 160 Bauernfamilien sind lokalen Medienberichten zufolge in der vergangenen Woche drei Menschen ums Leben gekommen.

Die Indigenen-Gemeinde Monte Olivo rund 300 Kilometer nördlich von Guatemala-Stadt steht an der Spitze von Protesten gegen das Staudammprojekt »Hidroeléctrica Santa Rita« am Rio Icbolay. Wie die Tageszeitung »El Periodico« berichtete, wurden 50 Demonstranten bei der Räumung besetzten Landes von der Nationalpolizei verletzt und 30 Personen inhaftiert. Das Beobachtungszentrum für Indigene Völker sprach von einer »außergesetzlichen Hinrichtung der drei Gemeindeführer«. Für die »Invasion« seien Präsident Otto Pérez Molina, das Unternehmen Santa Rita S.A. und die Regionalregierung verantwortlich. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen forderten eine unabhängige Untersuchung. »Das erinnert uns an alte Kriegspraxis, die großen Unternehmer werden von Armee, Polizei und Todesschwadronen beschützt, nur dass diese sich jetzt als private Sicherheitsunternehmen tarnen«, so der Bauernverband »Comité de Unidad Campesina«. Für Pérez Molina zähle allein die Investorensicherheit.

Indigenen-Verbände gingen jetzt auf die Straße und errichteten Blockaden, nachdem die konservative Zentralregierung vor zwei Wochen eine Einigung mit Anwohnern verkündet hatte. Aus Regierungskreisen hieß es, bei der Polizeioperation sei es um die Verfolgung von Stromdieben gegangen.

Seit 2008 laufen die Planungen für das Wasserkraftwerk, der heftige Widerstand gegen den weiteren Ausverkauf von Land hat das 66-Millionen-Dollar-Vorhaben aber verzögert. An zwei Staustufen sollen hier zwei Zwölf-Megawatt-Turbinen Strom produzieren. Bei der angepeilten Jahresleistung könnten gut 52 000 Tonnen CO2 eingespart werden. Die Betreiber hoffen, dafür handelbare Klimaschutzzertifikate zu erhalten, und haben sich deshalb beim UN-Klimasekretariat in Bonn um Teilnahme am »Mechanismus für saubere Entwicklung« (CDM) beworben.

Guatemalas alte Großgrundbesitzer-Familien, die sich in dem bitterarmen Ex-Bürgerkriegsland das knappe fruchtbare Land gesichert haben, haben »grünen« Strom als neues Geschäftsfeld entdeckt und mischen heute auf internationalen CO2-Börsen mit. Hinter dem Staudammprojekt Rio Icbolay steckt das Unternehmen Energía Limpia de Guatemala, das mit der Grupo Terra de Honduras der Unternehmerfamilie Facussé verknüpft ist. Diese soll im Nachbarland im Kampf um Land gegen Indigene und Bauern wiederholt auf Gewalt und Auftragsmord zurückgegriffen haben.

In Guatemala gab es schon früher Tote bei Protesten gegen Wasserkraftprojekte: Vor einem Jahr wurden zwei Kinder aus Monte Olivo von Söldnern »versehentlich« getötet – der Anschlag galt einem prominenten Staudammgegner. 2012 erschoss das Sicherheitspersonal des Kraftwerks »Hidro Santa Cruz« einen Demonstranten. Die Nichtregierungsorganisation »Carbon Market Watch« hat unter Verweis auf den heftigen Widerstand in Monte Olivo ein Protestschreiben an den CDM-Ausschuss der UNO gerichtet. Doch dessen Chef Rajesh Sethi wies die Kritik zurück: »Die Regierung von Guatemala hat dem Aufsichtsrat versichert, dass die Vor-Ort-Konsultationen eingehalten wurden.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 20. August 2014


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