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Das "schreckliche" Atom-U-Boot

Kritik von links an der neuen Kernwaffenstrategie Frankreichs, die Präsident Sarkozy vorgestellt hat

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Frankreich werde seine Atomwaffenstrategie ändern, das Arsenal reduzieren und neue Abrüstungsinitiativen ergreifen -- so Staatspräsident Nicolas Sarkozy, als am Freitag (21. März) in Cherbourg das neue Atom-U-Boot »Le Terrible« (Der Schreckliche) getauft wurde.

»Im Grunde hat sich die atomare Abschreckungspolitik Frankreichs seit den 1960er Jahren kaum geändert«, analysierte die Pariser Tageszeitung »Le Monde« am Wochenende nach der Grundsatzrede des Präsidenten. Dabei wollte Sarkozy ausreichend vage bleiben, um potenzielle Feinde im Zweifel zu lassen. »Die Abschreckung dient dazu, den Angriff eines Staates abzuwehren, nicht den einer Terrorgruppe«, meint das Blatt allerdings.

Nukleare Abschreckung sei »keine Frage des Prestiges, sondern eine Art Lebensversicherung«, betonte Sarkozy. Frankreich sehe sich zwar keiner unmittelbaren Invasionsgefahr ausgesetzt, doch es existierten andere Bedrohungen. »Selbst aus fernen Ländern können Raketen Europa in weniger als einer halben Stunde erreichen«, so der Präsident. »Der Iran erweitert die Reichweite seiner Raketen, während ein schwerer Verdacht auf seinem Atomprogramm lastet. Die Sicherheit Europas steht auf dem Spiel.«

Überhaupt sei die Welt instabiler und weniger vorhersehbar als früher. »Der Massenterrorismus hat uns gezeigt, dass wir heute mit neuen Mächten und neuen Bedrohungen konfrontiert sind.« Die französische »Force de frappe« sei in diesem Zusammenhang ein »Schlüsselelement« der europäischen Verteidigung. Frankreich werde seine Kernwaffen jedoch nur zur Selbstverteidigung gemäß der UN-Charta einsetzen. »All jene, die unsere vitalen Interessen bedrohen, müssen mit einer energischen Reaktion rechnen«, mahnte Nicolas Sarkozy. Mit diesem Verweis auf die nie näher präzisierten »Interessen« Frankreichs bewegt sich Sarkozy auf der noch von General de Gaulle vorgezeichneten Linie. Er bleibt damit jedoch deutlich hinter seinem Amtsvorgänger Jacques Chirac zurück, der im Januar 2006 in einer im In- und Ausland viel kritisierten Rede auch jenen Staaten mit einem präventiven Atomschlag gedroht hat, die Terroranschläge gegen Frankreich unterstützen.

Wie Sarkozy ankündigte, werde man das Arsenal luftgestützter Atomsprengköpfe um ein Drittel verringern. Damit reduziere sich die Zahl der Sprengköpfe auf weniger als 300, wobei der Großteil auf Atom-U-Booten stationiert ist. »Das ist nur noch die Hälfte dessen, was Frankreich in den Jahren des Kalten Krieges einsatzbereit gehalten hat«, präzisierte Sarkozy, der aber nicht konkret gesagt hat, über wie viele Atomsprengköpfe Frankreich heute verfügt. Auch das Verteidigungsministerium verweigert jede Auskunft über diese als Staatsgeheimnis behandelte Zahl, doch die Föderation Amerikanischer Wissenschaftler, die Atomwaffenarsenale weltweit beobachtet, geht in ihrem Zustandsbericht für 2008 von 348 französischen Sprengköpfen aus.

Zugleich rief Sarkozy die USA und China auf, den 1996 unterzeichneten Vertrag über das Verbot von Atomversuchen zu ratifizieren, und forderte, weltweit die entsprechenden Versuchsanlagen abzubauen. Dieser Vertrag war seinerzeit erst zustande gekommen, nachdem 1995 Frankreichs gerade gewählter Präsident Chirac trotz weltweiter Proteste eine letzte Serie von unterirdischen Atombombentests im Pazifikraum hatte durchführen lassen. Nun hob Sarkozy hervor, dass Frankreich der einzige Staat sei, der den Vertrag über das Verbot der Atomversuche voll umgesetzt habe und sich bei der Erprobung neuer Atomwaffengenerationen auf Computersimulationen beschränkt. Der Präsident rief zu einem sofortigen Moratorium für die Produktion von spaltbarem Material und zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Verbot von Boden-Boden-Mittel- und Langstreckenraketen auf. Frankreich hat seine Stellungen für interkontinentale Raketen auf dem Plateau d'Albion schon vor zehn Jahren abgebaut.

Der luftgestützte Teil der Atomstreitmacht des Landes wird nun von bisher 60 Mirage 2000 auf 40 Rafale-Jagdbomber umgestellt. Die Flotte von Atom-U-Booten, von denen immer zwei einsatzbereit auf den Weltmeeren kreuzen, wird 2010 durch das jetzt getaufte »Terrible«-Boot ergänzt. Es ist das vierte und letzte der mit fast 14 000 Tonnen Wasserverdrängung größten U-Boot-Klasse. Als erstes verfügt es über 16 Rohre für Raketen des neuen Typs M 51, die eine Reichweite von 8000 Kilometern haben und damit von See aus praktisch jeden Punkt des Erdballs erreichen können.

Die Kommunistische Partei hat in einer Erklärung zur Rede von Präsident Sarkozy kritisiert, dass zwar einerseits Abrüstungsinitiativen angekündigt, andererseits aber die eigenen Waffensysteme perfektioniert werden. Vor allem wendet sich die FKP gegen jeglichen Versuch einer »Europäisierung der nuklearen Abschreckung«. Statt dessen werden eine echte französische und europäische Politik der kollektiven Sicherheit und die Lösung von Konflikten ausschließlich auf politischem Wege sowie eine effektive Abrüstung aller Arten von Massenvernichtungswaffen angemahnt.

* Aus: Neues Deutschland, 26. März 2008


Zu den Raketen des neuen Typs M 51, die in dem obigen Artikel angesprochen wurden, gab die französische Friedensbewegung "Mouvement de la Paix" zu Ostern eine Erklärung und einen Brief an den französischen Präsidenten heraus, die wir im Folgenden dokumentieren (englisch und französisch).

Mr. President,
(copy to the Prime Minister)


I have come to learn that in the coming days, France will conduct a new launch test of the future missile M51 at the Test Center and Launch of Land Missiles at Biscarosse. We ask you to stop this new test which constitutes as a violation of the Non-proliferation Treaty, signed by France and 186 other states.

At a time where the international community is acting to limit nuclear proliferation in new states, France is losing its credibility by authorizing what it forbids to others.

Going through with this test would be a serious mistake committed by France. It would add to the instability of our planet, which is already very much in danger due to the existence of 27,000 nuclear warheads.

I ask you to suspend the M51 missile program and to take the initiative to committ to the international process of nuclear disarmament while following the elimination convention model of nuclear arms proposed by the UN.

The billions of euros being used for the M51 Program could be saved for State funding for a real disarmament policy, the fulfillment of social needs, and development aide.

An expression of my respectful greetings,
Yours sincerely, Mr. President,
Pierre Villard
Co-president of Le Mouvement de la Paix
coodinator of the Campaign for Nuclear Disarmament (french coalition)



Nicolas le terrible viole le Traité de non-prolifération

« En testant un nouveau missile et en mettant à l'eau son dernier sous-marin, la France viole une fois encore le Traité de non-prolifération » s'indigne Pierre Villard co-président du Mouvement de la Paix, coordinateur de la Campagne pour le Désarmement Nucléaire.

« Pendant combien de temps encore les puissances nucléaires continueront-elles à bafouer impunément la loi internationale? ». C'est la question que l'on peut légitimement se poser au moment où l'une d'elle, la France, s'apprête à tester pour la troisième fois le nouveau missile M51 et à mettre à l'eau, en grande pompe par le président de la République lui-même, son dernier sous-marin nucléaire lanceur d'engins (SNLE-NG).

Ce test et cette mise à l'eau constituent autant de provocations au moment où la communauté internationale est concrètement confrontée aux risques de prolifération. « Comment être crédible face à l'Iran ou à d'autres puissances dites du seuil (capable techniquement d'accéder à la fabrication de la bombe)? Comment prétendre montrer la voie quand on ne respecte pas les engagements internationaux? »

« Ce petit jeu est autant illégal que suicidaire » poursuit Pierre Villard. « L'intelligence réclame que tous oeuvrent au désarmement ». « Les 15 milliards d'euros du programme M51 seraient bien plus utiles à une vraie politique du désarmement, la satisfaction des besoins sociaux et l'aide au développement » comme écrit dans le texte de la cyber-action que la Campagne pour le Désarmement Nucléaire propose comme action immédiate (voir le site www.mvtpaix.org).

Alors qu'une commission peu représentative de la société française planche depuis plusieurs mois sur un Livre blanc destiné à éclairer la prochaine loi de programme militaire, ce tir et cette mise à l'eau confirment que rien ne change dans la conception exclusivement militaire de la sécurité. Pendant ce temps le monde change et de plus en plus de voix s'élèvent pour exhorter les Etats nucléaires à ce débarrasser de leurs 27 000 armes atomiques qui ne correspondent plus au enjeux du 21ème siècle mais continuent de mettre la Planète en danger.

Le Mouvement de la Paix qui a recueilli plus de 20 000 participations à sa consultation nationale par votation citoyenne concernant les armes nucléaires et les dépenses militaires demande au gouvernement d'abandonner le programme de missiles M51, de respecter les engagements du TNP - notamment son article 6, et de soutenir le modèle de convention d'élimination des armes nucléaires déposé à l'Onu. Une délégation de trente personnes de l'association participera aux travaux du prochain comité préparatoire au TNP à Genève du 28 avril au 9 mai prochain.

« Dans l'immédiat, nous invitons les citoyens à se faire entendre en participant à une cyber-action en direction du président de la République et du Premier ministre ». Toutes les informations sur www.mvtpaix.org. Cette action est complémentaire des inspections citoyennes du Centre d'essai des Landes qui ont retardé le dernier tir d'essai au mois de juin dernier et sont soutenues par le Collectif Non au missile M51 dont fait partie le Mouvement de la Paix.

Quelle: Website des Mouvement de la Paix; www.mvtpaix.org/


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