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Peking: "Separatismus ist Unglück, Stabilität ist Glück" - Dalai Lama: "Wendet keine Gewalt an"

Wirtschaftliche und soziale Hintergründe der Tibet-Unruhen - Hindernisse zum Dialog - Zur Rolle des Gott-Königs

Die Unruhen in der chinesischen Provinz Tibet beschäftigen uns weiter - bis zu den Olympischen Spielen im Sommer d.J. wird das Thema auf der Agende der veröffentlichten Meinung bleiben, weitere innere Probleme des chinesischen Staates werden auf dem globalen Jahrmarkt der Bewusstseinsindutrie zu Schleuderpreisen gehandelt. Zu allen Berichten aus und über China empfehlen wir zu berücksichtigen, was wir in der Vorbemerkung zu unserem ersten Tibet-Bericht geschrieben haben: Prüfen - nicht spekulieren!
Die beiden ersten Berichte auf dieser Seite beziehen sich auf das aktuelle Geschehen, der dritte Artikel über den "Gott-König" ist bereits im September letzten Jahres erschienen. Er liegt völlig quer zu den gängigen Dalai-Lama-Verehrungen.



Tibet aktuell: Dalai Lama will zurücktreten

In der tibetischen Hauptstadt Lhasa blieb – so Bewohner – am Dienstag (18. März) »alles ruhig«. Die Vermutungen von Exiltibetern, es könne nach Ablauf des staatlichen Ultimatums an die »Aufrührer«, sich zu stellen, zu Übergriffen von Sicherheitskräften kommen, bewahrheiteten sich offensichtlich nicht. Dagegen meldete sich erneut der Dalai Lama als »geistlicher und politischer Führer Tibets« in seinem indischen Exilort Dharamsala zu Wort. Falls es zukünftig zu »exzessiver Gewalt« kommen würde, müßte er von seinem »weltlichen Amt« als Sprecher der »tibetischen Exilregierung« zurücktreten. Sein Berater Tenzin Takhla begründete dies damit, daß der Dalai Lama dem »Prinzip der Gewaltfreiheit verpflichtet« sei. Doch würde er natürlich »immer der Dalai Lama bleiben«.

Der buddhistische Geistliche selbst rief sowohl zur »Mäßigung« als auch zu weiteren »friedlichen Protesten« auf. »Ich sage zu China und den Tibetern: Wendet keine Gewalt an.« Es gehe darum, sich gegen die chinesische Politik zu stellen, nicht aber gegen die Chinesen. »Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen zusammen Seite an Seite leben«, erklärte der 72jährige, der mit bürgerlichem Namen Tenzin Gyatso heißt und der als Zweijähriger 1937 zum geistlichen Oberhaupt der Tibeter ernannt worden war.

Die Vorwürfe Pekings auch an seine Adresse wies der Religionsführer zurück. Die Regierung solle »der Weltöffentlichkeit Beweise« für seine Verwicklung in die Proteste vorlegen. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hatte den Dalai Lama und seine Anhänger für die Ausschreitungen bei den Protesten verantwortlich gemacht. Die Unruhen hätten schwere Verluste an Menschenleben und Eigentum verursacht, erklärte Wen vor Journalisten (siehe auch Bericht aus Peking auf dieser Seite). Der Premier lehnte erneut einen Dialog mit dem Dalai Lama ab. Dessen Gesprächsangebote seien »nichts als Lügen«. Wen sprach sich zudem gegen eine weitere »Politisierung« der Olympischen Spiele aus.(AFP/AP/jW)

(junge Welt, 19. März 2008)


In Lhasa nach der Schlacht

Unruhen hatten auch wirtschaftliche Gründe **

Vier Tage nach gewaltsamen Ausschreitungen in Lhasa kehrt in der tibetischen Hauptstadt wieder Normalität ein. Es werde aufgeräumt, viele Leute seien auf der Straße zu sehen. Wo sich aber Ansammlungen bildeten, würden die Menschen sofort von der Polizei aufgefordert weiterzugehen, berichten Korrespondenten.

Truppen patrouillieren durch die Straßen Lhasas. »Es ist ein gewaltiger Aufmarsch«, gab der Korrespondent Georg Blume am Dienstag (18. März) der Deutschen Presse-Agentur dpa einen telefonischen Lagebericht. Sicherheitskräfte trügen Maschinenpistolen, auf Dächern seien Geschütze aufgebaut.

Erstmals wurde am Dienstag (18. März) der Platz vor dem Jokhang-Tempel im Herzen der Stadt wieder freigegeben. Am Rande stand ein Panzerwagen mit aufmontiertem Geschütz und einem Plakat: »Separatismus ist Unglück, Stabilität ist Glück.« Wie Blume berichtete, ist die Stadt übersät mit Bannern wie »Ethnische Gruppen vereinigt euch, lasst uns gemeinsam gegen die kriminellen Akte des Dalai Lama kämpfen.«

Dem Dalai Lama hatte Chinas Regierungschef Wen Jiabao vorgeworfen, die Unruhen in Lhasa und anderen Städten angestiftet zu haben. Die Regierung habe dafür »zahlreiche Beweise«. Wen sagte jedoch auch: »Wenn der Dalai Lama akzeptiert, dass Tibet ein unveräußerlicher Teil Chinas ist wie Taiwan, dann ist unsere Tür weit offen für einen Dialog mit ihm.«

In seinem Exilort Dharamsala rief der Geistliche die Tibeter indes erneut zu Gewaltverzicht und »guten Beziehungen« zu China auf. Tibeter und Chinesen müssten »Seite an Seite leben«. Allerdings sei er nicht in der Position, den unter chinesischer Herrschaft lebenden Tibetern zu sagen, was sie tun sollten. »Diese Bewegung ist außerhalb unserer Kontrolle«, behauptete er und erwog für den Fall einer weiteren Eskalation der Gewalt sogar seinen Rücktritt.

In Lhasa machte Georg Blume vor allem Diskriminierung, wirtschaftliche Nöte und massive Preissteigerungen als Ursachen der Unruhen aus. »Die jungen Tibeter fühlen sich schlecht behandelt und chancenlos.« Die Preise für Nahrungsmittel, aber auch für Textilien seien drastisch gestiegen. Tatsächlich bezeichnete auch Premier Wen Jiabao zum Abschluss der Tagung des Volkskongresses in Peking die hohe Inflation als »größte Sorge« des Volkes. Wegen steigender Verbraucherpreise und rasanten Wachstums könnte China das »schwerste Jahr« bevorstehen. Im Februar waren die Preise mit 8,7 Prozent so schnell gestiegen wie seit elf Jahren nicht. Zudem stehe das Land vor dem Problem, jährlich zehn Millionen Arbeitsplätze schaffen zu müssen.

Dass weniger religiöse Motive hinter dem tibetischen Aufstand stehen, erfuhr Blume in Lhasa auch von älteren Tibetern, die sich kritisch über die Proteste äußerten und besorgt über die Folgen sind. »Wir verehren den Dalai Lama, aber auch Gott kann uns nicht mehr helfen«, habe einer gesagt. Viele befürchteten Festnahmen. Wenn Sicherheitskräfte anrollten, ließen sie schnell die Läden ihrer Geschäfte herunter. Im Fernsehen liefen Fahndungsfotos, die Bevölkerung werde aufgefordert, Unruhestifter anzuzeigen.

Die in Lhasa lebenden Chinesen hätten sich über die Verärgerung der Tibeter gewundert, weil sie annahmen, dass auch sie vom wirtschaftlichen Aufschwung und den Finanzspritzen aus Peking profitierten, berichtete Blume. Die Wut habe sich ausschließlich gegen Chinesen entladen, denen vorgeworfen werde, dass sie an der Inflation verdienen. »Es sind nur die chinesischen Läden kaputt«, beobachtete der Korrespondent. Hotels, Märkte und Geschäfte seien ausgebrannt. Auf einer kilometerlangen Straße seien alle Geschäfte zerstört. »Dahinter steckte eine ungeheure Gewalt.«

** Aus: Neues Deutschland, 19. März 2008



M e i n u n g

Gott-König im Exil

Der Dalai Lama ist ein reaktionärer Feudalherr und gewaltbereiter Rassist. Doch im Westen wird der China-Kritiker gefeiert

Von Rainer Rupp ***

Tenzing Gyatso, so sein bürgerlicher Name, weilt wieder in Deutschland und wird bejubelt. Scheinbar alle wollen den Dalai Lama sehen, den »Botschafter des Friedens und der Toleranz«, wie er fälschlicherweise von seinen Förderern und Anhängern genannt wird. Denn der »Gott-König« - und nichts anderes bedeutet »Dalai Lama« - ist nicht der »kleine unbedeutende Mönch«, als der er sich in gespielter Bescheidenheit gerne ausgibt, sondern ein knallharter Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Interessen seiner feudalistischen Klasse. Der in der Öffentlichkeit stets mild lächelnde Dalai Lama ist kein »Friede-sei-mit-Euch«-Guru aus einem kalifornischen Aschram, auch wenn er sich selbst als »Ozean der Weisheit« bezeichnet, sondern hinter seinem ständigen Grinsen versteckt sich das eiskalte Kalkül eines rigorosen Machtpolitikers. Denn der von Angela Merkel am Sonntag (23. September 2007) im Kanzleramt empfangene 14. Dalai Lama ist nicht nur ein Feudalherr im Exil, sondern auch ein Rassist, und er ist weder tolerant noch friedliebend.

Der Dalai Lama unterscheidet sich durch nichts von anderen, nicht demokratisch gewählten Monarchen und absolutistisch regierenden Feudalherren, die in verschiedenen Regionen der Welt auch heute noch ihre Untertanen ausbeuten. Trotz seiner, im ersten Teil seines Titels suggerierten Nähe zu Gott ist der Dalai Lama vor allem König und folglich ein Politiker. Da bleibt nur die Frage, was für ein Politiker ist er? Zu den aufgeklärten Monarchen gehört er jedenfalls nicht, denn er kämpft für die Wiedereinführung der Privilegien seiner Klasse in Tibet, zu der auch die Sklavenhalterei und Leibeigenschaft gehörte. Bevor er 1959 nach einem blutigen, gegen die sozialistischen Veränderungen im Land gerichteten Umsturzversuch aus Tibet geflohen war, besaß allein die Familie des Dalai Lama über 3000 Sklaven.

Von interessierten westlichen Kreisen wird der Dalai Lama gerne als »einfacher Mönch« und »spirituelle Persönlichkeit« präsentiert, der ganz im Geiste Gandhis der angeblich »völkerrechtswidrigen chinesischen Besatzung Tibets« einen resoluten, passiven friedlichen Widerstand entgegensetzt. Dafür wurde er von dem von Westinteressen dominierten Nobel-Komitee auch 1989 mit dem »Friedenspreis« ausgezeichnet, obwohl der Dalai Lama genau das Gegenteil eines Pazifisten ist und in der Vergangenheit auch nicht vor Mord und Totschlag zurückgeschreckt ist, um seine Interessen durchzusetzen. Heute hat man passenderweise vergessen, daß »Seine Heiligkeit« ein Anstifter und Aufhetzer des blutigen Aufstandes von 1959 gegen die halbautonome Regierung von Tibet war, weil die sich daran gemacht hatte, sozialistische Reformen im Land einzuführen. Tausende von fortschrittlichen Tibetern kamen damals bei den Gemetzeln der reaktionären Ultras ums Leben, bis schließlich die Volksbefreiungsarmee eingriff und dem Spuk ein Ende setzte. Die feudalistischen Lamas, mit dem Dalai an ihrer Spitze, flohen mit ihren Anhängern unter Mitnahmen des nicht unbedeutenden nationalen Goldschatzes ins indische Exil. Erst danach entstand die Mär von der chinesischen Besatzung Tibets und vom Dalai Lama, der als »friedfertiger Mönch« der mit den gewaltfreien Mitteln Gandhis dagegen kämpft.

Daran, daß die Zentralregierung Chinas seit mehr als 700 Jahren ununterbrochen auch die Souveränität über die Provinz Tibet gehabt hat und Tibet zu keinem Zeitpunkt ein unabhängiger Staat war, besteht kein Zweifel Millionen von historischen tibetischen und chinesischen Dokumenten in Peking, Nanking und Lhasa belegen das. Keine Regierung der Welt hat je Tibet als unabhängigen Staat anerkannt. Auch in einer Anweisung des britischen Außenministers Lord Lansdowne aus dem Jahre 1904 heißt es, daß Tibet »eine Provinz des chinesischen Reiches ist«.

Und in einer Rede im Jahre 1954 sagte der indische Premierminister Jawaharlal Nehru: »Soweit ich weiß, hat seit Jahrhunderten kein fremdes Land Chinas Souveränität über Tibet je in Frage gestellt.« Genau das aber tun die Westmächte mit ihrer anhaltenden Unterstützung der tibetanischen »Exilregierung« und deren Anführer, des Dalai Lama. Denn nach dem Sieg der kommunistischen Revolution in China 1949 hatten die Westmächte, allen voran die USA, in Asien ein zweites »Reich des Bösen« heranwachsen gesehen. Deshalb taten sie alles, um das neue China zu schwächen, wozu auch die politische und militärische Unterstützung der gewaltbereiten Separatisten in Tibet gehörte.

Inzwischen kämpft der Dalai Lama mit rabiater Intoleranz gegen eine Gruppe innerhalb der Exil-Tibeter, die sich dem Orakel-Gott »Schugden« zuwenden und ihm opfern, von dem sich aber der Dalai Lama persönlich bedroht fühlt. Die Schugden-Anhänger wurden zu »Volksfeinden« erklärt, Listen mit Namen und Fotos der »Volksfeinde« und ihrer Kinder wurden aufgehängt. Die Hexenjagd innerhalb der Exilgemeinde gegen die Schugden-Anhänger soll sogar Todesdrohungen beinhaltet haben. Der Dalai Lama ist jedoch nicht nur ein intoleranter, gewaltbereiter Feudalherr und politischer Hasardeur, sondern auch ein Rassist. Als solcher hatte er sich vor Jahren auf seiner Webseite im Internet geoutet, auf der seine Landleute in Tibet vor der rassistischen Durchmischung mit den zugezogenen Han-Chinesen gewarnt wurden. Offensichtlich soll die tibetanische Rasse rein bleiben. Als solche Forderungen von den weißen Rassisten in Südafrika gestellt wurden, erhob sich weltweit ein Aufschrei der Empörung. Beim tibetanischen Gott-König sieht man geflissentlich darüber hinweg. Der Menschenrechtsdialog ist allein Peking vorbehalten.

*** Aus: junge Welt, 24. September 2007


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