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Geteilt und beherrscht

Afrikanische Union plant Freihandelszone bis 2017, scheitert aber an der Wahl des Vorsitzenden

Von Christian Selz, Kapstadt *

Die Afrikanische Union schafft es nicht, einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Nun soll bis zur nächsten Tagung der AU im Juni eine Lösung gefunden werden. Die 15 Mitgliedsstaaten der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC), deren Vertreter sich am vergangenen Wochenende in Kapstadt trafen, favorisieren die Südafrikanerin Nkosazana Dlamini-Zuma. Das hatten sie bereits vor dem 18. AU-Gipfeltreffen Ende Januar in Addis Abeba getan, dennoch fiel Dlamini-Zuma, die die erste Frau und erste Südafrikanerin an der Spitze der Kontinentalgemeinschaft wäre, nach drei Wahlgängen durch. Weil auch Amtsinhaber Jean Ping aus Gabun im vierten Wahlgang nicht auf die vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit gekommen war, mußte die Abstimmung bis Juni vertagt werden.

Es gilt als unwahrscheinlich, daß die Chancen der südafrikanischen Innenministerin und Exfrau von Präsident Jacob Zuma bis dahin wesentlich steigen. Dabei bekommt sie von politischen Analysten Bestnoten, die Medien feiern sie für die Reform ihrer Behörde. »Frau Dlamini-Zuma ist eine exzellente Kandidatin«, zitierte etwa die Zeitung Business Day den Chef des südafrikanischen Think-tanks »Institute for Security Studies«, Jakkie Cilliers. »Sie würden Schwierigkeiten haben, jemanden von ihrer Statur im südlichen Afrika zu finden.« Konkurrent Ping hingegen ist ein zurückhaltender Technokrat ohne wahrnehmbares Profil, die Ergebnisse seiner AU-Führung sind ernüchternd. Seit Jahren bleiben Hunderte Stellen in der Verwaltung unbesetzt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr schaffte es die Staatengemeinschaft nicht einmal, die Hälfte ihres Budgets zu verwenden, während sie zu Konflikten und westlichen Einmischungen auf dem Kontinent schwieg.

Doch genau darin, so scheint es, liegt Pings großer Trumpf. Petroria gilt als Vorreiter einer afrikanistischen Agenda, für die Einheit des Kontinents, die politische Selbstbestimmung seiner Staaten und gegen westliche Einmischung. Deutlich sperrten sich die Südafrikaner gegen die von Frankreich forcierte Absetzung Laurent Gbagbos als Präsident der Elfenbeinküste, laut kritisierten sie die NATO-Bombardierung Libyens. Genutzt haben die Proteste wenig, und die politischen Nutznießer der Umstürze sind als Wegbereiter eines südafrikanischen AU-Vorsitzes auszuschließen. Deren direkte Unterstützer, die einstigen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, haben noch immer starken Einfluß auf dem Kontinent. Und die jüngsten Beispiele in dessen Norden und Westen haben den Staatschefs noch einmal deutlich gezeigt, wessen Unterstützung wichtig ist.

Für Francis Kornegay vom außenpolitischen Institute for Global Dialogue in Pretoria sind die sogenannten Gentle­men’s Agreements und die Vorherrschaft der kleinen und somit leicht beeinflußbaren Staaten in der AU sogar ein »Beweis dafür, daß Afrika nie entkolonialisiert worden ist«.

Dazu kommen verwirrende Eitelkeiten wie im Fall der Nigerianer, die sich von Südafrika zu spät über die Kandidatur informiert fühlten, oder unbedeutende Wirtschaftsscharmützel wie mit Kenia, das sich an erhöhten Importzöllen für Brauereierzeugnisse des Nachbars Südsudan stößt, kurz nachdem dort eine Brauerei des südafrikanischen Konzerns SAB eröffnete. Die Umsetzung der wieder nur vage in das Abschlußdokument des AU-Gipfels aufgenommenen Erklärung, bis 2017 eine Freihandelszone für ganz Afrika einführen zu wollen, ist unter diesen Voraussetzungen völlig utopisch. Noch immer mangelt es dem Kontinent an einer staatenübergreifenden Infrastruktur, um überhaupt eine nennenswerte Industrie anzukurbeln, deren Erzeugnisse dann innerafrikanisch gehandelt werden könnten. Bleibt es bei der Aufsplitterung, wird den Ländern des Kontinents auch künftig kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als billig Rohstoffe zu exportieren – ganz im Sinne der einstigen Herrscher.

* Aus: junge Welt, 16. Februar 2012

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