Friedensbewegung fordert Truppenabzug aus Afghanistan
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Ernüchterung nach der Scheinwahl in Afghanistan:
- Ein erster Ausweg aus der Sackgasse: Beendigung der Besatzung!
- Friedensbewegung fordert sofortigen Abzug der Bundeswehr, nicht nur der
Tornados
Kassel/Hamburg, 20. September 2010 - Angesichts der desolaten Lage
Afghanistans nach der "Wahl" erklären Seitens der Friedensbewegung die
Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten
Stellungnahme:
Nach den Wahlen in Afghanistan am vergangenen Samstag hüllt sich selbst
die offizielle Politik in Berlin in beredtes Schweigen: Lediglich die
Vuvuzela des Auswärtigen Amts, Minister Westerwelle, verkündet wider
besseren Wissens, die Wahlen seien ein "bemerkenswerter Schritt auf dem
Weg zur Demokratie", die Wahlbeteiligung sei höher als bei der letzten
Wahl und die Hoffnung liege jetzt bei der Wahlkommission, die
"Verdachtsfällen von Wahlbetrug konsequent nachgehen und, wo nötig,
entsprechende Korrekturen veranlassen" müsse (Erklärung Westerwelles am
19.09.10). Unabhängige Beobachter sprechen dagegen davon, dass die
Wahlbeteiligung gegenüber der letzten Parlamentswahl vor 5 Jahren um
rund drei Millionen Stimmen geringer ausgefallen sei: Sie sank nach
offiziellen Angaben von 54 Prozent auf etwa 40 Prozent. Überdies war die
Sicherheitslage im ganzen Land desaströs und es muss von zahlreichen
Unregelmäßigkeiten ausgegangen werden. Dass die afghanischen
Wahlinstitutionen hier "Korrekturen" vornehmen können, wie Westerwelle
vorschlägt, ist natürlich möglich: Dies gelang ja auch schon bei der
Präsidentenwahl 2009, wodurch dem korrupten Amtsinhaber Hamid Karzai
eine weitere Amtszeit beschert wurde. Mit Demokratie hat das aber nichts
zu tun.
Experten verschiedener außenpolitischer Think Tanks der USA sprechen
mittlerweile davon, dass der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen und
daher so schnell wie möglich beendet werden müsse. Planspiele des
Council on Foreign Relations (CFR), der "Afghanistan Study Group" oder
der New America Foundation legen den USA einen radikalen
Strategiewechsel in Afghanistan nahe. So könnte etwa der paschtunische
Süden ganz den Taliban überlassen werden - was auf eine Teilung des
Landes hinaus liefe -, man könne sich auch mit den Aufständischen darauf
einigen, Al Kaida nicht mehr im Land zu dulden. Die Afghanistan Study
Group geht davon aus, dass ein militärischer Sieg nicht nötig sei, um
dennoch amerikanische Interessen in Afghanistan zu schützen. Nach
neuesten Umfragen in den USA ist mittlerweile eine Mehrheit von 58
Prozent gegen die Fortsetzung des Krieges am Hindukusch.
Die USA, die NATO und die Bundesregierung stehen letztlich vor der
Entscheidung: Abzug sofort und den Dingen in Afghanistan ihren Lauf
lassen - oder weiter kämpfen, töten und sterben, um später doch zum
Abzug gezwungen zu werden. Die Mehrheit der Menschen in den
NATO-Staaten, die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland
befürworten eine schnelle Beendigung des Kriegseinsatzes. Die
Friedensbewegung fordert in einem Appell die bedingungslose Beendigung
der Kampfhandlungen (Waffenstillstand), den sofortigen Beginn des
Truppenabzugs und die drastische Aufstockung der Mittel für die rein
zivile Hilfe zum Wiederaufbau des geschundenen Landes.
[Appell zum Downloaden:
Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen]
Verteidigungsminister zu Guttenberg plant offenbar den Abzug der sechs
deutschen Aufklärungs-Tornados aus Afghanistan. Die Friedensbewegung hat
deren Einsatz vor dreieinhalb Jahren begründet abgelehnt und darauf
hingewiesen, dass damit eine neue Eskalationsstufe im Afghanistan-Krieg
heraufbeschworen würde. Insofern begrüßen wir diesen Schritt. Wir würden
ihn gern als erste Abschlagszahlung auf einen generellen Rückzug der
Bundeswehr werten, wissen aber, dass die Bundesregierung halsstarrig am
Hindukusch-Abenteuer festhält. Bis auch sie die Zeichen der Zeit erkennt
und sich dem Druck der Argumente und hoffentlich auch dem Druck der
Straße beugt. Die Holländer haben es vorgemacht und ziehen gerade ihre
Truppen ab; Kanada wird folgen. Die deutsche Friedensbewegung wird alles
daran setzen, dass Deutschland bald folgen wird.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski, Kassel
Lühr Henken, Hamburg
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