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"Die Tür der SPD in Richtung Friedensbewegung hat sich keinen Spalt weit geöffnet"

Der Bundesausschuss Friedensratschlag kritisiert die Afghanistan-Konferenz der SPD. Erklärung im Wortlaut

Am 22. Januar 2010 veranstaltete die SPD eine "hochkarätige" Afghanistan-Konferenz in Berlin (siehe: Guttenberg will mehr "Helden" am Hindukusch). Im Folgenden dokumentieren wir eine kritische Erklärung hierzu aus der Friedensbewegung.



SPD weiter auf Kriegskurs - "Abzugskorridor" eine Mogelpackung

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Berlin/Kassel, 22. Januar 2010 - Zu den Ergebnissen der Afghanistan-Konferenz der SPD stellt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme fest:

Die SPD ist mit viel Lob bedacht worden, diese "hochkarätige" Konferenz abgehalten zu haben. In der Tat wurde viel Sachverstand - von Militärs bis zu Entwicklungshelfern - aufgeboten, um die tief liegenden Probleme Afghanistans und des NATO-Einsatzes zu diskutieren. Was aber in der abschließenden Bewertung durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden gesagt wurde, wird den hohen Erwartungen in keiner Weise gerecht.

Die wirkliche Kontroverse: "Weiter Krieg führen oder Truppen abziehen" wurde zugunsten eines "Sowohl als auch" aufgelöst. Trotz der niederschmetternden Berichte über die Menschenrechtslage, die Sicherheitssituation und die militärische Defensive, in die die NATO geraten ist, wurde so getan, als wäre die Fortsetzung des Kriegs ohne Alternative. Während Entwicklungshilfeorganisationen darauf bestehen, die zivil-militärische Zusammenarbeit aufzugeben, weil sie eine ungehinderte Entwicklungsarbeit unmöglich macht, redet Steinmeier weiterhin von dem deutschen "Erfolgsmodell" der zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Die SPD hat ihren Platz in der Opposition noch nicht gefunden. Anstatt den verschärften Kriegskurs der USA und der NATO mit einem klaren "Nein" zu konterkarieren und eine von der Bundesregierung vorgesehene Truppenerhöhung klipp und klar abzulehnen, lässt Steinmeier offen, ob seine Fraktion unter bestimmten Bedingungen nicht auch dem verschärften Kriegskurs zustimmen wird. Eine "Abzugsperspektive" im Jahr 2015, wie sie Steinmeier wieder ins Spiel gebracht hat, um bis zu dem "Korridor zwischen 2013 und 2015" die militärischen Anstrengungen zu verstärken, ist aus der Sicht der Entwicklungshilfeorganisationen und der Friedensbewegung eine Mogelpackung - und eine nachträgliche Ohrfeige für die Mahnungen der evangelischen Bischöfin Käßmann ("Nichts ist gut in Afghanistan") und des katholischen Bischofs Algermissen ("Der Militäreinsatz ist gescheitert").

Steinmeier gibt sich einer weiteren Lebenslüge hin, wenn er darüber nachdenkt, die militärischen bzw. polizeilichen Kräfte nach dem Vorbild Obamas zunächst zu verstärken, um damit die Taliban entscheidend zu schwächen und die Verantwortung für die Sicherheit den Afghanen übertragen zu können. Bisher ist allerdings jede Truppenaufstockung, auch wenn sie nur der Erweiterung der "Ausbilder" diente, stets mit einer Zunahme des bewaffneten Widerstands gegen die ausländischen Truppen beantwortet worden. Vor drei Jahren waren 50.000 NATO-Soldaten in Afghanistan und die Taliban kontrollierten 40 Prozent des Landes. Heute sind weit mehr als 100.000 Soldaten im Land, und die Taliban beherrschen 80 Prozent des Landes.

Vertreter/innen der Friedensbewegung waren auf der Konferenz nicht vertreten. Dies ist beschämend für eine Partei, die noch in den 80er Jahren gegen Atomraketen demonstrierte und radikale Abrüstung verlangte. Offenbar sind solche Positionen in der SPD nicht mehr sehr gelitten. Die Polemik auf der Konferenz richtete sich denn auch immer wieder gegen diejenigen, die einen "sofortigen Abzug" wollen. Dass dies laut einer ARD-Umfrage von vor zwei Wochen 71 Prozent der Bevölkerung sind, sollte der "Volkspartei" SPD zu denken geben.

Als Fazit kann festgehalten werden: Die Afghanistan-Konferenz hat mehr Erwartungen geweckt als sie erfüllt hat. Es war eine Schau-Veranstaltung, die weder zur Lösung der Probleme beigetragen noch der sozialdemkratischen Mitgliedschaft und der Öffentlichkeit zufrieden stellende Antworten gegeben hat. Bedauerlich aus unserer Sicht: Die Tür der SPD in Richtung Friedensbewegung hat sich keinen Spalt weit geöffnet.

Für den Bundesausschuss Friedensratsachlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


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