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Afghanistan - Die Lüge vom sauberen Krieg - Über 5.000 Tote

"Monitor" berichtet über die zivilen Todesopfer

Am 20. Dezember 2001 berichtete das Politmagazin der ARD "Monitor" über das Ausmaß der Katastrophe, die der US-Bombenkrieg in Afghanistan unter der Zivilbevölkerung angerichtet hat. (Vgl. auch unseren zweisprachigen Bericht "Über 3.500 zivile Opfer im Afghanistan-Krieg / 3,500 Civilians Killed in Afghanistan by U.S. Bombs" vom 13. Dezember.) Es war die 485. Sendung von Monitor und die letzte unter der Leitung von Klaus Bednarz, dem wir schon so viele kritische Sendungen verdanken.

Afghanistan - Die Lüge vom sauberen Krieg

Bericht: Ralph Hötte, Georg Restle

"Süßer die Glocken nie klingen, Als zu der Weihnachtszeit: 's ist, als ob Engelein singen Wieder von Frieden und Freud'."

Klaus Bednarz: "'Süßer die Glocken...'. Heiligabend wird der 79. Tag sein, an dem die Amerikaner Afghanistan bombardieren. Wahrscheinlich meinen sie das mit 'Jingle bells'.

Guten Abend meine Damen und Herren, willkommen bei MONITOR - eine heute vielleicht etwas ungewöhnliche Sendung, an deren Ende es eine Überraschung geben soll, die ich selbst noch nicht kenne.

Doch zunächst zum Thema Afghanistan:

Mehr als 100 Bombenangriffe täglich hat die amerikanische Luftwaffe seit dem 7. Oktober zuweilen gegen Afghanistan geflogen. Doch Bin Laden ist immer noch nicht gefasst. Die amerikanische Regierung hat die US-Massenmedien aufgefordert, möglichst zurückhaltend oder gar nicht über die zivilen Opfer ihres Krieges in Afghanistan zu berichten. Und viele amerikanische Zeitungen und Fernsehsender sind dieser Aufforderung gefolgt, ja, sie halten es sogar für ihre 'patriotische Pflicht', die Zahl der bei den Bombardements verletzten und getöteten Zivilisten - Frauen und Kinder - zu verschweigen.

Doch nicht alle Medien in den USA lassen sich einen Maulkorb umhängen und auch nicht unabhängige amerikanische Wissenschaftler, die sich mit den Folgen der US-Kriegsführung in Afghanistan beschäftigen. Ein Bericht von Georg Restle und Ralph Hötte."

Bilder aus der Region Tora Bora, wie man sie oft sieht in diesen Tagen. Die immergleichen Bilder eines Krieges, der seit über zehn Wochen andauert. Eine amerikanische B 52 über den Bergen im Nordosten Afghanistans - und wieder ein Einschlag. So sieht er aus, der tägliche Krieg im Fernsehen.

Doch auch diese Bilder gehören zum Krieg in Afghanistan. Schwerverletzte Kinder im Krankenhaus von Jalalabad. Auch aus Tora Bora sind viele schwerverletzte Zivilisten hier eingeliefert worden. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die von den Bombardierungen völlig überrascht wurden, sind über die Folgen bereits der ersten Angriffstage entsetzt.

Ulrike von Pilar, Ärzte ohne Grenzen: "In diesen Tagen, zwischen dem ersten und dem sechsten Dezember, haben unsere Kollegen über 80 Tote und 50 Verletzte geborgen - ins Krankenhaus nach Jalalabad gebracht mit mehreren Ambulanzen, und es ist klar, dass dort unter diesen Opfern auch Kinder und ganze Familien sich befinden. Sie haben erzählt von einer Familie, deren Vater umgekommen ist, die Mutter schwer verletzt und vier Kinder verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Andere haben erzählt von einem Jungen, der ein Auge und einen Arm verloren hat und dessen Bein noch amputiert werden musste. Also, für uns ist das dramatisch, wie die Zahl der Opfer in diesen Tagen offensichtlich hochgeschnellt ist."

Bilder der Zerstörung, nicht nur in Tora Bora. Seit Hilfsorganisationen wieder nach Afghanistan einreisen können, wird das Bild der Zerstörung von Tag zu Tag immer klarer - das Leid der Zivilbevölkerung unübersehbar.

"Wird sind keine Taliban, und wir gehören auch nicht zur Nordallianz", sagt dieser Mann. "Warum bombardieren uns die amerikanischen Flugzeuge? Es sind unsere Frauen und Kinder, die darunter am meisten leiden."

Bilder eines schmutzigen Krieges. Wie viele Zivilisten diesem Krieg bisher zum Opfer gefallen sind, ist schwer abzuschätzen.

In der amerikanischen Universität von New Hampshire wurden jetzt alle verfügbaren Quellen über die zivilen Opfer des Krieges zusammengetragen und penibel ausgewertet. Berichte von Augenzeugen, Journalisten und Hilfsorganisationen wurden untersucht und mit den wenigen offiziellen Daten abgeglichen, Tag für Tag, Ort für Ort. Das Ergebnis ist erschreckend hoch: Rund 3800 Zivilisten sind demnach vor allem durch die Luftangriffe der US-Bomber in Afghanistan getötet worden.

Prof. Marc Herold, University of New Hampshire: "In meiner Untersuchung habe ich immer die niedrigere Zahl genommen. Wenn ich also verschiedene Berichte mit unterschiedlichen Zahlen bekam, habe ich stets die niedrigste Zahl verwendet. Und deshalb würde ich sagen, dass die Zahlen der Untersuchung äußerst niedrig angesetzt sind - verglichen mit dem, was tatsächlich geschehen ist."

Reporterin: "Also liegt die Zahl der Zivilopfer viel höher?"

Prof. Marc Herold, University of New Hampshire: "Viel höher. Ich denke, dass eine realistischere Zahl wahrscheinlich 5000 wäre."

5000 tote Zivilisten. Doch über die amerikanischen Fernsehschirme flimmern 3D-Animationen wie diese, Bilder eines glatten und sauberen Krieges, der keine Opfer, nur Erfolge kennt.

Colin Powell, US-Außenminister: "Es wird ein erfolgreicher Einsatz, weil wir Al Qaida in Afghanistan zerstört haben, und weil wir die Rolle Afghanistans als Basis für Terroristen beendet haben - das ist ein Erfolg."

Diese Bilder passen kaum zur amerikanischen Erfolgsstory.

Weder die Bundesregierung noch das Pentagon äußern sich zur Zahl der getöteten Zivilisten in Afghanistan. Und die US-Regierung unternimmt weiterhin alles, um solche Bilder aus dem vorweihnachtlichen Fernsehprogramm herauszuhalten.

Prof. Marc Herold, University of New Hampshire: "Ich denke, dass hier eine ganz bewusste Entscheidung getroffen wurde, der amerikanischen Öffentlichkeit nichts zu erzählen über das Blutbad, das am Boden angerichtet wurde, weil das die politische Unterstützung für den Kriegseinsatz beeinträchtigen würde. Es gibt so viele Belege hierfür: Die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen, die Intervention von Außenminister Powell beim arabischen Fernsehsender Al Dschassira, das Aufkaufen aller verfügbaren kommerziellen Satellitenbilder, der Druck, der auf die US-Medien ausgeübt wurde, keine toten Zivilisten auf den ersten Seiten der Zeitungen abzubilden. Dies war eine ganz bewusste Entscheidung, dass das ein Teil der Geschichte dieses Krieges sei, die nicht erzählt werden darf."

Und so wird es weitergehen mit dem Bombenregen über Afghanistan - bis Weihnachten und wohl auch noch darüber hinaus. Die Zahl der getöteten Zivilisten wird weiter ansteigen mit jeder Rauchwolke, die hier in Tora Bora in den Himmel aufsteigt - oder anderswo.

Klaus Bednarz: "Rund 4000 Zivilisten - zumeist Frauen, Kinder und alte Menschen - sind bislang dem angeblich so 'sauberen' und 'gerechten' Krieg in Afghanistan zum Opfer gefallen. Und Afghanistan, sagt der amerikanische Präsident Bush, ist erst der Anfang."

Text des Beitrags von der Homepage: http://www.monitor.de. Dort können die einzelnen Beiträge auch als pdf-Datei heruntergeladen werden.


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