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"Mörder zum Vorbild gemacht"

Die ver.di-Jugend in Bonn leistet antimilitaristische Arbeit gegen Oberst Klein. Ein Gespräch mit Simon Ernst *


Die ver.di-Jugend in Bonn engagiert sich beim sogenannten Kundus-Prozeß. Es geht dabei um den Luftangriff der Bundeswehr am 4. September 2009 in Afghanistan, bei dem 150 Menschen umgekommen sind. Wie sieht das Engagement aus?

Als Gewerkschaftsjugend sind wir aktiv gegen Kriege des deutschen Staates. Schon bei der großen Afghanistankonferenz Petersberg II haben wir gegen den Krieg protestiert. Jetzt findet der Kundus-Prozeß in Bonn statt. Der Prozeß wurde von Angehörigen der Opfer angestrengt. Sie verklagen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz. Der damalige Befehlshaber des Luftangriffs war Oberst Klein. Zu seiner Person haben Bonner Antimilitaristen vor wenigen Tagen ein Plakat der Antikapitalistischen Aktion Bonn verklebt, eine Art Steckbrief.

Was soll mit diesem Steckbrief bezweckt werden?

Mit dem Plakat wird die Bevölkerung aufgerufen, Informationen zum Wohnort von General Klein herauszufinden. Es muß möglich sein, politischen Protest vor die Haustür eines Massenmörders zu tragen. Klein wurde kürzlich nach Köln versetzt und zum Leiter der Ausbildungsbehörde der Bundeswehr ernannt. Damit macht der Staat einen Mörder zum offiziellen Vorbild für junge Soldaten. Seine inzwischen erfolgte Beförderung zum General signalisiert, daß der Staat hinter ihm steht, ihn schützt und auch noch belohnt.

Bei dem Verkleben dieses Plakates zu General Klein kam es zu einer Festnahme?

Ja, eine sehr junge Kollegin hatte nachts mit Freunden die Plakate angebracht. Die Polizei nahm die Kollegin fest und überstellte sie gleich an den Staatsschutz. Drei Männer nahmen sie während der ganzen Nacht ins Kreuzverhör. Man führte sie mit verbotenen Vernehmungsmethoden in die Irre, nötigte und bedrohte sie.

Was für Vernehmungsmethoden waren das?

Wegen einer klaustrophobischen Erkrankung hatte sie um einen Arzt gebeten. Das hat man ausgenutzt und sie richtiggehend erpreßt, daß sie auf ihr Recht auf Aussageverweigerung verzichtete. Wenn sie sich gegen Krieg einsetze, würde sie Probleme mit den Behörden und ihrem Chef bekommen, sagte man ihr und forderte sie auf, ihre politische Tätigkeit besser sein zu lassen: Auf Anraten eines ihr nicht bekannten Anwalts, den der Staatsschutz erst nach sechsstündigem Verhör hinzuzog, willigte die Kollegin in eine Hausdurchsuchung ein. Ohne jeden richterlichen Beschluß drang der Staatsschutz in ihre Wohnung ein und wollte den Laptop beschlagnahmen. Doch das konnte von Freunden in letzter Sekunde verhindert werden.

Wie wird die Antikriegsarbeit in Bonn weitergehen?

Beim eigentlichen Prozeßauftakt, Anfang September wahrscheinlich, wollen wir hier mit sehr vielen politischen Kräften eine große und bunte Kundgebung des Antimilitarismus vor dem Gerichtsgebäude vorbereiten. Viele tausend Augen sollen diesen Prozeß begleiten. Jetzt müssen wir erst recht gegen deutsche Kriege für Profit und gegen das Kunduz-Massaker protestieren. General Klein gehört auf die Anklagebank, die Opfer müssen entschädigt werden.

Interview: Karin Leukefeld

* Aus: junge Welt, Dienstag, 18. Juni 2013


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