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Chronik Afghanistan

März 2011


Dienstag, 1. März, bis Sonntag, 6. März
  • Am 1. März kam ein Soldat bei einem Überfall von Aufständischen im Süden des Landes ums Leben, wie das Militärbündnis mitteilte.
    Seit Jahresbeginn sind damit 68 NATO-Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. 2010 war mit 701 Toten das bisher blutigste Jahr für die internationalen Truppen seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan gewesen.
  • Bewaffnete Konflikte berauben Millionen Kinder weltweit der Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. In Konfliktregionen sei die Schulbildung durch gezielte Angriffe auf Kinder, Schulen und Lehrer gefährdet, heißt es in dem am 1. März in New York vorgestellten Weltbildungsbericht der UN-Kulturorganisation UNESCO. Sollte nicht deutlich mehr in Bildung investiert werden, werde das Ziel der universellen Grundschulbildung bis 2015 verfehlt.
    Von den weltweit 67 Millionen Kindern, die keine Schule besuchen, leben dem Bericht zufolge 28 Millionen in Konfliktgebieten. Im Jemen und in Afghanistan etwa wurden dem Bericht zufolge in den vergangenen Jahren hunderte Schulen geplündert und zerstört. (Mehr dazu auf: "Krieg verhindert Bildung")
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist wegen der Plagiatsaffäre von allen politischen Ämtern zurückgetreten. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens", sagte der CSU-Politiker am 1. März in Berlin. Hintergrund ist die massive Kritik aus der Wissenschaft und aus der Koalition, weil Guttenberg Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben soll. Guttenberg betonte, zuletzt sei es nur noch um seine Person und seine Doktorarbeit gegangen. Damit habe sich die Aufmerksamkeit weg von den in Afghanistan verwundeten und getöteten Bundeswehrsoldaten verlagert. "Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich das nicht mehr verantworten", sagte er. Dass er nicht schon früher zurücktrat, begründete der CSU-Politiker damit, dass er zuerst die getöteten Soldaten in Würde habe zu Grabe tragen wollen. Das sei eine Frage des Anstands. Zudem habe er zunächst die Bundeswehrreform vorantreiben wollen. "Es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen", sagte Guttenberg. "Das Konzept der Reform steht."
  • Bei einem Luftangriff der Nato im Südosten Afghanistans sind am 1. März möglicherweise neun Kinder getötet worden. Wie der Polizeichef im Distrikt Darah-Ye Pech in der Provinz Kunar erklärte, hatten Extremisten zunächst einen US-Stützpunkt mit Raketen beschossen. «Wenige Minuten später töteten Nato-Flugzeuge neun Kinder, die auf einem nahe gelegenen Berg Holz sammelten», sagte der Polizeichef. Ein zehntes Kind sei bei dem Angriff erletzt worden. In einer ersten Stellungnahme der internationalen Schutztruppe Isaf hieß es, der Vorfall werde untersucht.
  • Die Internationale Schutztruppe Isaf hat sich für den Tod von neun Kindern bei einem Angriff ihrer Kampfhubschrauber in der ostafghanischen Provinz Kunar entschuldigt. Die Nato-geführte Schutztruppe «übernimmt die volle Verantwortung für diese Tragödie», teilte die Isaf am 2. März mit. Ihr Kommandeur David Petraeus sagte: «Zu diesen Todesfällen hätte es nie kommen dürfen.» Präsident Hamid Karsai verurteilt den «rücksichtlosen Angriff» vom Vortag bei einem Besuch in London. Bei einer Demonstration am Angriffsort skandierten hunderte Afghanen Parolen gegen ihre Regierung und gegen die USA.
    In Kunar waren erst im vergangenen Monat bei Isaf-Beschuss nach Angaben einer afghanischen Regierungskommission 65 Zivilisten getötet worden, darunter 40 Jungen und Mädchen. (Siehe unsere Chronik vom 20. Februar 2011)
  • Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wird Nachfolger des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Auf den Posten des Innenministers rückt der bisherige Berliner CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans-Peter Friedrich. CSU-Chef Horst Seehofer sagte am 2. März in München, die notwendigen Entscheidungen seien nach dem Guttenberg-Rücktritt in Verhandlungen fast rund um die Uhr in sehr kurzer Zeit getroffen worden.
  • Auch US-Präsident Barack Obama hat sich für die Tötung von neun Kindern bei einem Luftangriff im Osten Afghanistans entschuldigt. Obama habe am 2. März bei einer Videoschaltkonferenz mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sein "tiefes Bedauern" darüber zum Ausdruck gebracht, teilte das Weiße Haus am 3. März mit. Die beiden Präsidenten seien sich "einig, dass solche Vorfälle unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus unterminieren".
  • Eine Spezialeinheit der Nato-Truppen in Afghanistan hat in der Provinz Kundus einen regionalen Taliban-Führer getötet. Baz Mohammad galt in den Reihen der radikalen Islamisten als «Schatten-Gouverneur» des Bezirks Imam Sahib, sagte Bezirks-Gouverneur Mohammad Ayob Haqyar am 5. März. In den vergangenen Monaten hatte Baz Mohammad mehrere Angriffe gegen Nato-Stützpunkte und Stellungen afghanischer Truppen in der Region befehligt.
    Die Taliban führen seit Jahren sogenannte Schatten-Verwaltungen in allen 34 Provinzen Afghanistans.
  • Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans ist ein NATO-Soldat getötet worden. Das teilte die Allianz am späten Abend des 5. März mit. Über die Nationalität des Soldaten wurden keine Angaben gemacht. Auch nähere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Seit Anfang des Monats wurden damit vier NATO-Soldaten in Afghanistan getötet, seit Jahresbeginn 71.
  • Bei einem Bombenanschlag im Osten Afghanistans sind am 6. März zwölf Zivilpersonen getötet worden. Fünf weitere Menschen wurden bei der Explosion in der Provinz Paktika nahe der Grenze zu Pakistan verletzt, wie die Behörden mitteilten. Der Sprengsatz sei neben einem Lastwagen explodiert, in dem sich die Zivilisten befunden hätten. Bei den Toten handele es sich um je fünf Männer und Frauen sowie zwei Kinder. Das afghanische Innenministerium bestätigte den Anschlag, sprach jedoch von lediglich zehn Toten.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die Entschuldigung der USA für den Tod von neun Kindern bei einem Luftangriff zurückgewiesen (siehe oben: 1. und 2. März). Während einer Kabinettssitzung in Anwesenheit des Befehlshabers der internationalen Truppen in Afghanistan, David Petraeus, sagte Karsai, die Entschuldigung des US-Generals "reiche nicht". "Die zivilen Opfer sind der Hauptgrund für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Afghanistan und den USA", zitierte Karsais Büro den Präsidenten weiter. "Das Volk hat genug, Entschuldigungen und Verurteilungen heilen nicht unseren Schmerz". Die Tötung von Zivilisten müsse aufhören, forderte Karsai.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben am 6. März rund 500 Menschen gegen die Tötung von neun Kindern bei einem NATO-Luftangriff protestiert. "Tod Amerika, Tod den Invasoren" skandierten die Demonstranten. "Wir wollen keine Besatzungstruppen", rief ein Demonstrant, der ein Bild der am 1. März getöteten Kinder trug. Diese waren in der Provinz Kunar im Nordosten des Landes beim Holzsammeln durch eine Rakete eines NATO-Helikopters getötet worden.
Montag, 7. März, bis Sonntag, 13. März
  • Nach dem Tod von neun afghanischen Kindern bei einem NATO-Luftangriff ist US-Verteidigungsminister Robert Gates am 7. März überraschend nach Afghanistan gereist. Nach Angaben seines Sprechers war während des zweitägigen Besuchs unter anderem ein Gespräch mit Staatschef Hamid Karsai geplant. Auf dem US-Stützpunkt Bagram nördlich von Kabul besuchte Gates verwundete US-Soldaten und lobte die Truppe für ihre "Erfolge" im Kampf gegen die Taliban. "Ihr hattet einen harten Winter, und euch steht ein noch härterer Frühling und Sommer bevor", sagte Gates mit Blick auf eine erwartete Offensive der Aufständischen. "Aber ihr habt große Fortschritte erzielt."
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat sich bei seinem Besuch in Kabul für den Tod von neun afghanischen Kindern bei einem NATO-Luftangriff entschuldigt. "Es bricht uns das Herz", sagte Gates am 7. März an der Seite des afghanischen Staatschefs Hamid Karsai im Präsidentenpalast der Hauptstadt. Er bezeichnete den Vorfall als Rückschlag für die Beziehungen der USA zum afghanischen Volk. Karsai sagte, er respektiere die Entschuldigung und forderte die NATO-Schutztruppe auf, zivile Opfer bei Angriffen gänzlich zu vermeiden. Er bezeichnete das Problem ziviler Opfer erneut als Hauptgrund für die angespannten Beziehungen zwischen Afghanistan und den USA.
  • In der ostafghanischen Stadt Dschalalabad wurden bei einem Doppelanschlag am 7. März mindestens zwei Menschen getötet und 19 weitere verletzt. In Dschalalabad detonierte nach Angaben eines Behördensprechers zunächst vor einer Moschee eine Bombe. Als Menschen herbeieilten, um den Verletzten zu helfen, detonierte ein zweiter Sprengsatz. Unter den Verletzten sind auch mehrere Polizisten. Das genaue Ziel des Anschlags ist noch unklar, in der Moschee hielten aber nach Angaben eines Behördenvertreters regierungsfreundliche Geistliche zum Zeitpunkt des Angriffs ein Treffen ab.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat bei einem Besuch in Afghanistan am 7. März die Möglichkeit eines amerikanischen Engagements auch über das Jahr 2014 hinaus angedeutet. Die Regierungen beider Länder seien der Ansicht, dass das US-Militär weiter eingebunden sein solle, um afghanische Truppen auszubilden und zu beraten. "Natürlich wäre es nur ein kleiner Teil der Präsenz, die wir heute haben, aber ich denke, wir sind bereit dazu", sagte Gates zu Soldaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram. Washington und Kabul hätten kürzlich Gespräche über eine Sicherheitspartnerschaft begonnen, fügte Gates hinzu, ohne Details zu nennen. An ständigen Militärbasen im Land hätten die USA aber kein Interesse.
    Mit der verlängerten Präsenz wollen die USA garantieren, dass Terrornetzwerke wie die Al Kaida in Afghanistan nicht weiter an Einfluss gewinnen. Der vereinbarte Truppenabzug soll indessen schon im Juli beginnen. Während seines zweitägigen Besuchs in Afghanistan will sich Gates unter anderem angesichts einer befürchteten Frühjahrs-Offensive der Taliban ein Bild von der aktuellen Lage verschaffen.
  • Afghanistan steht nach den Worten von Präsident Hamid Karsai vor einem schwierigen Jahr, da die US-Truppen die Verantwortung für die Sicherheit im Land nun allmählich an afghanische Truppen übergeben. Auf einer Veranstaltung zum Weltfrauentag sprach sich Karsai am 8. März für die Schließung der von Wiederaufbauteams benutzten ausländischen Militärstützpunkte aus und forderte die Abschaffung privater Sicherheitsfirmen, die viele der Projekte schützen, die mit internationalen Spenden finanziert werden. Karsai kritisierte in der Vergangenheit schon wiederholt die Arbeit der Wiederaufbauteams. Er wirft ihnen vor, die Autorität der Zentralregierung zu untergraben, weil sie eine alternative Finanzierungsquelle für öffentliche Bauprojekte seien. Die privaten Sicherheitsunternehmen verglich er mit privaten Milizen.
  • Für afghanische Zivilisten war das vergangene Jahr das tödlichste seit Beginn des Einsatzes der internationalen Truppen gegen die aufständischen Taliban. Im Jahr 2010 seien 2777 Zivilisten getötet worden, 15 Prozent mehr als 2009, teilten die UN-Mission in Afghanistan und die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission am 9. März in Kabul mit. Drei Viertel der Zivilisten seien von den Taliban oder anderen aufständischen Gruppen getötet worden, 16 Prozent von Soldaten der NATO oder der afghanischen Armee, bei neun Prozent sei eine Zuordnung nicht möglich gewesen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Nordwesten Pakistans sind mindestens 24 Menschen getötet und mehr als 40 weitere verletzt worden. Der Anschlag ereignete sich nach Angaben eines Polizeisprechers am 9. März am Stadtrand von Peshawar. Der Attentäter habe sich inmitten einer Trauergemeinde in die Luft gesprengt, die sich zur Beerdigung der Frau eines Mitglieds einer gegen die radikalislamischen Taliban kämpfenden Miliz versammelt hatte.
  • Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist am 9. März zu seinem ersten Truppenbesuch im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Sachsen-Anhalt eingetroffen. In der Colbitz-Letzlinger Heide werden Soldaten unter anderem auf ihren Einsatz in Afghanistan vorbereitet.
    Am 7. März hatte der neue Verteidigungsminister bereits das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam besucht und von dort aus in einer Videokonferenz mit den Bundeswehrkommandeuren in den Auslandseinsätzen konferiert.
  • Die Kämpfe in Afghanistan könnten in diesem Sommer nach Einschätzung des Oberbefehlshabers der internationalen Truppen, David Petraeus, heftiger werden als im vergangenen Jahr. Trotzdem sei ein Beginn des Abzugs amerikanischer Soldaten ab Juli, wie von US-Präsident Barack Obama gefordert, möglich, sagte der US-General am 9. März der Nachrichtenagentur AP. Er werde Obama verschiedene Varianten zum Truppenabbau präsentieren. Die Verstärkung des Kontingents habe in Afghanistan Fortschritte gebracht, die jedoch "zerbrechlich und umkehrbar" seien, sagte Petraeus. So könnte die Gewalt während der Frühlings- und Sommermonate, in denen Kämpfer der radikalislamischen Taliban immer wieder versuchen, südliche Gebiete Afghanistans zurückzuerobern, drastisch ansteigen.
  • Nach dem Fund von offenbar für die afghanischen Taliban bestimmten Waffen hat der britische Außenminister William Hague am 10. März dem Iran ein "vollkommen inakzeptables" Vorgehen vorgeworfen. Afghanische und internationale Truppen hätten in der Provinz Nimros im Süden Afghanistans eine Waffenladung beschlagnahmt, deren iranische Herkunft aufgrund einer "detaillierten technischen Analyse" und der Zusammenhänge des Fundes "zweifellos" festgestellt worden sei, sagte Hague. Die Waffen hätten die Taliban dabei unterstützen sollen, Soldaten der afghanischen Armee und der NATO zu töten.
    Bei dem Waffenfund Anfang Februar wurden nach Angaben aus Afghanistan 48 122-Millimeter Raketen beschlagnahmt, die eine Reichweite von 20 Kilometern haben. Sie werden mit den iranischen Revolutionsgarden in Verbindung gebracht. Hague selbst machte keine Angaben zu den Waffen. Die Provinz Nimros grenzt an den Iran. Bei dem Waffenfund sollen auch britische Spezialkräfte beteiligt gewesen sein. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe vergangene Woche gesagt, die Angaben seien "ohne jede Grundlage und inakzeptabel".
  • In der nordafghanischen Provinz Kundus hat die Polizei Bundeswehrsoldaten vorgeworfen, auf Zivilisten geschossen und dabei eine Frau getötet und eine weitere verletzt zu haben. Provinzpolizeichef Abdul Rahman Sajedchili sagte am 10. März, die Soldaten auf Patrouille seien am Vortag (9. März) im Bezirk Schahar Dara unter Beschuss geraten und habe daraufhin auf Häuser von Zivilisten geschossen. "Dabei wurden eine Frau getötet und eine weitere verletzt."
    Ein Sprecher der Bundeswehrtruppen in Kundus sagte, Ermittlungen zu dem Vorfall seien eingeleitet worden. Am 9. März hatte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mitgeteilt, dass deutsche Soldaten mit Handfeuerwaffen angegriffen worden seien und das Feuer erwidert hätten. Im "Zuge der Kampfhandlungen" seien "möglicherweise zwei afghanische Zivilistinnen verletzt worden". Eine der Frauen sei später an ihren Verletzungen gestorben.
  • In der ersten Phase des Übergangs soll die afghanische Armee ab Juli die Sicherheitsverantwortung in bis zu vier Provinzen des Landes übernehmen. Wie ein afghanischer Regierungsvertreter in Kabul sagte, sollen auch zwei bis drei größere Städte an die Afghanen übergeben werden.
    Der Regierungsvertreter, der Afghanistans Präsident Hamid Karsai nahesteht, sagte am 10. März, die Kontrolle werde in "drei, vier Provinzen und zwei, drei Städten" an die afghanische Armee übergeben. "Das gilt für die erste Phase des Übergangs." Details, welche Gegenden betroffen sein werden, nannte der Vertreter nicht. Für die offizielle Bekanntgabe ist der 21. März, der afghanische Neujahrstag, vorgesehen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der nordafghanischen Stadt Kundus ist am 10. März der Polizeichef der gleichnamigen Provinz ums Leben gekommen. Neben dem Polizeichef seien mindestens zwei weitere Menschen getötet worden, sagte der örtliche Polizeikommandeur Daud Daud. Acht Menschen, darunter mehrere Polizisten, seien verletzt worden. Die Zahl der Todesopfer könne noch steigen, sagte Daud.
  • Die NATO-Staaten haben hinsichtlich des geplanten Beginns des Truppenabzugs aus Afghanistan ein verantwortungsvolles Verhalten zugesagt. Das Bündnis habe die Empfehlungen des NATO-Afghanistan-Ausschusses zur Übergangsphase und zu den Bezirken, in denen die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen zuerst übergeben werden soll, angenommen, sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 11. März in Brüssel. Letztlich liege die Entscheidung aber bei der afghanischen Regierung von Präsident Hamid Karsai, sagte er nach einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die NATO zu einem Ende ihrer militärischen Einsätze im Land aufgefordert. "Ich bitte die NATO und die USA mit Ehre und Demut und nicht mit Arroganz darum, ihre Einsätze in unserem Land zu beenden", sagte Karsai am 12. März in der östlichen Provinz Kunar. Karsai traf dort mit hunderten Stammesältesten zusammen, darunter waren auch Angehörige von neun Kindern und weiteren Zivilisten, die kürzlich bei Angriffen der NATO-geführten ISAF-Truppen getötet worden waren. "Wenn es sich um einen Krieg gegen Terroristen und den internationalen Terrorismus handelt, sollten sie ihn in den Regionen führen, die wir ihnen in den letzten neun Jahren gezeigt haben und die sie auch kennen", sagte Karsai an die Adresse der NATO-Truppen. "Wir sind sehr tolerante Menschen, aber jetzt ist unsere Toleranz zu Ende."
  • Für den Tod einer Frau in Afghanistan ist kein deutscher Soldat verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundeswehr nach einer Untersuchung des Falls. Das könne derzeit nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden, sagte ein Bundeswehr-Sprecher am 12. März im regionalen Hauptquartier in Masar-i-Scharif. Er berief sich auf den vorläufigen Untersuchungsbericht. Die afghanische Polizei hatte der Bundeswehr vorgeworfen, sie habe die Frau am 9. März versehentlich erschossen.
  • Bei Kämpfen in Afghanistan sind am Wochenende wieder zwei Soldaten der NATO getötet worden. Wie das Militärbündnis mitteilte, kamen die beiden Soldaten am 12. März ums Leben, der eine im Osten des Landes und der andere bei einem Bombenanschlag im Süden. Angaben zur Nationalität der Toten wurden nicht gemacht. Damit wurden in diesem Monat bislang mindestens 13 NATO-Soldaten in Afghanistan getötet.
  • In der südafghanischen Provinz Kandahar sind am 12. März vier Menschen bei der Explosion einer Bombe ums Leben gekommen. Die Detonation habe sich ereignet, als das Fahrzeug der Vier auf den Sprengsatz der Aufständischen gefahren sei, teilte das Innenministerium am 13. März mit. Der Vorfall werde untersucht, hieß es weiter.
  • Bei zwei US-Drohnenangriffen sind am 13. März in Pakistan nach Behördenangaben sechs Aufständische getötet worden. Der erste Angriff ereignete sich demnach in der Stadt Azam Warsak nahe der Grenze zu Afghanistan in Süd-Waziristan, verfehlte aber sein Ziel, die Tötung von Aufständischen in einem Fahrzeug. Beim zweiten Angriff im Bergdorf Spalga nahe der Stadt Miranshah in Nord-Waziristan wurden sechs Rebellen getötet und fünf weitere verletzt.
Montag, 14. März, bis Sonntag, 20. März
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Rekrutierungszentrum der afghanischen Armee in Kundus sind am 14. März mindestens 36 Menschen getötet worden. Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden 42 weitere Menschen verletzt. Der Bombenanschlag, zu dem sich die Taliban bekannten, wurde in der nördlichen Provinz Kundus verübt, in der auch die Bundeswehr stationiert ist.
    Ein Taliban-Sprecher sagte AFP per Telefon von einem unbekannten Ort, für den Anschlag sei die islamistische Organisation verantwortlich. Der Attentäter habe das Rekrutierungszentrum mit an seinem Körper befestigten Sprengsätzen betreten, fügte Sabihullah Mudschahed hinzu.
    Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte, bei dem Anschlag seien vier Kinder getötet worden. Das Attentat auf das Rekrutierungszentrum sei ein "unverzeihlicher Terrorakt gegen diejenigen, die zum Schutz ihrer Nation der Armee beitreten wollten".
  • Der US-Oberkommandeur in Afghanistan, David Petraeus, sieht bedeutende Fortschritte in Afghanistan. Er unterstützt daher den von US-Präsident Barack Obama geplanten Beginn des Truppenabzugs ab Juli und will dazu detailliertere Vorschläge vorlegen. Der Oberbefehlshaber der Internationalen Schutztruppe Isaf gab seine Lage-Einschätzung am 15. März vor dem Streitkräfteausschuss des Senats in Washington. In der Anhörung teilte er auch mit, dass er nach dem jüngsten Tod von neun Kindern bei einem US-Luftangriff im ostafghanischen Kunar eine umfassende Prüfung der Taktiken bei derartigen Operationen angeordnet habe.
  • Nach offiziellen afghanischen Angaben sind unterdessen bei einem erneuten Nato-Luftschlag in derselben Provinz zwei Schüler ums Leben gekommen. Die beiden 10 und 17 Jahre alten Jungen hätten in der Nacht zum 15. März ein Feld bewässert, als sie angegriffen worden seien. Ein Isaf-Sprecher sagte, man prüfe die Vorwürfe.
  • In den umkämpften nordwestpakistanischen Stammesgebieten Nord-Waziristans sind bei einem US-Drohnenangriff mindestens 24 Aufständische getötet worden (später erhöhte sich die Zahl auf 41). Bei dem Angriff auf ein mutmaßliches Trainingszentrum der pakistanischen Taliban seien zudem zehn Aufständische schwer verletzt worden, sagten pakistanische Sicherheitsbeamte am 17. März. Die Zahl der Toten könne daher noch steigen. Den Angaben zufolge feuerte eine Drohne vier Raketen auf das Trainingszentrum in der Stadt Datta Khel etwa 40 Kilometer westlich von Miranshah nahe der Grenze zu Afghanistan. Das Gebäude, in dem die Aufständischen trainiert hätten, sei zerstört worden.
    Es war der siebte Drohnenangriff in der Region in neun Tagen.
  • Die Bundesregierung erwägt einen Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen in Afghanistan, um so die NATO für einen möglichen Einsatz in Libyen zu entlasten. Überlegungen dazu hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (beide CDU) in einer Sondersitzung der Unions-Fraktion vorgetragen, hieß es von Teilnehmern der Sitzung am 18. März. Der Minister sagte im Anschluss, die Awacs-Frage stelle sich erst, wenn die NATO agiere. Der Bundestag müsste dafür ein neues Mandat beschließen.
  • Im Norden Afghanistans sind fünf Mitarbeiter eines Straßenbauprojekts entführt worden. Die drei pakistanischen und zwei afghanischen Bauingenieure sowie ihr einheimischer Fahrer seien am späten Donnerstagabend (17. März) zwischen den beiden Provinzen Dschawsdschan und Sar-i-Pul verschleppt worden, sagte ein Vertreter der örtlichen Baubehörden am 18. März der Nachrichtenagentur AFP. Sie seien auf dem Weg zu dem Straßenbauprojekt gewesen, um dort ihre Arbeit aufzunehmen. Seinen Angaben zufolge sind die Männer bei einer afghanistan Baufirma angestellt.
  • Im Norden Afghanistans ist am 18. März ein Bundeswehrsoldat bei einem Angriff auf eine ISAF-Patrouille verletzt worden. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte, wurde die Patrouille der NATO-Truppen am Morgen neun Kilometer nordwestlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Kundus durch einen Sprengsatz getroffen. Vier ISAF-Soldaten, unter ihnen ein deutscher, sowie ein afghanischer Dolmetscher wurden demnach verletzt. Sie seien unmittelbar nach dem Anschlag mit einem Rettungshubschrauber in das Rettungszentrum des PRT Kundus zur weiteren ärztlichen Versorgung gebracht worden.
  • Ein US-Drohnenangriff mit mehr als 40 Toten in Pakistan (siehe: 17. März) hat bei der Armee und der Regierung in Islamabad wütende Reaktionen hervorgerufen. Das Außenministerium bestellte am 18. März US-Botschafter Cameron Munter ein. Nach Angaben von Ministeriumssprecherin Tehmina Janjua fordert die pakistanische Regierung eine offizielle Entschuldigung Washingtons für den Tod der Zivilisten. Andernfalls würde Pakistan nicht an einem geplanten Treffen mit den USA und Afghanistan in Brüssel am Samstag kommender Woche (26. März) teilnehmen, sagte sie.
  • Ein zum Christentum übergetretener Mann in Afghanistan, dem deshalb die Todesstrafe drohte, ist aus der Haft entlassen worden. Der Afghane Musa Sajed sei bereits Ende Februar freigekommen und nach Europa ausgereist, sagten Angehörige am 19. März der Nachrichtenagentur AFP. Eine westliche Quelle in Kabul bestätigte Sajeds Freilassung. Ein Sprecher der afghanischen Staatsanwaltschaft sagte dagegen, er könne die Freilassung weder bestätigen noch dementieren, da es sich um eine "sehr sensible Angelegenheit" handle.
  • Aus Verärgerung über einen Drohnenangriff der USA hat die pakistanische Regierung ihre Teilnahme an einem internationalen Afghanistan-Treffen in Brüssel abgesagt. Derartige Drohnenangriffe seien "nicht nur inakzeptabel, sondern sie stellen eine eklatante Verletzung der Menschenrechte dar", erklärte das pakistanische Außenministerium am 18. März in Islamabad. Dem US-Botschafter Cameron Munter sei bei einem Treffen der "scharfe Protest" der pakistanischen Regierung übermittelt worden. Dem Diplomaten sei zudem mitgeteilt worden, "dass die Grundlagen unserer Beziehungen überprüft werden" müssten.
  • Der am 18. März bei einem Angriff auf eine ISAF-Patrouille in Nordafghanistan schwer verletzte Bundeswehrsoldat ist zurück in Deutschland. verletzt worden. Wie das Einsatzführungskommando bei Potsdam mitteilte, landete er am Nachmittag des 20. März an Bord eines MedEvac-Airbus in Stuttgart und wurde am Abend im Bundeswehrkrankenhaus Ulm stationär aufgenommen. Sein Zustand wurde als stabil bezeichnet. Es bestehe keine Lebensgefahr.
  • Am 20. März teilte die NATO den Tod eines Soldaten im Süden des Landes mit. Damit wurden in diesem Jahr bislang 88 Soldaten des Bündnisses in Afghanistan getötet.
Montag, 21. März, bis Sonntag, 27. März
  • In den ersten Provinzen Afghanistans soll heute (am 21. März) die Sicherheitsverantwortung von der Internationalen Schutztruppe Isaf an die afghanische Polizei und Armee übergeben werden. Allerdings wurde auch eine Verschiebung um einen Tag für möglich gehalten. Zu Einzelheiten will sich Präsident Hamid Karsai im Laufe des Tages in der Hauptstadt Kabul äußern. Es gilt als sicher, dass auch mindestens eine Provinz im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr einbezogen wird.
  • SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Bereitschaft seiner Partei signalisiert, einen Einsatz deutscher Soldaten bei Awacs-Kontrollflügen über Afghanistan im Bundestag zu unterstützen. "Wenn die Koalition sagt, wir brauchen einen solchen Einsatz, kann man darüber reden", sagte Gabriel am 21. März. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die Obergrenze für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan nicht überschritten werde. Diese Grenze liegt im jüngsten Mandat bei 5350 Soldaten, einschließlich aller Reservekräfte.
  • Anlässlich des afghanischen Neujahrs hat Vizepräsident Abdul Karim Chalili die Aufständischen am 21. März zur Niederlegung ihrer Waffen aufgerufen. Das Land werde niemals zur Taliban-Herrschaft zurückkehren, sagte Karim Chalili in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif. "Wir gehen in Richtung des Lichts. Wir werden nie ins Dunkel zurückgehen." Die bisherigen Versuche, sich mit den Taliban auszusöhnen, haben bislang keine größeren Erfolge gebracht, sodass die Gewalt weiterhin ein großes Problem in Afghanistan darstellt.
  • Nach der Veröffentlichung von Fotos im Nachrichtenmagazin "Spiegel", auf denen US-Soldaten mit getöteten Afghanen posieren, hat sich die US-Armee für das Fehlverhalten ihrer Angehörigen entschuldigt. Die Bilder seien "abstoßend" und sie widersprächen "den Standards und Werten der US-Armee", heißt es in einer am 21. März in Washington veröffentlichten Erklärung. "Wir entschuldigen uns für das Leid, das diese Fotos verursachen." Auf den Fotos, die der "Spiegel" veröffentlichte, posieren zwei US-Soldaten mit den blutverschmierten Leichen von Afghanen.
  • Präsident Hamid Karsai verkündete am 22. März die Übergabe von drei Provinzen und vier Städten ab Mai in afghanische Hände. Aus dem Bundeswehr-Gebiet im Norden steht die Stadt Masar-i-Scharif auf der Liste, wo derzeit rund 1400 deutsche Soldaten stationiert sind.
    Die meisten Gebiete, die in einem ersten Schritt an die Afghanen übergeben werden, sind fernab der Hochburgen der Taliban-Rebellen. Im umkämpften Süden sollen afghanische Kräfte nur in der Hauptstadt der Unruheprovinz Helmand, Laschkar Gar, eigenverantwortlich für Sicherheit sorgen. Auch in der östlichen Provinz Laghman geht lediglich die Hauptstadt Mehtarlam an die Afghanen über. Die Provinz Kabul wird mit Ausnahme des Bezirks Sarobi übergeben, wo die Aufständischen besonders aktiv sind. Vollständig sollen einheimische Kräfte die als befriedet geltenden Provinzen Pantschir und Bamijan kontrollieren, ebenso wie die Stadt Herat im Westen des Landes.
  • Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die Ankündigung Afghanistans begrüßt, in diesem Jahr die Sicherheitsverantwortung in mehreren Provinzen und Städten zu übernehmen. "Der Beginn des Übergabeprozesses ist ein Erfolg für die von uns mitbetriebene Neuausrichtung des internationalen Afghanistan-Einsatzes", erklärte Westerwelle am 22. März in Berlin. Ziel bleibe es, "dass bis Ende 2014 die vollständige Übergabe der Sicherheitsverantwortung gelingt und wir Ende 2011 erstmals unser eigenes Bundeswehr-Kontingent reduzieren können", fügte der Minister hinzu.
    Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte zuvor die Gebiete bekannt gegeben, in denen die afghanischen Behörden bereits in diesem Jahr die volle Sicherheitsverantwortung übernehmen wollen. Darunter ist auch die Stadt Masar-i-Scharif im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans. Westerwelle begrüßte, dass Masar-i-Scharif damit zu den ersten Gebieten gehöre, in denen die Übergabe erfolge. "Zum ersten Mal in zehn Jahren werden die in den Übergabeprovinzen lebenden Afghanen für ihre Sicherheit selbst verantwortlich sein. Dies ist ein wichtiger Einschnitt", hob Westerwelle hervor.
  • Das Vorgehen der US-geführten Truppen in Afghanistan zeigt nach Einschätzung des zuständigen UN-Sondergesandten Staffan de Mistura Erfolg. Die Taliban seien trotz des anhaltenden Blutvergießens in der Defensive, sagte de Mistura am Dienstag (22. März) in Washington. Die Taliban würden nicht mehr in den Gebieten angreifen, in denen sie unter Druck gewesen seien. Entscheidend sei die Frage, ob die Taliban mit Beginn des Frühlings sich wieder organisieren und eine Offensive starten könnten. Zugleich könne der militärische Aspekt allein nicht als Indikator für nachhaltigen Erfolg gesehen werden, da sich alle Seiten einig seien, dass es in Afghanistan keinen militärischen Sieg geben könne, sagte de Mistura.
  • Die NATO will ihrem Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zufolge in Afghanistan kein "Vakuum" entstehen lassen, wenn die Sicherheitsverantwortung nun schrittweise auf einheimische Kräfte übergeht. Rasmussen begrüßte am 22. März in Brüssel, dass Präsident Hamid Karsai die ersten Provinzen und Städte bekanntgab, in denen die afghanische Armee in diesem Jahr die volle Verantwortung übernehmen soll. Diese Entscheidung "ebne den Weg dafür, dass die Afghanen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen". Rasmussen sieht die NATO jedoch weiter in der Pflicht: "Wir sind dazu verpflichtet, kein Sicherheitsvakuum zu hinterlassen, das Extremismus hervorbringt."
  • Das Bundeskabinett will eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr beschließen. Bis zu 300 Soldaten sollen sich zunächst für zehn Monate an Aufklärungsflügen mit Awacs-Maschinen der Nato beteiligen. Damit will die Regierung Bündnispartner für den Libyen-Einsatz entlasten. Heute Nachmittag (23. März) will der Bundestag erstmals über den Mandatstext beraten, die Abstimmung ist für Freitag geplant. Derzeit sind rund 5000 Bundeswehrsoldaten am Hindukusch stationiert.
  • Vor einem US-Militärgericht im Bundesstaat Washington beginnt am 23. März der Mordprozess gegen einen Soldaten, der mit einigen Kameraden in Afghanistan aus Lust am Töten Jagd auf Einheimische gemacht haben soll. Der Fall hatte weltweit Aufmerksamkeit erregt, als das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zu Wochenbeginn Fotos veröffentlichte, die zeigen, wie der nun angeklagte Soldat Jeremy Morlock mit getöteten Zivilisten posierte. Die US-Armee hatte sich daraufhin für das Verhalten der Soldaten entschuldigt. Morlock hat sich der Anklage als Zeuge gegen vier Soldaten zur Verfügung gestellt, die sich ebenfalls wegen der Vorfälle in Afghanistan verantworten müssen. Laut US-Medien will er sich schuldig bekennen.
    Am selben Tag noch (23. März) wurde der Stabsgefreite Jeremy Morlock von einem Militärrichter in Fort Lewis-McChord (US-Staat Washington) zu 24 Jahren Haft verurteilt. Er könnte bei guter Führung aber bereits in 7 Jahren freikommen. Vor der Verkündung der Strafe hatte sich Morlock beim afghanischen Volk und den Angehörigen der Opfer für die Verbrechen zwischen Januar und Mai 2010 entschuldigt.
  • Australien hat sich bei der afghanischen Regierung für rassistische Äußerungen entschuldigt, die in Afghanistan stationierte Soldaten im Internet veröffentlicht haben. Verteidigungsminister Stephen Smith sagte am 25. März dem australischen Rundfunksender ABC, er habe seinen afghanischen Kollegen Abdul Rahim Wardak angerufen, weil er sich um den Ruf der australischen Truppen sorge. Die Armee gehe den im Internetportal Facebook veröffentlichten Kommentaren und Videos nach, in denen Afghanen beleidigt worden waren. Beteiligte Soldaten würden möglicherweise nach Hause zurückbeordert, auch Disziplinarverfahren seien denkbar.
  • Die Bundeswehr beteiligt sich nun auch an der Überwachung des afghanischen Luftraums mit NATO-Flugzeugen. Der Bundestag votierte am 25. März mit großer Mehrheit für den Einsatz deutscher Soldaten bei den bereits seit Wochen laufenden AWACS-Flügen der NATO in Afghanistan. Die Bundesregierung will so den Bündnispartnern den Rücken für deren Libyen-Einsatz freihalten, was die Opposition als "Trostpflaster" kritisierte. (Siehe hierzu: eine Stellungnahme aus der Friedensbewegung.)
    Für den deutschen Einsatz stimmten 407 Abgeordnete, dagegen votierten 113. 32 Parlamentarier enthielten sich. Neben der schwarz-gelben Regierungskoalition stimmte auch die SPD mit großer Mehrheit zu, es gab allerdings auch 26 Nein-Stimmen aus der sozialdemokratischen Fraktion. Während die Linke geschlossen gegen den Einsatz stimmte, votierten die Grünen mit 15 Ja-, 21 Nein-Stimmen und 24 Enthaltungen gespalten.
  • Die Bundeswehr hat die Zahl ihrer Scharfschützen in Afghanistan in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Waren es Anfang 2006 nur acht Scharfschützen, stieg ihre Zahl auf 54 im November 2010, wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele am 25. März in Berlin mitteilte. Derzeit sind 40 deutsche Scharfschützen in Afghanistan im Einsatz, wie aus einer Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine entsprechende Anfrage Ströbeles hervorgeht.
  • Bei einem Luftangriff der NATO-Truppen in Afghanistan sind nach Angaben der internationalen Afghanistantruppe mehrere Zivilisten getötet worden. Wie die NATO am 26. März bekannt gab, wurden am Vortag (25. März) zwei Fahrzeuge beschossen, in denen Taliban-Kämpfer vermutet worden seien; tatsächlich hätten sich in den Fahrzeugen, die im Bezirk Naw Sad in der Provinz Helmand unterwegs gewesen seien, aber Zivilisten befunden. "Afghanische Zivilisten wurden versehentlich getötet und verletzt", hieß es in einer von der Afghanistantruppe ISAF zu dem Vorfall veröffentlichten Erklärung.
  • Bei seinem Antrittsbesuch in Afghanistan hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Bedeutung der Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten betont. Die Zusammenarbeit deutscher und afghanischer Einsatzkräfte sei der "Schlüssel zum Erfolg" bei der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen, sagte de Maizière nach einem Treffen mit seinem afghanischen Kollegen Abdul Rahim Wardak am 26. März in Kabul. "Wir sehen, dass dieses Jahr sehr wichtig ist", sagte de Maizière. De Maizière traf in der Hauptstadt Kabul auch den afghanischen Staatschef Hamid Karsai und den Oberbefehlshaber der NATO-Truppe ISAF, US-General David Petraeus. Die Reise wurde aus Sicherheitsgründen wie üblich bis zur Ankunft des Ministers in Afghanistan geheim gehalten.
    De Maizière traf in der Hauptstadt Kabul auch den afghanischen Staatschef Hamid Karsai und den Oberbefehlshaber der NATO-Truppe ISAF, US-General David Petraeus. Die Reise wurde aus Sicherheitsgründen wie üblich bis zur Ankunft des Ministers in Afghanistan geheim gehalten.
    Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Einsatz der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan als einen "Einsatz wie im Krieg" bezeichnet. "Hier ist vieles von dem, was Sie tun, ein Einsatz wie im Krieg - nicht für alle, nicht zu jeder Zeit für alle, in unterschiedlicher Weise, aber doch sichtbar und greifbar", sagte de Maizière vor Bundeswehrsoldaten in Masar-i-Scharif. Dort befindet sich das von der Bundeswehr geführte Regionalkommando Nord der NATO-Afghanistantruppe ISAF.
  • Die pakistanische Regierung hat am 26. März die Entschädigung der Angehörigen von Opfern eines US-Raketenangriffs in Nordwaziristan angekündigt. Bei dem Angriff am 17. März waren 39 Menschen (andere Quelle: 41 Menschen) getötet worden. Die Familien der Getöteten würden in der kommenden Woche jeweils 3.530 Dollar (2.495 Euro) erhalten, kündigte ein Vertreter der Regierung von Nordwaziristan, Mohammad Asghar, an. Verletzte erhielten 1.176 Dollar (831 Euro) zur Entschädigung.
  • Kämpfer der Taliban haben im Nordosten von Afghanistan nach eigenen Angaben 50 Polizisten verschleppt. Bei den Opfern handele es sich um Berufsanfänger aus der Provinz Nuristan, die gerade erst ihre Ausbildung beendet hätten, sagte Taliban-Sprecher Sabjullah Mudschahid am 27. März. Die Kämpfer hätten die Männer am Samstagnachmittag (26. März) nach einem Hinweis in der Provinz Kunar überfallen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Südosten Afghanistans sind 13 Menschen getötet worden. Der Angreifer sei mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto in das Gebäude einer Straßenbaufirma gerast, sagte ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Paktika der Nachrichtenagentur AFP. Bei dem Anschlag, der sich am Sonntagabend (27. März) ereignete, seien zudem 50 Menschen verletzt worden. Unter den Opfern befanden sich dem Sprecher zufolge Ingenieure, Bauarbeiter und Sicherheitsmänner. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag.
Montag, 28. März, bis Donnerstag, 31. März
  • Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen über Afghanistan hat begonnen. Die ersten Flüge mit deutscher Beteiligung haben bereits am Wochenende stattgefunden. Das sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der dpa am 28. März. Wieviele Bundeswehrsoldaten sich an dem Einsatz beteiligen werden, ist noch unklar. Das am 25. März vom Bundestag beschlossene Mandat lässt die Entsendung von bis zu 300 Soldaten zu. Damit sollen die Nato-Bündnispartner im Libyenkrieg entlastet werden, an dem sich Deutschland nicht beteiligt.
  • Durch einen Angriff militanter Kämpfer aus dem Hinterhalt sind in Pakistan am 28. März 14 Sicherheitskräfte getötet worden. Wie einer ihrer Vertreter sagte, ereignete sich der Anschlag auf die Sicherheitskräfte im Bezirk Shindhand in der Stammesregion Khyber nahe der Grenze zu Afghanistan. Die Sicherheitskräfte waren demnach in einem Konvoi von mehreren Fahrzeugen unterwegs und gerade auf dem Rückweg in ihre Basis.
  • Die US-Armee hat sich nach der Veröffentlichung von weiteren Fotos entschuldigt, die die Ermordung von afghanischen Zivilisten durch US-Soldaten dokumentieren. Die von dem Magazin "Rolling Stone" veröffentlichten Bilder seien "schockierend" und stünden im starken Gegensatz zu den "Standards und Werten der US-Armee", teilte das US-Verteidigungsministerium am Montag (28. März) in Washington mit. Die Armee entschuldige sich für das Leid, das diese Fotos verursacht hätten. Bei den Fotos geht es um den Fall von fünf US-Soldaten, von denen der erste vergangene Woche wegen der gezielten Ermordung von Zivilisten in Afghanistan von einem US-Militärgericht zu 24 Jahren Haft verurteilt worden war.
  • Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist zu einem viertägigen Besuch in Afghanistan eingetroffen. Der Minister begann seine Visite am Vormittag des 29. März in Masar-i-Scharif im Norden des Landes, wie sein Sprecher seines Ministeriums vor Ort sagte. Dort traf er zunächst den Kommandeur des ISAF-Regionalkommandos Nord, den Bundeswehr-Generalmajor Markus Kneip. Auf dem Programm standen zudem Treffen mit afghanischen Regierungsvertretern. Niebel wollte auch mehrere Entwicklungsprojekte im Norden des Landes besuchen und dort deutsche Entwicklungshelfer treffen. Bei seiner Ankunft in Masar-i-Scharif kündigte Niebel an, die Bereitstellung von Hilfsgeldern für Afghanistan künftig stärker an Entwicklungserfolge knüpfen zu wollen. "Deutschland stellt jährlich bis zu 430 Millionen Euro für zivilen Wiederaufbau zur Verfügung", sagte er nach Angaben seines Ministeriums. "Allerdings ist unsere Unterstützung an Bedingungen geknüpft: Wir erwarten konkrete Reformen und eine Verbesserung der afghanischen Regierungsführung. Der Erfolg der Stabilisierungs- und Entwicklungsbemühungen in Afghanistan hängt entscheidend davon ab." Nach Angaben seines Sprechers wurde bislang erst etwa die Hälfte der für dieses Jahr zugesagten Gelder auch tatsächlich freigegeben.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Nordwesten Pakistans sind zehn Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. Der Attentäter habe sich auf einem Motorrad einem Kontrollposten der Polizei nahe der Stadt Swabi genähert und dann seinen Sprengsatz gezündet, sagte der örtliche Polizeichef Abdullah Jan am 30. März. Offenbar galt der Anschlag der Versammlung einer islamistischen Partei.
    Sieben Menschen starben noch vor Ort, sagte Polizeichef Jan. Drei weitere erlagen demnach im Krankenhaus ihren Verletzungen. Auch Leichenteile des Selbstmordattentäters wurden gefunden. Ein Arzt in der Notaufnahme des Krankenhauses von Swabi bestätigte die Zahl der Todesopfer. Unter den Toten sind seinen Angaben zufolge auch zwei Polizisten. 21 Verletzte werden behandelt.
    Der Kontrollposten befindet sich nahe eines Lagers, das die islamistische Partei Jamiat Ulema-e-Islam (JUI) für eine Veranstaltung in der Stadt rund 100 Kilometer östlich von Peshawar aufgebaut hatte.
  • Herbert Grönemeyer spricht sich klar gegen den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan aus. "Wir haben da nichts zu suchen. Das ist einfach Schwachsinn", zitiert die deutsche Ausgabe der Zeitschrift "Rolling Stone" laut dapd vom 30. März den Musiker. "Würde mein Sohn dort fallen, ich wüsste nicht, was ich machen würde. Ich glaube, ich würde zum Terroristen werden oder Amok laufen", sagte Grönemeyer. Auf seinem neuen Album "Schiffsverkehr" ist mit "Auf dem Feld" auch ein Stück vertreten, das sich mit der Situation eines Soldaten im Auslandseinsatz befasst.
  • Mit Empörung und Unverständnis reagiert der Deutsche Bundeswehr-Verband auf die Entscheidung der ARD, die Satellitenübertragung ihres Fernsehprogramms nach Afghanistan zum 1. April einzustellen. Der Bundesvorsitzende, Oberst Ulrich Kirsch laut ots vom 31. März: "Jede Entscheidung zu Lasten unserer Soldatinnen und Soldaten ist eine schlechte Entscheidung - und hier sendet die ARD ein besonders unschönes Signal." Einmal mehr werden ausgerechnet diejenigen, die für die Gesellschaft ein besonderes Risiko und große Entbehrungen auf sich nehmen, ausgegrenzt und benachteiligt, so Kirsch. "Die Menschen in der Bundeswehr haben nicht nur Rechte als Gebührenzahler, vor allem im Auslandseinsatz haben sie Anspruch auf Verständnis, Entgegenkommen und Solidarität!" Wenn die Übertragung per Satellit für die ARD zu teuer ist, müssten die Sender das Geld an anderer Stelle einsparen.


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