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Krieg verhindert Bildung

UNESCO-Bericht zur Lage von Kindern in Konfliktregionen *

Millionen von Kindern können nicht zur Schule gehen, weil sie in einem Konfliktgebiet leben. Lehrer, Schüler und Schulen gerieten immer wieder in die Schusslinien von Konfliktparteien oder würden gar als Ziele betrachtet, heißt es in dem am Dienstag (1. März) veröffentlichten Weltbildungsbericht der UN-Kulturorganisation UNESCO. Von den 67 Millionen Kindern weltweit, die keine Bildungseinrichtung besuchen, leben demnach 28 Millionen in Konfliktregionen. Zudem gefährden sexuelle Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen die Bildung von Kindern.

Allein in Afghanistan wurden 2009 laut Bericht mindestens 613 Schulen angegriffen, fast doppelt so viele wie im Jahr davor. »Bewaffneter Konflikt ist in vielen Weltregionen ein großes Hindernis für gesellschaftliche Entwicklungen«, erläuterte UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokowa. Dennoch würden die Auswirkungen von Konflikten auf Bildung weitgehend ignoriert. Weltweit können schätzungsweise 798 Millionen Menschen nicht lesen und schreiben.

Das Ziel der internationalen Gemeinschaft, dass bis 2015 alle Kinder weltweit zur Grundschule gehen können, wird laut Bericht nicht erreicht werden. Auch wenn es Fortschritte gebe, sei die Entwicklung zu langsam. Hauptproblem sei die Finanzierung. Um das Ziel zu erreichen, müssten nach Berechnungen der Autoren allein 1,9 Millionen neue Lehrer eingestellt werden, die Hälfte davon in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Insgesamt 16 Milliarden US-Dollar jährlich fehlen demnach, um »Bildung für alle« zu erzielen.

Die UNESCO betont, dass diese Summe zusammenkäme, wenn die reichen Länder sechs Tage lang den Gegenwert ihrer Militärausgaben dafür investierten. Die Autoren des Berichts kritisierten auch, dass 21 der ärmsten Länder der Welt mehr für das Militär ausgeben als für die Grundbildung.

Ein weiteres gravierendes Problem sei die anhaltende Benachteiligung von Mädchen und Frauen. So kämen in Somalia auf 100 Jungen, die die Schule besuchten, nur 55 Mädchen. Fast zwei Drittel der erwachsenen Analphabeten weltweit seien Frauen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. März 2011

UNESCO-Weltbildungsbericht 2011 (Langfassung)

Bewaffnete Konflikte gefährden Bildung **

Von den weltweit 67 Millionen Kindern, die keine Schule besuchen, leben 28 Millionen in Ländern in Konfliktsituationen. Bewaffnete Konflikte nehmen diesen Kindern ihre Zukunft. Das ist das Fazit des UNESCO-Weltbildungsberichts 2011, der am 1. März 2011 am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York vorgestellt wurde. Sexuelle Gewalt, gezielte Angriffe auf Schulen und weitere Menschenrechtsverletzungen gefährden die Bildung von Kindern.

Der Bericht "Die unbeachtete Krise: Bewaffneter Konflikt und Bildung" warnt, dass die internationale Gemeinschaft die im Jahr 2000 vereinbarten Ziele im Rahmen der Initiative "Bildung für alle" nicht erreichen wird. Trotz vieler Fortschritte werden die meisten Ziele deutlich verfehlt, insbesondere in Regionen mit dauerhaften Konflikten. Der Bericht kritisiert, dass Bildung der am stärksten vernachlässigte Bereich im unterfinanzierten System humanitärer Hilfe ist. Schulen und Kinder in der "Schusslinie"

Zwischen 1999 und 2008 waren 35 Länder von Konflikten betroffen. Lehrkräfte, Kinder und Schulen geraten immer wieder in die "Schusslinie" von Konfliktparteien und werden als legitime Ziele betrachtet. Allein in Afghanistan wurden 2009 mindestens 613 Schulen angegriffen, im Vergleich zu 347 im Jahr 2008. Im Nordjemen wurden 2009 und 2010 bei Kämpfen zwischen Regierungskräften und Rebellen 220 Schulen zerstört, beschädigt oder geplündert.

"Bewaffneter Konflikt ist in vielen Weltregionen ein großes Hindernis für gesellschaftliche Entwicklung. Dennoch werden die Auswirkungen von Konflikten für die Bildung weitestgehend ignoriert. Dieser bahnbrechende Bericht dokumentiert die Ausmaße der unbeachteten Krise, identifiziert ihre Ursachen und macht überzeugende Vorschläge für Veränderungen", so UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokowa.

796 Millionen Analphabeten weltweit

Der aktuelle Weltbildungsbericht zeigt, dass einige Entwicklungsländer in den letzten Jahren Fortschritte in der Bildung gemacht haben. Besuchten im Jahr 2000 noch rund 106 Millionen Kinder im Grundschulalter keine Schule, ging die Zahl bis 2008 auf 67 Millionen Kinder zurück. Doch die Veränderungen erfolgen zu langsam, um das Ziel der Grundschulbildung für alle Kinder bis 2015 zu erreichen. Trendanalysen rechnen damit, dass die Zahl der Kinder, die keine Bildung erhalten werden, bis zum Jahr 2015 wieder auf rund 72 Millionen steigen wird, wenn nicht mehr getan wird.

Will die internationale Gemeinschaft das Ziel der universellen Grundschulbildung erreichen, müssen laut Bericht bis 2015 weitere 1,9 Millionen Lehrkräfte angestellt werden, mehr als die Hälfte davon in Subsahara-Afrika. Trotz zahlreicher Fortschritte sind auch die Geschlechterdisparitäten nach wie vor tief in Bildungssystemen verankert – in Somalia kommen beispielsweise auf 100 Jungen in der Schule nur 55 Mädchen. Auch die Anzahl der erwachsenen Analphabeten ist weiterhin hoch, 796 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben, davon sind fast zwei Drittel Frauen.

Jährlich fehlen 16 Milliarden Dollar für Bildung

Die Gebergemeinschaft hat bislang ihr im Jahr 2000 eingegangenes Versprechen nicht eingelöst, betont der Weltbildungsbericht. Danach soll kein Land, das sich dem Ziel "Bildung für alle" verpflichtet hat, wegen fehlender Finanzmittel scheitern. Zwar hat sich ab 2002 die internationale Hilfe für Grundbildung fast verdoppelt und dazu beigetragen, dass wichtige Fortschritte erzielt wurden. Doch seit 2008 stagnieren die Hilfsleistungen. Der Bericht schätzt die Finanzierungslücke derzeit auf 16 Milliarden US-Dollar jährlich für 46 einkommensschwache Länder, um das Ziel "Bildung für alle" zu erreichen.

In 21 der ärmsten Länder der Welt sind die Ausgaben für das Militär höher als für die Grundbildung, kritisiert der Bericht. Wenn diese Länder ihr Militärbudget um 10 Prozent reduzieren würden, könnten sie insgesamt rund 9,5 Millionen Kindern zusätzlich einen Zugang zur Schule ermöglichen. Wenn reiche Länder den Gegenwert ihrer Militärausgaben sechs Tage lang in die Grundbildung in den armen Ländern investieren würden, könnten sie die derzeitige Finanzierungslücke in Höhe von 16 Milliarden US-Dollar schließen und die Einschulung aller Kinder weltweit bis 2015 erreichen.

Sechs globale Bildungsziele bis 2015

Der Weltbildungsbericht (Education for all – Global Monitoring Report) wird im Auftrag der UNESCO von einem unabhängigen Team verfasst. Er liefert jährlich einen Zwischenstand über die Umsetzung der Ziele "Bildung für alle". 164 Länder haben sich auf dem Weltbildungsforum in Dakar 2000 verpflichtet, sechs Bildungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen: Ausbau der frühkindlichen Förderung und Erziehung, Grundschulbildung für alle Kinder weltweit, Absicherung der Lernbedürfnisse von Jugendlichen und Erwachsenen, Halbierung der Analphabetenrate unter Erwachsenen, Gleichberechtigung der Geschlechter und Verbesserung der Bildungsqualität.

Weltbildungsbericht 2011

Die Deutsche UNESCO-Kommission und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben eine deutschsprachige Kurzfassung des Berichts veröffentlicht.

Deutsche Kurzfassung des UNESCO-Weltbildungsberichts 2011: "Die unbeachtete Krise: Bewaffneter Konflikt und Bildung" [Externer Link].

** Quelle: Website der Deutschen UNESCO-Kommission e.V., März 2011; www.unesco.de




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