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Chronik Afghanistan

Oktober 2010


Freitag, 1. Oktober, bis Sonntag, 3. Oktober
  • Nach einem tödlichen NATO-Angriff in Pakistan fordert die aufgebrachte Regierung in Islamabad eine offizielle Entschuldigung des Bündnisses. «Wenn Ihr (die NATO) den Vorfall nicht erklärt, und wenn Ihr keine Entschädigung zahlt oder Euch dafür entschuldigt, dann haben wir andere Möglichkeiten, und wir werden sie nutzen», sagte Premierminister Syed Yusuf Raza Gilani. Welche Möglichkeiten er meinte, sagte der Regierungschef in seiner Ansprache vor dem Parlament in Islamabad am 1. Okt. nicht.
    Nach pakistanischen Angaben waren beim Angriff von NATO-Hubschraubern am 30. Sept. an der Grenze zu Afghanistan drei pakistanische Soldaten getötet worden. Die NATO-geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF kündigte eine Untersuchung an. Nach dem Vorfall hatte Pakistan die wichtigste Nachschubroute für die ausländischen Truppen in Afghanistan für die NATO gesperrt.
  • Im Osten und Süden Afghanistans sind fünf Soldaten der internationalen NATO-Truppe ISAF ums Leben gekommen. Bei einem Bombenanschlag im Süden des Landes seien zwei Soldaten getötet worden, teilte die NATO am 2. Okt. mit. Wie das rumänische Verteidigungsministerium erklärte, explodierte in der Provinz Sabul ein Sprengsatz, als ISAF-Soldaten in einem gepanzerten Fahrzeug vorbeigefahren seien. Zwei rumänische Soldaten seien getötet und ein weiterer verletzt worden. Damit starben seit Beginn des Einsatzes der rumänischen Armee in Afghanistan 17 ihrer Soldaten am Hindukusch.
  • Bei zwei Angriffen unbemannter US-Drohnen sind im Nordwesten Pakistans erneut 15 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Nach Angaben pakistanischer Sicherheitsvertreter vom 2. Okt. galten die Angriffe zweier Dörfer in der Nähe des Orts Datta Khel im Stammesgebiet Nord Waziristan. In dem Dorf Dashgah sei ein Versteck radikalislamischer Kämpfer zerstört worden, sechs Bewohner seien dabei umgekommen. Sie seien Mitglieder einer militanten Gruppe gewesen, die den USA vor allem in Afghanistan zu schaffen mache, sagte ein pakistanischer Sicherheitsbeamter. Bei weiteren Angriffen auf das nahegelegene Dorf Inzarkas seien insgesamt neun Militante getötet worden.
  • Die USA dehnen ihre Drohnenangriffe in Pakistan laut einem Zeitungsbericht weiter aus. Zu diesem Zweck würden Drohnen aus dem benachbarten Afghanistan heimlich nach Pakistan gebracht, berichtete das "Wall Street Journal" am 2. Okt. unter Berufung auf US-Offizielle. Die Armee habe der CIA Predator- und Reaper-Drohnen geliehen, mit denen der Auslandsgeheimdienst Aufständische an der Grenze zu Afghanistan beschießen könne. Die Fabriken, in denen die Drohnen gebaut werden, könnten nicht so schnell produzieren, wie es angesichts des wachsenden Bedarfs von Pentagon und CIA notwendig sei.
  • Islamische Terroristen sollen einem US-Medienbericht zufolge mehrere Ziele in Berlin für mögliche Anschläge ausgewählt haben. Im Visier der Terroristen seien das Luxus-Hotel Adlon am Brandenburger Tor, der Hauptbahnhof und der Fernsehturm am Alexanderplatz, berichtete der TV-Sender Fox News am 3. Okt. unter Berufung auf westliche Geheimdienstkreise. Die Ziele soll der in Afghanistan auf der US-Militärbasis Bagram inhaftierte deutsche Islamist Ahmed S. in Verhören genannt haben. Weitere auf der Terrorliste erwähnte Ziele in Europa seien der Eiffelturm und die Kathedrale Notre Dame in Paris. Auch die britische Königsfamilie sei gefährdet, berichtete Fox News.
    Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, dass der US-Reisehinweis für Europa "vor dem Hintergrund der bereits in der vergangenen Woche in den Medien bekannt gewordenen Gefährdungshinweise zu betrachten" sei. "Weiterführende Erkenntnisse dazu liegen nicht vor, insbesondere gibt es weiterhin keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland."
  • In Afghanistan sind acht ausländische Sicherheitsdienste verboten worden, darunter der Nachfolger der umstrittenen US-Firma Blackwater. Die Unternehmen seien aufgelöst und ihre Waffen eingesammelt worden, sagte der Sprecher der Präsidentschaft in Kabul, Waheed Omer, am 3. Okt. Präsident Hamid Karsai hatte das Verbot aller privaten Sicherheitsdienste bis Ende des Jahres angeordnet.
  • In Afghanistan sind am Wochenende sechs Zivilisten bei unterschiedlichen Einsätzen mit Nato-Truppen getötet worden. Zwei Zivilisten seien am 3. Okt. "aus Versehen" nahe einer NATO-Basis im Osten des Landes getötet worden, als die Truppen im Bezirk Baraki Barak Beschuss von Aufständischen erwidert hätten, teilte das Militärbündnis mit. Bereits am 2. Okt. wurden laut afghanischer Polizei drei Zivilisten bei einem Luftangriff der NATO gegen einen Taliban-Chef in der südlichen Provinz Helmand getötet. Die NATO erklärte dazu, sie untersuche den Vorfall. In der benachbarten Provinz Kandahar töteten afghanische Soldaten und internationale Truppen ein Kind, als sie das Feuer auf einen mutmaßlichen Aufständischen eröffneten.
Montag, 4. Oktober, bis Sonntag, 10. Oktober
  • Bei einem erneuten Angriff auf einen Nachschubkonvoi für die in Afghanistan stationierten NATO-Truppen sind in Pakistan mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Aufständische setzten vor den Toren der pakistanischen Hauptstadt Islamabad rund 20 Tanklaster in Brand, wie die Polizei am 4. Okt. mitteilte. Drei Menschen seien getötet und acht weitere verletzt worden. Die mit Sturmgewehren und Molotowcocktails bewaffneten Angreifer konnten den Angaben zufolge fliehen.
    Bereits am 1. Okt. war ein NATO-Konvoi nahe der südpakistanischen Stadt Karachi mit Raketenwerfern und Sturmgewehren angegriffen worden.
  • Bei einem US-Luftangriff auf Aufständische in Pakistan sind nach Behördenangaben mehrere Deutsche getötet worden. Durch den Angriff einer US-Drohne im Grenzgebiet zu Afghanistan seien acht Aufständische getötet worden, darunter fünf mutmaßliche deutsche Islamisten türkischer Herkunft, sagte ein Vertreter lokaler Sicherheitsbehörden am 4. Okt. Ein weiterer Behördenvertreter bestätigte den Tod der Deutschen, nannte aber keine genaue Anzahl.
    Das Auswärtige Amt in Berlin ging den Hinweisen aus Pakistan nach. Das Außenministerium und die deutsche Botschaft in Pakistan seien intensiv um Aufklärung bemüht, sagte eine Sprecherin am 5. Okt. "Wir stehen dazu in Kontakt mit den pakistanischen Behörden." Bislang gebe es jedoch "keine belastbaren Erkenntnisse".
  • Die NATO-Führung hat sich bei der pakistanischen Regierung für den Tod dreier pakistanischer Soldaten in der vergangenen Woche entschuldigt. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach dem pakistanischen Außenminister Außenminister Shah Mehmood Qureshi bei einem Treffen am 4. Okt. in Brüssel sein Bedauern über die Tötung der Armeeangehörigen aus. Gleichzeitig appellierte er an Islamabad, eine von Pakistan darauf gesperrte wichtige Versorgungsroute wieder freizugeben, über die der Nachschub für die internationalen Truppen in Afghanistan läuft.
  • Gegen die NATO-Truppen in Afghanistan sind erneut Vorwürfe laut geworden, Zivilisten getötet zu haben. Nach Angaben der afghanischen Polizei vom 4. Okt. töteten NATO-Truppen am Abend des 3. Okt. in einem Dorf in der Südprovinz Helmand auf der Jagd nach einem Talibanführer neben 14 Aufständischen auch drei Unbeteiligte. Die Kampfhandlungen hätten inmitten von Lehmhäusern stattgefunden, sagte Der Vize-Bezirkspolizeichef. Die Afghanistan-Truppe ISAF bestätigte lediglich, dass bei einem Gefecht in der Taliban-Hochburg Helmand mehrere Aufständische getötet worden seien.
  • "Bewaffnete Extremisten" steckten am Morgen des 5. Okt. in Quetta (Pakistan) mehr als 20 NATO-Lastwagen in Brand, wie die pakistanische Zeitung «The Dawn» in ihrer Onlineausgabe unter Berufung auf die Polizei berichtete. Es werde befürchtete, dass es bei dem Anschlag auch Opfer gegeben habe. Die Polizei habe den Tatort abgesperrt. Später hieß es, mindestens ein Mensch sei ums Leben gekommen, als eine bewaffnete Gruppe das Gelände attackierte, auf dem zwischen 35 und 40 Tanklaster parkten. "Wegen des Feuers ist noch schwierig, die genaue Zahl der zerstörten Tanklaster anzugeben, aber es sind mindestens zehn", sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP am 6. Okt. Ein Mitarbeiter der mit dem Transport beauftragten Speditionsfirma sei bei der Schießerei gestorben.
  • Stunden später griffen Aufständische auch ein Depot mit NATO-Tanklastern in der nordwestpakistanischen Stadt Nowshera an und schossen Fahrzeuge in Brand. Von den etwa 70 geparkten Wagen hätten mindestens 26 Feuer gefangen, sagte der örtliche Polizeichef Nisar Ahmed Tanoli der Nachrichtenagentur AFP. Informationen über Opfer liegen bislang nicht vor.
    Mit den Angriffen vom 6. Okt. stieg die Zahl der Attacken auf NATO-Laster auf fünf innerhalb einer Woche.
  • Bei Luftangriffen sind in Afghanistan zwei ranghohe Anführer der Taliban getötet worden. Nachdem Geheimdienstmitarbeiter den "Taliban-Schattengouverneur" der nordwestlichen Provinz Farjab, Kari Siauddin, in einer abgelegenen Gegend aufgespürt hätten, sei dieser am Dienstag 5. Okt. bei einem Luftangriff der internationalen Truppen getötet worden, teilte die NATO-Truppe ISAF am 6. Okt. mit. Bei einer anschließenden Schießerei seien vier Aufständische ums Leben gekommen. Die Polizei bestätigte den Tod Siauddins, sprach aber von sechs getöteten Rebellen.
  • Die USA haben sich am 6. Okt. bei Pakistan für einen jüngsten irrtümlichen Angriff auf einen Posten an der afghanischen Grenze entschuldigt. Bei der Hubschrauberattacke am 30. September waren mindestens zwei pakistanische Soldaten getötet und mehrere verletzt worden. Nach US-Medienberichten vom Mittwoch haben Ermittlungen ergeben, dass die Grenzsoldaten Warnschüsse abgegeben hatten. Sie seien von den Besatzungen der beiden an dem Vorfall beteiligten Hubschrauber für Aufständische gehalten worden. «Wir entschuldigen uns zutiefst bei Pakistan und den Familien der Grenzposten, die getötet und verletzt wurden», zitierte die «Washington Post» die US-Botschafterin in Islamabad, Anne Patterson. Auch US-General David Petraeus, Oberbefehlshaber der Koalitionstruppen in Afghanistan, sprach den Familienangehörigen, dem pakistanischen Militär und dem Volk sein Beileid aus und äußerte Bedauern «über diesen tragischen Verlust von Leben».
  • Die Angriffe auf Nachschublieferungen für die NATO-Truppen an der pakistanischen Grenze zu Afghanistan nehmen kein Ende: Bewaffnete griffen in der Nacht zum 7. Okt. im nordwestlichen Distrikt Nowshera Dutzende am Straßenrand geparkte Lastwagen an und setzen mehr als 50 davon in Brand. Zwei Soldaten wurden bei dem Angriff getötet. Den Angaben zufolge fehlte der örtlichen Feuerwehr ausreichend Gerät, um die Brände zu löschen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan ist ein deutscher Soldat getötet worden. Bei dem Anschlag in der nordafghanischen Provinz Baghlan seien zudem sechs Bundeswehr-Soldaten verwundet worden, zwei von ihnen schwer, teilte das Einsatzführungskommando am 7. Okt. in Potsdam mit.
    Das Attentat ereignete sich den Angaben zufolge nördlich des Lagers des Regionalen Wiederaufbauteams bei Pol-e-Khomri. Den Angaben zufolge sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe der Soldaten in die Luft, die nahe der Ortschaft Aka-Khel die Zufahrtstraße zu einer Brücke bewachen sollten. Nach dem Anschlag seien sofort Rettungsmaßnahmen eingeleitet worden, sagte der Sprecher.
    Es ist bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass deutsche Soldaten in Afghanistan zu Tode kommen: Zuletzt waren im April innerhalb von nur zwei Wochen sieben deutsche Soldaten getötet worden. Seit Beginn des ISAF-Einsatzes im Januar 2002 wurden damit am Hindukusch bei Gefechten und Anschlägen insgesamt 27 Bundeswehrsoldaten getötet.
    Über den neuen Anschlag informierte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Bundestag während einer Debatte über die Verbesserung der Betreuung von Bundeswehr-Soldaten im Einsatz. Abgeordnete aller Parteien zeigten sich erschüttert über den Anschlag. "Diese furchtbare Nachricht sollte uns alle dazu bringen, nochmal innezuhalten und uns die Verantwortung klar zu machen, die wir als Parlamentarier gegenüber unseren Soldaten haben", sagte der SPD-Politiker Lars Klingbeil im Bundestag. Die Grünen verurteilten das "hinterhältige und grausame Attentat". Der Anschlag mache auf auf traurige Weise einmal mehr deutlich, "wie riskant und unsicher die Lage am Hindukusch ist und noch weiter sein wird", erklärten die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi forderte erneut einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
    Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den Anschlag auf deutsche Soldaten in Afghanistan scharf verurteilt. "Dieser barbarische Akt richtet sich nicht nur gegen uns, er richtet sich auch gegen die große Mehrheit der Afghanen, die eine friedliche, auf Ausgleich und Versöhnung gerichtete Politik für ihr Land will", erklärte Westerwelle am 7. Okt. in Berlin. Den bei dem Anschlag verletzten Soldaten wünschte Westerwelle eine möglichst rasche Genesung. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in dieser schweren Stunde bei den Familien und Angehörigen der Opfer."
  • Exakt neun Jahre nach Beginn der US-geführten Offensive in Afghanistan hat Präsident Hamid Karsai den Weg für Friedensverhandlungen mit den radikalislamischen Taliban geebnet. Karsai eröffnete offiziell einen Friedensrat, der Gespräche mit den Taliban vorbereiten soll. Die Islamisten bekräftigten jedoch umgehend ihre Ablehnung von Gesprächen.
    "Jede Provinz, jeder Bezirk und jedes Dorf erwartet Fortschritte von diesem Rat", sagte Karsai zu Beginn der Versammlung im hochgesicherten Präsidentenpalast in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Er rief die Taliban erneut dazu auf, ebenfalls an den Verhandlungstisch zu kommen. Dem Gremium gehören 68 Mitglieder an, die Karsai persönlich auswählte. "Ich wünsche Ihnen, verehrte Mitglieder, viel Erfolg und ich wünsche mir, dass unsere Hoffnungen auf Frieden und Stabilität im Land wahr werden", sagte Karsai und sicherte dem Friedensrat die Unterstützung der Kabuler Regierung zu. "Die Opposition, seien es die Taliban oder sonst jemand, der dem Land dienen möchte, rufen wir dazu auf, die Gelegenheit zu nutzen und mitzuwirken." Der Friedensrat ist eine der wichtigsten Initiativen Karsais auf dem Weg zu Gesprächen mit den Aufständischen. Seine Einrichtung war im Rahmen einer Friedensdschirga im Juni in Kabul beschlossen worden.
    Die Taliban selbst machten bisher immer den Abzug der NATO-geführten Truppen zur Vorbedingung für Gespräche und erneuerten ihre Protesthaltung. In einer Mitteilung anlässlich des nun anbrechenden zehnten Jahres des Einsatzes erklärten sie, die Kontrolle über 75 Prozent des Landes zu haben. Der "Heilige Krieg und der Widerstand gegen die einmarschierten Amerikaner und ihre Verbündeten ist so stark wie nie zuvor", hieß es in der Erklärung. "Kommt zu euch und habt Erbarmen mit eurem Volk, indem Ihr euch sofort aus Afghanistan zurückzieht".
  • US-Gelder für private Sicherheitsdienste in Afghanistan landen einem Senatsbericht zufolge häufig in den Taschen afghanischer Warlords oder Taliban. Obwohl es den privaten Sicherheitsdiensten Milliardensummen zahle, habe das US-Verteidigungsministerium keine Kontrolle über deren Personalpolitik, heißt es in einer am 7. Okt. veröffentlichten Untersuchung des verteidigungspolitischen Senatsausschusses. Das führe dazu, dass immer wieder auch Anhänger der Taliban als Wachleute angeheuert würden. In anderen Fällen zahlten die Wachfirmen Schutzgelder an die Islamisten.
  • Nach dem schweren Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr in Nordafghanistan hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor zu ehrgeizigen Zielen am Hindukusch gewarnt. «Es kann nicht darum gehen, Luftschlössern hinterherzueilen und Illusionen zu bedienen, sondern die Ziele müssen erreichbar sein», sagte der CSU-Politiker am 8. Okt. in Berlin. Er drang darauf, bereits im nächsten Jahr mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen zu beginnen und eine Abzugsperspektive für die Bundeswehr zu schaffen.
  • US-Präsident Barack Obama muss den Weggang eines weiteren engen Mitarbeiters hinnehmen: Der Nationale Sicherheitsberater James Jones zieht sich von seinem Posten zurück, wie zwei ranghohe Regierungsvertreter, die namentlich nicht genannt werden wollten, am 8. Okt. sagten. Jones, der eine wesentliche Rolle bei der Ausarbeitung von Obamas neuer Afghanistan-Strategie übernommen hatte, wird demnach voraussichtlich zum Jahreswechsel das Weiße Haus verlassen.
  • Bei einem Anschlag in einer Moschee im Bundeswehr-Einsatzgebiet in Nordafghanistan ist der Gouverneur der Provinz Kundus getötet worden. Bei der Explosion in dem Gotteshaus in Talukan in der an Kundus angrenzenden Provinz Tachar kamen 19 weitere Menschen ums Leben, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul am 8. Okt. Der Gouverneur von Kundus, Mohammed Omar, stammte aus der Provinz Tachar, deren Hauptstadt Talukan ist. Er hatte immer wieder vor einem Machtzuwachs der Taliban in Kundus gewarnt und militärische Verstärkung gefordert. Ein Sprecher der Provinzverwaltung bestätigte den Tod des Gouverneurs. Während der Sprecher des Innenministeriums zudem von 15 Verletzten sprach, sagte ein Arzt des örtlichen Krankenhauses, es seien 33 Verletzte eingeliefert worden.
    Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte den Anschlag als "hinterhältig".
  • Bei einem mutmaßlichen US-Drohnenangriff sind in den pakistanischen Stammesgebieten nach Angaben von Sicherheitsvertretern fünf Aufständische getötet worden. Die Drohne habe zwei Raketen auf ein Haus im Dorf Charkhel in der Stammesregion Nord-Waziristan geschossen, sagte ein pakistanischer Sicherheitsvertreter am 8. Okt. der Nachrichtenagentur AFP. Einem Geheimdienstmitarbeiter zufolge wurden fünf einheimische Rebellen getötet. Ein weiterer Vertreter des Geheimdienstes sagte hingegen, die Behörden gingen Berichten nach, wonach vier Kämpfer aus Turkmenistan getötet worden seien.
  • Erneut hat eine US-Drohne in der pakistanischen Unruheregion an der Grenze zu Afghanistan tödliche Raketen abgefeuert. Mindestens sieben Menschen in einem Versteck Aufständischer starben. Das Gebiet gilt als Hochburg der Taliban und der mit ihnen verbündeten Kämpfer des Terrornetzwerks Al-Kaida. Am 6. und 7. Okt. waren bereits insgesamt neun mutmaßliche Aufständische bei US-Drohnenangriffen in der Unruheregion getötet worden. (dpa, 8. Okt.)
  • Mindestens 27 Tanklastwagen der NATO sind am Abend des 8. Okt. in der südwestpakistanischen Region Belutschistan in Flammen aufgegangen, nachdem Bewaffnete den für die Truppen in Afghanistan bestimmten Konvoi beschossen hätten. Die Wagen seien von der Hafenstadt Karachi auf dem Weg nach Afghanistan gewesen. Für die Überfälle werden radikal-islamische Extremisten verantwortlich gemacht. Es sei der fünfte Überfall auf Nachschubtransporte der NATO seit dem 1. Oktober, berichtete der pakistanische Fernsehsender GEO TV am 9. Okt.
  • Im Westen Afghanistans sind mindestens vier italienische Soldaten bei einem Angriff der Taliban ums Leben gekommen. Das teilte das Verteidigungsministerium am 9. Okt. in Rom mit. Die Soldaten waren in einem Konvoi von insgesamt 70 italienischen Fahrzeugen der Schutztruppe ISAF in der Provinz Farah unterwegs, als eine Bombe am Straßenrand explodierte. Damit ist die Zahl der getöteten italienischen Soldaten in Afghanistan auf 34 gestiegen.
  • Eine in Afghanistan entführte britische Entwicklungshelferin ist bei einem Befreiungsversuch von ihren Geiselnehmern getötet worden. Die Schuld für den Tod von Linda Norgrove liege ausschließlich bei den Geiselnehmern, erklärte der britische Außenminister William Hague am 9. Okt. in London. Norgrove war vor zwei Wochen in der ostafghanischen Unruheprovinz Kunar entführt worden. An dem Befreiungsversuch waren nach ersten Informationen keine britischen Einsatzkräfte beteiligt. NATO-Alliierte und afghanische Stellen hätten ihr Bestes getan, sagte der britische Außenminister William Hague in einem Statement.
    Später wurde bekannt, dass die Britin bei der missglückten Befreiungsaktion möglicherweise nicht durch ihre Entführer, sondern durch eine US-Granate getötet worden sei. Dies sei aber noch nicht endgültig bestätigt, sagte der britische Premierminister David Cameron am 11. Okt. in London. Eine gemeinsame Untersuchung Großbritanniens und der USA solle nun die Ursache für den Tod der 36-jährigen Entwicklungshelferin Linda Norgrove klären.
  • Pakistan hat eine seit vergangener Woche für NATO-Konvois gesperrte Route nach Afghanistan wieder geöffnet. Die Sperrung der Hauptversorgungsroute für die NATO-Truppen über den Khyber-Pass sei "mit sofortiger Wirkung" aufgehoben, teilte das Außenministerium in Islamabad am 9. Okt. mit. Die Regierung hatte den Grenzübergang von Torkham für die Benutzung durch NATO-Konvois gesperrt, nachdem vergangene Woche drei pakistanische Soldaten beim Angriff eines NATO-Hubschraubers getötet worden waren. Die NATO entschuldigte sich für den Tod der Soldaten.
  • Bewaffnete haben in Pakistan erneut Tanklastzüge mit Treibstoff für die NATO-Truppen in Afghanistan angegriffen. Mindestens 29 Lkw seien in Brand gesteckt worden, teilten offizielle am 9. Okt. Stellen mit. Der Angriff ereignete sich demnach in der Region Mittri, 180 Kilomteter südöstlich der Stadt Quetta. Es war der sechste derartige Angriff in etwas mehr als einer Woche.
  • Bei einem neuen US-Drohnenangriff in Pakistan sind mindestens acht Menschen ums Leben gekommen. Zwei weitere Menschen wurden verletzt, heißt es am 10. Okt. aus pakistanischen Geheimdienstkreisen. Das unbemannte Flugzeug feuerte drei Raketen auf einen Gebäudekomplex in Nord-Waziristan abfeuerte.
  • Knapp einen Monat nach der Parlamentswahl in Afghanistan stehen mehr als 170 Kandidaten unter dem Verdacht des Wahlbetrugs. Wie ein Sprecher der Wahlbeschwerdekommission (EEC) am 10. Okt. mitteilte, wurden die Vorwürfe gegen sie von der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) und von den Sicherheitsbehörden erhoben. 25 der 175 Verdächtigen sind demnach Abgeordnete, die sich zur Wiederwahl gestellt hatten. Sollten sich Fälle von Wahlbetrug bestätigen, würden die Stimmen der betreffenden Kandidaten für ungültig erklärt, sagte der EEC-Sprecher. Ihnen drohe dann ein Prozess.
  • Auf Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan ist ein Sprengstoffanschlag verübt worden. Dabei wurden aber keine Soldaten verletzt, auch die Fahrzeuge blieben unbeschädigt, wie die Bundeswehr am 10. Okt. mitteilte. Demnach explodierte wenige Kilometer östlich des Stützpunkts Kundus eine Sprengfalle, als eine Fahrzeugkolonne der Bundeswehr auf dem Rückweg ins Lager war. Die Sprengfalle detonierte aber erst, als die Fahrzeuge die Stelle bereits passiert hatten. Erst am Donnerstag (7. Okt.) war ein Oberfeldwebel bei einem Selbstmordanschlag ums Leben gekommen.
Montag, 11. Oktober, bis Sonntag, 17. Oktober
  • Bei einem Bombenanschlag im Südosten Afghanistans sind ein Ehepaar und dessen drei Kinder ums Leben gekommen. Die Familie war am 11. Okt. in der Provinz Paktia in ihrem Auto unterwegs, als ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz explodierte, sagte ein Sprecher der Provinzregierung.
    In der Nachbarprovinz Chost wurde nach Polizeiangaben ein weiteres Kind getötet, als sich ein Selbstmordattentäter neben einem Militärkonvoi der Internationalen Schutztruppe ISAF in die Luft sprengte. 18 Menschen seien dabei verletzt worden. Unter den Soldaten haben es keine Opfer gegeben.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai räumte unterdessen in einem Interview «inoffizielle private Kontakte» mit den Taliban ein. Ziel dieser inoffiziellen Verhandlungen sei, den Friedensprozess in seinem Land voranzubringen, sagte Karsai dem US-Fernsehsender CNN, das in der Nacht zum 12. Oktober ausgestrahlt werden soll. «Wir haben mit den Taliban gesprochen, von Landsmann zu Landsmann.» Diese persönlichen Kontakte mit den Gegnern seien schon vor einiger Zeit aufgenommen worden. Karsai wolle die Taliban, die aus unterschiedlichen Gründen «außerhalb ihrer Kontrolle» zur Gewaltanwendung getrieben wurden, wieder zurückgewinnen. «Sie sind wie Kinder, die von ihrer Familie davongelaufen sind», sagte er. Diese Familie sollte sie jetzt zurückholen und wieder in die Gesellschaft eingliedern. Karsai hatte erst vor wenigen Tagen den «Hohen Friedensrat» ins Leben gerufen, der die Kontakte zu den Taliban nun «offiziell und rigoroser voranbringen» soll.
  • Wegen eines Streits mit den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt Kanada seinen dortigen Versorgungsstützpunkt für die kanadischen Soldaten in Afghanistan auf. "Wir werden andere Mittel finden, um unsere Mission (in Afghanistan) von anderen Stützpunkten in der Region aus aufrechtzuerhalten", sagte der kanadische Verteidigungsminister Peter MacKay am 11. Okt. in einem Interview mit dem kanadischen Fernsehen während eines Afghanistan-Besuchs. "Die kanadischen Truppen passen sich sehr gut an", fügte der Minister hinzu. Bislang spielte der Stützpunkt Camp Mirage in Dubai eine wichtige Rolle bei der Versorgung der kanadischen Soldaten am Hindukusch.
  • Italien will im kommenden Jahr mit dem Abzug seiner Truppen aus Afghanistan beginnen. Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte der Zeitung "La Repubblica" am 12. Okt., dass die ersten Soldaten im Sommer 2011 das Land am Hindukusch verlassen sollten. Der Abzug solle 2014 abgeschlossen sein. Italien hat 3400 Soldaten in Afghanistan stationiert, bis Ende des Jahres soll die Zahl zunächst auf 4000 ansteigen. Sie sind vor allem im Westen des Landes im Einsatz. - Am Wochenende waren vier italienische Soldaten in der westafghanischen Provinz Farah ums Leben gekommen.
  • Der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, hat einen vollständigen militärischen Sieg über die radikalislamischen Taliban als unmöglich bezeichnet. "Wir suchen auf keinen Fall nur den rein militärischen Sieg über die Taliban in Afghanistan. Der ist nämlich nicht möglich, das müssen wir realistisch sehen", sagte Holbrooke am 12. Okt. in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix. Das Ziel sei vielmehr, ein "stabiles Afghanistan zu gewährleisten, das sich mit internationaler Unterstützung auch selbst verteidigen kann".
  • Über einem Vorort der afghanischen Hauptstadt Kabul ist am 12. Okt. ein ziviles Frachtflugzeug mit Gütern für die NATO-Truppen abgestürzt. Nach Angaben des Direktors des Kabuler Flughafens, Mohammed Jakub Rasuli, handelte es sich um ein Flugzeug der US-Transportgesellschaft National Air Cargo, das mit acht Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Weg vom Luftwaffenstützpunkt Bagram ins 60 Kilometer entfernte Kabul war.
    Das Flugzeug vom Typ C-130 verschwand um 19.25 Uhr Ortszeit nahe Kabul von den Radarschirmen. Im selben Moment habe die Flugüberwachung ein Feuer in der Richtung entdeckt, sagte der Flughafendirektor.
    An Bord waren dem Flughafenchef zufolge sechs Philippiner, ein Inder und ein Kenianer. Über deren Schicksal war zunächst nichts bekannt. Aus mehreren Quellen verlautete, dass das Flugzeug Güter für die NATO-Truppe ISAF transportierte. Die Firma National Air Cargo mit Sitz in den USA ist in 80 Staaten weltweit aktiv. Zuvor hatte das afghanische Luftfahrtministerium mitgeteilt, es handle sich um eine Maschine der Fluglinie Kam Air.
  • Die US-Regierung hat sich offen dafür gezeigt, im Bemühen um eine Beilegung des Konflikts in Afghanistan weitere Taliban-Kämpfer von der Schwarzen Liste der Vereinten Nationen zu streichen. Die USA hätten bereits in der Vergangenheit eine Überarbeitung der UN-Liste unterstützt, weitere Anpassungen seien "sicherlich möglich", sagte der Sprecher des Außenministeriums in Washington, Philip Crowley, am 12. Okt. Damit reagierte er auf Berichte, wonach der neu geschaffene Friedensrat in Afghanistan die weitere Streichung mutmaßlicher Taliban-Kräfte von der UN-Liste anstrebt.
  • Die Internationale Afghanistan-Schutztruppe hat bei einem gezielten Luftangriff einen ranghohen Taliban-Kommandeur getötet. Wie die NATO-geführte ISAF am 13. Okt. mitteilte, soll der Extremist in der nördlichen Provinz Kundus für Anschläge gegen afghanische und ausländische Truppen verantwortlich gewesen sein. Die Militäroperation fand der ISAF zufolge bereits vor zwei Tagen (11. Okt.) statt.
  • In Afghanistan sind am 13. Okt. sechs NATO-Soldaten ums Leben gekommen. Vier Soldaten starben bei der Explosion eines von Aufständischen versteckten Sprengsatzes im Süden des Landes, wie die NATO-Truppe ISAF mitteilte. Ein weiterer Soldat wurde bei einem Feuergefecht mit Rebellen in Ostafghanistan getötet, ein weiterer starb durch eine Mine im Süden. Zu den Nationalitäten der Getöteten machte die NATO wie üblich keine Angaben.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat der NATO-Truppe in Afghanistan um ein Jahr verlängert und zugleich mehr Soldaten für den Einsatz gefordert. In einer am 13. Okt. in New York verabschiedeten Resolution beklagte das Gremium außerdem die zunehmende Zahl ziviler Opfer am Hindukusch. Die fünf ständigen und zehn nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates votierten einstimmig für eine Verlängerung des Mandats der NATO-geführten ISAF-Truppe bis zum 13. Oktober 2011. In der Resolution rief das Gremium die NATO-Mitgliedstaaten auf, "Personal, Ausrüstung und andere Ressourcen" für den ISAF-Einsatz beizusteuern. Die internationalen Truppen in Afghanistan müssten "weiter gestärkt" werden. Derzeit kämpfen 152.000 ausländische Soldaten gegen den Aufstand der Taliban in Afghanistan, die meisten stammen aus den USA. [Hier geht es zum Text der Resolution 1943 (englisch) und zur selben Resolution in deutscher Übersetzung.]
  • Die Taliban haben Äußerungen von Afghanistans Präsident Hamid Karsai zurückgewiesen, wonach die Regierung in Kabul schon seit einiger Zeit geheime Gespräche mit den Aufständischen führt. Diese seien "Propaganda ohne Grundlage" und "psychologische Kriegsführung", hieß es in einer Erklärung der Taliban, wie das auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen SITE am 13. Okt. mitteilte. Solange ausländische Soldaten auf afghanischem Boden stationiert seien, würden die Taliban Verhandlungen ablehnen.
  • Im Westen Afghanistans sind am 14. Okt. drei NATO-Soldaten bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Das teilte die NATO-Truppe ISAF mit, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. In der Gegend sind Soldaten aus den USA, Spanien, Italien und Litauen stationiert.
    Insgesamt kamen in diesem Jahr bereits 584 ausländische Soldaten am Hindukusch ums Leben, die meisten davon gehörten den US-Streitkräften an. Damit ist 2010 das blutigste Jahr für die NATO seit dem Beginn des Einsatzes vor neun Jahren.
  • Trotz aller Absagen der Taliban ist der neue Hohe Friedensrat in Afghanistan zuversichtlich, dass die Aufständischen zu Verhandlungen mit der Regierung in Kabul bereit sind. Der Ratsvorsitzende, Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani, sagte am Donnerstag, die Taliban hätten stets strenge Bedingungen gestellt, Gespräche aber nie generell ausgeschlossen.
    US-Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates verteidigten nach einem NATO-Treffen in Brüssel die afghanischen Bemühungen um eine «nationale Aussöhnung». «Wir haben immer anerkannt, dass Aussöhnung letztlich ein Teil der Lösung sein muss. Und wir werden tun, was wir können, um diesen Prozess zu unterstützen», sagte Gates. US-geführte NATO-Truppen hätten dafür gesorgt, dass hochrangige Taliban-Vertreter zu Vorgesprächen mit der Regierung nach Kabul gelangen könnten, berichteten die «New York Times» und das «Wall Street Journal» am 14. Okt. «Wir wissen, was sie tun und sie wissen, was wir tun und was wir wollen», sagte Gates über die afghanische Regierung. Clinton sprach von «Beweisen für die zunehmende Effizienz unserer gemeinsamen Anstrengungen»: «Immer mehr Kämpfer suchen einen Ausweg. Viele haben für die Aufständischen gearbeitet, weil es um den Lebensunterhalt ging», sagte die Außenministerin. «Und unsere Berichte sagen, dass immer mehr versuchen, das Schlachtfeld zu verlassen.» Zu einer Bewertung der Bemühungen um Aussöhnung sei es noch zu früh.
    NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte dazu am 14. Okt. in Brüssel, die NATO sehe keine Probleme, in Afghanistan Kontakte der radikalislamischen Taliban mit der afghanischen Regierung zu ermöglichen. «Unsere Position ist: Wenn wir den Aussöhnungsprozess durch praktische Hilfe erleichtern können - warum nicht?», sagte der Generalsekretär.
  • In Pakistan haben Rebellen erneut einen Lastwagen mit Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan angezündet. Etwa ein dutzend Taliban-Kämpfer hätten im Bezirk Khyber nahe der nordwestpakistanischen Stadt Peshawar den Lkw angegriffen und zunächst den Fahrer und die Reinigungskraft getötet, teilte ein örtlicher Behördenvertreter am 15. Okt. mit. Dann hätten sie den Lastwagen mit Brandbomben beworfen. Geheimdienstvertreter in Peshawar bestätigten den Angriff und sagten, die Angreifer seien geflohen.
  • Eine Woche nach dem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr in Nordafghanistan nahmen am 15. Okt. hunderte Angehörige, Soldaten und Spitzenpolitiker Abschied von dem getöteten Sanitätsfeldwebel. Verteidigungsminister Guttenberg sagte in einer Trauerfeier im niedersächsischen Selsingen: «Ich empfinde die gewaltige Schwere der Verantwortung für das Leben eines Soldaten.» Gleichzeitig fühle er sich aber auch dafür verantwortlich, «dass dieser erlebte Wahnsinn niemals seinen schrecklichen Siegeszug in unserer Welt antritt». Guttenberg sprach von «perfider und feiger Gewalt» gegen die Bundeswehr. Die radikalislamischen Aufständischen in Afghanistan würden mit ihrem Handeln «ihre eigene Religion und Kultur nur noch verhöhnen», sagte der Minister. «Wir empfinden Fassungslosigkeit.» Der Verteidigungsminister forderte mehr Unterstützung für die Soldaten im Einsatz. «Die Anerkennung darf nicht erst hier beginnen», sagte er.
  • Die US-Armee stellt einen ihrer Soldaten vor ein Militärgericht, der bei seinem Einsatz in Afghanistan willkürlich Zivilisten getötet haben soll. Ein Datum für den Beginn des Prozesses stehe noch nicht fest, teilte die Führung des Stützpunktes Lewis-McChord nahe Seattle am 15. Okt. mit. Der 22 Jahre alte Jeremy Morlock soll gemeinsam mit vier weiteren US-Soldaten in der Provinz Kandahar drei Zivilisten getötet und anschließend deren Leichen geschändet zu haben. Die Vorfälle ereigneten sich zwischen Januar und April. Der Anklage zufolge töteten die US-Soldaten die Zivilisten zum Vergnügen.
  • Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat sich für direkte Verhandlungen mit den Taliban in Afghanistan ausgesprochen. Es sei "eine gute Entwicklung", dass der afghanische Präsident Hamid Karsai das Gespräch mit den Taliban suche. Die Gespräche seien vor allem eine Aufgabe der afghanischen Regierung, aber die internationale Staatengemeinschaft könne dabei "auch durch direkte Gespräche mit den Taliban" helfen, sagte der Minister am 16. Okt. "Nach jedem Konflikt muss man in die Phase der Versöhnung eintreten", sagte Niebel der "Welt am Sonntag" Es sei wichtig, "ehemalige Kämpfer wieder in die Gesellschaft zu integrieren".
  • Im Norden Afghanistans ist bei einem Sprengstoffanschlag ein schwedischer Soldat getötet worden. Zwei weitere Soldaten wurden nach Angaben der schwedischen Armee vom 17. Okt. verletzt, als ihr Fahrzeug über einen Sprengsatz fuhr. Deren Verletzungen seien aber nicht lebensgefährlich. Die Soldaten waren zu Gefechten westlich von Masar-i-Scharif gerufen worden. In der Region hat die Bundeswehr das Oberkommando über die NATO-Truppe ISAF inne.
    Schweden ist zwar kein Mitglied der NATO; dennoch sind seit Anfang 2002 im Rahmen der ISAF-Mission schwedische Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Derzeit sind dort etwa 500 schwedische Soldaten stationiert. Bislang starben fünf schwedische Soldaten in Afghanistan.
  • Bei einem Gefecht in der nordafghanischen Provinz Kundus ist ein Bundeswehrsoldat verletzt worden. Etwa zehn Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Kundus wurden deutsche Soldaten der NATO-Truppe ISAF beschossen, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam am 17. Okt. mitteilte. Dabei sei "nach derzeitigem Sachstand" ein deutscher Soldat verwundet worden. Der Soldat sei zur medizinischen Versorgung in das Rettungszentrum nach Kundus geflogen worden und befinde sich außer Lebensgefahr. Nach dem Angriff erwiderten die Bundeswehrsoldaten den Angaben zufolge das Feuer.
    Vor anderthalb Wochen war in der nordafghanischen Provinz Baghlan ein 26-jähriger Sanitätssoldat bei einem Selbstmordanschlag getötet worden. 14 weitere Bundeswehrsoldaten wurden bei der Bombenexplosion und dem anschließenden Gefecht mit Aufständischen verletzt (siehe oben: 7. Oktober).
  • Im Süden Afghanistans kam ein NATO-Soldat bei einem Bombenanschlag ums Leben, wie die ISAF am 17. Okt. wie üblich ohne Angabe der Nationalität des Opfers mitteilte.
    Damit stieg die Zahl der seit Jahresbeginn in Afghanistan getöteten NATO-Soldaten auf 593. Im gesamten vorherigen Jahr waren 521 NATO-Soldaten am Hindukusch ums Leben gekommen.
  • Ausländische Botschaften und Militärstützpunkte in Afghanistan sollen auch weiterhin von privaten Sicherheitsfirmen geschützt werden dürfen. Auch die private Bewachung von Diplomatenwagen und -wohnungen könne fortgesetzt werden, teilte das Büro des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai am 17. Okt. mit. Die Regierung gehe damit auf "Bedenken der NATO und ausländischer Botschaften" ein. Private Wachschützer außerhalb des diplomatischen und militärischen Bereichs seien jedoch ab dem Jahr 2011 verboten.
Montag, 18. Oktober, bis Sonntag, 24. Oktober
  • Ranghohe Diplomaten und Militärs haben am 18. Okt. in Rom über die Lage in Afghanistan beraten. Der NATO-Gipfel in Lissabon im kommenden Monat solle den Prozess der Übergabe der Kontrolle an die Afghanen einläuten, sagte der deutsche Beauftragte für Afghanistan und Pakistan, Michael Steiner. Die Übergangsphase werde 2011 starten und bis 2014 dauern. Es gehe dabei nicht um den Abzug von Truppen, sondern darum, die Vorbedingung für einen Rückzug zu erfüllen, betonte Steiner.
    An den Gesprächen nahmen auch der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, der afghanische Außenminister Salmai Rassul und der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, teil. Bei dem Treffen wurde diskutiert, wie das Land stabilisiert und die Verantwortung für die Sicherheit an die afghanische Regierung übergeben werden können.
  • Der meist gesuchte Terrorist der Welt, Osama bin Laden, versteckt sich nach Angaben des US-Senders CNN im Nordwesten Pakistans in einem komfortablen Haus unter dem Schutz der Bevölkerung und von Geheimdienstagenten. "Niemand von El Kaida lebt in einer Höhle", zitierte CNN einen namentlich nicht genannten NATO-Vertreter. Der NATO-Vertreter gab laut CNN detaillierte Informationen über das Versteck des El-Kaida-Chefs preis. Der Terroristenführer lebe in den nordwestlichen Stammesgebieten Pakistans in einem recht komfortablen Haus in der Nähe seines Stellvertreters Aiman el Sawahiri. Die USA vermuten bin Laden seit langem in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion und haben ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (18 Millionen Euro) auf ihn ausgesetzt.
    CNN zitierte den NATO-Vertreter überdies mit der Aussage, der Taliban-Chef Mullah Omar habe in den vergangenen Monaten zwischen den pakistanischen Städten Quetta im Nordwesten und Karachi im Süden gelebt. Der NATO-Vertreter zeichnete dem Sender zufolge ein düsteres Bild vom Kampf gegen islamistische Kämpfer. "Von Jahr zu Jahr kann der Aufstand mehr und mehr Personal hervorbringen", sagte er demnach.
    Pakistan wies den Vorwurf zurück, bin Laden Unterschlupf zu gewähren. "Osama bin Laden ist nicht in Pakistan", sagte Innenminister Rehman Malik. Wenn es Hinweise auf einen Aufenthaltsort von bin Laden und anderen Islamistenführern in seinem Land gebe, würde Islamabad "Maßnahmen ergreifen", ergänzte er.
  • Der australische Internet-Aktivist und Wikileaks-Gründer Julian Assange erhält in Schweden weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Arbeitserlaubnis. Das berichteten die schwedischen Medien am 18. Okt. Die Einwanderungsbehörde wollte dazu keine Details nennen, ein Sprecher betonte, diese fielen unter die Vertraulichkeit. Assange hatte den Antrag im August gestellt, kurz darauf wurde gegen ihn wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung ermittelt.
  • as US-Militär wappnet sich gegen einen neuen Überfall aus dem Internet: Kurz vor der Veröffentlichung von Hunderttausenden geheimen Militärakten zum Irak-Krieg auf der Enthüllungsplattform Wikileaks hat das Pentagon eine 120 Mann starke Taskforce zusammengestellt. «Wir überprüfen die Dokumente in unseren Datenbanken, was davon Gegenstand der Veröffentlichung sein könnte», sagte Pentagonsprecher Major Chris Perrine am 18. Okt. Ziel sei dabei, «die möglichen Auswirkungen» zu ermitteln, wenn Wikileaks die Militärakten ins Internet stellen sollte. «Es kann nur darüber spekuliert werden, was sie haben», sagte Perrine.
    Es soll sich dabei laut US-Medien und Blog-Berichten um bis zu 500 000 Dokumente zum Irak-Krieg aus den Jahren zwischen 2004 bis 2009 handeln. Unklar war zunächst, wann die Akten veröffentlicht werden sollten. Es wurde aber spekuliert, dass der Termin noch im Oktober liegen könnte. «Es wird riesig», zitierte der Blog «Threat Level» eine Quelle, die mit den Wikileaks-Plänen vertraut sein soll. (Siehe hierzu auch: Pentagon nimmt Kritik an WikiLeaks zurück.)
  • Tagelang haben Medien in aller Welt über eine angeblich zum Wochenbeginn geplante Veröffentlichung von neuen Geheimdokumenten auf der Internet-Plattform WikiLeaks berichtet. Jetzt aber teilte Projekt-Gründer Julian Assange im Internet mit, die Berichte seien falsch und WikiLeaks kündige Veröffentlichungen auch nicht vorher an. Am 19. Okt. war die Website von WikiLeaks gar nicht zu erreichen, was die Betreiber mit technischen Wartungsarbeiten begründeten.
  • In Pakistan sind zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden zwei Tanklastwagen mit Treibstoff für die NATO-Truppen in Afghanistan in Brand gesetzt worden. Zwei Bewaffnete auf einem Motorrad hätten am 19. Okt. in der südwestlichen Provinz Baluchistan die beiden Tanklastwagen gestoppt und die Fahrer zum Aussteigen gezwungen, bevor sie die Fahrzeuge in Brand setzten, teilte die Polizei mit. Der Vorfall ereignete sich bei der Stadt Dascht Bado, 175 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Quetta.
  • Der britische Prinz William würde es gerne seinem jüngeren Bruder Harry gleichtun und in Afghanistan der Armee dienen. In Äußerungen aus einem Dokumentarfilm, die am 19. Okt. veröffentlicht wurden, sagt der 28-Jährige, er finde es schade, dass er bislang nicht in Afghanistan im Einsatz gewesen sei. "Mein Herz gehörte der Armee, deshalb bin ich eingetreten", sagte die Nummer Zwei der britischen Thronfolge. "Es ist nur schade, dass ich noch nicht nach Afghanistan gekommen bin." Freilich gebe es viele Argumente, die gegen seinen Einsatz dort sprechen würden, räumte der Prinz ein. "Aber ich habe dennoch die Hoffnung, den Glauben und eine echte Entschlossenheit, dort hinzugehen."
  • US-Präsident Barack Obama wird nach Angaben des Weißen Hauses am 20. Okt. über den Stand der Gespräche der afghanischen Regierung mit den Taliban informiert. Er gehe davon aus, dass die nationale Aussöhnung in Afghanistan und die Diskussion über einen möglichen Fortschritt bei den Friedensgesprächen Schwerpunkte des monatlichen Treffens zur Lage am Hindukusch seien, sagte Präsidentensprecher Robert Gibbs am 19. Okt. in Washington. An den Gesprächen nehmen unter anderem der US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, der dortige US-Botschafter Karl Eikenberry und weitere militärische und zivile Vertreter teil.
  • Während die NATO in Afghanistan manche Taliban-Anführer gezielt tötet, gewährt sie anderen aktiv Schutz. Die «New York-Times» berichtete am 20. Okt. unter Berufung auf afghanische Quellen, das Bündnis garantiere Taliban-Unterhändlern sicheres Geleit, um Gespräche mit afghanischen Regierungsvertretern zu führen. Diese Taliban-Anführer kämen für die Verhandlungen aus ihren Zufluchtsorten in Pakistan nach Afghanistan. Taliban-Führer Mullah Mohammad Omar sei aber von Gesprächen ausdrücklich ausgeschlossen.
  • Bei der Parlamentswahl in Afghanistan vor rund einem Monat sind nach offiziellen Angaben 1,3 Millionen ungültige Stimmen abgegeben worden. Damit seien etwa 20 Prozent der Stimmen ungültig, teilte die Wahlkommission am 20. Okt. in Kabul mit. Demnach wurden bei dem Urnengang am 18. September insgesamt 5,6 Millionen Stimmen abgegeben. Die Wahl der Volksvertretung Wolesi Dschirga war von schweren Betrugsvorwürfen und von Gewalt der radikalislamischen Taliban begleitet worden. (Siehe: Afghanistan: Betrug prägte Wahlen.)
  • "Gefecht, Verwundung, aber auch Tod sind Teil des Alltags unserer Soldaten in Afghanistan. Nachrichten darüber gehören in der Heimat jedoch zunehmend zu den im dortigen Alltag untergehenden Meldungen", konstatierte am 20. Okt. der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehr Verbandes, Oberst Ulrich Kirsch in Bonn. Nicht nur der Bundesminister der Verteidigung, sondern auch alle anderen Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestages ständen hier in der Verantwortung, so Kirsch. Auch gegenüber den gesellschaftlichen Akteuren wie den Gewerkschaften und Kirchen bestehe seitens der Menschen in der Bundeswehr eine berechtigte Erwartungshaltung. Es sei, so der Bundesvorsitzende, nicht allein Aufgabe interessierter Fachkreise, sondern der ganzen Gesellschaft eines Landes, ihren fern der Heimat eingesetzten Soldatinnen und Soldaten die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken - unabhängig davon, ob der Einsatz grundsätzlich als sicherheitspolitisch sinnvoll erachtet werde.
  • Das demnächst geltende weitgehende Verbot privater Sicherheitsdienste in Afghanistan droht laut einem Zeitungsbericht die dortigen US-finanzierten Hilfsprojekte zum Erliegen zu bringen. Dass ab Mitte Dezember Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen nicht mehr für Hilfsorganisationen arbeiten dürften, werde "katastrophale" Auswirkungen haben, zitierte die Zeitung "Washington Post" am 21. Okt. einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Selbst der Afghanistan-Einsatz der US-Armee sei dadurch bedroht. "Wenn diese Projekte zum Erliegen kommen, gehen wir möglicherweise auch nach Hause", sagte er. Die Hilfsprojekte seien "wesentlich für die Strategie gegen die Aufständischen".
  • Die US-Regierung hat der Internet-Plattform Wikileaks vorgeworfen, durch die angekündigte Veröffentlichung vertraulicher Militärunterlagen Leib und Leben von Soldaten zu gefährden. "Durch die Veröffentlichung von derart sensiblen Informationen setzt Wikileaks weiterhin das Leben unserer Soldaten, ihrer Bündnispartner und der Iraker und Afghanen, die mit uns zusammenarbeiten, aufs Spiel", sagte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell am 22. Okt. Nach Pentagon-Angaben haben Experten des Ministeriums inzwischen jene rund 400.000 Geheimdokumente über den Einsatz im Irak identifiziert, die Wikileaks demnächst veröffentlichen könnte. Es handle sich dabei um "nachrichtendienstliches Rohmaterial, das von Militäreinheiten geliefert wurde", sagte ein Pentagon-Sprecher. Sie enthielten "weder strategische Analysen noch Informationen der höchsten Geheimhaltungsstufe". Es gehe in den Unterlagen um die Behandlung von Gefangenen, um Gespräche zwischen US- und irakischen Politikern, über die Gefahr von Sprengsätzen und über "taktische Einsätze", hieß es im Pentagon.
  • Die Enthüllungs-Plattform WikiLeaks will 391 832 geheime Berichte der US-Streitkräfte zum Irak-Krieg veröffentlichen. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», die britische Zeitung «Guardian» und das US-Blatt «New York Times» veröffentlichten am 22. Okt. Analysen, die sich auf diese Dokumente stützen. Wie «Spiegel Online» berichtete, werfen die Unterlagen «ein neues Licht auf den Konflikt - und belegen auf einzigartige Weise, wie hilflos die hochgerüstete Supermacht USA jahrelang war».
    US-Außenministerin Hillary Clinton griff WikiLeaks scharf an. Sie verurteile es «klar und eindeutig», sollten geheime Unterlagen zugänglich gemacht werden, sagte sie. Solche Enthüllungen gefährdeten Leben und bedrohten die nationale Sicherheit der USA «und derer, die mit uns zusammenarbeiten».
  • Trotz vehementen Protests der US-Regierung hat die Internetplattform Wikileaks am 23. Okt. fast 400.000 Geheimdokumente zum Irak-Krieg veröffentlicht. Die Dokumente belegen unter anderem Folterungen in irakischen Gefängnissen und die hohe Zahl ziviler Opfer. Die USA forderten Wikileaks auf, die Dokumente umgehend aus dem Netz zu nehmen.
    Die "New York Times", der "Spiegel", der britische "Guardian" und die französische "Le Monde" hatten die aus "einer Datenbank des Pentagon" stammenden Unterlagen aus der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2009 im Vorhinein ausgewertet. Die Unterlagen dokumentieren den blutigen Alltag des Kriegs und illustrieren die Hilflosigkeit der US-Truppen angesichts des zunehmenden Chaos im Irak. Wikileaks-Gründer Julian Assange sagte dem US-Nachrichtensender CNN, die Dokumente belegten ein "Blutbad" in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Wikileaks wollte die Unterlagen am Samstagmorgen bei einer Pressekonferenz in London erläutern. Aus den Dokumenten geht unter anderem hervor, dass die US-Armee von der brutalen Folterung von Gefangenen durch irakische Sicherheitskräfte wusste, oftmals aber nicht einschritt. Die Unterlagen dokumentieren auch, dass an Straßensperren mit US-Soldaten hunderte irakische Zivilisten getötet wurden. Einer internen Aufstellung der Armee zufolge wurden zwischen der Invasion 2003 und Ende 2009 insgesamt etwa 109.000 Iraker getötet, 63 Prozent von ihnen Zivilisten. (Siehe: Neue Störstreifen im Kriegsbild.)
  • In der westafghanischen Stadt Herat ist am 23. Okt. das Büro der Vereinten Nationen von Selbstmordattentätern angegriffen worden. Nach Angaben der Polizei griffen mindestens drei Attentäter das Gebäude an. Der erste sprengte sich in dem Auto vor dem Eingang des Gebäudes in die Luft, die beiden anderen wurden demnach vom Wachschutz erschossen. Nach Angaben eines AFP-Korrespondenten vor Ort waren zunächst mehrere Explosionen und Schüsse in dem Gebäude unweit des Stadtzentrums zu hören, vor dem Eingang lagen Leichenteile und Reste eines explodierten Autos. Ein UN-Vertreter in Herat bestätigte den Angriff. Verletzte habe es unter dem UN-Personal nicht gegeben, da sich alle Mitarbeiter in einen Bunker hätten retten können, sagte Henri Burgard. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich demnach rund 20 Menschen in dem Gebäude. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich zu dem Angriff.
  • Der Stabschef von Afghanistans Präsident Hamid Karsai, Umar Daudsai, hat einem Bericht der "New York Times" vom 24. Okt. zufolge regelmäßig Barzahlungen vom Iran erhalten. Durch die Zahlungen versuche der Iran, seinen Einfluss im Nachbarland auszuweiten, berichtet die Zeitung unter Berufung auf afghanische und westliche Diplomaten. Das Geld fließe in eine geheime Kasse, aus der Karsai und Daudsai afghanische Abgeordnete, Stammesführer und Talibanvertreter bezahlten, um sich deren Loyalität zu sichern. Dem Bericht zufolge verfolgt der Iran mit den Zahlungen in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar das Ziel, durch das Geld einen Keil zwischen Afghanistan sowie die NATO und die USA zu treiben.
    Karsai und Daudsai lehnten es dem Bericht zufolge ab, sich zu ihrer Beziehung zum Iran zu äußern. Auch der iranische Botschafter in Kabul, Feda Hussein Maliki habe nicht Stellung nehmen wollen.
  • Der Einsatz privater Sicherheitsfirmen im Irak hat das Kriegschaos erheblich verschärft. Das geht laut «New York Times» aus den geheimen Militärakten hervor, die die Internetplattform Wikileaks veröffentlicht hatte.
    Es habe an Koordinierung mit den Streitkräften gemangelt, berichtete die Zeitung am 23. Okt. online. Die Söldner «schossen oft ohne große Unterschiede zu machen auf unbewaffnete irakische Zivilisten, irakische Sicherheitskräfte, US-Soldaten und sogar auf andere private Sicherheitsleute - mit wenig oder gar keinen Konsequenzen».
    Eine Studie der unabhängigen Forschungsstelle des US-Kongresses (CRS) hatte im Juli berichtet, dass private Sicherheitsunternehmen im Irak und in Afghanistan mit fast einem Fünftel mehr Personal dort vertreten sind als das US-Verteidigungsministeriums mit uniformierten Kräften: 207 000 Wachleute und 175 000 Mann in Uniform.
  • Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat das weitgehende Verbot privater Sicherheitsdienste ab dem kommenden Jahr bekräftigt. "Die afghanische Regierung ist entschlossen, diese Unternehmen aufzulösen, und wünscht sich eine ehrliche Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft", sagte Karsai am 24. Okt. in Kabul bei einem Treffen mit Vertretern der Vereinten Nationen und der NATO sowie den Botschaftern Deutschlands, der USA und Großbritanniens. Karsai reagierte damit auf Kritik der USA, die das Verbot privater Sicherheitsfirmen ablehnen.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat einen Anschlag auf das Büro der Vereinten Nationen in der westafghanischen Stadt Herat (siehe 23. Okt.) scharf verurteilt. In einer gemeinsamen Erklärung stellten die Mitgliedsstaaten des Gremiums am 24. Okt. in New York zudem ihre "unerschütterliche Unterstützung für die Rolle der Vereinten Nationen in Afghanistan" klar. Zudem müssten die "Täter, Organisatoren sowie Geldgeber dieses verwerflichen Terrorangriffs" zur Rechenschaft gezogen werden. Das Gremium rief die internationale Gemeinschaft auf, die afghanische Regierung bei den Ermittlungen zu unterstützen
Montag, 25. Oktober, bis Sonntag, 31. Oktober
  • In Afghanistan ist der 600. ausländische Soldat seit Jahresbeginn ums Leben gekommen. Ein Soldat der NATO-Truppe ISAF starb am 24. Okt. durch einen Angriff Aufständischer im Osten des Landes, wie die NATO am 25. Okt. in der afghanischen Hauptstadt Kabul mitteilte. Ein weiterer NATO-Soldat wurde demnach am 24. Okt. durch eine Bombenexplosion im Süden des Landes getötet.
    Die Anzahl der seit Jahresbeginn in Afghanistan ums Leben gekommenen ausländischen Soldaten stieg damit auf 600, wie eine Zählung der Nachrichtenagentur AFP ergab, die sich auf die Webseite icasualties.org stützt. In dem Land sind mehr als 150.000 US- und NATO-Soldaten im Kampf gegen Aufständische im Einsatz, darunter auch Soldaten der Bundeswehr.
  • Militärische Operationen im Ausland gehören mittlerweile auch zum alltäglichen Auftrag der Bundeswehr. Die Errichtung von dauerhaften Feldlagern, Landeplätzen und anderen Einsatzliegenschaften stellt eine zwingende Konsequenz dar, um eine Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten. Aufgrund der Lage von befestigten Feldlagern oder der PRT`s (Provincial Reconstruction Team), sowohl im städtischen Bereich als auch im freien Gelände, sind diese Einrichtungen den unterschiedlichsten Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt. Das Gefährdungspotential erstreckt sich in einer Bandbreite von Mörsergranaten über Boden-Boden-Raketen bis hin zum Artilleriebeschuss. Die Einsatzkräfte müssen gegen dieses breite Spektrum von Bedrohungen geschützt werden. Dies stellt eine hohe Herausforderung an ein Luftverteidigungssystem wie das neue Flugabwehrwaffensystem MANTIS (Modular Automatic and Network capable Targeting and Interception System). MANTIS wurde seit dem Jahr 2008 entwickelt und soll in naher Zukunft in Dienst gestellt werden. Geplant ist die Beschaffung von zwei Systemen. Eines der Systeme soll zum Schutz des Feldlagers Kunduz in Afghanistan eingesetzt werden. Die Luftwaffe wird die Kompetenz für das Waffensystem MANTIS von der Heeresflugabwehrtruppe übernehmen. Auf dem 4. International Army Air Defence Symposium erläuterte vor kurzem der Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Norbert Finster, warum die gesamte Flugabwehr in Zukunft bei der Luftwaffe konzentriert sein wird: "Es ist nicht wichtig, ob ein Soldat in einer blauen oder grauen Uniform das System bedient. Entscheidend ist die Kompetenz, die es zu erhalten und auszubauen gilt."
    Mit dem Waffensystem MANTIS, einem sogenannten Nächstbereichs-Schutzsystem (NBS), gelingt der Luftwaffe der Einstieg in eine neue Generation von Schutzsystemen gegen Raketen- und Mörserangriffe. Auf der Basis der weiter entwickelten "Skyshield"-Technologie wird es künftig möglich sein, Bedrohungen bei kürzester Vorwarnzeit zu entdecken, sensorisch zu verfolgen und mit Einsatz der Waffenwirkung von MANTIS rechtzeitig zu zerstören. Mit Hilfe der Sensordaten kann der voraussichtliche Zielpunkt des feindlichen Beschusses sowie der Standort der Angreifer bestimmt werden. Mit diesen gesammelten und blitzschnell ausgewerteten Informationen besteht die Möglichkeit, Feldlagerbesatzungen gezielt zu warnen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das System MANTIS ist für den Dienstbetrieb rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, ausgelegt. (Quelle: ots, 25. Okt.)
  • Der afghanische Staatspräsident Hamid Karsai hat eingeräumt, dass seine Regierung regelmäßig mit hohen Barzahlungen aus dem Nachbarland Iran unterstützt wird. Die iranische Regierung habe Kabul «ein- oder zweimal pro Jahr» Geldbeträge von jeweils bis zu 700 000 Euro zur Verfügung gestellt, sagte Karsai am Montag im Präsidentenpalast von Kabul. Mit seiner Äußerung reagierte der Staatschef auf einen Artikel in der «New York Times» (siehe 24. Okt.). Das US-Blatt hatte am Wochenende berichtet, Karsais Stabschef Umar Daoudsai werde seit Jahren vom Iran mit Millionenbeträgen geschmiert, um in Kabul die Interessen Teherans zu vertreten. So soll der Stabschef unter anderem Bargeld an afghanische Politiker und Stammesführer gezahlt haben, um sich deren Loyalität zu erkaufen.
    Karsai wies die Vorwürfe zurück. «Daoudsai empfängt die Hilfe auf meine Anordnung», sagte er. Das Geld werde für «Sonderausgaben» des Präsidentenpalastes verwendet. Auch die US-Regierung sei darüber informiert. «Barzahlungen werden von mehreren befreundeten Ländern geleistet, um dem Büro des Präsidenten zu helfen und um Mitarbeiter sowie Menschen außerhalb der Regierung auf verschiedene Weise zu unterstützen.» Das sei alles transparent. Nichts werde versteckt. «Wir sind dankbar für die iranische Hilfe», so Karsai weiter. Denn als Gegenleistung habe der Iran vor allem gutnachbarschaftliche Beziehungen verlangt. «Das ist eine Beziehung zwischen Nachbarn. Sie wird bestehenbleiben, und wir werden Iran auch weiterhin um Bargeldhilfe ersuchen.»
  • Der seit acht Jahren im US-Lager Guantanamo inhaftierte Kanadier Omar Khadr hat vor einem Militärtribunal ein umfassendes Schuldbekenntnis abgelegt. Er bekenne sich in allen Anklagepunkten schuldig, sagte der 24-Jährige am 25. Okt. vor einem US-Militärrichter. Khadr ist wegen Mordes, Verschwörung, Spionage und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Die Militäranklage wirft Khadr unter anderem vor, in Afghanistan eine Handgranate geschleudert zu haben, die einen US-Soldaten getötet hat. Khadr ist der letzte Staatsbürger eines westlichen Landes, der in Guantanamo festgehalten wird. Er war 2002 im Alter von nur 15 Jahren in Afghanistan ergriffen und nach Guantanamo gebracht worden. Der heute 24-Jährige hat inzwischen mehr als ein Drittel seines Lebens in dem US-Lager auf Kuba verbracht. (Lesen Sie mehr: "Kindersoldat" Khadr verurteilt.)
  • Die USA dürfen Informationen über Insassen eines von Menschenrechtlern als "afghanisches Guantanamo" kritisierten Militärgefängnisses in Afghanistan weiterhin zurückhalten. Ein Gericht in New York habe eine Klage gegen das Verteidigungsministerium und den Geheimdienst CIA zu dem Haftzentrum auf dem US-Stützpunkt Bagram zurückgewiesen, teilte die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU am 25. Okt. mit. Im Januar hatte die US-Regierung auf Druck der ACLU die Namen von 645 Insassen des Gefängnisses veröffentlicht. Die Bürgerrechtsorganisation bemängelte damals, dass wichtige Angaben über die Häftlinge wie Alter oder Nationalität fehlten, und reichte Klage ein.
  • Nach dem afghanischen Bekenntnis, "Taschen mit Geld" aus dem Iran erhalten zu haben, hat die Regierung in Teheran bestätigt, das Nachbarland zu unterstützen. Der Iran sei "tief besorgt um die Stabilität in Afghanistan", sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ramin Mehmanparast, am 26. Okt. Deshalb habe Teheran "viel Unterstützung für den Wiederaufbau" des Landes geleistet und werde dies auch in Zukunft tun. Über die genaue Art der iranischen Hilfe für Afghanistan machte Mehmanparast keine Angaben.
  • Trotz internationaler Forderungen nach einem entschiedeneren Kampf gegen die Korruption in Afghanistan hat sich die dortige Lage laut der Organisation Transparency International (TI) nicht verbessert. In ihrem jährlichen Korruptionsindex rangierte Afghanistan mit Birma auf dem vorletzten Platz.
    Auf einer Skala von zehn ("sehr sauber") bis null ("hochgradig korrupt") wurde Afghanistan in diesem Jahr mit 1,4 bewertet. Im vergangenen Jahr war das Land mit 1,5 Punkten ebenfalls auf dem vorletzten Platz gelandet. Noch schlechter war die Lage 2010 nur noch im Bürgerkriegsland Somalia.
    Kaum besser als in Afghanistan sieht die Lage laut TI mit einem Wert von 1,5 Punkten im Irak aus. Auf den letzten Plätzen der Korruptionsrangliste rangieren viele afrikanische Staaten, aber auch die zentralasiatischen Länder Usbekistan, Turkmenistan (beide Platz 172 mit 1,6 Punkten), Kirgistan (Platz 164/2.0 Punkte) und Tadschikistan (Platz 154/2,1 Punkte). (AFP, 26. Okt.)
  • Das slowakische Parlament hat am 26. Okt. dem Abzug seiner Soldaten aus dem Kosovo zugestimmt, um seine in Afghanistan eingesetzten Truppen zu verstärken. Die Slowakei werde bis zum Ende des Jahres seine 140 Soldaten abziehen, sagte Verteidigungsminister Lubomir Galko. Dies werde seinem Land erlauben, seine Truppenpräsenz in Afghanistan zu erhöhen. Wie viele zusätzliche Soldaten nach Afghanistan geschickt würden, ließ Galko offen. Eine Ministeriumssprecherin sagte der Nachrichtenagentur AFP jedoch, die Slowakei werde ihre Truppenzahl nicht verdoppeln, wie es der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico versprochen hatte. Fico wurde im Juli durch die Mitte-rechts-Regierung von Iveta Radicova abgelöst.
  • Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat den USA geraten, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Der Krieg sei «nicht zu gewinnen», sagte Gorbatschow in einem Interview mit der britischen BBC am 27. Okt. Gorbatschow hatte 1988 in seiner damaligen Funktion als Generalsekretär der KPDSU selbst den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan verkünden müssen. Die Sowjets hatten zehn Jahre lang erfolglos versucht, den Kurs der damaligen kommunistischen Führung in Kabul militärisch durchzusetzen. Sie konnten aber letztlich den - auch von den USA unterstützten - Widerstand der islamistischen Aufständischen nicht brechen. Gorbatschow war 1986 mit dem Wahlversprechen angetreten, den Krieg der Sowjets in Afghanistan zu beenden. Zwei Jahre später machte er es wahr. Gorbatschow (79) beschwerte sich über die Haltung der USA nach dem sowjetischen Truppenabzug. Es sei ein Abkommen erzielt worden, mit dem Iran, Indien, Pakistan und den USA. Darin sei Afghanistan als neutrales, demokratisches Land definiert worden, das gute Beziehungen zu seinen Nachbarn unterhalte. Die USA hätten zwar gesagt, sie wollten das Abkommen einhalten. «Aber zur gleichen Zeit haben sie Aufständische trainiert - die gleichen, die jetzt Afghanistan und Teile Pakistans terrorisieren.» Präsident Barack Obama liege richtig mit seiner Entscheidung, den Truppenabzug bald zu beginnen. «So schwierig das auch sein mag», sagte Gorbatschow. Die Alternative sei «ein zweites Vietnam».
  • Die US-Armee macht bei ihrem Kampf gegen die Taliban in Afghanistan einem Zeitungsbericht zufolge kaum Fortschritte. Die "Washington Post" berichtete am 27. Okt. unter Berufung auf Verantwortliche der Armee und der US-Geheimdienste, es habe zwar zwischenzeitliche Erfolge beim Vorgehen gegen die Aufständischen gegeben, etwa durch Drohenangriffe oder den verstärkten Einsatz von Kampftruppen. Getötete oder gefasste Taliban-Anführer würden aber binnen Tagen ersetzt. Die ranghöchsten Anführer seien zudem kaum vom Eingreifen der US-Armee betroffen.
  • El-Kaida-Chef Osama bin Laden hat in einer ihm zugeschrieben Audiobotschaft den Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan gefordert. Dies sei "das einzige Mittel", die Sicherheit Frankreichs zu schützen, heißt es in der Botschaft, die der arabische Fernsehsender El Dschasira am 27. Okt. in Auszügen ausstrahlte. Die Geiselnahme von fünf Franzosen, die sich in der Gewalt des nordafrikanischen Ablegers des Terrornetzwerks (Aqmi) befinden, nannte bin Laden gerechtfertigt. "Wenn ihr Geiseln nehmt, nehmen wir Geiseln, wenn ihr unsere Sicherheit bedroht, bedrohen wir eure", heißt es in der als "Botschaft an das französische Volk" betitelten Tonbandaufnahme des El-Kaida-Chefs.
    Aqmi wird für Anschläge und Entführungen in Mauretanien, Algerien, Mali und im Niger verantwortlich gemacht. Im Juli ermordete die Gruppe einen im Niger verschleppten Franzosen, nachdem bei einem mauretanisch-französischen Militäreinsatz mindestens sechs El-Kaida-Anhänger getötet worden waren. Die Terrororganisation drohte danach mit Racheakten gegen Frankreich und Franzosen in der Region. Gegenwärtig hält die Gruppe sieben Geiseln, darunter fünf Franzosen, im Grenzgebiet zwischen Mali und Algerien in der Wüste fest. In Afghanistan sind rund 3750 französische Soldaten stationiert.
  • Bei neuen US-Drohnenangriffen im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan sind mindestens 13 mutmaßliche Islamisten ums Leben gekommen. Aus Geheimdienstkreisen in der Region hieß es am 27. Okt., dass ein unbemanntes Flugzeug Raketen auf ein Haus in Nord-Waziristan abfeuert habe. Dabei starben demnach sieben Aufständische. Schon gestern waren sechs Menschen bei Luftangriffen in dem halbautonomen Stammesgebiet getötet worden. Die USA hatten die Drohnenangriffe zuletzt deutlich ausgeweitet.
  • Am 28. Okt., einen Tag nach der Drohung von El-Kaida-Chef Osama bin Laden gegen Frankreich, hat Verteidigungsminister Hervé Morin den Abzug der ersten französischen Truppen aus Afghanistan für 2011 angekündigt. Der Zeitplan habe "überhaupt keine Verbindung" zu der Bin-Laden-Botschaft, sagte Morin. Der Abzug entspreche vielmehr dem Zeitplan der USA und der NATO. US-Präsident Barack Obama hatte den Abzug der ersten US-Soldaten aus Afghanistan für Juli 2011 angekündigt. Auch Deutschland und andere europäische Verbündete wollen 2011 mit dem Abzug beginnen.
  • Seit der Parlamentswahl in Afghanistan im September sind fast 6000 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten und möglichen Wahlbetrug registriert worden. Die Wahlbeschwerdekommission (EEC) teilte am 28. Okt. in Kabul mit, 2500 der insgesamt 5971 eingegangenen Beanstandungen würden als "ernsthafte Verstöße" betrachtet. Sollten sie sich als berechtigt erweisen, könnten sie Einfluss auf das Endergebnis der Parlamentswahl haben, das in den kommenden Tagen bekanntgegeben werden soll.
  • Bei Luftangriffen der NATO im unruhigen Süden Afghanistans sind mehr als 20 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Im an Pakistan grenzenden Bezirk Spin Boldak in der Provinz Kandahar hätten am 28. Okt. zahlreiche Aufständische mit Maschinengewehren und Handfeuerwaffen auf einen Kampfhubschrauber der NATO gefeuert, teilte die NATO-Truppe ISAF am 29. Okt. mit. Daraufhin habe die Besatzung des Hubschraubers das Feuer erwidert. Nach dem Luftangriff seien 17 Motorräder, ein Auto sowie einige Waffen der mutmaßlichen Aufständischen beschlagnahmt worden.
  • Die USA können laut einem umfassenden Prüfbericht zu ihrer Entwicklungshilfe nicht zurückverfolgen, ob Hilfsgelder für Afghanistan in Höhe von 17,7 Milliarden Dollar (13 Milliarden Euro) ordnungsgemäß verwendet wurden. Dieses Geld wurde von 2007 bis 2009 an insgesamt 7000 Auftragnehmer vergeben, wie der US-Sonderinspektor für den Wiederaufbau in Afghanistan (SIGAR), Arnold Fields, am Donnerstag mitteilte. Die zuständigen US-Behörden könnten allerdings nicht sagen, wie viel von dem Geld verwendet worden sei. (AFP, 29. Okt.)
  • Russland und die USA sind erstmals in einer gemeinsamen Aktion gegen die Drogenproduktion in Afghanistan vorgegangen. Bei dem ersten gemeinsamen Einsatz am Hindukusch seien drei Drogen-Werkstätten mitsamt 932 Kilogramm Heroin und 156 Kilogramm des Drogenrohstoffs Opium zerstört worden, teilte der Leiter der russischen Drogenbekämpfungsbehörde, Viktor Iwanow, nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax am 29. Okt. in Moskau mit. An der Aktion an der Grenze zu Pakistan waren demnach Mitarbeiter seiner Behörde, US-Spezialkräfte und Beamte des afghanischen Innenministeriums beteiligt.
  • Ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums hat offenbar mithilfe privater Sicherheitsfirmen einen illegalen Spionagering in Afghanistan und Pakistan aufgebaut. Das ergab eine Untersuchung des Pentagon, wie ein Ministeriumssprecher am 29. Okt. sagte. Der ranghohe Pentagon-Mitarbeiter habe den Spionagering Ende 2009 ins Leben gerufen. Eine der beteiligten privaten Sicherheitsfirmen sei von einem früheren CIA-Agenten geleitet worden.
  • Der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, hat vor zu großen Erwartungen bezüglich der Friedensgespräche mit den radikalislamischen Taliban gewarnt. "Das ist weniger interessant, als es den Anschein hat", sagte Holbrooke am 29. Okt. in Washington nach einem Besuch in Kabul. Zwar gebe es eine wachsende Zahl von Taliban, die verhandeln wolle. Bei den Anführern der Aufständischen sei dies aber nicht der Fall, und es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass sie ihr Verhalten ändern würden.
  • In Afghanistan sind bei schweren Gefechten im Süden und Südosten mehr als 40 Menschen getötet worden. Die Taliban hatten unter anderem versucht, einen Außenposten der Internationalen Schutztruppe ISAF in der Provinz Paktika zu stürmen. Mindestens 30 Aufständische kamen bei den stundenlangen Kämpfen um. Fünf ISAF- Soldaten wurden verletzt. Bei einem anderen Gefecht in der Provinz Helmand wurden ein ISAF-Soldat und mindestens zehn Taliban-Kämpfer getötet. (AFP, 30. Okt.)
  • Im Prozess gegen den jungen Kanadier Omar Khadr vor einem Militärgericht im US-Stützpunkt Guantanamo hat die Staatsanwaltschaft am 30. Okt. eine Haftstrafe von 25 Jahren gefordert. Die Anklage begründete ihre Forderung damit, dass Khadr das Verbrechen eines Erwachsenen begangenen habe und alt genug gewesen sei, den Unterschied zwischen richtig und falsch zu kennen. Der heute 25-jährige Kanadier war bei seiner Verhaftung in Afghanistan 2002 gerade erst 15 Jahre alt. (Lesen Sie mehr: "Kindersoldat" Khadr verurteilt.)
  • In der nordafghanischen Provinz Kundus sind am 31. Okt. zwei Bundeswehrsoldaten leicht verletzt worden. Deutsche ISAF-Kräfte seien im Bereich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus durch zwei Sprengstoffanschläge angegriffen worden, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit. Dabei seien zwei Fahrzeuge leicht beschädigt worden. Zuvor wurden nach Angaben des Einsatzführungskommandos bereits deutsche Soldaten rund vier Kilometer westlich des deutschen Feldlagers beschossen. Dabei seien keine Soldaten verwundet worden.


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