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Chronik Afghanistan

August 2010


Sonntag, 1. August, bis Sonntag, 8. August
  • Im Süden Afghanistans sind sechs Zivilisten bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Weitere neun Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt, als ein Kleinbus am 1. Aug. im Bezirk Maiwand in der Provinz Kandahar von einem am Straßenrand versteckten Sprengsatz getroffen wurde. Der Bus kam demnach aus der benachbarten Provinz Helmand.
  • Nach ihrem vierjährigen Einsatz in der südafghanischen Provinz Urusgan haben die Niederländer am 1. August mit dem vollständigen Abzug aus dem Land begonnen. Die internationalen Truppen am Hindukusch verlieren damit einen wichtigen Verbündeten. Der erste Abzug eines großen Kontingents aus Afghanistan seit Beginn des Einsatzes 2001 trifft die NATO inmitten eines Anstiegs der islamistischen Gewalt. Anlässlich des Abzugs der Niederländer fand in ihrem Hauptstützpunkt im Zentrum von Urusgan eine kleine Zeremonie zur Übergabe des Kommandos statt. Die niederländischen Truppen hätten sich in Urusgan verdient gemacht, erklärte ein ISAF-Sprecher. Die NATO-Truppe ISAF werde in Urusgan "ihre derzeitigen Kapazitäten beibehalten". Die Niederländer werden von einer US-geführten Truppe abgelöst, zu der auch Soldaten aus Australien, der Slowakei und Singapur zählen.
    Der Abzug der vorwiegend in Urusgan stationierten 1950 niederländischen Soldaten soll bis September abgeschlossen sein. Ihre Ausrüstung, darunter vier F-16-Kampfjets, soll bis zum Jahresende folgen. Seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes der Niederlande im August 2006 starben dort 24 niederländische Soldaten, darunter der Sohn von Chefkommandeur Peter van Uhm.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben am 1. Aug. mehr als 200 Menschen gegen einen NATO-Angriff im Süden des Landes protestiert, bei dem nach Angaben der afghanischen Regierung Ende vergangener Woche 52 Zivilisten ums Leben gekommen waren. Die Demonstranten hielten dabei Schilder mit der Aufschrift "Tod Amerika" und Fotos von mutmaßlich bei dem Angriff getöteten Kindern in die Höhe, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtet. Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte am 25. Juli die NATO-Truppen für den Raketenangriff in einem Dorf der Unruheprovinz Helmand verantwortlich gemacht, bei dem am 23. Juli 52 Zivilisten getötet worden sein sollen. Die NATO wies die Vorwürfe zurück. Der Sprecher der internationalen Afghanistan-Truppe ISAF, Josef Blotz, sagte, dass Untersuchungen vor Ort und Zeugenbefragungen "keine Beweise" für die zivilen Opfer ergeben hätten.
  • Der Afghanistan-Einsatz hat erneut zwei britische Soldaten das Leben gekostet. Wie das Verteidigungsministerium in London am 2. Aug. mitteilte, kam einer der beiden bei einem Gefecht in der Provinz Helmand ums Leben. Der zweite starb bei einer Explosion ebenfalls in Helmand. Die beiden tödlichen Zwischenfälle ereigneten sich dem Ministerium zufolge am 1. Aug.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 2. Aug. in Südafghanistan fünf Kinder mit in den Tod gerissen. Er sprengte sich in der Nähe eines Polizeifahrzeugs in die Luft, in dem ein Regierungsmitarbeiter der Provinz Kandahar auf dem Weg zur Arbeit war, wie das Innenministerium mitteilte. Der Anschlag ereignete sich demnach am Morgen in der Nähe eines Marktes im Bezirk Dand. Der Leibwächter des obersten Regierungsvertreters dort erlitt Verletzungen, Ahmadullah Nasak selbst blieb unverletzt.
  • US-Präsident Barack Obama hat den Einsatz der US-Armee in Afghanistan gegen zunehmende Kritik verteidigt. Die gesteckten Ziele seien "bescheiden" und könnten verwirklicht werden, sagte Obama im Fernsehsender CBS laut einem AFP-Bericht vom 2. Aug. Es gehe nicht darum, Afghanistan in eine perfekt funktionierende Demokratie nach westlichem Vorbild zu verwandeln. Vielmehr solle verhindert werden, dass Terroristen von der Region aus agieren, Trainingslager aufbauen und Anschläge gegen die USA planen könnten. "Das kann uns gelingen", sagte Obama. "Wir können Afghanistan ausreichend stabilisieren."
  • Der afghanische Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak rechnet trotz der angespannten Sicherheitslage im Land mit Fortschritten im Kampf gegen den radikalislamischen Taliban. So sei in Afghanistan zwar eine Zunahme der Gewalt zu beobachten, räumte Wardak am 2. Aug. bei einem Besuch in Malaysia ein. Die Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen in den umkämpften Provinzen Helmand und Kandahar verlaufe jedoch nach Plan. «Mit der richtigen Strategie und genügend Truppen sind wir erstmals auf dem richtigen Weg», sagte Wardak. Bis zum Ende des Jahres erwarte er deshalb eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage. Auch der vom NATO-Land Niederlande veranlasste Abzug ihrer 1.900 Streitkräfte werde daran nichts ändern.
  • Die schwedischen Regierungsparteien wollen im Falle eines Siegs bei den Parlamentswahlen im September das Mandat für den Einsatz in Afghanistan verlängern und womöglich auch ausweiten. Die Mitte-Rechts-Koalition sei für eine Aufstockung des schwedischen Kontingents offen, "wenn es die Lage erfordert", schrieb der konservative Verteidigungsminister Sten Tolgfors am 2. Aug. in einem Beitrag für die Zeitung "Dagens Nyheter". Die Beteiligung am Afghanistan-Einsatz sei "Ausdruck der Solidarität und der Verantwortung Schwedens gegenüber der Welt". Den Beitrag von Tolgfors unterzeichneten auch die Verteidigungsexperten der drei Koalitionspartner.
  • Der Oberkommandierende der ISAF-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, hat mit in teilweise rauem Ton gehaltenen Weisungen an die Soldaten für Aufsehen gesorgt. In den Leitlinien, die sich auch an die deutschen Soldaten wenden, heißt es unter anderem, der "Feind" in Afghanistan müsse ohne Unterlass verfolgt werden. Die Bundesregierung hob am 2. Aug. jedoch hervor, Petraeus betone in dem Schreiben auch ausdrücklich, dass die Anstrengungen, zivile Opfer zu reduzieren, weiter fortgesetzt werden müssten.
    Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hat die Wortwahl des Oberkommandierenden der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, David Petraeus, in dessen jüngsten Weisungen an die alliierten Soldaten kritisiert. «Der Ton ist ein Stück weit amerikanisches Denken», sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Ausgabe vom 3. Aug.). «Dies sollten wir Deutschen uns nicht unbedingt zu eigen machen. Wir reden auch bei schwersten Terroristen über Menschen.» Die USA hätten hier einen anderen Sprachgebrauch, sagte Arnold. "Das führt bei den Bürgern und möglicherweise auch beim einen oder anderen Soldaten zu Missverständnissen.»
  • Die internationalen Truppen in Afghanistan haben den Krieg gegen die Taliban nach Einschätzung von Asif Ali Zardari bereits verloren. Im Kampf gegen die Islamisten sei die internationale Gemeinschaft unterlegen, weil sie es nicht geschafft habe, «Herz und Seele» der afghanischen Bevölkerung zu erobern, sagte Zardari in einem einem am 3. Aug. veröffentlichten Interview der französischen Tageszeitung «Le Monde». Die von den USA geführte Koalition habe die Situation vor Ort unterschätzt und das Ausmaß des Problems nicht erkannt. Militärische Verstärkung sei nur ein Bruchteil der Lösung, erklärte Zardari. «Der Einsatz der internationalen Gemeinschaft muss langfristig sein.» Eine schnelle Lösung der Probleme am Hindukusch gebe es nicht. Um die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen, sei wirtschaftliche Entwicklung nötig, wurde der pakistanische Staatschef weiter zitiert. Die internationale Gemeinschaft müsse zeigen, «dass wir ihr Leben nicht nur ändern, sondern vor allem verbessern können».
    Zardari wurde nach einem Besuch in Paris am 3. Aug. in London erwartet und soll am 6. Aug. mit dem britischen Premierminister David Cameron zusammentreffen.
  • Außenminister Guido Westerwelle hat sich am 4. Aug. sehr zurückhaltend über die jüngsten Leitlinien des neuen Oberbefehlshabers in Afghanistan, US-General David Petraeus, geäußert. «Meine Wortwahl wäre das nicht», sagte der Vizekanzler auf die Frage, ob die Leitlinien auch bindend für die Bundeswehr seien. Westerwelle betonte, es gelte die politische Strategie der Bundesregierung, derzufolge dem Land eine wirtschaftliche und soziale Perspektive gegeben werden müsse. Militärische Fragen wolle er nicht erörtern, fügte er hinzu. «Sollte diese Wortwahl verwendet worden sein, so kann ich Ihnen sagen, dies ist nicht meine Wortwahl», sagte der Außenminister. Die Frage hatte sich auf einen Passus bezogen, der sinngemäß übersetzt heißt: «Verbeißt Euch in die Aufständischen und lasst sie nicht wieder los. (Get your teeth into the insurgents and don't let go).»
    Westerwelle nahm allerdings nicht die Erklärung des stellvertretenden Regierungssprechers Christoph Steegmans vom 2. Aug. wieder auf, der dieses Zitat in den größeren Zusammenhang des Schutzes der Zivilbevölkerung gestellt hatte. Petraeus hatte sehr stark darauf abgehoben, dass die Zivilbevölkerung unter allen Umständen geschont und geschützt werden müsse und dem Feind, den Aufständischen, nicht die Möglichkeit zur Aufwiegelung gegeben werden dürfe. Diese Strategie hatte Steegmans in Namen der Bundesregierung ausdrücklich gelobt.
  • Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schließt eine gezielte Tötung von Aufständischen in Afghanistan durch internationale Truppen nicht aus. Westerwelle sagte am 4. Aug. in Berlin auf die Frage, ob er eine gezielte Tötung für legitim halte oder nicht: «Die Rechtslage ist eindeutig diesbezüglich. (...) Wir müssen wissen, dass gegnerische Kämpfer in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt in dem vom humanitären Völkerrecht gesteckten Rahmen gezielt bekämpft werden können und auch dürfen.» Er sagte auch: «Wir haben die Aufgabe, die Sicherheit unseres Landes und auch unsere Frauen und Männer, unsere deutschen Landsleute, zu schützen.»
  • Nach dem Beginn des Abzugs der niederländischen Truppen aus Afghanistan haben die Taliban andere NATO-Länder wie Deutschland aufgefordert, sich ebenfalls aus dem Land zurückzuziehen. Die Niederlande hätten der "Beharrlichkeit der USA" widerstanden und das Mandat nicht verlängert, weil sie den Tod ihrer Soldaten nicht mehr in Kauf nehmen wollten, hieß es in einer im Internet verbreiteten Erklärung der Taliban, aus der das auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierte Unternehmen SITE am 4. Aug. zitierte. Sie hofften, dass "andere Länder wie Deutschland dem Beispiel folgen und ihre Truppen abziehen". Die US-Soldaten müssten als einzige am Hindukusch zurückbleiben und "die Konsequenzen für ihre Invasion tragen".
  • Bei einem Luftangriff im Osten Afghanistans hat die NATO nach Angaben afghanischer Behörden zwölf Zivilisten getötet. Die NATO habe in der Nacht zum 5. Aug. im Dorf Nokrchail aus der Luft ein Fahrzeug beschossen und dabei die Zivilisten getötet, erklärte der Gouverneur des Bezirks Chogjani in der Provinz Nangarhar, Mohammed Hassan. Bei einem weiteren Luftangriff im Dorf Haschimchail seien 14 Menschen ums Leben gekommen. Es sei allerdings unklar, wie viele der Opfer Zivilisten und wie viele Taliban-Kämpfer gewesen seien.
  • Die Angehörigen der Opfer des Luftschlags von Kundus in Afghanistan können auf baldige Entschädigung hoffen. Nach monatelangen Verhandlungen steht ein Angebot von 5000 Dollar (rund 3800 Euro) pro Familie fest. Das Verteidigungsministerium bestätigte am 5. Aug. einen Bericht des Online-Magazins «stern.de», nach dem pro Familie 5000 Dollar vorgesehen sind. Für jede Opferfamilie soll ein eigenes Konto in Kundus eingerichtet werden. Die Zahlungen sollen nicht offiziell als Entschädigung ausgewiesen werden, sondern als humanitäre Hilfe, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ein unabhängiger Mittler hatte die Einzelheiten nach Gesprächen mit Dorfältesten und Angehörigen der Opfer vereinbart. Das Online-Magazin schrieb, dass die Afghanische Menschenrechtskommission einbezogen worden sei.
  • Das US-Verteidigungsministerium hat die Verantwortlichen der Internetplattform Wikileaks am 5. Aug. aufgefordert, die Ende Juli veröffentlichten Geheimdokumente der US-Streitkräfte zum Konflikt in Afghanistan "umgehend zurückzugeben". Die Papiere müssten außerdem von der Internetseite entfernt werden, forderte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell in Washington. Wikileaks hatte Ende Juli rund 90.000 Dokumente der US-Streitkräfte in Afghanistan veröffentlicht und damit nach Auffassung der Militärs vor allem afghanische Informanten, aber auch die US-Soldaten vor Ort in Gefahr gebracht.
  • Der frühere afghanische Handelsminister Mohammed Amin Farhang hat die Höhe der Zahlungen der Bundesregierung an die Opfer des Luftangriffs von Kundus als "lächerlich" kritisiert. "5000 Dollar sind in Afghanistan nicht viel Geld", sagte Farhang im Gespräch mit dem RBB-Radiosender Radio Eins am 6. Aug. "Diese Summe ist lächerlich." Farhang sagte, mit dieser Einschätzung stehe er nicht allein. Er habe am Donnerstag (5. Aug.) "privat mit vielen Leuten gesprochen, die heute in Afghanistan Verantwortung tragen". Viele seien angesichts der Summe "enttäuscht" gewesen. Farhang kritisiert: "Ich rede nicht über Schuld oder Unschuld", sagte er. "Aber da sind Menschen getötet worden. Und das afghanische Blut darf nicht so billig gehandelt werden."
  • In Afghanistan sind am 7. Aug. die Leichen von sechs Deutschen gefunden worden. Sie waren zusammen mit zwei Amerikanern und zwei Afghanen in einem entlegenen Berggebiet im Nordosten des Landes getötet worden, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Ausländer hatten im Grenzgebiet zu Pakistan gezeltet. Ihre Leichen sind von Kugeln durchsiebt.
    Die Taliban haben sich zu der Erschießung von deutschen und aus anderen Ländern stammenden Ärzten im Nordosten Afghanistans bekannt. Die Rebellen hätten "neun christliche Missionare" getötet, die Bibeln mit sich geführt hätten, sagte ein Taliban-Sprecher laut Nachrichtenagentur AFP vom 7. Aug. Zudem hätten sie Satellitennavigationsgeräte bei sich gehabt, um "die Postionen der Kämpfer" der Taliban aufzuzeichen. Laut afghanischer Polizei wurden in der Provinz Badachschan zehn Menschen getötet, unter ihnen sechs deutsche Ärzte.
  • Unter den getöteten Ärzten im Nordosten Afghanistans befindet sich nach Angaben der Hilfsorganisation, für die sie tätig waren, nur ein Opfer aus Deutschland. Es handele sich um eine Frau, sagte der Leiter der christlichen Organisation International Assistance Mission (IAM), Dirk Frans, am 7. Aug. in Kabul. Sechs der insgesamt acht Opfer seien US-Bürger und ein weiteres stamme aus Großbritannien. Die Polizei der Provinz hatte zuvor von sechs getöteten Deutschen, zwei US-Bürgern und zwei Afghanen gesprochen. (Weitere Informationen: Angriff auf "christliche Helfer".)
  • Nach der Ermordung christlicher Helfer in Afghanistan hat die afghanische Polizei nach BBC-Informationen einen Fahrer ihres Konvois verhaftet. Die Taliban hatten sich zu der Tat bekannt. Die Polizei mache aber Straßenräuber dafür verantwortlich, so der britische Sender am 8. Aug. Die Bundesregierung sprach von einem «feigen Mord» und forderte die Bestrafung der Täter.
  • US-Außenministerin Hillary Clinton hat die Tötung von acht ausländischen Ärzten in Afghanistan scharf verurteilt. Es handele sich um einen "verachtenswerten Akt der Gewalt", erklärte sie am 8. Aug. in Washington. "Wir verurteilen aufs Schärfste diese sinnlose Tat." Zugleich griff Clinton die radikalislamischen Taliban an, die sich zu dem Überfall bekannt hatten. Diese versuchten "durch falsche Anschuldigungen ihren durch nichts zu rechtfertigenden Akt zu rechtfertigen", erklärte die US-Außenministerin.
Montag, 9. August, bis Sonntag, 15. August
  • Die Beteiligung der radikalislamischen Taliban an der Macht in Afghanistan ist nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ohne Alternative. "Was am Ende des Prozesses bestenfalls stehen wird, ist ein Kompromiss und eine Machtteilung mit jenen Kräften, von denen ein früherer US-Präsident mal gesagt hat, sie seien das Böse schlechthin, das vernichtet werden müsse", sagte Trittin der "Stuttgarter Zeitung" vom 9. Aug. Einflussreiche Rebellenführer wie Gulbuddin Hekmatjar und Mullah Omar müssten "über kurz oder lang" an der Regierung beteiligt werden - auch wenn die beiden noch auf der Terrorliste der Vereinten Nationen stünden.
  • Die christliche Hilfsorganisation IAM hat offiziell bestätigt, dass es sich bei den in Afghanistan getöteten Ärzten und Helfern um ihre Mitarbeiter handelte. IAM-Direktor Dirk Frans sagte am 9. Aug. in Kabul, die zehn Ausländer und Afghanen seien im Nordosten des Landes unterwegs gewesen. Bei der getöteten Deutschen habe es sich um eine Frau namens Daniela B. gehandelt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes stammte die 35-jährige aus Sachsen. Die Taliban hatten sich zu der Tat bekannt. Es gibt aber auch Hinweise auf einen möglichen Raubüberfall.
  • Radikal-islamische Taliban haben im Westen Afghanistans nach Angaben der Polizei eine schwangere Frau hingerichtet. Der Vize-Polizeichef der Provinz Badghis, Dschabar Saleh, sagte der Nachrichtenagentur dpa am 9. Aug., ein Taliban-Gericht habe die 40-Jährige Witwe namens Bibi Sanawbar für schuldig befunden, durch eine unerlaubte Affäre schwanger geworden zu sein. Sanawbar sei zunächst drei Tage eingesperrt worden, sagte Saleh. Danach sei sie mit 200 Hieben ausgepeitscht und mit drei Schüssen in den Kopf getötet worden. Ein Taliban-Kommandeur in dem entlegenen Distrikt Kadis namens Mullah Mohammad Jusif habe das Todesurteil gefällt und die Frau am Sonntag (8. Aug.) persönlich hingerichtet.
  • Die US-Bundespolizei FBI hat sich in die Ermittlungen zur Tötung von acht ausländischen Ärzten in Afghanistan eingeschaltet. "Das FBI hat das Recht zu weltweiten Untersuchungen, wenn US-Bürger betroffen sind", erklärte am 9. Aug. eine Sprecherin der US-Botschaft in Kabul. Entsprechend ermittele die US-Bundespolizei auch in diesem Fall. Sie arbeite dabei mit den afghanischen Behörden zusammen, betonte die Sprecherin. Ihren Angaben zufolge wird derzeit unter anderem geprüft, ob die Leichen der getöteten US-Ärzte "in aller Würde" in die USA gebracht und dort einer Autopsie unterzogen werden sollen.
  • Die Grünen im Bundestag fordern von der schwarz-gelben Regierung einen detaillierten Abzugsplan für die Bundeswehr aus Afghanistan. «Ich halte es für ein Unding, dass - während alle Welt von einem gesetzten Abzugsdatum ausgeht - die Bundesregierung immer noch so tut, als sei diese Frage offen», sagte Grünen- Fraktionschef Jürgen Trittin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa am 10. Aug. «Wenn ich davon ausgehe, dass spätestens 2014 Ende der Kampfeinsätze sein soll in Afghanistan, dann erwarte ich von der Bundesregierung endlich so etwas wie einen Abzugsplan.» Die Regierung müsse sagen, was sie dort bis dahin noch erreichen wolle.
  • Die Taliban haben ein auf dem Titel des US-Magazins "Time" erschienenes Foto einer verstümmelten Afghanin als "Propaganda" bezeichnet. Wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte Institut SITE am 10. Aug. mitteilte, wiesen die Taliban in einer Erklärung die Verantwortung für die Verstümmelung von sich. Der "verzweifelte Propagandaakt" zeige, zu welchen "Exzessen" die Medien bereit seien, um die USA zufriedenzustellen. Die USA würden diese "Lügen" veröffentlichen, um von ihrer "klaren Niederlage" in Afghanistan abzulenken.
    Anfang August hatte das "Time"-Magazin auf seinem Titelblatt das Bild der verstümmelten 18-jährigen Aischa mit der Frage "Was geschieht, wenn wir Afghanistan verlassen" versehen. In dem Heft wurde das Martyrium der jungen Afghanin geschildert, die mit einem Taliban in der südafghanischen Provinz Urusgan verheiratet war. Dieser habe ihr Nase und Ohren abgeschnitten, weil sie von Zuhause weggelaufen sei. Die junge Frau habe schließlich Schutz bei der US-Armee und der Organisation Frauen für afghanische Frauen gefunden. Aischa soll nun in den USA kostenlos operiert werden. (AFP, 10. Aug.)
  • Die Gewalt in Afghanistan richtet sich immer stärker gegen die Zivilbevölkerung: Nach UN-Angaben wurden im ersten Halbjahr 2010 bei Kämpfen und Anschlägen 25 Prozent mehr Zivilisten getötet als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres, die Zahl der getöteten Kinder stieg sogar um 55 Prozent.
    Von Januar bis Juni kamen am Hindukusch 1271 Zivilisten ums Leben, wie der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Staffan de Mistura, am 10. Aug. in Kabul mitteilte. Zudem seien 1997 Zivilisten durch Anschläge sowie Kämpfe zwischen Rebellen und afghanischen sowie internationalen Truppen verletzt worden, viele davon schwer. Afghanische Kinder und Frauen trügen immer stärker die Hauptlast des Konflikts. "Sie werden in ihren Häusern und Dörfern mehr als je zuvor getötet und verletzt", sagte de Mistura.
    Der UN-Erhebung zufolge sind Aufständische wie die radikalislamischen Taliban für fast drei Viertel der getöteten und verletzten Zivilisten verantwortlich.
    Bei den Einsätzen der internationalen Truppen kommen den Angaben zufolge dagegen immer weniger Zivilisten ums Leben. Die Zahl der bei Luftangriffen getöteten oder verletzten Zivilisten ging laut UNO sogar um 64 Prozent zurück. (Siehe auch unseren Bericht: Afghanistan: Immer mehr Zivilisten als Opfer / Afghan civilian casualties rise 31 per cent in first six months of 2010.)
  • Fast ein Jahr nach dem Luftangriff von Kundus hat die Bundeswehr den Angehörigen von Opfern jeweils 3800 Euro gezahlt. «An jede betroffene Familie wurden 5000 US-Dollar gezahlt», teilte das Ministerium am 10. Aug. auf seiner Homepage (www.bundeswehr.de) mit. Das Geld sei bei einer afghanischen Bank eingezahlt worden. Die Angehörigen bekämen es über ein personalisiertes Konto. Es handele sich um eine freiwillige humanitäre Hilfsleistung und nicht um eine «Entschädigung im Rechtssinne».
    Die Opferanwälte um den Bremer Juristen Karim Popal hatten für jeden Todesfall eine Entschädigung von rund 28 000 Euro gefordert. Die nun überwiesenen 3800 Euro bezeichnete Popal «als eine Art Vorschuss». «Das hindert uns nicht an einer Klage», sagte er auf Anfrage. «Wir schämen uns für diesen Betrag.» Er hat nach eigenen Angaben knapp 80 Vollmachten von Mandanten. Das Ministerium hatte Verhandlungen mit ihm Mitte April abgebrochen, weil die Mandatsfrage nicht ausreichend geklärt sei. Auch der Bremer Opferanwalt Bernhard Docke hält die Höhe der Zahlungen für unangemessen niedrig.
  • Im Westen Afghanistans haben sich zwei Selbstmordattentäter am 11. Aug. versehentlich vorzeitig in die Luft gesprengt. Die Beiden hätten ihre Sprengstoffwesten in einer Moschee in Farah, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, anlegen wollen, als die Sprengsätze detonierten, sagte der Polizeichef der Provinz, Mohammed Fakir Askar, der Nachrichtenagentur AFP. Durch die Explosion sei die Moschee teilweise zerstört worden, außer den Attentätern sei aber niemand zu Schaden gekommen. Nach dem Vorfall floh der Imam der Moschee. Er sei jedoch später von der Polizei gefasst worden, sagte Askar.
  • Der Personalrat der hessischen Bereitschaftspolizei will den Einsatz deutscher Polizisten in Afghanistan gerichtlich verbieten lassen. «Für uns ist das ein Kriegsgebiet und die Polizei hat andere Aufgaben als Soldaten», sagte der Personalratsvorsitzende Roland Kramer am 11. Aug. auf ddp-Anfrage. Daher habe er Klage beim Verwaltungsgericht in Wiesbaden eingereicht. Sie wird am Freitag (13. August, 09.30 Uhr) verhandelt, teilte das Gericht am 11. Aug. mit.
    Das Präsidium der Bereitschaftspolizei hatte einen Beamten gegen den Widerspruch des Personalrats zur Ausbildung afghanischer Polizisten in das Krisengebiet geschickt. «Der Beamtenstatus sieht einen solchen Einsatz überhaupt nicht vor», betonte Kramer. So sei nicht geklärt, wie ein Beamte versichert sei, wenn er in Afghanistan bei kriegerischen Konflikten verletzt werde.
    «Es gibt zu viele offene Fragen», fügte er hinzu. Daher solle das Gericht entscheiden, ob ein derartiger Auslandseinsatz grundsätzlich überhaupt rechtens sei. Laut Polizeipersonalrat kommen von den derzeit 130 deutschen Polizisten in Afghanistan zehn Beamte aus Hessen.
  • US-General James Mattis hat am 11. Aug. den Oberbefehl über das US-Zentralkommando (Centcom) übernommen, dem die Federführung bei den Einsätzen im Irak und in Afghanistan obliegt. Sein Land werde die Einsätze mit "Standhaftigkeit und unablässigem Engagement" weiterverfolgen, sagte Mattis bei der Übergabezemeronie im Centcom-Hauptquartier in Tampa in Florida. Der General der Marineinfanterie folgt auf dem Posten dem bisherigen Kommandeur David Petraeus nach, der die Leitung des Einsatzes vor Ort in Afghanistan übernommen hat.
  • Ein Koch und Leibwächter von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden ist im US-Gefangenenlager Guantanamo zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Der 50-jährige Ibrahim Ahmed Mahmoud al-Qosi wurde am 11. Aug. von einer Militärjury der Unterstützung des Terrornetzwerkes Al Qaida für schuldig befunden.
    Es war das erste derartige Urteil seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama. Das Militärgericht bestand aus zehn Offizieren und befasste sich eine gute Stunde mit der Festlegung des Strafmaßes.
    Qosi war im Dezember 2001 in Pakistan festgenommen worden. Der Sudanese hatte sein Heimatland 1996 verlassen, um sich Al Qaida anzuschließen. Unter anderem war er Koch, Leibwächter und Fahrer für bin Laden. Er hatte sich bereits im Juli für schuldig erklärt. Zudem traf Qosi mit der US-Regierung offenbar eine geheime Abmachung. Unmittelbar vor der Verkündung des Strafmaßes gab es Spekulationen, dass der Sudanese im Rahmen dieses Deals womöglich in die Heimat abgeschoben werde und dort seine Strafe verbüßen oder eine verkürzte Strafe erhalten könne. Die achteinhalb Jahre, die er bereits in Guantanamo gefangen gehalten wurde, sollen laut Urteilsspruch aber nicht auf die Strafe angerechnet werden.
  • US-Militärs drängen einem Zeitungsbericht zufolge auf einen sehr langsamen Abzug der Soldaten aus Afghanistan. Der neue Top-Kommandeur der internationalen Truppen am Hindukusch, David Petraeus, verlange von Präsident Barack Obama mehr Zeit für die Umsetzung der Kriegsstrategie in dem Land, berichtete die «New York Times» am 12. Aug. Der General wolle von der kommenden Woche an öffentlich dafür werben, zum geplanten Beginn des Abzuges im kommenden Sommer nur wenige US-Soldaten in die Heimat zurück zu holen. Petraeus habe in seinen ersten sechs Wochen im neuen Amt festgestellt, dass für die Strategie der nachhaltigen Befriedung des Landes ein schneller Abzug vom kommenden Jahr an zu früh komme. Obwohl die US-Truppen bereits seit neun Jahren in Afghanistan seien, würden sie dort erst seit zwölf Monaten Erfolge erzielen, zitiert die Zeitung einen hohen US-Regierungsbeamten. Man müsse deshalb darüber nachdenken, wie eine längerfristige Präsenz in dem Land aussehen könne. Das Weiße Haus halte jedoch zunächst weiter an seinem Plan fest, mit dem Truppenabzug im Sommer 2011 zu beginnen.
  • Der dänische Regierungschef Lars Loekke Rasmussen will die Mehrheit der in Afghanistan stationierten dänischen Soldaten vor dem Jahr 2015 nach Hause zurückholen. Er hoffe, dass sein Land im Jahr 2014 oder 2015 nicht mehr viele Soldaten im Kampfeinsatz in Afghanistan haben werde, sagte Rasmussen am 12. Aug. auf einer Pressekonferenz mit seinem britischen Kollegen David Cameron. "Dies ist kein Versprechen, aber mein Wunsch", betonte er und stellte zugleich klar, dass weder er noch Cameron ein konkretes Datum für den Truppenabzug festgelegt hätten.
    Derzeit sind am Hindukusch etwa 750 dänische Soldaten stationiert, vornehmlich in der südlichen Unruheprovinz Helmand, wo sie unter britischem Kommando stehen. Mit 34 im Konflikt mit den Aufständischen getöteten Soldaten hat das Land gemessen an der Truppenstärke die meisten Opfer zu beklagen.
  • Trotz des Drucks der US-Regierung will die Internetplattform Wikileaks weitere geheime Militärberichte zu Afghanistan veröffentlichen. Wikileaks bleibe dabei, noch 15.000 weitere Geheimdokumente der US-Streitkräfte ins Internet zu stellen, kündigte Website-Betreiber Julian Assange am 12. Aug. an. Schon jetzt sei Wikileaks "bei 7000 Schriftstücken" angelangt, die demnächst veröffentlicht würden, sagte Assange. Wann dies geschehen solle, sagte er nicht.
    Wikileaks versteht sich als Spezialist für Enthüllungsgeschichten und hatte Ende Juli rund 90.000 Dokumente der US-Streitkräfte veröffentlicht - mit den Namen von Afghanen, die im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban mit den US-geführten Truppen zusammenarbeiten. Der pakistanische Geheimdienst wird den Schriftstücken zufolge beschuldigt, mit den Taliban gemeinsame Sache zu machen.
    Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) sprach von "unglaublicher Verantwortungslosigkeit". Es sei "hochgefährlich", die Namen von hunderten Afghanen offenzulegen, die mit der US-geführten Koalition zusammenarbeiten, erklärte die in Paris ansässige Organisation. "Die Taliban und andere bewaffnete Gruppen können damit ohne Schwierigkeiten eine schwarze Liste von Menschen erstellen, die umgebracht werden sollen, und mörderische Vergeltung üben." Im Übrigen bringe Wikileaks durch seine "Unvorsicht" seine eigenen Quellen in Gefahr.
  • Der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates hat vom Kongress mehr Geld für den zivilen Aufbau Afghanistans gefordert. Es sei eine Kursänderung nötig, um die «beklagenswert unzureichenden» Mittel aufzustocken, sagte Gates am 12. Aug. in San Francisco. Der Kongress sei dabei «Teil des Problems», erklärte der Pentagon-Chef: Beide Häuser hätten ihm die gesamten 550 Milliarden Dollar genehmigt, die er für dieses Jahr beantragt habe. Außenministerin Hillary Clinton seien dagegen aus dem beantragten 50 Milliarden Dollar für die zivile Hilfe einige Milliarden herausgestrichen worden. In Afghanistan seien rund 1.000 Mitarbeiter des Außenministeriums und der US-Entwicklungsbehörde USAID im Einsatz, sagte Gates. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass der Diplomatie in Afghanistan mehr Aufmerksamkeit gewidmet werde.
  • Wegen der Erkrankung des Verteidigers ist der Militärprozess im US-Gefangenenlager Guantanamo gegen den Kanadier Omar Khadr für 30 Tage unterbrochen worden. Der Militäranwalt Jon Jackson kollabierte am 12. Aug. während der Verhandlung und wurde zur medizinischen Behandlung in die USA ausgeflogen. In dem Verfahren vor einer Militärkommission muss sich Khadr wegen des Verdachts auf Terroraktivitäten gegen die USA verantworten.
  • Eine Offensive der afghanischen Armee gegen die extremistischen Taliban in der Nähe von Kabul hat sich US-Medienangaben zufolge zu einem Debakel entwickelt. Bei dem Einsatz, mit dem die afghanischen Streitkräfte eigentlich ihre Schlagkraft unter Beweis stellen wollten, habe es zahlreiche Opfer und Gefangene gegeben, berichtete die "New York Times" am 13. Aug. unter Berufung auf einen US-Vertreter in Afghanistan.
  • Aufmunternder Besuch von Xavier Naidoo bei den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan: Nach seinen zwei Konzerten am Hindukusch fordert Popsänger Xavier Naidoo von den Deutschen mehr Anteilnahme am Schicksal der Truppe. Viele Menschen hätten lange nicht wahrhaben wollen, dass es sich um einen blutigen Einsatz handelt, in dem die Soldaten stehen, sagte er der «Frankfurter Neuen Presse» (13. Aug.). Er selbst habe am Hindukusch für sein Leben gelernt. Einem Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums zufolge war Naidoo Anfang Juni in Afghanistan aufgetreten.
  • Im Süden Afghanistans sind bei Kämpfen mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen, darunter drei Zivilisten. Ausländische und afghanische Soldaten hätten in der Provinz Paktiya mindestens 20 Aufständische getötet, teilte ein Nato-Sprecher am 14. Aug. mit. Die drei Zivilisten seien von einer Rakete tödlich verletzt worden, die Aufständische auf ihr Auto abgefeuert hatten. Ebenfalls im Süden des Landes kam ein Soldat der internationalen Schutztruppe ISAF ums Leben. Die Nationalität wurde wie üblich nicht bekanntgegeben.
  • In Afghanistan sind nach Angaben der NATO-Truppe ISAF drei Kinder durch eine Rakete ums Leben gekommen, die von Aufständischen auf die internationalen Truppen abgefeuert wurde. Die Angreifer hätten geschossen, obwohl sich Kinder und Zivilisten in der Nähe des anvisierten ISAF-Stützpunkts in der östlichen Provinz Chost aufgehalten hätten, erklärte die NATO-Truppe am 14. Aug. in Kabul. Die Mutter eines der Kinder habe Verletzungen erlitten.
  • Beim Angriff einer US-Drohne in den nordwestlichen pakistanischen Stammesgebieten sind nach offiziellen Angaben am 14. Aug. 13 Rebellen getötet worden. Fünf weitere seien bei der Attacke auf ein Lager von Aufständischen an der Grenze zu Afghanistan verletzt worden, sagten Sicherheitsbeamte der Nachrichtenagentur AFP. Demnach galt der Angriff dem Dorf Essori 20 Kilometer östlich von Miranshah, der größten Stadt von Nord-Waziristan. Die Region gilt als Hochburg von Taliban und Rebellen, die in Verbindung zu El Kaida stehen. Die Nationalität der Getöteten stand demnach noch nicht fest.
  • Im Norden Afghanistans sind neue Ölvorkommen entdeckt worden. Wie ein Sprecher des Bergbauministeriums am 15. Aug. in Kabul sagte, befindet sich das bislang unbekannte Ölfeld mit einem geschätzten Vorkommen von 1,8 Milliarden Barrel im Dreieck zwischen den Städten Balch, Schuburghan und Hairatan. Bis Anfang nächsten Jahres sollen Geologen das Ölfeld erkundet haben, danach soll es Ausschreibungen geben, sagte der Sprecher Dschawad Omar. Es handelt sich um das bisher sechste bekannte Ölvorkommen in Afghanistan. Das größte befindet sich in der Region des nördlichen Grenzflusses Amudarja. Weitere sind in der westlichen Provinz Herat, der südlichen Provinz Helmand sowie in der südöstlichen Provinz Paktia. Die Ölkonzerne Total, Eni und Heritage haben Interesse an der Ausbeutung der Vorkommen bekundet.
    Afghanistan verfügt nach Angaben seiner Regierung über Mineralvorräte im Wert von bis zu drei Billionen Dollar (2,4 Billionen Euro). Laut einer Studie der US-Geologiebehörde USGS reichen die Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt aus, um das kriegszerrüttete Land zu einem weltweit führenden Rohstoff-Exporteur zu machen. Auch die Reserven an Öl und Gas sind demnach weitaus größer als angenommen.
  • US-Präsident Barack Obama hat einem Zeitungsbericht zufolge «Schattenkriege» gegen Terroristen in Asien und Afrika deutlich verstärkt. In zahlreichen Ländern seien - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - neue geheimdienstliche und militärische Operationen gestartet worden. «Was als verdeckter Krieg unter der Bush-Regierung begann, ist unter Präsident Obama ausgeweitet worden», schreibt die «New York Times» (15. Aug.). Praktisch jeder der «neuen, aggressiven Schritte» der US-Regierung finde im Verborgenen statt. Konkret habe das Weiße Haus Drohnen-Angriffe in Pakistan deutlich verstärkt, Angriffe auf Al-Kaida-Mitglieder in Somalia autorisiert und grünes Licht für Geheimoperationen aus Kenia heraus gegeben. Gemeinsam mit europäischen Verbündeten seien Terrorgruppen in Nordafrika ausgehoben worden. Das Pentagon habe zudem mit Hilfe von angeheuerten Privatfirmen Geheimdienstinformationen über Verstecke von militanten Extremisten in Pakistan gesammelt. Im Jemen sei eine Militärkampagne gestartet worden, die offiziell nie bestätigt wurde. (Siehe unseren Bericht: Killerdrohnen: Obamas Skalpell im Schattenkrieg.)
  • Die NATO hat eingeräumt, dass bei Luftangriffen der Militärallianz im Süden Afghanistans versehentlich fünf Zivilisten getötet worden seien. Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF seien am 12. Aug. in der Provinz Helmand von Aufständischen angegriffen worden und hätten daraufhin Unterstützung aus der Luft angefordert, erklärte die ISAF am 15. Aug. Später seien vier verletzte und drei getötete Zivilisten an einem Kontrollpunkt abgelegt worden, zwei der Verletzten seien dann noch gestorben. Es gebe Beweise dafür, dass sich in einem von der NATO beschossenen Haus Zivilisten befunden hätten, hieß es weiter. Der "tragische Verlust von Menschenleben" werde bedauert.
  • Der Afghanistan-Kommandeur der NATO, David Petraeus, hat den Zeitpunkt für den Beginn des US-Truppenabzugs aus dem Land relativiert. Der von US-Präsident Barack Obama für Juli 2011 angekündigte Beginn des Rückzugs sei ein "Prozess und kein Ereignis" und zudem "an bestimmte Bedingungen gebunden", sagte Petraeus in einem am 15. Aug. ausgestrahlten Interview mit dem TV-Sender NBC. Er betrachte dieses Datum daher nicht als zwingend. Vielmehr habe Obama diesen Zeitpunkt genannt, um auf die Dringlichkeit der Probleme in dem Land hinzuweisen, sagte Petraeus mit Blick auf die Macht der radikalislamischen Taliban.
  • Die Taliban haben eine gemeinsame Untersuchung mit den internationalen Truppen zu den in Afghanistan getöteten Zivilisten vorgeschlagen. An einer entsprechenden Kommission sollten auch Vertreter der UNO und Menschenrechtler teilnehmen, hieß es in einer am Abend des 15. Aug. von der Taliban-Führung verbreiteten Erklärung. Die NATO-Truppe ISAF wies das Angebot umgehend zurück. Eine gemeinsame Kommission sei "nicht notwendig", sagte ein ISAF-Sprecher. "Wir kennen die Situation."
Montag, 16. August, bis Sonntag, 22. August
  • Statistisches:
    Seit dem Beginn des Einsatzes in Afghanistan vor knapp neun Jahren sind bereits mehr als 2000 ausländische Soldaten getötet worden. Angaben der unabhängigen Website icasualties.org zufolge starben seit der US-geführten Invasion Ende 2001 insgesamt 2002 NATO-Soldaten, darunter 1226 US-Soldaten und 331 Einsatzkräfte aus Großbritannien, dem zweitgrößten Truppensteller in Afghanistan. Allein in diesem Jahr wurden bislang 434 Einsatzkräfte der internationalen Schutztruppe ISAF getötet, im bislang blutigsten Jahr 2009 waren es insgesamt 521. (AFP, 16. Aug.)
  • In der nordafghanischen Provinz Kundus haben die Taliban einen Mann und eine Frau steinigen lassen, die eine außereheliche Affäre gehabt haben sollen. Die 23 Jahre alte Frau und der 28 Jahre alte Mann seien am Abend des 15. Aug. in dem von Taliban kontrollierten Dorf Mullah Kuli getötet worden, sagte der Gouverneur des Distrikts, Mohammed Ajob, am 16. Aug.
    Ein Dorfbewohner sagte, rund hundert Menschen - die meisten von ihnen Taliban - hätten sich in dem Dorf versammelt, als eine Erklärung verlesen wurde, wonach die beiden die Affäre eingestanden hätten. Der Mann sei verheiratet, die Frau verlobt gewesen. Nach der Urteilsverkündung begann die Menge demnach, Steine auf die beiden zu werfen. Die Hände der Verurteilten waren hinter den Rücken zusammengebunden worden. Ein Talibanführer aus der Region bestätigte die Steinigung.
  • Die NATO hat nach eigenen Angaben bei einem Luftangriff in Nordafghanistan einen El-Kaida-Anführer getötet. Abu Bakir, der auch Taliban-Kommandeur gewesen sei, sei bei dem Angriff auf sein Fahrzeug in der Provinz Kundus getötet worden, teilte die NATO-Truppe ISAF am 16. Aug. in Kabul mit. Bei dem Luftangriff am 15. Aug. sei ein weiterer Aufständischer getötet worden. Die Aufständischen waren der NATO zufolge dabei, eine Polizeistation angreifen.
  • In Nordafghanistan ist eine deutsche Patrouille am 16. Aug. mit einem versteckten Sprengsatz angegriffen worden. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mitteilte, wurde kein Soldat verletzt. Ein Bundeswehrfahrzeug vom Typ Dingo sei beschädigt worden. Der Angriff erfolgte demnach am Vormittag vier Kilometer nordwestlich des Regionalen Wiederaufbauteams Pul-e Khumri.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat seine Absicht bekräftigt, sein Amt im kommenden Jahr niederzulegen. Bis dahin werde die Neuausrichtung der Einsatzstrategie in Afghanistan vollzogen sein, so dass ein Nachfolger die weitere Verantwortung übernehmen könne, sagte Gates in einem Interview mit dem Magazin "Foreign Policy" am 16. Aug. "Im kommenden Jahr werde ich in der Lage sein, abschätzen zu können, ob die Strategie in Afghanistan funktioniert", sagte er. Deswegen biete das Jahr 2011 "eine logische Gelegenheit, das Amt zu übergeben".
    Gates ist der einzige Minister, den US-Präsident Barack Obama aus der Regierung seines Vorgängers George W. Bush übernommen hatte.
  • Der frühere britische Premierminister Tony Blair will sämtliche Einnahmen seiner demnächst erscheinenden Memoiren einer Wohltätigkeitsorganisation für verletzte Soldaten spenden. Der Vorschuss von 4,6 Millionen Pfund (5,6 Millionen Euro), die er für das Buch bereits erhalten habe, und die Lizenzgebühren sollen in ein Projekt der Royal British Legion für schwer verwundete Soldaten der britischen Streitkräfte fließen, kündigte Blairs Büro an. Blair wolle damit die Soldaten würdigen, die "für die Sicherheit unserer Menschen und der Welt enorme Opfer erbringen". Mit seinen Memoiren "A Journey" (zu Deutsch: "Eine Reise"), die am 1. September in den Handel kommen, wirft Blair erstmals persönlich einen Blick auf das Jahrzehnt seiner Amtszeit. Seine Regierung billigte den Einsatz Großbritanniens im Irak und in Afghanistan. Es wird erwartet, dass das Buch ein Bestseller wird. Der Leiter der Wohltätigkeitsorganisation Royal British Legion, Chris Simpkins, bedankte sich für die finanzielle Unterstützung des Politikers. Blairs Spende sei "sehr großzügig". Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, zwölf Millionen Pfund zu sammeln, um verletzte Soldaten durch Sport und Freizeitaktivitäten bei der Genesung zu unterstützen.
  • Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat die Steinigung eines Mannes und einer Frau wegen einer außerehelichen Affäre in der nördlichen Provinz Kundus verurteilt. Die von den Taliban veranlasste Steinigung sei ein "unverzeihliches Verbrechen", erklärte Karsai am 17. Aug. in Kabul.
  • In Afghanistan sind bei zwei Sprengstoffanschlägen drei Soldaten der NATO-Truppe ISAF getötet worden. Zwei der Soldaten seien im Osten des Landes getötet worden, teilte die ISAF am 17. Aug. in Kabul mit. Bei einem weiteren Angriff im Westen des Landes sei ein Soldat getötet worden. Die ISAF machte keine Angaben zur Nationalität der getöteten Soldaten.
  • Bei zwei Sprengstoffanschlägen wurden in Afghanistan am 17. Aug. sieben Zivilisten getötet. Ein auf einem Motorrad versteckter ferngezündeter Sprengsatz auf einer Brücke der Stadt Ghasni im Süden des Landes tötete zwei Insassen eines Fahrzeugs und verletzte fünf weitere, darunter zwei Kinder, wie die Polizei mitteilte. Der Anschlag hatte offenbar einem Polizeikonvoi gegolten, der die Brücke wenig später passieren sollte. Der Sprengsatz ging aber zu früh hoch. Der Bombenleger wurde verletzt und von der Polizei festgenommen.
    Bei einem ähnlichen Anschlag wurden bereits am Montagabend (16. Aug.) in der westafghanischen Provinz Herat Behördenangaben zufolge fünf Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt. Unter den Toten waren drei Frauen und ein Kind. Die Behörden beschuldigten die Taliban, hinter den Angriffen zu stehen.
  • Die afghanische Regierung will sich mit einer Million Dollar (etwa 780.000 Euro) an der internationalen Hilfe für die Flutopfer in Pakistan beteiligen. Nach den verheerenden Überschwemmungen in "unserem benachbarten Bruderland" leide seine Regierung mit dem "Volk von Pakistan", sagte Finanzminister Omar Sacheilwal am 17. Aug. vor Journalisten in Kabul. Deshalb habe sich Afghanistan zu der Hilfe entschlossen.
  • Nach irakischem Vorbild sollen in Afghanistan künftig örtliche Milizen eingesetzt werden, um die Dörfer und Ortschaften vor Überfällen von Aufständischen zu schützen. Das von den US-Streitkräften unterstützte Programm sei bereits in den beiden Provinzen und Taliban-Hochburgen Wardak und Urusgan angelaufen, teilte der stellvertretende afghanische Innenminister Mohammad Munir Mangal am 18. Aug. in Kabul mit. Das zugrundeliegende Abkommen wurde bereits Anfang Juli von dem Oberkommandierenden der internationalen Streitkräfte in Afghanistan, David Petraeus, und Präsident Hamid Karsai unterzeichnet. Die Milizen werden aus Dorfbewohnern gebildet, die für ihren Einsatz etwa 60 Prozent eines Polizistengehalts bekommen. "Das Programm wird sehr schnell auf das gesamte Land ausgedehnt werden", sagte Mangal. Am Ende sollen die Dorfmilizen nach seinen Angaben rund 10.000 Mitglieder zählen. Sie unterstehen dem afghanischen Innenministerium.
  • Im Streit um die Veröffentlichung vertraulicher Militärunterlagen über den Einsatz in Afghanistan hat die US-Regierung jede Zusammenarbeit mit der Internetplattform Wikileaks abgelehnt. "Wir sind nicht an Verhandlungen interessiert", sagte ein Pentagon-Sprecher am 18. Aug. in Washington. Er wies damit eine Anfrage von Wikileaks zur Zusammenarbeit bei der Bearbeitung von rund 15.000 weiteren Dokumenten zurück, die die Plattform demnächst im Internet veröffentlichen will. Wikileaks hatte angeboten, sensible sicherheitsrelevante Passagen zu schwärzen - etwa um afghanische Informanten vor Racheakten zu schützen.
  • Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat Afghanistan im Kampf gegen die Taliban seine Unterstützung zugesichert. "Wir unterstützen den Kampf der afghanischen Regierung gegen den Terrorismus und sind bereit zu helfen", sagte Medwedew bei einem Sicherheitsgipfel am 18. Aug. im russischen Sotschi, an dem auch die Präsidenten Afghanistans, Pakistans und Tadschikistans teilnahmen.
    "Wir leben in derselben Region - das schafft gemeinsame Probleme und Aussichten", sagte Medwedew bei dem Treffen in der Stadt am Schwarzen Meer, bei dem es russischen Angaben zufolge um eine "Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit für eine Stabilisierung Afghanistans" ging. Moskau sei auch zum Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen mit Kabul bereit, fügte Medwedew hinzu. Afghanistans Staatschef Hamid Karsai dankte Medwedew für das russische Interesse an der Entwicklung am Hindukusch. "Afghanistan wird die Unterstützung von Freunden und großen Ländern wie Russland brauchen." (Siehe auch unseren Bericht: Moskauer Sorgen am Hindukusch.)
  • Wegen der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan werden bei den Parlamentswahlen in einem Monat mehr als 900 Wahlbüros geschlossen bleiben. Betroffen seien 938 Büros in 25 der 34 Provinzen, sagte der Sprecher der afghanischen Wahlbehörde, Noor Mohammed Noor, am 18. Aug. in Kabul. Das entspricht 14 Prozent aller Wahlbüros. Die Entscheidung sei nach Rücksprache mit den afghanischen Sicherheitsbehörden und der NATO-Truppe ISAF getroffen worden, weil in den betroffenen Regionen die Sicherheit nicht garantiert werden könne. Wo genau die betroffenen Büros sich befinden, sagte Noor nicht.
  • Die NATO hat bei Luftangriffen in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul einen hochrangigen Taliban-Kommandeur und 23 weitere mutmaßliche Aufständische getötet. Im Rahmen eines Einsatzes zur Gefangennahme des Taliban-Kommandeurs Kari Muir seien am 18. Aug. Stellungen der Taliban in der Provinz Logar südlich von Kabul bombardiert worden, teilte die NATO-Truppe ISAF am 19. Aug. mit. Dabei seien Muir und elf weitere Aufständische getötet worden. Muir war nach NATO-Angaben früher Schatten-Vizegouverneur der Taliban in Logar sowie Taliban-Geheimdienstchef in der Provinz.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) wirft der Bundesregierung vor, sich beim Aufbau Afghanistans zu sehr auf das Militär zu verlassen. Die internationale Gemeinschaft, der Deutschland angehöre, habe in den vergangenen Jahren «den Aufbau einer funktionierenden Justiz in Afghanistan eklatant vernachlässigt», sagte Monika Lüke, Generalsekretärin der deutschen AI-Sektion der «Frankfurter Rundschau» (Ausgabe vom 19. Aug.): «Obwohl klar ist, dass die Justiz das Fundament eines jeden Staates ist, wurde das Militär viel zu lange als Allheilmittel angesehen.» Es seien zu wenige Richter ausgebildet worden, und diese seien dann ohne fachliche Begleitung durch internationale Experten in den Arbeitsalltag entlassen worden, sagte Lüke und verwies auf ein weiteres Problem: «Ein Richter in Afghanistan verdient zwischen 50 und 100 Dollar im Monat. Das ist zu wenig. Das macht sie korrupt.» Es sei deswegen kaum verwunderlich, wenn die Taliban, die ihre Rechtsprechung in den von ihnen kontrollierten Gebieten ohne Entgelt anbieten, für die Bevölkerung attraktiv würden.
  • Die Bundeswehr wird wegen des verheerenden Luftangriffs am Kundus-Fluss in Afghanistan auf ein Disziplinarverfahren gegen den damals befehlshabenden Oberst Georg Klein verzichten. Die Vorermittlungen nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung hätten keine Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen ergeben, teilte das Pressezentrum des Heeres am 19. Aug. mit. Im Rahmen der Vorermittlungen war geprüft worden, ob Klein mit seinem Handeln gegen die zum Zeitpunkt des Bombardements geltenden nationalen und internationalen Einsatzregeln verstoßen habe.
  • Im Süden Afghanistans haben Taliban-Kämpfer nach Angaben der Polizei mehrere afghanische Sicherheitskräfte, die für eine Straßenbaufirma arbeiteten, angegriffen und dabei 30 Wachmänner getötet. Ein Polizeisprecher der südlichen Unruheprovinz Helmand sagte der Nachrichtenagentur AFP, bei den Angriffen seien zudem rund 15 Sicherheitskräfte verletzt und "einige" weitere verschleppt worden. Die schweren Kämpfe fanden demnach am 20. Aug. im Bezirk Sangin statt und dauerten den ganzen Tag. Die Taliban bekannten sich zu den Angriffen. Sie hätten die Kontrolle über rund 30 Posten der Firma entlang einer Straße in der Region übernommen und "mehr als 50" Menschen getötet, sagte Talibansprecher Sabihullah Mudschahed AFP am Telefon.
    In Afghanistan sind mehr als 50 private Sicherheitsfirmen mit insgesamt bis zu 40.000 bewaffneten Mitarbeitern tätig. Auch das US-Verteidigungsministerium hat in Afghanistan solche Firmen unter Vertrag, ebenso wie die UNO, ausländische Botschaften, Medien und Hilfsorganisationen. Das bisweilen martialische Auftreten der Sicherheitsfirmen sorgt für großen Unmut in der Bevölkerung.
    Erst am Mittwoch (18. Aug.) hatte Afghanistans Präsident Hamid Karsai ein Dekret unterzeichnet, mit dem noch in diesem Jahr alle privaten inländischen und ausländischen Sicherheitsfirmen im Land aufgelöst werden sollen. Für die Sicherheit etwa von Nachschubkonvois für NATO-Stützpunkte aber auch von Baustellen sollen künftig die afghanischen Sicherheitskräfte garantieren. Karsai hatte kritisiert, die Firmen würden Ressourcen verbrauchen, die für den Aufbau von Polizei und Armee benötigt würden.
  • Die skandalgeschüttelte, früher unter dem Namen «Blackwater» bekannte US-Sicherheitsfirma «Xe Services» muss nach einem Zeitungsbericht wegen hunderten Verstößen gegen Ausfuhrgesetze 42 Millionen Dollar (33 Mio Euro) Strafe zahlen. Das Unternehmen habe unter anderem illegal Waffen nach Afghanistan exportiert, Vorschläge zur Truppenausbildung im Sudan unterbreitet und taiwanesische Polizisten als Scharfschützen trainiert, berichtete die «New York Times» online am 21. Aug. «Xe Services» mit Sitz in North Carolina habe sich mit dem US-Außenministerium auf die Geldstrafe geeinigt, um strafrechtliche Ermittlungen zu vermeiden. Nach Angaben der Zeitung berührt die Übereinkunft jedoch nicht laufende Verfahren und Ermittlungen gegen das Unternehmen, frühere Führungskräfte und anderes Personal. Zu den Vorwürfen zählen Verstöße gegen das Waffengesetz und Behinderung der Justiz. Unter anderem wird ihnen angelastet, ein Waffengeschenk an den jordanischen König Abdullah mit falschen Papieren verschleiert zu haben.
    Durch die Einigung auf eine Geldstrafe kann «Xe Services» nach Angaben der Zeitung weiterhin Regierungsaufträge bekommen. Zwar habe die Firma vergangenes Jahr den Auftrag verloren, Mitarbeiter der US-Botschaft in Bagdad zu schützen. Nach wie vor sorge sie allerdings in Afghanistan für die Sicherheit von Beamten des US-Außenministeriums und des Geheimdienstes CIA. (Siehe zu diesem Thema auch unsere Dossier: "Privatisierung des Krieges, Private Sicherheitsfirmen")
  • Minuten nach der Nachricht vom 20. Aug., dass Haftbefehl gegen den Gründer des Internetportals Wikileaks ausgestellt wurde, brach beim Kurznachrichtendienst Twitter ein Sturm der Entrüstung aus: Verschwörung und Rufmord an Julian Assange, lautete fast einhellig das Urteil der Twitter-Nutzer.
    Schwedens Justiz hat den Vergewaltigungs-Verdacht gegen den Chef des Internet-Portals Wikileaks, Julian Assange, zurückgenommen. Die Behörde hob am Samstagnachmittag (21. Aug.) den Haftbefehl gegen den 39-jährigen Australier wieder auf, der am Vorabend ausgestellt worden war. (Lesen Sie hierzu: Schwedischer Hinterhalt.)
  • Der neue Regionalkommandeur der Internationalen Schutztruppe (ISAF) in Nordafghanistan, der deutsche Generalmajor Hans-Werner Fritz, sieht den Einsatz am Hindukusch derzeit "an einer Art Kulminationspunkt" angelangt. Die Sicherheitslage im Norden sei in den vergangenen Monaten nicht besser geworden, sondern angespannter, sagte Fritz der "Welt am Sonntag" (Ausgabe vom 22. Aug.). Der 56-Jährige hatte Mitte Juli das Kommando über rund 10.000 Soldaten aus 16 Nationen im Norden Afghanistans übernommen.
  • Ein Abzug der deutschen Polizeiausbilder aus Afghanistan ist nach Auffassung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière noch nicht absehbar. Auch wenn die Verantwortung für die Sicherheit im Lande wie geplant 2014 an die Afghanen übergeben wird, sollen trotzdem noch ein paar Ausbilder bleiben, wenn die afghanische Regierung das will. Wie viele das sein werden, konnte de Maizière noch nicht abschätzen. In der ersten Jahreshälfte war die Zahl der deutschen Kräfte noch einmal von rund 170 auf 250 aufgestockt worden. Sie sollen 5000 Afghanen pro Jahr ausbilden. (dpa, 22. Aug.)
  • Bei einem US-Drohnenangriff in den pakistanischen Stammesgebieten sind mindestens vier mutmaßliche Aufständische getötet worden. Der Angriff habe sich gegen ein Versteck von Rebellen in der Nähe von Miranshah in Nord-Waziristan gerichtet, sagte ein Vertreter der pakistanischen Sicherheitsbehörden der Nachrichtenagentur AFP am 22. Aug. Eine US-Drohne habe vier Raketen abgeschossen. Ob ranghohe Aufständische unter den Opfern waren, ist unklar.
Montag, 23. August, bis Sonntag, 29. August
  • Die Festnahme des Talibanführers Mullah Abdul Ghani Baradar war einem Medienbericht zufolge möglicherweise ein Versuch Pakistans, heimliche Friedensgespräche zwischen Aufständischen und der afghanischen Regierung zu torpedieren. Das berichtete die "New York Times" am 23. Aug. unter Berufung auf namentlich nicht genannte pakistanische Sicherheitsbeamte. Der Militärchef der afghanischen Taliban war Anfang des Jahres in der pakistanischen Hafenstadt Karachi festgenommen worden. Er galt als rechte Hand des Taliban-Anführers Mullah Mohammed Omar.
    Der "NYT" zufolge nahmen pakistanische Sicherheitskräfte in den Wochen nach Baradars Festnahme noch 23 weitere Talibanführer fest. Viele von ihnen hätten in den Jahren zuvor noch den Schutz der pakistanischen Regierung genossen. Bis dahin geheimgehaltene Gespräche zwischen den Taliban und Kabul endeten nach den Festnahmen. "Wir haben Baradar und die anderen festgenommen, weil sie ohne uns eine Abmachung (mit der afghanischen Regierung) treffen wollten", zitierte die "NYT" einen pakistanischen Sicherheitsbeamten. "Wir schützen die Taliban, sie sind von uns abhängig." Pakistan werde ihnen "nicht erlauben", eine Abmachung mit Afghanistans Staatschef Hamid Karsai zu treffen.
    US-Behördenmitarbeiter sagten der "NYT" dagegen, diese Aussagen seien "eigennützige Märchen". Die pakistanischen Sicherheitsbehörden würden sich wichtiger nehmen, als sie tatsächlich seien. Bei dem Einsatz in Karachi hätten die Pakistaner zunächst gar nicht gewusst, wen sie antreffen würden. Andere US-Behördenmitarbeiter mutmaßten hingegen, der US-Geheimdienst CIA sei von den Pakistanern benutzt worden, um Friedensgespräche in Afghanistan zu blockieren.
    Bereits im März hatte die afghanische Regierung kritisiert, die Festnahmen hätten "negative Auswirkungen" auf die Friedensgespräche gehabt. Der frühere Afghanistan-Sondergesandte Kai Eide warf Pakistan in einem Interview vor, mit den Festnahmen Friedensgespräche mit den Aufständischen blockiert zu haben. Über die genauen Hintergründe der Festnahme Baradars wurde der "NYT" zufolge monatelang in Geheimdienst- und Militärkreisen spekuliert.
  • Die Ausrüstung der Bundeswehr in Afghanistan hat sich nach Ansicht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) leicht verbessert. Was Fahrzeuge betreffe, seien "deutliche Verbesserungen" zu spüren, sagte Königshaus nach einer achttägigen Afghanistan-Reise der Zeitung "Die Welt" vom 23. Aug. Dennoch gebe es noch erhebliche Mängel, vieles sei angeschoben, "aber eben noch nicht umgesetzt". Die Soldaten hätten zudem Beschwerden bezüglich persönlicher Belastungen geäußert. Nach einem Kurzbesuch im Mai war Königshaus' Reise die erste längere Bestandsaufnahme bei den Bundeswehr-Soldaten in Kabul, Kandahar, Masar-i-Scharif, Faisabad und Kundus.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in den unruhigen Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans sind mindestens 20 Menschen getötet worden. Der Attentäter sprengte sich nach Angaben der örtlichen Behörden vom 23. Aug. in einer Moschee in der Stadt Wana in Süd-Waziristan in die Luft. Mindestens 40 weitere Menschen wurden demnach verletzt. Die Behörden befürchteten, dass die Zahl der Todesopfer noch ansteigen könnte. Nach Krankenhausangaben war der Zustand von 14 Verletzten kritisch. Unter den Todesopfern ist nach Angaben eines Neffen auch ein einflussreicher Geistlicher aus der Region, der Mitglied der den Taliban nahe stehenden radikalislamischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam war. In der Vergangenheit soll er mehrfach als Vermittler zwischen den Taliban und der pakistanischen Regierung tätig gewesen sein.
  • Im Nordwesten Pakistans starben am 23. Aug. sieben Menschen bei der Explosion einer Landmine. Die Mine detonierte Behördenangaben zufolge bei einem Treffen von Stammesältesten im Dorf Khumas in den Grenzgebieten zu Afghanistan. Ob die Explosion ein Unfall war oder es sich um einen Anschlag handelte, blieb zunächst unklar.
  • In einem Vorort der pakistanischen Millionenstadt Peshawar wurden bei einem Anschlag zwei Angehörige einer Anti-Taliban-Miliz getötet und fünf weitere Menschen verletzt. Nach Angaben der Polizei explodierte am 23. Aug. an einer Straße in Mattni eine ferngezündete Bombe.
  • Die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlichten geheimen US-Dokumente belegen offenbar, dass das Terrornetzwerk El Kaida in Afghanistan nur wenig präsent ist. Die US-Zeitung "Washington Post" berichtete am 23. Aug., die 76.000 von Wikileaks Ende Juli veröffentlichten Dokumente erwähnten El Kaida in Afghanistan nur etwa ein Dutzend Mal und dann nur in sehr vager Form. Wenn Aktivisten mit Verbindungen zu dem Terrornetzwerk genannt werden, wird dem Bericht zufolge in den meisten Fällen die Art dieser Verbindung nicht näher erläutert. Bisweilen heiße es lediglich, dass es sich um Sympathisanten von El Kaida handele.
  • In den USA hat erneut ein Spitzenmilitär den für 2011 in Aussicht gestellten Beginn des Truppenabzugs aus Afghanistan in Frage gestellt. Zumindest in den Unruhegebieten in Süd-Afghanistan, wo die radikalislamischen Taliban ihre Basis haben, werde eine Übergabe der Verantwortung an die afghanische Armee "erst in einigen Jahren" möglich sein, sagte der Chef der US-Marineinfanterie, General James Conway, am 24. Aug. nach seiner Rückkehr aus Afghanistan in Washington. In anderen Landesteilen könnte eine Übergabe früher erfolgen, doch im Süden sei die Lage besonders schwierig.
  • Angesichts der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan hat die UNO vor Problemen bei den anstehenden Parlamentswahlen besonders im Einsatzgebiet der Bundeswehr gewarnt. Die Lage in den Provinzen Kundus und Baghlan sei "sehr heikel", sagte Martin Kobler, Vizechef der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA), dem Nachrichtenportal "Spiegel Online" am 24. Aug. "Aus manchen Orten werden die Menschen weit laufen oder fahren müssen, um wählen zu können", sagte er. Die afghanische Wahlkommission hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, dass rund 14 Prozent aller Wahlbüros des Landes wegen Sicherheitsbedenken geschlossen bleiben würden.
  • Hunderte wütende Afghanen haben nach einem tödlichen Schusswechsel versucht, einen spanischen NATO-Stützpunkt im Nordwesten Afghanistans zu stürmen. Auf dem Stützpunkt in der Provinz Badghis hatten Sicherheitskräfte nach Angaben der spanischen und afghanischen Behörden am 25. Aug. einen einheimischen Polizisten getötet, der zuvor bei einer Trainingseinheit zwei spanische Ausbilder und deren Dolmetscher erschossen hatte. Hunderte afghanische Männer protestierten daraufhin vor dem Stützpunkt gegen den Tod des afghanischen Polizisten. Laut Gesundheitsbehörden wurden dabei 25 Menschen verletzt. Einige von ihnen erlitten demnach Schusswunden.
  • Nach der Veröffentlichung geheimer Afghanistan-Papiere hat Wikileaks neue Enthüllungen angekündigt. Diesmal handele es sich um Dokumente des US-Geheimdienstes CIA, teilte das Enthüllungsportal mit. Die neuen Papiere sollen noch am 25. Aug. ins Netz gestellt werden. Wikileaks hatte durch die Veröffentlichung von 76 000 Seiten geheimer Militärunterlagen weltweit für Furore gesorgt.
  • Am selben Tag, als Wikileaks die Veröffentlichung von Dokumenten des US-Geheimdienstes CIA ankündigte, eröffnete die Stockholmer Oberstaatsanwältin Eva Finné am 25. Aug. ein Untersuchungsverfahren gegen den 39-jährigen Australier. Sie will zu den Angaben einer Frau über sexuelle Nötigung durch Assange ermitteln und dabei auch den Wikileaks-Kopf selbst verhören.
    Assange lässt sich von Schwedens bekanntestem Strafverteidiger Leif Silbersky vertreten. Die Staatsanwaltschaft muss nach Abschluss der Voruntersuchung entscheiden, ob sie Anklage erhebt oder nicht. Sie ist ihrerseits das Objekt von Ermittlungen, nachdem Bürger die Behörde wegen öffentlicher Nennung von Assanges Namen in einem extrem frühen Stadium des Verfahren angezeigt haben.
  • Die internationalen Truppen in Afghanistan haben einem Medienbericht zufolge in den vergangenen Monaten die Einsätze ihrer Spezialkräfte massiv ausgeweitet, allen voran die Geheimaktionen der Special Forces der USA. Wie "Spiegel Online" am 26. Aug. berichtete, sagte der Führungsstab von ISAF-Oberbefehlshaber David Petraeus kürzlich in Kabul in einer vertraulichen Unterrichtung vor Diplomaten und Militärs, dass bei Einsätzen der verdeckt agierenden Einheiten vom 8. Mai bis 8. August insgesamt 365 mittlere und hochrangige Kommandeure der Taliban getötet wurden. 1.395 Verdächtige seien festgenommen worden.
  • Bei einem NATO-Luftangriff auf Talibankämpfer im Osten Afghanistans sind nach Angaben der örtlichen Polizei sechs Kinder getötet worden. Die Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren hätten in den Bergen der an Pakistan angrenzenden Provinz Kunar nach alten Metallteilen gesucht, sagte der Chef der Provinzpolizei, Chalilullah Siajee, am 27. Aug. Sie seien getötet worden, als die NATO am 26. Aug. aus der Luft gegen Taliban vorgegangen sei, die eine NATO-Stellung angegriffen hätten. Ein weiteres Kind sei verletzt worden. - Die NATO-Truppe ISAF teilte mit, die Vorwürfe würden untersucht. Sie bestätigte, in der Region einen Luftangriff auf Taliban geführt zu haben. Dabei seien ihren Angaben zufolge vier Talibankämpfer getötet worden.
  • Bei zwei Sprengstoffanschlägen wurden drei US-Soldaten getötet. Wie die ISAF am 27. Aug. mitteilte, starben zwei der US-Soldaten bei der Detonation eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes im Osten des Landes, ein weiterer Soldat wurde im heftig umkämpften Süden getötet.
  • Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), sieht sich nach einem Besuch in Afghanistan in seiner Kritik an Ausrüstungsmängeln und Ausbildungsdefiziten bei Bundeswehr-Auslandseinsätzen bestätigt. Allerdings sei ein Teil der Zusagen eingehalten worden, sagte er der der «Passauer Neuen Presse (Ausgabe vom 28. Aug.). Es stünden mehr Marder-Schützenpanzer und mehr Panzer-Abwehrraketen zur Verfügung als noch vor kurzer Zeit. Nach Angaben des FDP-Politikers sorgen sich die deutschen Soldaten in Afghanistan um die Sicherheitslage. »Die Lage ist schwierig und hat sich verschärft, insbesondere im Raum Kundus«, sagte Königshaus. Positiv würden sie aber die Bemühungen sehen, für größeren Eigenschutz der ISAF-Truppe zu sorgen. »Ob es nun zusätzliche amerikanische Hubschrauber oder die Panzerhaubitzen bei der Bundeswehr sind: All das bedeutet mehr Sicherheit für unsere Soldaten.« Laut Königshaus beklagen sich die deutschen Soldaten vor allem über die Betreuung. Angesichts der Freizeitangebote der Amerikaner, Briten und Kanadier habe die Bundeswehr erheblichen Nachholbedarf. Es fehlen auch leistungsfähige Internetverbindungen für den Kontakt der Soldaten zu ihren Familien in Deutschland.
  • Die NATO hat nach eigenen Angaben Angriffe von Taliban-Kämpfern auf zwei Stützpunkte im Osten Afghanistans abgewehrt. Die Allianz habe "zwei gescheiterte Angriffe" auf die Stützpunkte Salerno und Chapman erwidert und mit Unterstützung afghanischer Sicherheitskräfte 24 Aufständische getötet, erklärte die von der NATO geführte ISAF am 28. Aug. Die meisten Angreifer seien außerhalb der Stützpunkte getötet worden. Zwei Aufständische hätten jedoch die Absperrung durchbrochen und seien ins Camp Salerno eingedrungen. 15 Aufständische seien nahe Salerno und sechs nahe Chapman getötet worden. Drei weitere Aufständische, darunter ein Anführer, seien bei einem Luftangriff getötet worden, als sie versucht hätten, in einem Fahrzeug vor den Kämpfen zu fliehen. Laut ISAF wurden in Fahrzeugen Sprengsätze und sieben Westen für Selbstmordattentäter gefunden.
    Der örtliche Polizeichef Abdul Hakim Is'haksai sagte, Taliban-Kämpfer hätten den Stützpunkt Salerno angegriffen und anschließend eine Schule in der Provinzhauptstadt Chost besetzt. Die Schule befinde sich in der Nähe des US-Stützpunktes Chapman. Dem Polizeichef zufolge begannen die Aufständischen am frühen Morgen, den NATO-Stützpunkt mit Raketen und Schusswaffen anzugreifen. Dann seien sie zur Stadt Chost weitergezogen und hätten dort US-Stützpunkte angegriffen. "Die Angriffe wurden vereitelt", sagte der Polizeichef. "Wir haben 14 Leichen geborgen von Taliban-Kämpfern, die im Kampf getötet wurden. Fünf Taliban wurden lebendig gefasst."
    Am Stützpunkt Chapman waren im Dezember 2009 sieben Agenten des US-Geheimdienstes CIA von Taliban-Kämpfern getötet worden (siehe unsere Chronik vom 30. Dezember 2010 sowie unseren Bericht: "Selbstmordanschlag auf Stützpunkt der CIA"). Der Oberkommandierende der internationalen Truppen in Afghanistan, US-General David Petreaus, hatte am 19. August den Stützpunkt Salerno besucht und dabei vor den Soldaten die Schwierigkeit und Gefährlichkeit des Einsatzes in der Unruheregion nahe der pakistanischen Grenze betont.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat US-Berichte über CIA-Zahlungen an hohe Regierungsbeamte als «unverantwortliche Vorwürfe» zurückgewiesen. «Diese Berichte sind Teil eines Versuchs, die Aufmerksamkeit von Prioritäten wie dem Krieg gegen den Terror und dem Schutz der Zivilbevölkerung abzulenken», heißt es in einer am 28. Aug. veröffentlichten Erklärung.
    Unter anderen hatte die «Washington Post» am 27. Aug. berichtet, der US-Geheimdienst CIA führe zahlreiche Mitglieder der Regierung Karsai auf einer geheimen Gehaltsliste. Die Zahlungen würden als notwendig erachtet, weil Karsai «nicht alles erzählt» und oft auch nicht zu wissen scheine, was in seiner Regierung vorgehe, zitiert die «Washington Post» einen ehemaligen CIA-Mitarbeiter. Die Geheimdienst-Gelder flössen an eine «bedeutsame Zahl» von Regierungsbeamten in Kabul. Ziel sei es, ein dichtes Netz an Zuträgern im Präsidentenpalast zu unterhalten. (Siehe auch: "Nicht mit Mutter Theresa".)
  • Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sind am 28. Aug. zu einem Besuch bei den deutschen Truppen in Nordafghanistan eingetroffen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin teilte mit, die beiden Politiker hätten an einer Gedenkzeremonie für getötete Soldaten in Masar-i-Scharif teilgenommen. Guttenberg wollte auch mit dem Regionalkommandeur der Internationalen Schutztruppe ISAF, dem deutschen Generalmajor Hans-Werner Fritz, über den Stand des Afghanistan-Einsatzes beraten. Bei seinem Truppenbesuch in Masar-i-Scharif sicherte Lammert den deutschen Soldaten die Unterstützung des Parlaments zu. Es ist Lammerts erste Afghanistan-Reise seit seinem Amtsantritt.
  • Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) haben am 29. Aug. ihren Besuch in Nordafghanistan fortgesetzt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Berlin flogen die Politiker am Morgen nach Kundus und nahmen dort an einer Gedenkzeremonie für in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldaten teil. Anschließend trafen sie zu Gesprächen mit dem Bundeswehr-Kommandeur in Kundus, Oberst Reinhardt Zudrop, zusammen. Weiterhin ist eine Gesprächsrunde mit Bundeswehrsoldaten geplant.
  • Eineinhalb Wochen nach der Entführung von zehn Wahlkampfhelfern einer Kandidatin für die afghanische Parlamentswahl (hierzu klag uns kein Bericht vor) hat die Polizei die Leichen von fünf der Helfer gefunden. Die Leichname der von den Taliban entführten Männer wurden am 29. Aug. in einer bergigen Gegend in der westlichen Provinz Herat im Bezirk Adraskan geborgen, wie Bezirkschef Nisar Ahmed Popal der Nachrichtenagentur AFP sagte. Über den Verbleib der fünf anderen Wahlkampfhelfer aus dem Team der Kandidatin Fausia Galani sei ihm nichts bekannt. Sie wurden weiter vermisst.
  • Vom Bundeswehrfeldlager im nordafghanischen Kundus aus flog Verteidigungsminister Guttenberg am 29. Aug. mit einem Hubschrauber zu einem 70 Kilometer entfernten Außenposten in der Unruheprovinz Baghlan. Dort ist die «schnelle Eingreiftruppe» (Quick Reaction Force) stationiert, die in der Region auch gemeinsam mit der afghanischen Armee operiert. 15 Kilometer von dem auf einer Anhöhe gelegenen Stützpunkt entfernt waren im April vier deutsche Soldaten bei einem Taliban-Angriff getötet worden. Guttenberg bedankte sich bei den Soldaten für ihren Einsatz. «Es ist ganz wichtig, dass man die Realitäten nicht nur vom Schreibtisch aus beurteilt, sondern sich die Realitäten auch dort ansieht, wo die Gefechte stattfinden», sagte der Minister. Der Besuch der Truppe im Kampfgebiet sei schon lange sein Wunsch gewesen. «Ich glaube, dass es sich gehört, dass sich der Minister bei seinen Soldaten auch mal blicken lässt, die hier über Wochen unter widrigen Bedingungen ihren Dienst tun».
    Guttenberg wollte den Stützpunkt in Baghlan bereits bei seiner letzen Afghanistan-Reise Mitte Juli besuchen. Damals musste er allerdings wegen eines Gefechts auf halben Weg umkehren (siehe unsere Chronik vom 16. Juli).
  • Auch nach dem Beginn ihres Abzugs im kommenden Juli werden US- und ISAF-Truppen in Afghanistan im Einsatz bleiben. Alle Staaten, die in Afghanistan engagiert seien, hätten große Verpflichtungen übernommen und versprochen dabei zu bleiben, sagte der Afghanistan-Kommandeur der NATO, US-General David Petraeus, am 29. Aug. im ZDF-"heute-journal". Er könne die Afghanen beruhigen, die fürchteten, den Taliban schutzlos ausgeliefert zu sein, wenn die internationalen Truppen demnächst abziehen, sagte Petraeus weiter. Alle, einschließlich der Afghanen, müssten jedoch dafür sorgen, dass die ISAF ihre Ziele erreichen könne, forderte der US-General.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat das Vorgehen der ausländischen Truppen am Hindukusch scharf kritisiert und eine Überprüfung der Militärstrategie gefordert. Die Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 hätten gezeigt, dass der Krieg gegen den Terrorismus in den Dörfern Afghanistans wenig effizient sei und bislang vor allem zivile Opfer gefordert habe, hieß es in einer vom Präsidentenpalast verbreiteten Erklärung zum Treffen Karsais mit Bundestagspräsident Norbert Lammert am 29. Aug.
Montag, 30. August, bis Dienstag, 31. August
  • In Nordafghanistan ist erneut eine deutsche Patrouille mit einem versteckten Sprengsatz angegriffen worden. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mitteilte, wurde kein Soldat verletzt. Ein Bundeswehrfahrzeug vom Typ Dingo sei leicht beschädigt worden. Der Angriff erfolgte demnach am Morgen des 30. Aug. neun Kilometer nordwestlich des Regionalen Wiederaufbauteams Kundus. Die Soldaten, die mit afghanischen Sicherheitskräften unterwegs waren, konnten den Einsatz demnach fortsetzen. Erst am Freitag (27. Aug.) war ein Transportpanzer vom Typ Fuchs auf dem Weg vom Flughafen in Faisabad zum dortigen Regionalen Wiederaufbauteam mit einer Handfeuerwaffe beschossen und leicht beschädigt worden. Verletzte gab es keine.
  • Bei Anschlägen mit selbstgebastelten Sprengsätzen kamen am 30. Aug. an zwei verschiedenen Orten im Süden des Landes insgesamt sieben Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF ums Leben. Die ISAF wollte sich am Montag nicht zu der Staatsangehörigkeit der Opfer äußern.
  • Zwei US-Bürgerrechtsgruppen haben die Washingtoner Regierung wegen der Entscheidung verklagt, den radikalislamischen Prediger Anwar al Aulaqi zur gezielten Tötung freizugeben. Dies komme einem "Todesurteil" ohne Anklage und Prozess gleich, erklärten die beiden Organisationen am 30. Aug. in Washington. Die USA sehen in dem Prediger, der auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, einen gefährlichen Terroristen. Das Vorgehen Washington verstoße "gegen die Verfassung und internationales Recht", hieß es in der Erklärung der beiden Menschenrechtsgruppen ACLU und CCR weiter. "Die Vereinigten Staaten können nicht einfach irgendwo auf der Welt Leute hinrichten, eingeschlossen ihre eigenen Staatsbürger, nur weil sie es so entschieden haben", sagte der CCR-Vorsitzende Vince Warren. Die Klage der Bürgerrechtsgruppen richtet sich namentlich gegen US-Präsident Barack Obama, CIA-Chef Leon Panetta und Verteidigungsminister Robert Gates.
    Im April war bekannt geworden, dass die USA den 1971 im US-Bundesstaat New Mexico geborenen radikalislamischen Prediger zur gezielten Tötung freigegeben hatten. Der seit 2006 im Jemen lebende Imam sei direkt an Anschlagsplanungen beteiligt und damit zur "Bedrohung der Sicherheit" in den USA geworden, sagte damals ein Vertreter des US-Geheimdienstes. Aulaqi habe sich an "Planungen zur Tötung unschuldiger Amerikaner" beteiligt.
    Der Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung ACLU, Anthony Romero, bezeichnete diese Anordnung zur gezielten Tötung Aulaqis als "illegal". "Wir verurteilen keine Menschen zu Gefängnisstrafen auf der Grundlage von geheimen Kriterien - und wir sollten sie ganz sicher nicht auf diese Weise zum Tode verurteilen", sagte Romero. Es genüge nicht, wenn die Regierung sage: "Vertraut uns". "Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass so etwas nach hinten losgeht, und wir sollten aus diesen Fehlern lernen", sagte Romero weiter.
    Die US-Regierung beruft sich bei der gezielten Tötung von Terrorverdächtigen, die vor allem über unbemannte Drohnen in Afghanistan und Pakistan erfolgt, auf ihr völkerrechtlich garantiertes Recht auf Selbstverteidigung. Im Februar hatte der damalige Geheimdienstkoordinator Dennis Blair vor einem Ausschuss des US-Kongresses im Grundsatz bestätigt, dass ein solcher Schritt auch gegen Staatsbürger der USA möglich sei.
  • Bei Anschlägen in Afghanistan sind am 31. Aug. mindestens sechs Soldaten der Internationalen Schutztruppe ums Leben gekommen. Vier ausländische Soldaten seien im Osten des Landes bei der Explosion von Sprengsätzen gestorben. Das teilte die NATO-geführte ISAF mit. Die beiden anderen seien bei Bombenanschlägen im Süden getötet worden. Zur Identität der Opfer äußerte sich ISAF wie üblich nicht. Erst gestern (30. Aug.) hatte die ISAF den Tod von sieben Soldaten gemeldet. Damit stieg die Zahl der getöteten NATO-Soldaten seit Freitag (27. Aug.) auf 24, darunter 21 Soldaten aus den USA. Allein am 30. Aug. waren im Süden des Landes bei zwei Sprengstoffanschlägen sieben US-Soldaten getötet worden.
  • Laut dem Afghanistan-Kommandeur der NATO haben die Taliban ihren Aktionsbereich als Reaktion auf das entschlossene Vorrücken der internationalen Streitkräfte ausgeweitet. Die islamistischen Milizen fühlten sich in ihren langjährigen Hochburgen bedroht und schlügen nun umso verzweifelter zurück, sagte US-General David Petraeus am 31. Aug. zu ausländischen Medien. In den kommenden Tagen werde die Zahl der US- und NATO-Truppen mit 150.000 Soldaten ihren Höchststand erreichen. Damit gehe der Kampf gegen die Taliban in seine "letzte Phase".
  • Die pakistanische Luftwaffe hat am 31. Aug. mindestens 30 Aufständische in den nordwestlichen Stammesgebieten getötet. Ein ranghoher Sicherheitsvertreter sprach von einer "erfolgreichen Operation gegen militante Kräfte im Tirah-Tal" in der Grenzregion zu Afghanistan. Mehrere Verstecke der Rebellen seien zerstört worden. Ein weiterer Sicherheitsbeamter sowie Geheimdienstvertreter bestätigten die Angriffe und die Opferzahl. Die nordwestpakistanischen Stammesgebieten gelten als Rückzugsraum für die radikalislamischen Taliban und ihre Verbündeten vom Terrornetzwerk El Kaida
  • Kurz vor seiner Rede anlässlich des Abzugs der US-Kampftruppen aus dem Irak hat US-Präsident Barack Obama die USA auf einen "harten Kampf" in Afghanistan eingeschworen. "Wir haben offensichtlich noch einen sehr harten Kampf in Afghanistan auszufechten", sagte Obama am 31. Aug. bei einem Truppenbesuch am Stützpunkt Fort Bliss in Texas. "Wir haben die Opferzahlen in Höhe gehen sehen, weil wir es mit El Kaida und den Taliban aufgenommen haben", fügte Obama hinzu. "Es wird noch eine schwierige Zeit werden."
  • In Afghanistan sind in diesem Jahr bereits mehr US-Soldaten getötet worden als im bisher verlustreichsten Gesamtjahr 2009. Bei dem Einsatz am Hindukusch starben bis zum Mittwoch in den ersten acht Monaten des Jahres 323 US-Soldaten, wie eine Auswertung der Nachrichtenagentur AFP auf Basis der unabhängigen Internetseite icasualties.org ergibt. 2009 waren es im Gesamtjahr 317 gewesen.
  • Bei einem Angriff gegen mutmaßliche Aufständische hat die pakistanische Luftwaffe mindestens 55 Menschen getötet. Der Einsatz von Kampjets in den an Afghanistan angrenzenden Stammensgebieten sei am 31. Aug. geflogen worden, um bevorstehende Selbstmordattentate zu verhindern sowie Basen und Trainingslager von Aufständischen zu zerstören, sagten pakistanische Sicherheitsvertreter am 1. Sep. Am 31. Aug. hatten die Sicherheitskräfte zunächst von 30 Toten bei dem Angriff im Nordwesten des Landes gesprochen.


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