Selbstmordanschlag auf Stützpunkt der CIA
In Afghanistan endete das alte Jahr mit einer Welle von Gewalt - gegen Besatzungssoldaten und gegen Zivilisten *
Der US-Geheimdienst CIA hat in Afghanistan einen der schwersten Verluste
seiner Geschichte erlitten: Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am
Mittwoch (30. Dez. 09) auf einem Stützpunkt im Osten des Landes und
tötete damit auch sieben Agenten. Im Süden starben vier kanadische
Soldaten und eine Journalistin. Bei einem Bombardement der US-Luftwaffe
in der Provinz Helmand wurden mindestens acht Dorfbewohner getötet.
Ein afghanischer Selbstmordattentäter hat am Mittwoch auf einer
US-Geheimdienstbasis im Osten des Landes acht Amerikaner mit in den Tod
gerissen, davon sieben CIA-Mitarbeiter. Der Täter, der eine afghanische
Armeeuniform getragen habe, sei als Informant eingeladen gewesen und
entgegen den Sicherheitsvorschriften bei seiner Ankunft auf der schwer
bewachten Basis nicht durchsucht worden, berichtete der US-Fernsehsender
ABC am Donnerstag. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff.
Unter den Todesopfern ist Medienberichten zufolge auch die Chefin der
Geheimdienstbasis in der ostafghanischen Provinz Chost an der Grenze zu
Pakistan. Der Stützpunkt Forward Operation Base Chapman spielt nach
Angaben der »Washington Post« eine Schlüsselrolle bei der Steuerung der
unbemannten Drohnen, mit denen die US-Streitkräfte Stellungen und
Verstecke der Taliban in dem unwegsamen Grenzgebiet unter Feuer nehmen.
Nach offiziellen Angaben kamen zuvor seit Beginn des US-Einsatzes in
Afghanistan Ende 2001 vier CIA-Agenten ums Leben. Seit Beginn 2009
starben am Hindukusch 310 US-Soldaten, so viele wie noch nie binnen
eines Jahres.
Bei einem Anschlag im Süden des Landes kamen vier kanadische Soldaten
und eine Journalistin ums Leben. Sie befand sich am Mittwoch zusammen
mit den Soldaten auf einer Kontrollfahrt im Süden Kandahars. Die Zahl
der getöteten kanadischen Soldaten stieg damit auf 138.
Bei einem NATO-Luftangriff in der südafghanischen Provinz Helmand sind
nach Angaben örtlicher Behörden mindestens acht Dorfbewohner ums Leben
gekommen. Erst am Wochenende waren bei einer NATO-Militäraktion in der
östlichen Provinz Kunar zehn Zivilisten getötet worden, darunter acht
Kinder. In einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung von Präsident
Hamid Karsai heißt es zu dem Vorfall in Kunar, nach jüngsten
Erkenntnissen der eingesetzten Untersuchungskommission seien die
Menschen in ihren Häusern von Soldaten erschossen worden. Den Angaben
zufolge forderte Karsai die Internationale Schutztruppe ISAF auf, die
Verantwortlichen an die afghanischen Behörden zu übergeben. Die
NATO-geführte ISAF äußerte sich nicht dazu.
Bei einem Selbstmordanschlag in Pakistans Nordwestgrenzprovinz zu
Afghanistan sind am Neujahrstag mindestens 39 Zivilisten ums Leben
gekommen, darunter viele Kinder. Wie Polizeisprecher Mohammad Ayub Khan
mitteilte, brachte der Täter sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug
neben einem Sportplatz im Distrikt Lakki Marwat zur Explosion.
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist im vorigen Jahr für die
deutschen Soldaten deutlich gefährlicher geworden. Auf die Bundeswehr
seien 77 Anschläge verübt worden, erklärte das Verteidigungsministerium
am Donnerstag. Fünf Soldaten seien ums Leben gekommen, zwei mehr als
2008. Davon seien vier »in Kampfhandlungen gefallen«, ein Soldat starb
bei einem Verkehrsunfall.
Laut »Bild«-Zeitung wurden allein 71 Anschläge auf das deutsche
Kontingent im Raum des nordafghanischen Bundeswehr-Standortes Kundus
verübt. 2008 seien 43 Anschläge gezählt worden, 31 im Raum Kundus.
Insgesamt hätten 2009 13 900 deutsche Soldaten in Afghanistan gedient,
1700 mehr als im Vorjahr.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin
Margot Käßmann, sprach sich bei einem Neujahrsgottesdienst für ein Ende
des Afghanistan-Einsatzes aus. »Nichts ist gut in Afghanistan«, sagte
Käßmann am Freitag in der Dresdner Frauenkirche. Waffen schafften
offensichtlich keinen Frieden im Land.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2010
CIA schwer getroffen
Acht Tote bei Selbstmordattentat auf einen US-Stützpunkt in Afghanistan
**
Am Freitag (1. Jan.) diskutierten US-Behörden und Medien noch immer über
die Hintergründe für ein Attentat gegen den US-Geheimdienst CIA am
Mittwoch (30. Dez. 09) in Afghanistan. Er erlitt einen der schwersten
Verluste seiner Geschichte, als ein Selbstmordattentäter auf einem
Stützpunkt im Osten des Landes sich und sieben Agenten tötete.
CIA-Direktor Leon Panetta hatte am Donnerstag deren Tod bestätigt. Sechs
weitere Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes seien verletzt worden.
Der Attentäter sprengte sich den Angaben zufolge auf dem Gelände der
Chapman-Militärbasis in der Provinz Khost in die Luft. Zu dem Anschlag
bekannten sich die Taliban. Vor dem CIA-Hauptquartier in Langley im
US-Bundesstaat Virginia hingen die Flaggen auf halbmast.
US-Präsident Barack Obama ehrte in einem Brief an die CIA-Mitarbeiter
den »Mut und die Ehre« der gestorbenen Agenten. Die CIA sei so stark wie
nie herausgefordert worden. Obamas Anfang Dezember verkündete Strategie
für den Afghanistan-Krieg, die Einsätze gegen das offiziell verbündete
Pakistan einschließt, baut auf erhebliche Verstärkung des
Truppenkontingents der USA und ihrer Verbündeten sowie auf
geheimdienstliche Aktivitäten. Die CIA verstärkte die von ihr geleiteten
Drohnenangriffe gegen Taliban im benachbarten Pakistan, wobei zahlreiche
Zivilisten ums Leben kamen.
Das afghanische Verteidigungsministerium erklärte, entgegen den Angaben
der Taliban sei der Attentäter weder ein afghanischer Soldat noch wie
ein solcher gekleidet gewesen. Ein Sprecher des afghanischen
Marionetten-Staatschefs Hamid Karsai verkündete am Freitag, die
afghanischen Behörden würden sich nicht an den Ermittlungen zu dem
Vorfall beteiligen. Die New York Times berichtete unter Berufung auf
Geheimdienstmitarbeiter, ersten Erkenntnissen zufolge sei der Attentäter
als angeblicher Informant auf die Chapman-Militärbasis gebracht und
womöglich nicht gründlich durchsucht worden. In dem Bericht hieß es
weiter, die CIA habe in Afghanistan kürzlich eine Offensive gegen die
Aufständischen um Siradschuddin Hakkani begonnen. Nach Einschätzung des
Politologen Wahid Mudschda war der Selbstmordanschlag ein Racheakt des
Hakkani-Netzwerks.
Nach der Ermordung von zehn Zivilisten durch NATO-Soldaten am 26.
Dezember will die vom Westen ausgehaltene Regierung in Kabul angeblich
die beteiligten Soldaten vor Gericht stellen. Die Verantwortlichen für
das Blutbad müßten an die afghanische Justiz übergeben werden, hieß es
in einer Erklärung des Präsidialamtes. Das Massaker hatte zu heftigen
Reaktionen in der Bevölkerung geführt. In Dschalalabad im Osten des
Landes waren am Mittwoch Hunderte Menschen auf die Straße gegangen, um
gegen die Tötung der Zivilisten zu protestieren. Studenten blockierten
mehrere Hauptstraßen, riefen Parolen wie »Tod Obama« und setzten ein
Bild des US-Präsidenten sowie eine US-Flagge in Brand. In Kabul
beteiligten sich rund 150 Menschen an antiwestlichen Protesten.
Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht einer von Karsai
eingesetzten Untersuchungskommission hatten Soldaten der internationalen
Truppen im Distrikt Narang in der Provinz Kunar zehn Zivilisten aus
ihren Häusern getrieben und erschossen. Unter den zehn Todesopfern seien
acht Schüler im Alter von 13 bis 17 Jahren. Zunächst hatte ein Sprecher
der NATO-Truppe ISAF behauptet, daß es zum fraglichen Zeitpunkt keine
Einsätze in der Region an der Grenze zu Pakistan gegeben habe.
** Aus: junge Welt, 2. Januar 2010
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