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Chronik des Krieges gegen Afghanistan

April 2004

1. bis 4. April
  • Afghanistan hat mit seinen Nachbarstaaten ein Abkommen zur Drogenbekämpfung unterzeichnet. Vertreter der sieben Staaten setzten am 1. April bei der Afghanistan-Konferenz in Berlin ihre Unterschrift unter die Erklärung. Mit dem Abkommen sollen die Anstrengungen im Kampf gegen den Drogenanbau koordiniert werden. Die Übereinkunft ist ein Folgeabkommen der "Kabuler Erklärung über gutnachbarliche Beziehungen", die Afghanistan mit China, Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan im Dezember 2002 verabschiedet hatte. Die unter britischer Koordination ausgearbeitete Erklärung sei ein "wichtiger Schritt" im Kampf gegen den Anbau und die Weiterverbreitung von Drogen, erklärte Bundesaußenminister Joschka Fischer. Die Bundesregierung werde die beteiligten Staaten bei der Umsetzung des Abkommens "nachdrücklich unterstützen". Deutschland werde sich weiterhin beim Aufbau und der Ausbildung der afghanischen Drogenpolizei engagieren und alternative Einkommensmöglichkeiten zum Drogenanbau fördern.
  • Im Mittelpunkt des zweiten Tages des Afghanistan-Konferenz steht die Angst vor einer Verschlechterung der Sicherheitslage in dem kriegszerstörten Land. Hinter verschlossenen Türen bemühen sich Vertreter von 56 Staaten um eine Antwort auf die Warnungen von Übergangs-Präsident Hamid Karsai. Er hatte Am Anfang der Konferenz (31. März) erklärt, der Schlafmohnanbau zur Drogenherstellung bedrohe die Existenz des afghanischen Staates. Außerdem hatte er dringend um Verstärkung der internationalen Schutztruppe gebeten.

Zahlen zum Drogenanbau in Afghanistan
Afghanistan ist größter Opiumproduzent der Welt. Allein 2003 wurden nach Angaben des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung (UNODC) etwa 3.600 Tonnen Rohopium gewonnen, das sind 75 Prozent der Weltproduktion. In diesem Jahr befürchtet die UNO eine Steigerung auf 4000 Tonnen.
Der Umsatz des Drogenanbaus und -handels wird auf derzeit 2,3 Milliarden US-Dollar geschätzt, das ist laut UNO mehr als die Hälfte des afghanischen Bruttoinlandsproduktes. Davon entfallen eine Milliarde US-Dollar auf die Mohnbauern und 1,3 Milliarden US-Dollar auf die Schmuggler und Händler.
In 28 der 32 afghanischen Provinzen wird Schlafmohn angebaut. Etwa 1,7 Millionen Afghanen sind daran beteiligt. Nach Angaben des Zentrums für Internationale Zusammenarbeit planen 69 Prozent der Mohnbauern in diesem Jahr eine Ausweitung ihrer Produktion, knapp ein Drittel will die Anbaufläche mehr als verdoppeln. 43 Prozent der Bauern, die bislang nichts mit Drogenanbau zu tun hatten, wollen in 2004 erstmals Schlafmohn kultivieren.
(Quelle: ddp, 1. April 2004)
  • Immer mehr Frauen in Afghanisten finden den Mut, sich zu den bevorstehenden Wahlen zu registrieren. Auch in den besonders traditionellen Regionen im Süden und Osten steige der Anteil der Frauen an den Registrierungen, sagte am 1. April ein Sprecher der Vereinten Nationen, Edward Carwardine. In Dschalalabad erhöhte sich der Frauenanteil innerhalb von zwei Wochen von 20 auf 34 Prozent, in Kandahar von 15 auf 25 Prozent. Die Stammesältesten und Geistlichen "haben sehr deutlich gemacht, dass Frauen ein fester Bestandteil des politischen Prozesses sind", sagte Carwardine. Auch die Appelle von Gemeindevertretern und die Informationskampagne der Behörden wirkten sich positiv aus. Die Registrierungsfrist begann im Dezember vergangenen Jahres. Die UN und die afghanische Regierung wollen im Mai auch Registrierungsstellen in den ländlichen Regionen einrichten.
  • Mit einer Garantie der Staatengemeinschaft für dauerhafte Sicherheit in Afghanistan ist die internationale Geberkonferenz am 1. April in Berlin zu Ende gegangen. Das Land erhielt Hilfszusagen über 8,2 Milliarden Dollar für drei Jahre, um den Wiederaufbau sowie den Kampf gegen Terrorismus und Drogen voranzutreiben. Auch für die ersten freien Wahlen im September soll ein Klima der Sicherheit geschaffen werden. Der afghanische Präsident Hamid Karsai dankte der Staatengemeinschaft und versprach eine Fortsetzung des Weges zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Hilfe werde dazu beitragen, "dass Afghanistan eines Tages auf eigenen Füßen stehen und der Staatengemeinschaft nicht mehr zur Last fallen wird". Karsai und Außenminister Joschka Fischer bezeichneten die Konferenz als großen Erfolg, zu dem die 700 Delegierten aus 56 Staaten beigetragen hätten.
    Fischer sagte, die 8,2 Milliarden Dollar seien ein "beeindruckendes Signal". Die Zusage unterstreiche die "langfristige politische und moralische Verpflichtung" der Staatengemeinschaft, das kriegszerstörte Land von den Lasten der Vergangenheit zu befreien. China erließ Afghanistan seine Schulden, bei denen es sich um einen Dollarbetrag im zweistelliger Millionenhöhe handeln soll.
    In einer nach zweitägiger Beratungen verabschiedeten "Berliner Erklärung" wird auch der Antidrogen-Pakt hervorgehoben, den Afghanistan erstmals in seiner Geschichte mit seinen sechs Nachbarländern in Berlin abschloss. Der Pakt sieht in den Grenzgebieten in China, Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenien und Usbekistan einen "Sicherheitsgürtel" um Afghanistan vor, der dem Drogenschmuggel ein Ende setzen soll.
    Fischer bekräftigte das deutsche Engagement zur Entwicklung alternativer Einkommen für Opiumbauern. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach von einer Investition gegen den Terrorismus und seine Finanzquellen. Aus Afghanistan stammte 2003 etwa 80 Prozent der Opium-Produktion der Welt.
    Die NATO-geführte Stabilisierungstruppe ISAF will so lange in Afghanistan bleiben, bis das Land mit eigenen Polizei- und Streitkräften für Sicherheit im Inneren sorgen kann. Gestärkt werden sollen auch die regionalen Wiederaufbauteams wie das von der Bundeswehr in Kundus betriebene. Davon gibt es derzeit elf. Der Wunsch der NATO nach fünf weiteren solcher Stabilitätsinseln wurde auf der Konferenz noch nicht bestätigt. Die Bundeswehr stellt im Rahmen von ISAF 2.000 Soldaten.
    Zu den wichtigen Aufgaben gehört auch die Organisation und Absicherung der Wahlen. Von den mehr als zehn Millionen Wahlberechtigten sind erst 1,5 Millionen registriert.
    Als Sicherheitsproblem gelten auch die alten Streitkräfte von 100.000 Mann, deren Demobilisierung vorangetrieben werden soll. Beim Aufbau der Polizei mit zunächst 20.000 Mann spielt Deutschland eine führende Rolle. Auch die ersten Afghaninnen werden bereits als Polizistinnen ausgebildet.
    Weitere Hilfen will die Staatengemeinschaft beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen, bei grundlegenden Verwaltungsreformen, beim Wiederaufbau des Schulsystems und bei der Absicherung der Chancengleichheit für Frauen leisten. Auch die Wirtschaft soll reorganisiert werden.
  • Hilfsorganisationen haben sich enttäuscht über die Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz in Berlin gezeigt. "Die angekündigten Maßnahmen werden die Lage nicht wesentlich ändern", sagte Barbara Stapleton, die die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan koordiniert, am 1. April in Berlin. Die von der NATO angekündigte Entsendung von fünf weiteren Wiederaufbauteams in die Provinzen bringe keine ausreichende Sicherheit. Die Afghanen erwarteten von der Welt vor allem Sicherheit, Gerechtigkeit und Hilfe beim Wiederaufbau.
  • Die NATO-Außenminister haben grundsätzlich einen Plan zur Ausweitung des Militäreinsatzes in Afghanistan gebilligt. Das sagte NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am 2. April nach einer Arbeitssitzung der Minister in Brüssel. Fragen der militärischen Umsetzung müssten noch geklärt werden. Der von der NATO geführte ISAF-Einsatz soll über die Hauptstadt Kabul hinaus ausgedehnt werden. Dazu sollen in den Provinzen so genannte Regionale Aufbauteams aufgestellt werden.
5. bis 11. April
  • Im Osten Afghanistans haben sich am 5. April tausende Opiumbauern zu Protesten gegen die Drogenpolitik der Regierung versammelt. Die Bauern seien im Bezirk Kama zusammengekommen, um für Dienstag eine Demonstration gegen die Zerstörung ihrer Schlafmohnfelder vorzubereiten, sagte ein Sprecher des Provinzgouverneurs der Nachrichtenagentur AFP. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai hatte vergangene Woche angekündigt, die Opium-Felder in den drei Provinzen Nangarhar, Helmand und Kandahar zu zerstören und die Aktion anschließend auf das ganze Land auszuweiten. In der abgelegenen Bergregion Nangarhar, wo es besonders viele Schlafmohnfelder gibt, zerstörten afghanische Soldaten bereits 40 Drogenlabore.
  • Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat zum Dschihad ("Heiliger Krieg") gegen den Drogenanbau in seinem Land aufgerufen. "Betäubungsmittel gehören zu den Dingen, die unsere Würde, unsere Wirtschaft und unsere Landwirtschaft bedrohen", sagte Karsai am 6. April bei einer Pressekonferenz in der afghanischen Hauptstadt Kabul. "Sie bedrohen unsere Regierung und unsere Wurzeln, und sie sind gegen unsere Religion." Er rufe die Stammesältesten deshalb auf, "sehr stark und im Dschihad-Stil gegen Betäubungsmittel zu kämpfen".
  • In Afghanistan bereiteten afghanische und amerikanische Soldaten einen Angriff auf etwa 150 mutmaßliche Extremisten in den Bergen an der Grenze zu Pakistan vor. Der afghanische Kommandeur Sakim Khan sagte am 6. April, die Bewaffneten hätten sich in den Regionen Sar Hawsa und Marsak in der Provinz Paktika verschanzt. Auf der anderen Seite der Grenze hatte Pakistan im vergangenen Monat eine groß angelegte Offensive gegen mutmaßliche El-Kaida-Kämpfer gestartet. Khan sagte, seine Männer warteten noch auf Befehle des Verteidigungsministeriums, die Gegend zu durchsuchen. Er rechne mit Unterstützung durch Soldaten und Flugzeuge der US-geführten Truppen.
  • Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jean- Marie Guehenno sieht den neuen Termin für die Wahlen in Afghanistan im September gefährdet. Die Durchführung hänge von einer Verbesserung der Sicherheitslage ab, sagte Guehenno am 6. April bei einer offenen Sitzung des Weltsicherheitsrates zur Lage in Afghanistan. Zu diesem Zweck müsse die Regierung von Präsident Hamid Karsai die Entwaffnung der Milizen vorantreiben. Alle schweren Waffen müssten bis Juni eingesammelt sein, forderte Guehenno, der bei den UN für Friedensmissionen zuständig ist. Der UN-Diplomat sprach sich ferner für eine Verstärkung der internationalen Schutztruppe in Afghanistan aus, um einen ordnungsgemäßen Verlauf der Wahlen zu gewährleisten. Er schloss sich damit der Forderung von Karsai nach einer Ausweitung des Mandats der von der NATO geführten Schutztruppe über die Hauptstadt Kabul hinaus an. Ursprünglich sollten die ersten Parlaments- und Präsidentenwahlen in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban- Regimes Ende 2001 im Juni stattfinden. Der Termin wurde jedoch vorigen Monat wegen logistischer Probleme und Sicherheitsbedenken auf September verschoben worden. Die Wahlen werden von den Vereinten Nationen vorbereitet.
  • In der nordafghanischen Provinz Farjab ist es zu schweren Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen gekommen, wie das Verteidigungsministerium in Kabul am 7. April mitteilte. Einheiten von Abdul Raschid Dostum seien am 6. April von drei Seiten in die Provinz eingerückt, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Rahim Wardak der Nachrichtenagentur AP. "Farjak wird angegriffen. Es gibt auch Opfer, aber ich kann nicht sagen wie viele." Die Regierung entsandte 750 Soldaten in die Region.
  • Soldaten des nordafghanischen Kommandeurs Raschid Dostum haben am 8. April die Provinzhauptstadt Maymana eingenommen. "Sie haben die Stadt unter Kontrolle", sagte Innenminister Ali Achmed Dschalali. Er habe keine Informationen über Tote und Verletzte, jedoch berichteten Dostum-Anhänger, dass Wachen auf eine Menschenmenge gefeuert und dabei vier Menschen getötet hätten. Der Provinzgouverneur sei zu einem nahe gelegenen Flughafen gebracht werden. Maymana ist die Hauptstadt der Provinz Farjab und liegt etwa 420 Kilometer nordwestlich von Kabul. In der Provinz war es bereits in den vergangenen Tagen zu Gefechten zwischen Soldaten Raschids und eines Rivalen gekommen. Die afghanische Zentralregierung bereitete noch vor der Stürmung der Stadt die Verlegung von etwa 750 Soldaten in die Region vor. Regierungsmitglieder der Provinz Farjab sagten, Dostum wolle sie stürzen, weil sie zu eng mit der Kabuler Zentralregierung zusammenarbeiteten.
  • Im Süden des Landes wurden bei neuerlichen Unruhen mindestens sieben Menschen getötet. Eine dreistündige Schießerei in der Provinz Helmand kostete am 7. April einen Rebellen und einen Soldaten das Leben. Nach US-Militärangaben wurden ein afghanischer und ein amerikanischer Soldat verletzt. Vier Milizionäre wurden festgenommen.
  • In Helmand seien zwei Polizisten bei einem Angriff mutmaßlicher Taliban-Kämpfer getötet worden, teilten die Behörden am 8. April mit. Drei weitere wurden bei dem Überfall verletzt. Zwei mutmaßliche Taliban-Kämpfer kamen ums Leben, als sie einen Kontrollpunkt stürmen wollten.
    In der Nachbarprovinz Urusgan wurde bei einer Minenexplosion ein Soldat getötet, ein weiterer erlitt Verletzungen. Die Opfer waren Mitglieder der neuen afghanischen Streitkräfte.
  • Auf Anweisung von Präsident Hamid Karsai hat in Afghanistan die Zerstörung von Opiummohnfeldern begonnen. Die Vernichtung der für die Heroinherstellung benötigten Pflanzen sei in vier Distrikten der Ostprovinz Nangarhar angelaufen und verlaufe glatt, sagte Provinzgouverneur Hadschi Din Mohammed am 9. April in Dschalalabad. Ziel sei es, acht bis zehn Prozent der Opiummohnernte der Provinz zu vernichten. Die Felder würden mit Traktoren eingeebnet, erklärte der Provinzgouverneur. In Regionen, wo die Bauern zwischen den Mohnpflanzen Wassermelonen anbauten, würden die Mohnkapseln mit Stöcken abgeschlagen. Auch in anderen afghanischen Provinzen begann nach Behördenangaben die Vernichtung.
  • Einen Tag nach der Besetzung durch eine Miliz sind afghanische Truppen ungehindert in die Provinzhauptstadt Maymana einmarschiert. Etwa 150 Soldaten hätten die Stadt bereits erreicht, 600 weitere seien auf dem Weg, sagte ein Sprecher der Zentralregierung in Kabul, Dschawed Ludin am 9. April. Die Lage in der Stadt sei ruhig, Berichte über Verletzte oder Todesopfer habe es nicht gegeben. Aus Regierungskreisen verlautete, Dostum habe zahlreiche Kämpfer aus den Nachbarprovinzen nach Maymana geschickt, der Hauptstadt der Provinz Farjab im Norden des Landes. Dostums Anhänger erklärten dagegen, die Milizionäre und Einwohner der Provinz hätten sich gegen einen unbeliebten Gouverneur aufgelehnt, der von Kabul eingesetzt worden sei. Der Gouverneur von Farjab, Enajatullah Enajat, floh aus Maymana. Telefonisch sagte Enajat der Nachrichtenagentur AP, er fürchte um sein Leben. Er rechne damit, dass Dostum um die Stadt kämpfen werde.
  • Zwei Hubschrauber der Friedenstruppe in Afghanistan sind unter Beschuss geraten, wie ein Sprecher der von der NATO geführten Mission am 10. April mitteilte. Getroffen worden sei keiner der beiden niederländischen Apache-Helikopter, sagte Leutnant Richard Scarth. Die Angreifer seien geflohen. Der Vorfall habe sich bereits am Abend des 8. April in der Nähe der Hauptstadt Kabul ereignet.
  • Ein UN-Sprecher erklärte am 11. April, während einer Demonstration in der Provinzhauptstadt Maymana sei es zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Dabei sei am 8. April ein Mensch ums Leben gekommen. Vier weitere Menschen seien am 10. April bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des nordafghanischen Kommandeurs Raschid Dostum verletzt worden. Vertraute Dostums sprachen von zwei Todesopfern während der Demonstration. Sie warfen britischen Soldaten vor, in die Menge geschossen zu haben. Die britischen Truppen wiesen die Anschuldigungen zurück. Die Soldaten hatten dem Gouverneur der Provinz Farjab zur Flucht verholfen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai kündigte an, den Gouverneur wieder einzusetzen. UN-Sprecher Manoel de Almeida e Silva beschrieb die Lage am 11. April insgesamt als ruhig.
  • Anwälte und Familienangehörige von Guantanamo-Häftlingen haben die Inhaftierung von Terrorverdächtigen durch die USA auf dem Stützpunkt auf Kuba als beispiellosen Menschenrechtsskandal kritisiert. Zum Abschluss einer von Amnesty International organisierten Konferenz in Sanaa in Jemen riefen die Teilnehmer die USA am 11. April auf, die Gefangenen entweder sofort freizulassen oder ihnen einen fairen Prozess zu gewähren. In dem Appell von Sanaa heißt es, dass die USA den Häftlingen jeden Zugang zum Rechtssystem und ihnen selbst die grundlegendsten Menschenrechte verweigerten, sei ein beispielloser Menschenrechtsskandal. Eine solche Politik fördere eine Welt, in der willkürliche Verhaftungen akzeptiert würden. Die Staaten am Persischen Golf wurden aufgerufen, sich um die Rechte ihrer inhaftierten Staatsbürger zu kümmern. An der Konferenz nahmen Anwälte aus den USA, Europa, Australien und den Golfstaaten und die Familien von inhaftierten Jemeniten teil. 109 der 595 in Guantanamo Inhaftierten sind Jemeniten.
  • Der afghanische Kriegsherr Gulbuddin Hekmatjar hat den Aufstand der Schiiten in Irak begrüßt und ein gleiches Vorgehen gegen die US-geführten Truppen in seinem Land angekündigt. Der Aufstand des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr und seiner Anhänger sei "ein gutes Vorzeichen" dafür, dass die irakische Bevölkerung "der fremden Besatzung" ein Ende setzen werde, hieß es in einer Erklärung, die vermutlich von Hekmatjar stammte und am 11. April per Telefax bei mehreren Lokalzeitungen in der pakistanischen Stadt Peshawar einging. "Die afghanische Nation wird sich auch gegen die Besatzungstruppen auflehnen und ihr Land von Eindringlingen befreien."
12. bis 18. April
  • In der südostafghanischen Stadt Gardes gibt es erstmals seit zwölf Jahren wieder einen staatlichen Fernsehsender, meldete AFP am 12. April. Gardes TV sende täglich drei Stunden, sagte der Informations- und Kulturdirektor der Provinz Paktia, Din Mohammed Darwaisch. Donnerstags zeige der Sender sogar fünf Stunden Programm, damit ein Spielfilm gezeigt werden könne. Gardes TV kann in einem Umkreis von zwölf Kilometern empfangen werden. In der Provinzhauptstadt Gardes, rund 110 Kilometer von Kabul entfernt, gibt es keine größere Stromquelle. Nur wer einen eigenen Generator hat, kann einen Fernseher betreiben.
  • Afghanistan hat eine neue Offensive gegen El- Kaida-Kämpfer in der Grenzregion zu Pakistan eingeleitet. Rund 600 afghanische und 100 amerikanische Soldaten durchsuchten am Wochenende (10./11. April) Wälder und Höhlen in der Provinz Chost im Süden des Landes, wie Militärsprecher Sakim Chan am 12. April bekannt gab. Auf pakistanischer Seite bereiteten die Regierungstruppen ebenfalls eine Militäraktion vor, erklärte Chan. Die afghanischen Truppen zielten auch darauf, einen möglichen Fluchtweg für Extremisten über die Grenze abzuschneiden.
  • Die Unruhen im Norden Afghanistans weiteten sich unterdessen aus. Bei Feuergefechten zwischen Soldaten rivalisierender Kriegsherren wurden am Wochenende erneut mehrere Kämpfer getötet. Anhänger des usbekischen Kommandeurs Raschid Dostum und seines tadschikischen Rivalen Atta Mohammed lieferten sich nach Angaben beider Seiten in der Nacht zum 11. April Gefechte in Kod-i-Bark. Etwa 500 Milizionäre Mohammeds hätten Häuser Dostums und seiner Parteiführer geplündert, sagte ein Sprecher des Usbeken. Ein Gefolgsmann Mohammeds warf den rivalisierenden Kämpfern Raketenangriffe vor, mit denen sie einen Vormarsch auf die umkämpfte Stadt Masar-i-Scharif vorbereiten wollten. Die Bevölkerung habe sich ihnen entgegengestellt, und Dostums Soldaten hätten sich zurückgezogen, sagte er.
  • Mit einem Meinungsaustausch bei Staatspräsident Hamid Karsai hat die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis am 14. April den politischen Teil ihres knapp einwöchigen Afghanistan-Besuchs begonnen. Die SPD-Politikerin erörterte mit Karsai den Wiederaufbau Afghanistans und die Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft. Karsai und Arbeitsminister Nur Muhammed Karkin hätten dabei auf die sehr guten Beziehungen zur Bundesregierung verwiesen, erklärte Simonis.
  • Der Sicherheitschef der südostafghanischen Provinz Sabul, Mohammad Ayub, sagte am 15. April, bei einem Überfall am 14. April seien ein lokaler Polizeikommandeur und neun von dessen Leibwächtern gestorben. Auch ein Angreifer sei getötet worden. Vermutlich habe es sich um einen Racheakt und nicht um eine politische Tat gehandelt. Der Kommandeur habe im vergangenen Jahr vier Menschen getötet, deren Angehörige Rache geschworen hätten. Simonis besuchte die Mädchenschule Rock Schana, in der über 3.000 Kinder unterrichtet werden. Die Ministerpräsidentin nahm an einer Unterrichtseinheit über das Minenrisiko im Land teil. Die Sozialdemokratin zeigte sich bewegt von dem Lerneifer der Kinder, die äußerst diszipliniert am Unterricht teilnahmen. Ferner stattete die Ministerpräsidentin einem Ausbildungszentrum für rund 500 Jugendliche einen Besuch ab. "Ich habe das Gefühl, die Afghanen schaffen das," beschrieb die Politikerin den Aufbauwillen der Bevölkerung. Im Mittelpunkt des viertägigen Besuches steht jedoch der Besuch der Bundeswehrsoldaten in Kabul. Ein Großteil der dort stationierten Soldaten kommt aus Schleswig-Holstein.
    Demgegenüber machte der Gouverneur der Provinz Sabul, Chijal Mohammed, die Taliban für den Überfall verantwortlich. Der Überfall ereignete sich nach Angaben des Gouverneurs, als der Polizeichef auf dem Weg von Misan in seine Heimatstadt Schawali Kot war. In einem Telefongespräch mit einem Reporter der Nachrichtenagentur AP in Pakistan bekannte sich ein angeblicher Sprecher der Taliban zu der Tat. Er gab an, neben dem Polizeichef seien 18 Soldaten getötet worden.
  • Bei einem Überfall auf einen Armeeposten in der südostafghanischen Provinz Khost wurden mindestens drei afghanische Soldaten getötet und mehrere verletzt. Unbekannte hätten den Kontrollposten in der Nacht zum 15. April mit schweren Waffen und Raketenwerfern angegriffen, meldete die in Pakistan ansässige afghanische Nachrichtenagentur AIP.
  • In der nordwestpakistanischen Stadt Peschawar wurde am 15. April eine Polizeistation in der Nähe des US-Konsulats mit Raketen beschossen. Zwei Polizisten wurden nach Angaben der Sicherheitskräfte verletzt.
  • Die US-Truppen in Afghanistan (zur Zeit etwa 11.500 Soldaten) werden um 2.000 Soldaten aufgestockt, weil im Frühjahr erfahrungsgemäß verstärkt "terroristische" Aktionen stattfänden, sagte während eines Kurzbesuchs in Kabul am 16. April. Die zusätzlichen Kräfte würden in Kandahar im Süden und Tirin Kot im Südosten des Landes stationiert.
    Myers lobte die jüngsten Einsätze der pakistanischen Armee gegen mutmaßliche Extremisten in den pakstanischen Grenzgebieten zu Afghanistan.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hält die Präsenz ausländischer Soldaten in seinem Land noch weitere zehn Jahre für nötig. Diese Zeit brauche Afghanistan, um eine "voll funktionsfähige Armee und Polizei aufzubauen", sagte Karsai in einem am 17. April vorab veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Den größten Gegner seines Landes nannte Karsai zudem die Drogenmafia. "Drogen zerstören unsere Wirtschaft und bringen uns international in Verruf", wurde der Präsident zitiert. Wer mit Drogen handele, werde verfolgt, "egal, in welcher Position er sich befindet", erklärte Karsai. Dies gelte ausnahmslos auch für Regierungsmitglieder oder deren Angehörige. Viele hohe Würdenträger in Afghanistan seien direkt oder indirekt ins Drogengeschäft verstrickt, schreibt der "Spiegel".
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat am 18. April den Grundstein für den Bau eines 39 Millionen Dollar (32,7 Millionen Euro) teuren Fünf-Sterne-Hotels in Kabul gelegt. Bei einer Zeremonie in Anwesenheit des US-Botschafters in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, und mehrerer Kabinettsmitglieder würdigte Karsai den Bau des Hotels "Hyatt Regency" als Teil des Wiederaufbaus Afghanistans. Es würden nun nicht mehr nur alte Gebäude restauriert, sondern auch neue Gebäude errichtet. Das vierstöckige Gebäude der Hyatt-Hotelkette soll 200 Zimmer bekommen, die internationalen Standards entsprechen. Das Hotel wird gegenüber der US-Botschaft errichtet und soll in anderthalb Jahren fertiggestellt sein. Die Bauarbeiten werden von einem Konsortium mit dem Namen TAYL ausgeführt, einer Gruppe aus US-afghanischen und türkischen Investoren. Die Finanzierung trägt die staatliche US-Entwicklungsagentur OPIC (Overseas Private Investment Corporation).
  • Ein afghanischer Provinzfernsehsender hat Frauen vom Bildschirm verbannt. Nangarhar TV im Osten des Landes dürfe keinerlei Bilder von Frauen mehr zeigen, sagte Programmdirektor Subair Chaksar am 18. April der Nachrichtenagentur AFP. Der Generaldirektor habe die Anweisung damit begründet, dass solche Bilder gegen den Islam verstießen. Seit der Wiederaufnahme des Programms nach dem Sturz der Taliban vor zwei Jahren hatte der Sender nach Angaben Chaksars Moderatorinnen gehabt. Auch durften Sängerinnen in Filmen gezeigt werden.
  • Ein Angreifer hat am 18. April in Afghanistan drei Polizisten getötet. Der mit einem Messer bewaffnete Mann sei in das Hauptquartier der Polizei in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif eingedrungen, teilte die Polizei mit. Ein Verdächtiger sei festgenommen worden. Es werde untersucht, ob es sich um eine "terroristische Tat" handelte.
19. bis 25. April
  • Die afghanische Regierung arbeitet angeblich mit der US-Armee an einem Gesetzentwurf für eine Amnestie für Taliban-Kämpfer. Wie in Kabul am 19. April aus Diplomatenkreisen verlautete, soll der Straferlass zudem für Mitglieder der Organisation Hesb-i-Islami gelten. Die Initiative ziele darauf, einfachen Mitgliedern eine Rückkehr ins öffentliche Leben zu ermöglichen. Ein Sprecher der afghanischen Präsidentschaft sagte dagegen, er wisse davon nichts. Laut den diplomatischen Angaben sollen die Islamisten in dem Amnestiegesetz in drei Kategorien eingeteilt werden: In einer ersten Kategorie sind etwa 100 bis 150 Anführer der Gruppen aufgelistet, welche nicht von dem Straferlass profitieren können. Zu ihnen zählen die beiden gesuchten Führer der Organisation, Mullah Omar von den Taliban und der frühere Ministerpräsident Gulbuddin Hekmatjar von der Organisation Hesb-i-Islami. Auf einer "grauen" Liste sollen als zweite Kategorie etwa 200 Menschen stehen, die nach dem Absitzen einer Gefängnisstrafe unter Bedingungen amnestiert werden können. Zu der dritten Kategorie zählen schließlich einfache Kämpfer, die ohne weitere Auflagen eine Amnestie erwarten können.
  • Afghanische Polizisten und Soldaten der internationalen Friedenstruppe haben am 19. April in Afghanistan acht Verdächtige festgenommen, die Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida haben sollen. Wie ein Sprecher der Friedenstruppe mitteilte, befinden sich unter ihnen auch mehrere Männer, die einer Organisation des afghanischen Rebellenführers Gulbuddin Hekmatjar nahstehen sollen, unter anderem ein ranghohes Mitglied von Hekmatjars Gruppierung Hesb-e-Islami. Bei der Razzia am frühen Morgen in der Hauptstadt Kabul seien zudem Waffen, Sprengstoff und mehrere Dokumente beschlagnahmt worden, sagte Sprecher Chris Henderson. Die Verdächtigen seien im Schlaf überrascht worden und hätten keine Gegenwehr geleistet.
  • Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hat den Afghanen einen langfristigen Einsatz der Deutschen zur Stabilisierung ihres Landes zugesichert. Nach einem Gespräch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sagte Fischer am 20. April in Kabul: "Wir stehen zu unseren Zusagen." Er verwies dabei unter anderem auf die "sehr wichtige Arbeit" des deutschen Wiederaufbau-Teams im nordafghanischen Kundus und rief erneut andere Länder auf, ähnliche Projekte in afghanischen Regionen zu übernehmen. Die afghanischen Wahlen im Herbst müssten außerdem ein Erfolg werden. Gleichzeitig räumte Fischer aber ein, dass Deutschland auch "glücklich" wäre, wenn es seine Soldaten möglichst früh wieder abziehen könnte.
  • Zum ersten Mal befasst sich der Oberste Gerichtshof der USA mit dem Status der rund 600 ausländischen Gefangenen auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba. Ein Anwalt der Häftlinge, John Gibbons, warf der US-Regierung am 20. April bei einer Anhörung in Washington vor, auf dem Stützpunkt eine "rechtlose Enklave" geschaffen zu haben. Im Kern geht es in dem Verfahren vor dem höchsten US-Gericht um die Frage, ob ausländische Gefangene, die außerhalb der USA festgenommen wurden und außerhalb der amerikanischen Grenzen gefangen gehalten werden, vor einem amerikanischen Gericht auf Freiheit klagen können. Es ist die erste große juristische Auseinandersetzung um den Kampf der Regierung von Präsident George W. Bush gegen den Terrorismus.
  • Radikalislamische Taliban-Kämpfer haben afghanischen Wählerinnen mit dem Tod gedroht. "Insbesondere Frauen müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn sie sich in die Wählerlisten eintragen und wählen gehen", heißt es laut Angaben afghanischer Sicherheitsbehörden vom 20. April auf einem Flugblatt, dass in hunderten Exemplaren in der Provinz Logar südlich von Kabul verbreitet wurde. Das Pamphlet forderte die Männer auf, ihre Ehefrauen von der Stimmabgabe abzuhalten. Auch männliche Wähler könnten bei den Abstimmungen über Präsident und Parlament im September ihres Lebens nicht mehr sicher sein, heißt es in dem Text.
  • Bundesaußenminister Joschka Fischer hat am 21. April seinen Besuch in Afghanistan beendet und ist nach Aserbaidschan weitergereist. Dort will er zu einem Gedankenaustausch mit Präsident Ilham Alijew und dem neuen Außenminister Elmar Mammadjarow zusammentreffen. Am 22. und 23. April will Fischer Armenien und Georgien besuchen.
  • Deutschland und die Niederlande werden voraussichtlich gemeinsam ein weiteres regionales Wiederaufbauteam (PRT) in Afghanistan bilden. Das teilte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am 23. April in Berlin mit. Verteidigungsminister Peter Struck und sein niederländischer Kollege Henk Kamp hätten von den Regierungschefs Gerhard Schröder und Jan Peter Balkenende den Auftrag erhalten, sich darüber zu verständigen. Das geschehe derzeit auf Arbeitsebene. Dem Sprecher zufolge soll das neue PRT in Feisabad in der nordafghanischen Region Badachschan eingesetzt werden. Dort wollte die Bundeswehr ursprünglich eine Außenstelle ihres in Kundus stationierten PRT errichten.
    Die Region gehört zur Provinz Kundus, auf die sich das Bundestagsmandat für das dort agierende deutsche PRT erstreckt. Auch die im Mandat festgelegte Obergrenze von 450 Soldaten werde durch den neuen Einsatz nicht überschritten, erklärte der Sprecher. Derzeit sei die Bundeswehr nur mit 250 Soldaten in Kundus. Dort solle auch die logistische Basis für das deutsch-niederländische PRT in Feisabad bleiben. Der Sprecher bestätigte, dass in der Gegend um Feisabad auch Schlafmohn angebaut wird. Die Haltung der Bundeswehr sei aber eindeutig: Sie beteilige sich nicht an der Bekämpfung des Drogenanbaus, melde aber entsprechende Beobachtungen der afghanischen Polizei und den Briten, die in der internationalen Afghanistan-Schutztruppe für die Bekämpfung des Drogenanbaus zuständig seien.
    In der Union regt sich Widerstand gegen die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. Die Bildung eines zweiten Wiederaufbauteams im Norden des Landes sei "nicht machbar", sagte CSU-Verteidigungsexperte Christian Schmidt laut "Spiegel"-Bericht vom 24. April. CDU-Außenexperte Friedbert Pflüger forderte eine Abstimmung im Bundestag. Einen Blankoscheck werde es nicht geben.
  • Bei Gefechten nach einem Überfall von Taliban-Kämpfern auf einen Konvoi der US-Armee sind in Afghanistan elf Menschen getötet worden. Unter den Toten ist nach Angaben der US-Armee auch der frühere Football-Star Pat Tillman, der seine Karriere im Profisport vor zwei Jahren aufgegeben hatte und in die Armee eingetreten war. Der 27-jährige Tillman sei am 22. April mit seiner Patrouille nahe der Ortschaft Spera in der südostafghanischen Provinz Chost in einen Hinterhalt geraten und getötet worden, sagte US-Oberst Matt Beevers am 24. April in Kabul. Auch ein regierungstreuer afghanischer Kämpfer sei getötet worden. Nach Angaben des afghanischen Militärkommandeurs von Chost, Chial Bas Khan, wurden bei den Kämpfen auch neun Taliban-Milizionäre getötet. Pat Tillman hatte im Frühjahr 2002 sein Millionenengagement bei den Arizona Cardinals aufgekündigt, um freiwillig zur Armee zu gehen, wo er lediglich 18.000 Dollar im Jahr verdiente.
    (Am 29. Mai wurde bekannt, dass Pat Tillman wahrscheinlich durch Beschuss aus den eigenen Reihen gestorben - sog. "friendly fire"; siehe Chronik vom 29. Mai.)
  • Die Polizei in der südafghanischen Stadt Kandahar hat einen Anschlag auf Präsident Hamid Karsai vereitelt. Am Morgen des 25. April nahmen Sicherheitskräfte einen Mann auf einem Markt im Zentrum der Stadt fest, der einen Sprengsatz auf den Präsidentenkonvoi werfen wollte, wie der Militärsprecher der Provinz, Abdul Lali, sagte. Die Wagenkolonne mit Karsai hätte den Schekar-Tur-Basar nur wenige Minuten später passieren sollen.
26. bis 30. April
  • Im Vorfeld der Wahlen in Afghanistan verhandelt Präsident Hamid Karsai mit ehemaligen Taliban-Führern. "Im Moment sind einige ihrer Anführer im Gespräch mit uns, darüber sind wir glücklich", sagte Karsai bei einem Besuch im südafghanischen Kandahar, der einstigen Hochburg der Taliban-Milizen. Nach einem am 26. April bekannt gewordenen Manuskript der Rede vom Vortag sagte Karsai, die Taliban hätten sich an die Regierung gewandt. Beim Wiederaufbau des Landes seien ehemalige Taliban willkommen. Vorbehalte bestünden lediglich gegen Menschen, die gegen Afghanistan arbeiteten.
  • Bei Angriffen mutmaßlicher Taliban-Kämpfer wurden in der Nacht zum 27. April in der Provinz Kandahar ein Soldat und zwei Mitarbeiter einer afghanischen Hilfsorganisation getötet. Sechs weitere Soldaten seien bei den Überfällen auf ein Regierungsgebäude und das Büro der Hilfsorganisation verletzt worden, berichteten die Behörden am 27. April. Zwei der Angreifer seien erschossen worden, die anderen hätten fliehen können.
  • Karsai setzt Taliban-Tradition fort
    Mit einer Militärparade in der Hauptstadt Kabul haben die Afghanen am 27. April den Sturz des von der früheren Sowjetunion unterstützen kommunistischen Regimes vor zwölf Jahren gefeiert. Präsident Hamid Karsai und Verteidigungsminister Mohammed Fahim standen auf alten sowjetischen Militärjeeps, die frisch in den Farben weiß und gelb der neuen Armee gestrichen worden waren, und nahmen die Parade ab. Auf den Straßen hingen neben den afghanischen Flaggen auch Bilder von Karsai und dem ermordeten Führer der Nordallianz, Ahmed Schah Massud. Unter den Gästen der Parade war auch US-Botschafter Zalmay Khalilzad. Die USA unterstützen massiv die gegen die sowjetischen Truppen kämpfenden Mudschahedin, darunter auch den jungen Osama bin Laden und Guerillaführer Gulbuddin Hekmatjar. Die sowjetischen Truppen verließen Afghanistan 1989, die von ihnen unterstützte Regierung hielt sich noch bis 1992. Ihr Sturz führte aber nicht zum Frieden, sondern nur zu neuen blutigen Kämpfen unter den siegreichen Mudschahedin, die schließlich mit dem Sieg der Taliban endeten.
  • Erstmals seit dem Ende der Taliban-Herrschaft ist in Afghanistan ein zum Tode verurteilter Mörder hingerichtet worden. Der wegen mehr als 20 Morden schuldig gesprochene frühere Kommandeur sei am 20. April mit einem Kopfschuss getötet worden, teilten die Behörden am 27. April mit. Sie reagierten mit der Bekanntgabe auf scharfe Kritik von Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation protestierte in einer E-Mail vom 27. April, dem Verurteilten seien "die elementarsten Standards" einer fairen Behandlung vorenthalten worden. Möglicherweise habe er zum Schweigen gebracht werden sollen, damit er nicht gegen mit der Regierung alliierte Kriegsherren aussagen könne. Während seiner Haft habe der Angeklagte angeblich von Menschenrechtsverletzungen einflussreicher regionaler Kommandeure berichtet, hieß es weiter.
  • Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Ruud Lubbers, hat eine Ausweitung des unter NATO-Führung stehenden Einsatzes der internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) gefordert. "Dies ist unerlässlich, um ein Mindestmaß an Sicherheit für die Rückkehrer zu gewährleisten", sagte der Chef des UNHCR am 28. April in Berlin. Die Dörfer und Städte in Afghanistan müssten besser für die Aufnahme von Rückkehrern gerüstet sein, damit sie einen positiven Beitrag für den Wiederaufbau des Landes leisten könnten. Dies gelte für das Angebot an Arbeit, Ausbildung, Gesundheitsfürsorge und Unterkünften, erklärte Lubbers. Mittlerweile seien über drei Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, allen voran Pakistan und Iran, nach Afghanistan zurückgekehrt. Dies sei ein großer Erfolg, sagte Lubbers.
  • Afghanische Sicherheitskräfte und Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe ISAF haben am 28. April in der afghanischen Hauptstadt Kabul 16 Menschen festgenommen, die Verbindungen zu terroristischen Gruppen haben sollen. Dabei seien im Norden und Nordwesten der Stadt auch zwei Raketen sichergestellt worden, sagte ISAF-Sprecher Chris Henderson. Die Aktion habe aufgrund "harter nachrichtendienstlicher Erkenntnisse" erfolgen können, die auf eine Waffenschmugelroute nach Kabul hingewiesen hätten. Unter anderem seien Raketen mit Eseln transportiert worden.
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben im Süden Afghanistans acht Soldaten getötet. Wie Behörden am 30. April mitteilten, kamen am Abend des 29. April sechs Soldaten bei einem Angriff im Bezirk Pandschwaji südwestlich von Kandahar ums Leben. Zuvor hatten bewaffnete Männer einen Kontrollposten in der Provinz Helmand angegriffen und zwei weitere Soldaten erschossen. Auf der Suche nach den Täter wurden zwölf Verdächtige festgenommen.
  • In der südostafghanischen Stadt Khost sind drei Schulmädchen vergiftet worden. Die drei Schülerinnen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren schwebten in Lebensgefahr, nachdem sie vergifteten Kuchen gegessen hatten, wie die örtlichen Behörden am 30. April mitteilten. Den Kuchen hätten sie von einem unbekannten Mann erhalten. Die Behörden machten die Taliban für die Tat verantwortlich. Die radikalislamische Miliz wolle damit den Schulbesuch von Mädchen und jungen Frauen verhindern. Taliban-Sprecher Litfullah Hakimi wies die Vorwürfe zurück. Die betroffenen Kinder besuchen die einzige Schule in Khost, die Schülerinnen offensteht.
  • Der mutmaßliche Stellvertreter von El-Kaida-Chef Osama bin Laden stellt nach Einschätzung eines ranghohen Terrorismusexperten im US-Außenministerium inzwischen eine größere Gefahr dar als Bin Laden selbst. Der Ägypter Aiman el Sawahiri sei innerhalb der Terrororganisation aktiver als Bin Laden, sagte der für die Spionageabwehr zuständige Beamte Cofer Black am 30. April in Washington. Bin Laden habe inzwischen praktisch nur noch eine Funktion als Leitfigur der El Kaida, während Sawahiri deren wahrer Einsatzleiter sei.
  • "Sesamstraße" in Afghanistan
    Ernie und Bert haben einen neuen Auslandsauftrag. Zusammen mit ihren Kollegen aus der Sesamstraße sollen sie den Kindern in Afghanistan neuen Lebensmut geben. Mit einem Grußwort von Präsident Hamid Karsai ausgestattet, werden sie in den Schulen des Landes zum Einsatz kommen - auf Videokassette. "Wir müssen die Augen und Herzen unserer Kinder für neue Ideen öffnen", sagt Sekander Gijam, Berater des afghanischen Bildungsministeriums. Die Videoprogramme sollen den afghanischen Lehrern zudem nach zwei Jahrzehnten Krieg und Taliban-Herrschaft beim Übergang "in ein neues Jahrhundert der Erziehung" verhelfen. So versuchen die gut gelaunten Puppen, die Jim Hensen in den 60er Jahren schuf, auf ganz unautoritäre Weise am Hindukusch das Alphabet zu vermitteln. Jedes der zunächst 400 Pakete enthält zehn je 20-minütige Episoden, die weitgehend aus der ägyptischen Variante der Sesamstraße "Alam Simsim" übernommen wurden. In Afghanistan heißt die Sendung "Koche Sesame" und wurde auf Dari eingesprochen.


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