Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik des Krieges gegen Afghanistan

Februar 2004

1. bis 8. Februar
  • Zum Wiederaufbau Afghanistans hat die US-Regierung für das Jahr 2005 Hilfen von 1,2 Milliarden DollarMilliarden Euro) eingeplant. Um diesen Betrag bat US-Präsident George W. Bush am 2. Feb. den Kongress bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs 2005. In der Summe sind nicht die Kosten für den Militäreinsatz der US-Armee in Afghanistan enthalten. Diese belaufen sich im laufenden Haushaltsjahr auf rund elf Milliarden Dollar.
  • NATO-Oberbefehlshaber James Jones hat die Botschafter der Allianz über die militärischen Erfordernisse bei einer Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes unterrichtet. Nach Angaben aus NATO-Kreisen beschrieb er den Bedarf für den Fall, dass die unter NATO-Kommando stehende internationalen Truppen in weiteren Teilen des Landes für Sicherheit sorgen sollen. Konkrete Zahlen über zusätzlichen Truppenbedarf und weiteres Gerät habe Jones jedoch noch nicht genannt, hieß es am 3. Feb. in Brüssel.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul hat es in der Nacht zum 4. Feb. zwei Explosionen gegeben. Das teilte die Internationale Schutztruppe in Afghanistan mit. Die Ursache ist noch nicht bekannt.
  • Die Führung der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF soll nach NATO-Angaben dem Eurocorps übertragen werden. Die in Straßburg stationierte Truppe aus deutschen, französischen, spanischen, belgischen und luxemburgischen Soldaten werde voraussichtlich im Sommer das Kommando in Kabul übernehmen, verlautete am 4. Feb. aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel. Die offizielle Bestätigung werde in wenigen Tagen erwartet. Bundesverteidigungsminister Peter Struck hatte sich bereits in der "Welt am Sonntag" (1. Feb.) dafür ausgesprochen, dass das Eurocorps das ISAF-Kommando von Kanada übernimmt. Diesen Vorschlag wollte er NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am 5. Feb. bei einem Treffen in Berlin unterbreiten.
  • Trotz anhaltend hoher Anschlagsgefahr in Afghanistan hat Deutschland der NATO eine Fortsetzung des Engagements bei der Stabilisierung des Landes zugesagt. Der deutsche Beitrag zur Befriedung Afghanistans bleibe sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich weiter auf "hohem Niveau", sicherte Außenminister Joschka Fischer am 5. Feb. dem neuen NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in Berlin zu. Es war sein Antrittsbesuch bei der Bundesregierung. Der Generalsekretär begrüßte die Ankündigung Fischers.
  • Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz kommen am 6. Feb. die NATO-Verteidigungsminister zu einer Sitzung in der bayerischen Hauptstadt zusammen. Im Mittelpunkt der Tagung steht der Einsatz der Allianz in Afghanistan. Geklärt werden soll unter anderem, welche Länder in Zukunft weitere Wiederaufbauteams in den afghanischen Regionen (PRT) stellen. Zudem muss das Verhältnis zwischen dem ISAF-Einsatz und der "Antiterror"-Mission Enduring Freedom geklärt werden. Bei der Kontrolle des Flughafens in Kabul müssen personelle Lücken geschlossen werden. Etwa 30 Prozent des notwendigen Personals fehlen noch. An dem Treffen der Verteidigungsminister wird erstmals der neue NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer teilnehmen.
  • Der Franzose Jean Arnault ist neuer Interimschef der UN-Mission in Afghanistan. UN-Generalsekretär Kofi Annan habe Arnault mit der Nachfolge von Lakhdar Brahimi betraut, teilte die UNO am 7. Feb. auf ihrer Website mit. Brahimi war von Oktober 2001 bis Anfang Januar UN-Sondergesandter für Afghanistan, Arnault war bisher sein Stellvertreter. Der Franzose sammelte zuvor bereits Erfahrung als UN-Beauftragter für Burundi und als UN-Sonderbeauftragter in Guatemala.
  • Russland hat eine Beteiligung an der Stabilisierung Afghanistans gefordert. Außenminister Sergej Iwanow verlangte am 7. Feb. bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Bildung einer gemeinsamen Gruppe der NATO, Russlands und der GUS-Staaten zur Bekämpfung des Drogenhandels am Hindukusch. Durch das Tolerieren des Drogenhandels sichere sich die Allianz die Loyalität afghanischer Führer. Das sei aber eine ernste Bedrohung der Sicherheit Russlands und der zentralasiatischen GUS-Staaten.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat den lokalen Stammesfürsten Padscha Khan, der für zahlreiche Gewalttaten gegen die Regierung verantwortlich gemacht wird, an dessen Stamm übergeben. Er habe die Ältesten des Sadran-Stammes eingeladen, um über Khans Zukunft zu diskutieren, sagte Karsai am 7. Feb. in Kabul. Khan werde an die Stammesältesten übergeben, die versichern müssten, dass er "nichts tun wird, was er in der Vergangenheit getan hat". Das Problem könne auf traditionelle Weise besser gelöst werden als vor einem Gericht, sagte Karsai. "Afghanistan hat seine eigenen Traditionen und Kulturen; wir handeln im Einklang mit unseren Traditionen." Stammesälteste und Führer aus Khans Region, der ostafghanischen Provinz Chost, sollten gemeinsam über das Schicksal des Beschuldigten beraten.
  • Bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen im Nordosten Afghanistans sind nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens vom 7. Feb. 20 Menschen ums Leben gekommen und weitere 40 verletzt worden. Die Gefechte seien am Abend des 5. Feb. bei Orgo in der Provinz Badachschan zwischen Anhängern des Bürgermeisters und eines örtlichen Milizkommandeurs ausgebrochen. Die Provinzregierung habe hunderte Soldaten in die Region entsandt, doch dauerten die Kämpfe an fünf verschiedenen Orten an. Der stellvertretende Innenminister Hilalludin Hillal bestätigte die Kämpfe. Er erklärte aber, die Angaben über die Opferzahl seien nicht korrekt. Andere Zahlen nannte er indes nicht. Eine Delegation aus Kabul versuche, die Lage zu beruhigen.
    Wenig später korrigierte der stellvertretende Innenminister Hilalludin Hillal die Zahl der Todesopfer auf eins, fünf Personen seien verletzt worden.
  • In Kabul beginnt am 8. Feb. eine internationale Konferenz gegen den dramatisch zunehmenden Mohnanbau in Afghanistan. An dem zweitägigen Treffen in der afghanischen Hauptstadt nimmt auch der Vorsitzende des UN-Büros zur Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung, Antonio Maria Costa, teil. Gut zwei Jahre nach dem Sturz des Taliban- Regimes ist Afghanistan wieder zum weltweit größten Produzenten von Rohopium geworden, dem Grundstoff für Heroin. In diesem Jahr wird erneut eine Zunahme der Produktion erwartet.
  • Bei schweren Kämpfen um Drogeneinnahmen sind im neuen Einsatzgebiet der Bundeswehr im Nordosten Afghanistans mindestens sieben Milizionäre getötet worden. Acht Angehörige rivalisierender Milizen in der Provinz Badachschan seien bei den Zusammenstößen verletzt worden, sagte der örtliche Kommandeur am 8. Feb.
9. bis 15. Februar
  • Kanada hat am 9. Feb. von Deutschland das Kommando über die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) übernommen. Der deutsche Generalleutnant Götz Gliemeroth übergab in Kabul dem kanadischen Generalleutnant Rick Hillier die Führung der ISAF. An der militärischen Zeremonie nahmen auch Präsident Harmid Karzai mit weiteren Mitgliedern seiner Regierung sowie NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer teil. Das Militärbündnis leitet den auf einem Mandat der Vereinten Nationen von Ende 2001 basierenden ISAF-Einsatz seit August vergangenen Jahres. Mit Beschluss des UN- Sicherheitsrats vom Oktober gilt das Mandat auch über die Hauptstadt Kabul hinaus. Damit ist die ISAF auch zuständig für das von Deutschland in der nordafghanischen Region Kundus eingerichtete regionale Wiederaufbauteam.
  • Nach zwei Tagen ununterbrochener Schneefälle ist das öffentliche Leben in der afghanischen Hauptstadt Kabul am 9. Feb. unter einer dicken Schneedecke zum Erliegen gekommen. Schneehöhen von einem halben Meter machten viele Straßen in der Millionenstadt unpassierbar, am Flughafen wurden alle Flüge gestrichen. Es waren die stärksten Schneefälle seit mindestens fünf Jahren.
  • Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen unterstützt ehemalige Kindersoldaten in Afghanistan bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Ein entsprechendes Programm startete UNICEF am10. Feb. zunächst in der nordostafghanischen Provinz Badachschan. Die Kinder werden zunächst medizinisch untersucht, dann sollen ihnen eine grundlegende Schulausbildung oder der Erwerb von Fertigkeiten ermöglicht werden, die ihnen bei der Arbeitssuche helfen. Darüber hinaus sollen sie über die Gefahren von Drogensucht und Landminen aufgeklärt werden, wie es in einer Erklärung von UNICEF heißt. Mit dem Programm sollen etwa 5.000 der 8.000 früheren Kindersoldaten erreicht werden.
  • Eine dritte internationale Afghanistan-Konferenz soll Ende März in Berlin die politischen und finanziellen Weichen für die Zukunft des Landes stellen. Bei der Konferenz auf Außenministerebene am 31. März und 1. April sollen nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 11. Feb. der Ende 2001 auf dem Petersberg bei Bonn eingeleitete politische Prozess und die internationale finanzielle Hilfe verzahnt werden. Die Pläne und den Termin für die Konferenz hatte der afghanische Finanzminister Aschraf Ghani Ende Ende vergangener Woche am Rande des G7-Finanzministertreffens in Boca Raton (Florida) der dpa erörtert. Nach einem Treffen mit Finanzminister Hans Eichel hatte er die deutsche Führungsrolle in der Afghanistanhilfe hervorgehoben und die Hoffnung geäußert, dass die Bundesregierung ihre Hilfe noch ausweiten werde.
  • Bei einem Anschlag in Chost im Südosten Afghanistans ist am 11. Feb. ein ranghoher Mitarbeiter des afghanischen Geheimdienstes getötet worden. Der Angreifer habe auf das Auto des Vizechefs des Sicherheitsdienstes in der Provinz Chost, Mohammed Isa, gefeuert und ihn getötet, sagte der örtliche Armeekommandeur, Chial Bas Chan, der Nachrichtenagentur AFP. Als der Fahrer und der Leibwächter des Opfers im Begriff waren, den Angreifer zu fassen, habe dieser seinen Sprengstoffgürtel gezündet und sich selbst in die Luft gesprengt.
  • In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am 12. Feb. zwei Raketen eingeschlagen. Im Bezirk Chair Chana im Norden der Stadt wurden dabei nach Behördenangaben ein 14-jähriges Mädchen und dessen elfjährige Schwester verletzt. Bei dem zweiten Einschlag im Stadtviertel Badam Bah kamen keine Menschen zu Schaden.
  • In Afghanistan ist am 12. Feb. erneut eine unbemanntes Aufklärungsflugzeug abgestürzt. Die vom deutschen Kontingent der Internationalen Schutztruppe ISAF genutzte Drohne sei nach Problemen mit ihrem Fallschirm auf ein Haus des nördlichen Kabuler Stadtteils Chai Chana gestürzt, teilte ISAF-Sprecherin Rita Le Page mit. Dabei sei niemand verletzt worden. Das kleine Fluggerät wurde geborgen. Es ist bereits das dritte Mal, dass eine Drohne der ISAF in Afghanistan abstürzte. Dabei kam bislang niemand zu Schaden.
  • Auf dem Flughafen der ostafghanischen Stadt Chost sind in der Nacht zum 13. Feb. mehrere Raketen eingeschlagen. Die amerikanischen Streitkräfte reagierten darauf mit Luftangriffen auf mutmaßliche Stellungen der Taliban in den nahe gelegenen Bergen. Verletzt wurde nach Angaben der Armee niemand. Etwa 20 Raketen seien auf das Gelände des Flughafens abgefeuert worden, sagte US- Militärsprecher Bryan Hilferty in Kabul. Flugzeuge hätten daraufhin Stellungen der feindlichen Kämpfer bombardiert.
  • Bei einem Anschlag in der Provinz Chost im Südosten Afghanistans sind am 13. Feb. ein Soldat und ein Zivilist getötet worden. Wie ein Behördensprecher telefonisch berichtete, explodierte der Sprengsatz am Morgen im Basar von All Schair in der Nähe eines Militärpostens. Die Täter hätten die Bombe auf dem Dach eines Geschäftes deponiert. Ein Soldat und ein Ladeninhaber wurden getötet, weitere fünf Zivilisten und ein Soldat wurden verletzt.
  • Ein Großteil der mehr als 660 Gefangenen auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantánamo soll dort offenbar noch jahrelang ohne Prozess und Anwalt festgehalten werden. Die zeitlich unbegrenzte Gefangenschaft der Guantánamo-Häftlinge diene dazu, diese an der Rückkehr auf das "Schlachtfeld" des internationalen Terrorismus' zu hindern, sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 13. Feb. in Miami. Die Terrororganisation El Kaida und die radikalislamischen Taliban führten noch immer Krieg gegen die USA, betonte er.
  • Bei der Explosion einer Landmine sind in Afghanistan ein US-Soldat getötet und neun weitere verletzt worden. Die Soldaten seien am 13. Feb. in der Nähe von Ghasni unterwegs gewesen, als ihr Geländefahrzeug auf die Mine auffuhr, sagte US-Armeesprecher Bryan Hilferty am 14. Feb. Zwei der Soldaten seien so schwer verletzt, dass sie in ein US-Militärhospital nach Deutschland ausgeflogen werden sollten.
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben am 14. Feb. vier Mitarbeiter einer internationalen Organisation erschossen, die in Afghanistan Minen aufspürt und unschädlich macht. Nach Angaben des Gouverneurs der Provinz Farah an der Grenze zu Iran wurden die Fahrzeuge der drei afghanischen Minensucher auf dem Weg von Farah nach Herta überfallen. Die Opfer hätten einen Räumtrupp bei Bala Buluk im Westen des Landes mit Versorgungsgütern beliefert, erklärte ein UN-Sprecher.
  • Die mächtige Nordallianz in Afghanistan hat der Zentralregierung in Kabul am 15. Feb. mehrere ihrer schweren Waffen übergeben. Die acht Raketenwerfer, vier Panzer und drei Scud-Raketen aus dem Pandschir-Tal sollten in einem Lager der neuen afghanischen Armee untergebracht werden. Führer der Nordallianz, die zum Sturz der Taliban vor zwei Jahren beitrugen, sind prominent in der Übergangsregierung von Präsident Hamid Karsai vertreten.
  • US-Soldaten haben im Südosten Afghanistans mehr als 40 mutmaßliche Taliban-Kämpfer festgenommen, die in jüngster Zeit in Überfälle verwickelt gewesen sein sollen. Unter ihnen seien auch zwei Taliban-Anführer, teilte ein US-Militärsprecher am 16. Feb. in Kabul mit. Die Gruppe sei bei einem Angriff einiger dutzend US-Soldaten am 15. Feb. in der Provinz Urusgan festgenommen worden. Einige von ihnen würden jedoch möglicherweise in Kürze wieder auf freien Fuß gesetzt.
16. bis 22. Februar
  • Die afghanische Regierung hält ungeachtet der schlechten Sicherheitslage und der schleppenden Wählerregistrierung an der für Juni geplanten Wahl fest. Präsidentensprecher Dschaued Ludin sagte am 16. Feb., unsere Haltung zu der Wahl hat sich nicht geändert. In den Monaten vor der Wahl würden im ganzen Land Zentren zur Wählerregistrierung eingerichtet, damit sich alle Bürger eintragen lassen könnten. Bislang haben dies nur 8,5 Prozent der rund 10,5 Millionen Wahlberechtigten getan, die meisten von ihnen in Kabul und in sieben weiteren Städten.
  • In den Straßen der afghanischen Hauptstadt Kabul könnten demnächst Frauen in Uniform patrouillieren: Die ersten sieben Frauen meldeten sich am 16. Feb. in Kabul für eine Ausbildung zur Polizeibeamtin an, wie der Chefbetreuer des US-finanzierten Ausbildungsganges, Tom Moselle, mitteilte. Die zum Teil in Burkas gekleideten Rekrutinnen werden während des achtwöchigen Grundkurses unter anderem das Ausführen von Festnahmen, das Anlegen von Handschellen, Befragungstechniken und Selbstverteidigung erlernen. Dabei absolvieren sie dasselbe Programm wie ihre männlichen Kollegen, betonte Moselle.
  • EU-Außenkommissar Chris Patten hat die NATO am 18. Feb. zu einer Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen in Afghanistan vor den geplanten Wahlen im Juni aufgerufen. Weniger als eine Million Wähler hätten sich bisher für die Abstimmungen registrieren lassen, sagte Patten zum Abschluss seines zweitägigen Besuchs. Notwendig seien jedoch zehn bis zwölf Millionen Wähler. Er hoffe sehr, dass dies bei der NATO und der internationalen Gemeinschaft berücksichtigt werde. Der EU-Kommissar zeigte sich außerdem besorgt angesichts des florierenden Drogenanbaus in Afghanistan. Er erklärte, die NATO-Soldaten müssen die afghanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Drogenhändler unterstützen. Andernfalls könne es zu einer Kriminalisierung weiter Teile des Landes kommen.
  • Für den Wiederaufbau in Afghanistan und humanitäre Hilfe sind nach Ansicht der Caritas weitere finanzielle Mittel notwendig. Millionen Menschen lebten dort am Rande des Existenzminimums, erklärte der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, am 18. Feb. in Freiburg. Besonders die tägliche Ernährung der Familie stelle für Frauen in Kabul das größte Problem dar. Dies sei das Ergebnis einer Studie, bei der 3.600 Frauen in den ärmsten Stadtteilen Kabuls befragt wurden. Zwei Drittel der befragen Haushalte verfügen demnach über maximal ein bis zwei Dollar am Tag, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. 56 Prozent der Frauen teilten sich mit ihren Familien - in der Regel etwa sechs Personen - ein einziges Zimmer, oft ohne Fenster oder Türen, berichtete Neher. Kaum ein Haushalt habe Strom oder direkten Zugang zu Trinkwasser. Die Zahl der Haushalte in Kabul ohne Mann wird den Angaben zufolge auf etwa 30.000 geschätzt. Diese Familien seien besonders hart betroffen, denn Witwen und geschiedene Frauen seien völlig an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Frauen mit Behinderungen seien eine für die Familien untragbare Bürde. (Weitere Ergebnisse siehe: Afghanistan: "Hunger, Kälte und Gewalt".)
  • In Afghanistan haben sich nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen mehr als eine Million Menschen in die Wählerlisten für die Präsidentschaftswahl im Juni eingetragen. Die Studentin Freschta Dost ließ sich in Kabul am 18. Feb. als millionste Bürgerin in das Verzeichnis aufnehmen und wurde dazu mit einem Blumenstrauß beglückwünscht. Dost, eine in Kabul lebende Paschtunin aus der Provinz Nangarhar, will mit ihrer Registrierung anderen Frauen Mut machen: "Meine Botschaft an andere Frauen ist, dass dies das erste Mal ist, dass wir unseren zukünftigen Führer wählen können, deshalb dränge ich sie dazu, aktiv daran teilzunehmen." Die Studentin verriet, sie werde den amtierenden Präsidenten Hamid Karsai wählen.
  • Kämpfer der radikalislamischen Taliban bereiten eine neue Offensive gegen US-Truppen und Regierungsziele im Südosten Afghanistans vor. Das berichtet am 19. Feb. die örtliche Nachrichtenagentur AIP unter Berufung auf die Regierung der Provinz Zabul. Rund 80 Prozent der Provinz sind nicht unter Kontrolle der Regierung. Bei Kämpfen und Anschlägen wurden seit Beginn des Jahres mehr als 100 Menschen getötet. Zuletzt waren Pläne der USA bekannt geworden, mit Beginn der Schneeschmelze eine neue Offensive gegen die Islamisten zu beginnen.
  • Mehr als 150 Kindersoldaten sind im Norden Afghanistans entwaffnet worden. Die meisten der Jungen seien zwischen 14 und 18 Jahre alt und in militärischen Organisationen als Kämpfer, Köche oder Boten eingesetzt worden, teilte ein Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF am 19. Feb. mit. Die Betroffenen gehörten zu einer Gruppe von fast 540 Jugendlichen, die als frühere oder derzeit dienende Soldaten in der nördlichen Provinz Kundus registriert worden seien. Das Programm zur Entwaffnung und Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten begann am 10. Februar und soll innerhalb der kommenden Wochen auf weitere Provinzen im Norden Afghanistans ausgeweitet werden.
  • Die USA ziehen Konsequenzen aus dem Misslingen ihrer bisherigen Militärstrategie in Afghanistan, schreibt die Berliner Zeitung am 20. Feb. Statt wie bislang von schwer befestigten Stützpunkten aus zu operieren, würden die US-Truppen am Hindukusch gegen die wieder erstarkenden Taliban-Milizen jetzt eine "klassische Aufstands-Bekämpfungs-Strategie" anwenden, erklärte danach der neue Befehlshaber, Generalleutnant David Barno. Zudem sei die Zahl der am Hindukusch stationierten ausländischen Soldaten in aller Heimlichkeit um rund zehn Prozent erhöht worden: Neben etwa 5.500 Mann der Isaf-Schutztruppe in Kabul operieren nach Angaben aus Washington jetzt 13.000 statt bisher 11.000 Soldaten der USA und ihrer Partner in der so genannten Koalition gegen den Terror in Afghanistan. Kleine Einheiten von rund 30 bis 40 Soldaten würden seit einigen Wochen in einzelnen Dörfern stationiert, um die radikalislamischen Taliban und ihre Verbündeten aus den Reihen des Terrornetzwerks El Kaida zu stoppen. Die USA stellten sich damit auf die neue Taktik der Regierungsgegner ein, erklärte Barno. Diese würden ebenfalls nicht mehr in großen Verbänden, sondern in kleinen Gruppen operieren. Mit dem Strategiewechsel gesteht das US-Oberkommando laut Berliner Zeitung ein, dass die eigenen Truppen mit ihrem bisherigen Vorgehen gescheitert sind. Luftangriffe, bei denen häufig auch Unschuldige ums Leben kamen, haben die Bevölkerung erzürnt, die Taliban aber nicht vernichten können. Schlechte und unvollständige Informationen, die oft genug von den kriminellen Kriegsfürsten des Landes stammten, sorgten ebenfalls für Fehlschläge. Das folgenreichste Problem der Konzentration der Koalitionstruppen in schwer bewaffneten Wehrburgen aber sei die mangelnde Präsenz in kleinen Orten gewesen. Dort konnten die Taliban ihren Einfluss fast ungehindert ausdehnen, so dass sie mittlerweile ein Drittel des afghanischen Territoriums unsicher machen. Hilfsorganisationen können in diesen Gebieten wegen des großen Risikos kaum noch agieren.
  • Beim Absturz eines US-Zivilhubschraubers im Süden Afghanistans sind am 22. Feb. mindestens ein Mensch getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. Unmittelbar nach dem Anschlag übernahm die radikalislamische Taliban-Miliz die Verantwortung für Granaten- und Maschinengewehrfeuer auf den Helikopter einer Baufirma. Wie ein Sprecher der Miliz sagte, wurde der Hubschrauber abgeschossen, weil er einem US-geführten Wiederaufbauteam (PRT) beim Aufbau einer Schule im Bezirk Taloqan half. Dem Talibanvertreter zufolge kamen alle vier Insassen ums Leben. Nach Angaben der US-Botschaft wurde der australische Pilot von den Kugeln getötet, eine Amerikanerin sei schwer verletzt worden.
23. bis 29. Februar
  • Vor den für Juni geplanten ersten freien Wahlen in Afghanistan haben radikalislamische Taliban-Rebellen Wähler mit dem Tode bedroht. Eine Registrierung für die Wahl sei gleichbedeutend mit Versklavung durch die USA, zitiert am 23. Feb. die in Pakistan ansässige afghanische Nachrichtenagentur AIP ein Flugblatt. Unter dem Islam müssten diejenigen, die sich registrieren lassen, getötet werden. Die Taliban riefen auch dazu auf, sich dem Kampf gegen "Besatzungskräfte" unter ihrem flüchtigen Führer Mullah Mohammed Omar anzuschließen.
  • Die pakistanische Armee hat am 24. Feb. im nordwestlichen Grenzgebiet zu Afghanistan eine Offensive gegen mutmaßliche Taliban- und El-Kaida-Kämpfer gestartet. "Unsere Streitkräfte haben gerade mit der Operation begonnen", sagte Informationsminister Scheich Raschid. Die Militäraktion richte sich gegen "mutmaßliche ausländische Terroristen", die sich in der von Stammesclans beherrschten Region um Sarkai in der Provinz Süd-Wasiristan versteckt hielten, hieß es aus pakistanischen Sicherheitskreisen.
  • Der Stellvertreter von El-Kaida-Chef Osama bin Laden, Aiman el Sawahiri, hat den USA mit neuen Anschlägen gedroht. Die Terrororganisation setze ihren "Heiligen Krieg" fort und schwinge das Banner des Islam gegen die "zionistische Kreuzzug-Kampagne", heißt es auf einer Sawahiri zugeordneten Tonbandaufnahme, die der Fernsehsender El Arabija am 24. Feb. ausstrahlte. Nach den Anschlägen vom 11. September werde "die islamische Nation" weitere "Brigaden" ausschicken, die "den Tod säen" und "das Paradies" anstrebten.
  • Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist am 24. Feb. zu Gesprächen über regionale Sicherheit in Usbekistan eingetroffen. Der Minister wollte dort mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow zusammentreffen. Danach wollte er nach Kasachstan und Afghanistan weiterreisen, bevor er am 26. Feb. nach Washington zurückfliegt. Usbekistan wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu einem wichtigen Verbündeten der USA. Die Regierung bot den US-Streitkräften die Nutzung eines Luftwaffenstützpunktes nahe der afghanischen Grenze an. Beide Länder unterzeichneten 2002 ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft.
  • Zwei mutmaßliche Vertraute und Leibwächter von Osama bin Laden sollen sich als erste Terrorverdächtige vor den neuen US-Militärtribunalen verantworten. Wie am 24. Feb. aus Regierungskreisen in Washington verlautete, wurden der Sudanese Ibrahim Ahmed Mahmoud al Qosi sowie Ali Hamza Ahmed Sulayman al Bahlul aus Jemen wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Die beiden Männer werden derzeit auf dem US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba festgehalten; dort wird ihnen vermutlich auch das Verfahren gemacht.
  • Bei einem Überfall in Afghanistan sind am 25. Feb. fünf einheimische Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation getötet worden. Bewaffnete hätten die Afghanen in ihrem Wagen auf einer Straße in der Provinz Kapisa etwa 50 Kilometer nordöstlich von Kabul angegriffen, teilte Innenminister Ali Ahmad Dschalali am 26. Feb. mit. Insgesamt acht Mitarbeiter der Organisation seien am Mittwochnachmittag in das Dorf Osbin im Bezirk Tagab gefahren. Fünf von ihnen seien auf der Stelle tot gewesen, zwei weitere seien verletzt in die Hauptstadt gebracht worden. Von einem Mitarbeiter fehle seither jede Spur. Die Gruppe war für eine ausländische Organisation im Rahmen eines Programms des Ministeriums für ländliche Entwicklung unterwegs.
  • Die Taliban stellen nach Ansicht des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai keine militärische Bedrohung mehr dar. Die Gewalt im Lande gehe eher auf kriminelle Elemente zurück als auf untergetauchte Guerillakämpfer, sagte Karsai am 26. Feb. bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in Kabul. Beide dämpften zugleich Hoffnungen, dass Osama bin Laden schon bald gefasst werden könnte. Auch die jüngste Offensive gegen mutmaßliche El-Kaida- Anhänger im benachbarten Pakistan könne keinen Erfolg bei der Suche nach dem Chef des Terrornetzwerks garantieren, sagte Rumsfeld. Er sei aber davon überzeugt, dass Bin Ladens Tage in Freiheit gezählt seien.
  • Bei ihrem ersten Treffen im Weißen Haus in zwei Jahren haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush ein "deutsch-amerikanisches Bündnis für das 21. Jahrhundert" geschlossen. In einer gemeinsamen Erklärung wurde am Freitag eine "Agenda für gemeinsames Handeln" festgelegt, die unter anderem Zusammenarbeit in Irak, Afghanistan, Nahost und in der Wirtschaft vorsieht. (Siehe die "Gemeinsame Erklärung" im Wortlaut.)
  • Die pakistanische Regierung rechnet mit der Festnahme des Al-Qaida-Anführers Osama Bin Laden in absehbarer Zeit. Dies sei "letztlich ein Zahlenspiel", sagte der pakistanische Innenminister Syed Faisal Saleh Hayat der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ausgabe vom 28. Feb.). Je mehr Soldaten eingesetzt würden, desto leichter könne "der Job erledigt werden." Verhöre von Al-Qaida-Mitgliedern legten die Annahme nahe, dass sich der Topterrorist im Grenzgürtel zu Afghanistan oder in Pakistan aufhalte.
  • Pakistanische Truppen haben an einer Straßensperre im Grenzgebiet zu Pakistan auf einen Minibus geschossen und mindestens elf Menschen getötet. Der Vorfall ereignete sich am 28. Feb. in Zeri Noor, einem Dorf in der Nähe von Wana, wie Mitarbeiter der Behörden dort erklärten. In der Region suchten die pakistanischen Soldaten in den vergangenen Tagen nach flüchtigen Mitgliedern der El Kaida und der Taliban. Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur AP, in dem Bus hätten hauptsächlich afghanische Flüchtlinge gesessen. Sie seien auf dem Weg zur Grenze gewesen. Ein Taxi neben dem Bus sei ebenfalls getroffen und der Fahrer getötet worden. Die Soldaten hätten das Feuer eröffnet, als der Bus an der Straßensperre nicht angehalten habe.
  • Der staatliche Rundfunk in Iran hat am 28. Feb. Meldungen verbreitet, wonach der weltweit gesuchte Extremistenführer Osama bin Laden angeblich in Pakistan gefasst worden sein soll. Das staatliche Radio berichtete unter Berufung auf eine informierte Quelle, die nicht näher genannt wurde, die Ergreifung des El-Kaida-Chefs liege bereits einige Zeit zurück.
    Pakistan hat den Bericht über die angebliche Festnahme von Osama bin Laden am 28. Feb. umgehend dementiert. "Dieser Bericht ist nicht richtig", sagte der Militärsprecher Schaukat Sultan in Islamabad. Der pakistanische Außenminister Chuschid Mehmud Kasuri sagte, er könne die Berichte "internationaler Medien" nicht bestätigen. Auch die US-Regierung hat den Radiobericht aus Teheran zurückgewiesen. Man habe keine Bestätigung für dieses Gerücht, sagte ein Sprecher in Washington.
  • Deutsche Soldaten in Afghanistan führen mit der örtlichen Polizei im Raum Kundus eine gemeinsame "Sicherheitsoffensive" durch. Wie ein Sprecher der internationalen ISAF-Friedenstruppen am 29. Feb. in Kundus mitteilte, arbeiten deutsche Soldaten an der Grenze zu Tadschikistan mit afghanischen Polizisten zusammen. In gemeinsamen Operationen zu Boden und in der Luft solle die Sicherheit in der Region verstärkt werden. Ein deutsches Wiederaufbauteam mit rund 230 Soldaten ist als Teil der ISAF in Kundus stationiert.


Zurück zur Kriegschronik

Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage