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Das deutsch-amerikanische Bündnis für das 21. Jahrhundert

Gemeinsame Erklärung von Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder

"'Herzlich willkommen zurück, Herr Bundeskanzler', begrüßte George W. Bush Gerhard Schröder, der zum ersten Mal seit zwei Jahren im Weißen Haus zu Gast war. Der Streit der Regierungschefs um den Irak-Krieg scheint überwunden. An seine Stelle tritt eine 'echte Partnerschaft' für den Nahen und Mittleren Osten." (Süddeutsche Zeitung) - So oder ähnlich beginnen die Aufmacher der überregionalen Zeitungen am 28. Februar 2004 ihre Berichterstattung über das "historische" Treffen zwischen Bush und Schröder. Das Treffen fand am 27. Februar im Oval Office des Weißen Hauses in Washington statt und der symbolische Händedruck vor den Kameras sollte demonstrative Gemeinsamkeit ausdrücken.

Zur Bekräftigung der deutsch-amerikanischen Freundschaft haben sich beide Seiten eine "Gemeinsame Erklärung" einfallen lassen, in der die wichtigsten ökonomischen und politischen Projekte für das 21. Jahrhundert aufgezählt werden: Die Palette reicht von der gemeinsamen Terrorismusbekämpfung über den Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Beseitigung von Hunger und Armut und die Ausbreitung von Demokratie, Menschenrechten und Wohlstand. Konkret werden als Beispiel für erfolgreiche Kooperation das Engagement in Afghanistan und als lohnendes Ziel die Befriedung des Nahen und Mittleren Ostens sowie die Demokratisierung des Irak unter stärkerer Beteiligung der Vereinten Nationen genannt.

Die "Gemeinsame Erklärung" enthält im wesentlichen recht allgemeine Absichtserklärungen. Sie sind fast beliebig interpretierbar, d.h. sie beugen künftigen Verstimmungen im transatlantischen Verhältnis nicht vor. Der Wert der Erklärung ergibt sich indessen aus dem Umstand, dass die darin enthaltene "Agenda für gemeinsames Handeln" eine vollständige Auzählung der strategischen Ziele deutsch-amerikanischer Politik im 21. Jahrhundert enthält. Eine ambitionierte Agenda, die Deutschland als globalen Akteur sieht.

Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung im vollen Wortlaut.



Das deutsch-amerikanische Bündnis für das 21. Jahrhundert

Gemeinsame Erklärung von Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder am 27. Februar 2004.

Heute würdigen wir die tiefgehende Freundschaft zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volk. Die Opfer zweier Generationen und die visionäre Führungsstärke unserer Vorfahren schufen die Voraussetzungen für ein geeintes, freies und friedliches Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Wir erneuern unsere Entschlossenheit, untereinander und mit unseren Freunden und Bündnispartnern in Europa und darüber hinaus zusammenzuarbeiten, um eine sicherere, wohlhabendere und gerechtere Welt zu schaffen. Wir bekennen uns zur Stärkung der transatlantischen Beziehungen und handeln mit dem gemeinsamen Ziel, die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen.

Grundlage der deutsch-amerikanischen Beziehungen ist nach wie vor unser gemeinsames Bekenntnis zu den Werten der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zu wirtschaftlichen Chancen und wirtschaftlichem Wohlstand durch freie und offene Märkte. Diese sind von grundlegender Bedeutung für unsere eigenen Gesellschaften und für unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Bewältigung der großen Herausforderungen eines neuen Zeitalters: des Geflechts der Bedrohungen, die von Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Tyrannei, Armut, mangelnden Chancen und gewaltsamem Extremismus ausgehen.

In diesem Geiste verpflichten wir unsere Völker auf ein ehrgeiziges Ziel, das in unseren gemeinsamen Werten und unserer gemeinsamen Erfahrung verwurzelt ist: die Förderung von Frieden, Demokratie, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlichen Chancen und Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten. Furcht und Ressentiments müssen durch Freiheit und Hoffnung ersetzt werden.

Wir müssen eine echte Partnerschaft aufbauen, die Europa und Amerika mit dem Nahen und Mittleren Osten im weiteren Sinn verbindet, um mit den Staaten und Völkern dieser Region gemeinsam daran zu arbeiten, diese gerechten Ziele zu erreichen und friedlich nebeneinander zu leben. Gemeinsam mit unseren Freunden und Verbündeten in Europa und im Nahen und Mittleren Osten werden wir unsere Anstrengungen eng miteinander abstimmen, um auf Reformforderungen in der Region zu reagieren und konkrete Vorschläge auszuarbeiten, die den Gipfeltreffen der G8, EU-USA sowie der NATO im Juni 2004 unterbreitet werden sollen.

Gleichzeitig bekräftigen wir unser Bekenntnis zur Vision zweier Staaten - Israel und Palästina -, die in Frieden und Sicherheit Seite an Seite leben, sowie zur "Roadmap" als dem besten Mittel, diesem Ziel näher zu kommen.

Wir verpflichten uns, die internationalen Anstrengungen zu verstärken, um den Menschen in Afghanistan bei der Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit in ihrer Nation zu helfen, darunter auch durch den weiteren Ausbau der ISAF unter der NATO-Führung. Wir werden auch zusammenarbeiten, damit die bevorstehende internationale Afghanistankonferenz, die von Deutschland ausgerichtet wird, erfolgreich verläuft. Wir begrüßen die Einigung auf eine neue Verfassung für Afghanistan und legen besonderen Wert darauf, dass die Voraussetzungen für freie, faire und friedliche Wahlen in Afghanistan noch in diesem Jahr geschaffen werden.

Wir sind uns einig in der Unterstützung eines freien Irak: einer sicheren, geeinten, demokratischen und in vollem Umfang souveränen Nation, die in Frieden mit sich selbst und ihren Nachbarn lebt und einen Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Welt leistet. Wir begrüßen und unterstützen die unverzichtbare und wachsende Rolle der Vereinten Nationen in Irak und hoffen auf die Übergabe der Souveränität an eine neue irakische Regierung am 1. Juli 2004.

Wir sind entschlossen, unsere wirtschaftlichen Beziehungen durch die Verbesserung der Chancen für Handel und Investitionen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten und durch die Förderung der Handelsliberalisierung und der wirtschaftlichen Entwicklung zugunsten aller Staaten mit Hilfe der Verhandlungen über die Doha-Agenda zu stärken. Wir werden im Rahmen der G8 zusammenarbeiten, um den ärmsten Ländern zu helfen, von der globalen Wirtschaft zu profitieren. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit zum gemeinsamen Kampf gegen die Armut in der Welt, und wir verpflichten uns, die Geißel HIV-AIDS zu bekämpfen und bei der Verbesserung der globalen Umweltbedingungen zusammenzuarbeiten.

Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur NATO als Anker unserer gemeinsamen Verteidigung und als ein wesentliches Forum für transatlantische Konsultationen. Wir betonen unsere Unterstützung für den laufenden Prozess der europäischen Integration und heben hervor, wie wichtig es ist, dass Europa und Amerika als Partner in einer Wertegemeinschaft zusammenarbeiten. Wir begrüßen die historische Erweiterung sowohl der NATO als auch der Europäischen Union in diesem Frühjahr, die uns unserem Ziel näher bringt, Jahrzehnte der Teilung in Europa endgültig zu überwinden.

Mit einer Agenda für gemeinsames Handeln wird sich das deutsch-amerikanische Bündnis als ebenso wichtig für die Förderung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert erweisen, wie es dies in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war.

Quelle: Homepage der Bundesregierung: www.bundesregierung.de


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