Verteidigungsminister will zusätzlichen Kampfverband nach Nordafghanistan schicken
Lafontaine: "Verantwortungslose Kriegstreiberei" - Friedensbewegung kündigt Proteste an
Die Meldungen
Bundeswehr plant offenbar Kampfverband für Afghanistan
Die Bundeswehr plant offenbar die Entsendung eines Kampfverbands nach Nordafghanistan mit bis zu 250 zusätzlichen Soldaten. "Diese Aufgabe wird im Sommer auf Deutschland zukommen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, der "Passauer Neuen Presse". Damit werde eine "neue Qualität" des Bundeswehr-Engagements in Afghanistan erreicht. Bisher seien im nordafghanischen Masar-i-Scharif nur "Stabilisierungstruppen", aber keine "Kampfverbände" stationiert, führte Arnold aus. Diese unterschieden sich durch Ausrüstung, Ausbildung und Auftrag und könnten "auch zur Jagd von Terroristen" eingesetzt werden.
Der Verband soll laut Arnold eine schnelle Eingreiftruppe mit rund 350 norwegischen Soldaten ersetzen, die bisher im deutschen Verantwortungsbereich im Norden stationiert ist. Norwegen wolle diese Truppe im Juli zurückziehen, erklärte Arnold. Da sie die bereits vorhandene Logistik der Bundeswehr in Nordafghanistan nutzen könnten, reichten bis zu 250 deutsche Soldaten aus, um die Norweger zu ersetzen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte der Zeitung dazu nur: "Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen." Eine Entsendung des Kampfverbandes bliebe im Rahmen des vom Bundestag beschlossenen ISAF-Mandats.
AFP, 16. Januar 2008
Mitteldeutsche Zeitung: Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr
Bundeswehrverband: Kampfverband für Nordafghanistan ist vertretbar
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, hält die Entsendung eines 250
Soldaten starken Kampfverbandes der Bundeswehr nach Nordafghanistan
für vertretbar. "Wir sind der Meinung, dass zum Kräftedispositiv im
Norden zwingend eine schnelle Eingreiftruppe gehört", sagte er der in
Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 17. Januar) zu
entsprechenden Planungen. "Wenn andere Nationen ab September nicht
mehr zur Verfügung stehen, um diese Aufgabe zu übernehmen, dann
müssen wir das selber machen - schon im Interesse des Schutzes der
eigenen Soldaten. Ich sehe darin definitiv keinen Schritt zu einer
Ausweitung des Einsatzes nach Südafghanistan."
Allerdings sei auch der Einsatz eines Kampfverbandes in
Nordafghanistan, der durch das ISAF-Mandat gedeckt sei, nicht
gefahrlos, erklärte Gertz weiter. "Das ist insofern eine etwas andere
Qualität, als die Soldaten ganz konkret kämpfen müssen, wenn eigene
Truppen oder Menschen, um die wir uns kümmern, in Bedrängnis geraten
sind. In einem solchen Fall würde die schnelle Eingreiftruppe sofort
in Marsch gesetzt. Man muss davon ausgehen, dass es solche
Situationen geben wird.
Die hat es im Norden auch schon in der Vergangenheit gegeben. Und man
kann nicht von vornherein darauf vertrauen, dass das ohne Opfer
abgehen wird."
(Originaltext: Mitteldeutsche Zeitung)
NewsAktuell/Ots - 16. Januar 2008
Bundeswehr richtet sich auf Kampfverband für Afghanistan ein
Die Bundeswehr richtet sich auf den möglichen Einsatz eines zusätzlichen Kampfverbandes in Afghanistan ein. Die NATO berate zur Zeit darüber, welche Nation nach den Norwegern die schnelle Eingreiftruppe Quick Reaction Force stellen solle, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin. Zuvor hatte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold einer Zeitung gesagt: "Diese Aufgabe wird im Sommer auf Deutschland zukommen." Er sprach von einer "neuen Qualität" des Einsatzes.
Der Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte, wenn ein solcher Einsatz erfolge, werde dies im Rahmen des ISAF-Mandates geschehen. Die Entscheidung der NATO über den Ersatz für die Norweger werde gegen Ende des Monats fallen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.
Laut dem Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, geht es um 240 Soldaten, die verschiedene Fähigkeiten wie den Begleitschutz von Konvois oder Hilfe für befreundete Nationen und Personen stellen sollten. Eine neue Qualität, von der Arnold gesprochen hatte, sah Raabe nicht.
AFP, 16. Januar 2008
Presseerklärungen
Pressemitteilung
16.01.2008 – Oskar Lafontaine, Paul Schäfer
Verantwortungslose Kriegstreiberei
"Mit dem geplanten Einsatz von Kampfverbänden der Bundeswehr holt die Bundesregierung wider alle Vernunft den Terror ins Land", erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine, zur Absicht deutsche Kampftruppen an den Hindukusch zu entsenden:
"Die Bundesregierung verstrickt Deutschland endgültig in den völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan. Die Entsendung der Tornados entpuppt sich damit als das, was es von Anfang an war: die direkte Vorbereitung der deutschen Kriegsbeteiligung. Die Bundesregierung selbst treibt die Spirale der Gewalt in Afghanistan voran: Deutsche Soldaten sollen ab Sommer unmittelbar in den Anti-Terror-Krieg in Afghanistan eingreifen, in dem bisher schon Tausende unschuldiger Zivilisten ermordet worden sind. Das ist verantwortungslos."
Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, ergänzt: "Mit dem Austausch der norwegischen Quick Reaction Force (QRF) durch eine Kampftruppe der Bundeswehr überdehnt die Bundesregierung wieder einmal das Bundestagsmandat für den Afghanistan-Einsatz und versucht wieder einmal, die Grenzen zwischen ISAF und OEF aufzuheben. Die Bundeswehr versinkt so immer tiefer im afghanischen Kriegssumpf: Die Entsendung einer deutschen QRF bedeutet nicht nur eine neue Qualität der Beteiligung, sondern droht auch zum Türöffner für die landesweite Beteiligung an schweren Kämpfen zu werden. Vor dem Hintergrund der erwarteten Taliban-Frühjahrsoffensive und der Aufstockung amerikanischer Truppen ist die Annahme, die QRF werde sich auf gelegentliche Einsätze im Norden beschränken, weltfremd."
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag:
Bundesregierung will ISAF-Mandat verletzen
Friedensbewegung kündigt Proteste an
Kassel, 16. Januar - Zu den Planungen des Verteidigungsministeriums, im
Sommer 250 zusätzliche Kampfsoldaten nach Afghanistan zu schicken, stellt ein Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag fest:
Die Bundeswehr plant offenbar die Entsendung eines Kampfverbands nach
Nordafghanistan mit bis zu 250 zusätzlichen Soldaten. Nach Auskunft des
verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer
Arnold, werde damit eine "neue Qualität" des Bundeswehr-Engagements in Afghanistan erreicht. Bisher seien im nordafghanischen Masar-i-Scharif nur "Stabilisierungstruppen", aber keine "Kampfverbände" stationiert.
Dieses Vorhaben würde den Rahmen des vom Bundestag im vergangenen Herbst verlängerten ISAF-Mandats eindeutig überschreiten, heißt es in der Erklärung des "Friedensratschlags". ISAF und der von den USA angeführte sog. Antiterror-krieg "Enduring Freedom" verschmelzen immer mehr zu einem einzigen schmutzigen Krieg. "Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, sondern gefährdet zunehmend das zivile Engagement humanitärer Organisationen im Land".
Die Friedensbewegung werde ihre Aktivitäten für die Beendigung des Krieges und für den Abzug der Soldaten aus Afghanistan in den nächsten Monaten verstärken. Im Juni soll ein internationaler Afghanistan-Kongress in Deutschland stattfinden und im Herbst erwartet der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag verstärkte Proteste gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes.
Sollte die Bundesregierung an ihrem Vorhaben festhalten und zusätzliche Kampftruppen bereits im Sommer nach Afghanistan schicken wollen, dann werde eben auch der Protest vorverlegt. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist gegen diesen Krieg. Das muss in Berlin und im ganzen Land deutlich gemacht werden.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Wir warnen vor einem schleichenden Übergang vom Aufbaumandat zur Kriegspraxis in Afghanistan.
Erklärung des Generalsekretärs von pax christi Dr. Reinhard J. Voß
Der Einsatz der Bundeswehr im Norden Afghanistans steht vor einer Wende. Ab Sommer könnten rund 250 deutsche Soldaten der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) nicht nur Aufbauarbeit leisten, sondern erstmals gezielt in Kampfeinsätze geschickt werden. Die NATO hat Deutschland und andere Truppen stellende ISAF-Nationen angefragt, ob sie ab dem Sommer eine Eingreifreserve im Norden Afghanistans stellen könnten. Im Laufe des Januars werde eine Antwort erwartet.
Mit den Beschlüssen zur Weiterführung der drei Mandate 2007 haben sich Regierung und Parlament über den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung hinweg gesetzt. Nun sehen wir die Folgen: es gibt kein Halten mehr in Richtung Kampftruppen; es gibt keine erkennbare politische Strategie und kein Ausstiegs-Szenario. Es kommt einer Kapitulation von Politik gleich, immer mehr auf die Stärkung des Militärs zu setzen. Stattdessen sollte die Bundesregierung innerhalb der NATO endlich eine Debatte über den Strategiewechsel anstoßen.
Angesichts des schleichenden Übergangs von einem Aufbaumandat zur offenen Kriegspraxis erneuert pax christi ihre Forderung nach einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, Wir fordern die Rückkehr zur Politik und nicht den planlosen reaktiven Ausbau von Militär, d.h. einen neuen Dialog aller Konfliktparteien, eine konsequente Unterstützung von Alternativen der Konfliktregelung und des zivilen Aufbaus sowie eine ökonomische und entwicklungspolitische Zusammenarbeit, die dem Land Hilfen gibt beim Umstieg vom Drogen fördernden Mohnanbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft.
Wir sehen immer deutlicher, dass der Truppeneinsatz der USA, ihrer Verbündeten und der NATO in Afghanistan sowie die Truppenstationierungen in anderen Ländern Mittelasiens strategisch begründet sind: es geht um Geo- und Ressourcenpolitik. Die Rechtfertigung als „Bekämpfung des Terrorismus“ dient - nicht nur hier - zur Legitimation von kriegerischer Intervention und machtpolitischer Dominanz.
Bad Vilbel, den 17. Januar 2008
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