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Bundesregierung will Afghanistan-Einsatz verlängern, aufstocken und erweitern

Die Bundeswehr soll mit bis zu 3.000 Soldatinnen und Soldaten an ISAF teilnehmen - Sondersitzung des alten Bundestags am 29. September einberufen

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr soll nun ins fünfte Jahr gehen. Der Bundestag wird am Mittwoch, den 29. September 2005, darüber entscheiden - und es gilt als todsicher, dass sich die Abgeordneten des alten Bundestages, obwohl der neue schon gewählt ist, fast einstimmig für die Verlängerung des Einsatzes aussprechen.
Im Folgenden dokumentieren wir eine entsprechende Mitteilung des Dienstes "Heute im Bundestag" (hib) sowie eine Presseerklärung der DFG-VK.

Der Antrag der Bundesregierung kann als pdf-Datei hier heruntergeladen werden: Antrag der Bundesregierung BT-DS 15/5996 vom 21. September 2005.



Deutsche Streitkräfte bis zum Oktober 2006 in Afghanistan einsetzen

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/BOB) Die Bundeswehr soll mit bis zu 3.000 Soldatinnen und Soldaten weiter Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit unterstützen. Die Fortsetzung des Auftrages innerhalb der NATO-geführten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) soll deswegen bis zum 13. Oktober 2006 verlängert werden. Die Zusatzausgaben betragen dabei für den genannten Zeitraum insgesamt rund 318,8 Millionen Euro. Dies sieht ein Antrag der Bundesregierung (15/5996) vor. Deutsche Streitkräfte würden schwerpunktmäßig in Kabul und im Norden des Landes eingesetzt.

Neben der Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit gewährten die ISAF-Kräfte Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors, einschließlich der Entwaffnung illegaler Milizen und trügen zur zivil-militärischen Zusammenarbeit bei. Sie wirkten auch bei der Absicherung von Wahlen mit. Die Verantwortung für die Drogenbekämpfung, so die Bundesregierung weiter, liege bei der afghanischen Regierung. Sie sei nicht Teil des Auftrages des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Ergänzend wird vermerkt, die Regierung in Kabul intensiviere "mit Nachdruck" - zusammen mit der internationalen Gemeinschaft - ihre Aktivitäten, um der Drogenbekämpfung neue Impulse zu verleihen. Ein umfassender Ansatz, der unter anderem Drogenfelder vernichten helfen und alternative Einkommensmöglichkeiten für die Bauern sichern solle, sei Grundlage der intensivierten Aktivitäten. Für die deutschen Partner Großbritannien und die USA habe die Drogenbekämpfung in Afghanistan in diesem Jahr eine besonders hohe Priorität.

Wie die Bundesregierung in ihrer Begründung des Antrages schreibt, habe die ISAF-Präsenz die Sicherheitssituation in Afghanistan stabilisiert. Diese Präsenz werde von der Regierung wie von der afghanischen Bevölkerung begrüßt. Die Autorität der Zentralregierung habe graduell in den Provinzen gefestigt werden können. Diese positive Entwicklung dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land erst am Beginn seines Weges hin zu einem stabilen und demokratischen Staatswesen steht. Die neu geschaffenen Institutionen seien noch nicht belastbar. Die militante Opposition sei zwar geschwächt, aber nach wie vor vorhanden. Armut, illegale Milizen und die Problematik des Drogenanbaus und -handels belasteten die neue Regierung.

ISAF unterstütze zurzeit die afghanische Regierung bei der Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes in der Nord- und Westregion sowie in Kabul. Die Truppen hätten dabei bereits stabilisierend wirken können. Im Süden und Osten Afghanistans, insbesondere im Grenzgebiet zu Pakistan, seien die Sicherheitsvorfälle zahlreicher. Dort liege das Rückzugsgebiet verbliebener militärischer oppositioneller Kräfte und noch existierender terroristischer Gruppierungen der Taliban-, Al Qaida- und Hekmatyar-Anhänger.

hib-Meldung, 22.09.2005
Quelle: www.bundestag.de


Pressemitteilung der DFG-VK, Velbert, 22.09.05

Parlamentarier sind ihrem Gewissen verpflichtet, nicht der Fraktionsdisziplin
Die friedenspolitische Stimme des einzelnen Abgeordneten bekommt mehr Gewicht

Über eine deutliche Zunahme des im Parlament vertretenen und wahrnehmbaren friedenspolitischen Sachverstands freut sich die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

Die Gründe:

Im Zuge der Erweiterung des Parteienspektrums werden ausgewiesene Friedensfachleute in den Bundestag einziehen. So gehört z.B. der renommierte Hamburger Völkerrechtsexperte Norman Paech ebenso dem Bundestag an wie die friedenspolitisch engagierte Journalistin Ulla Jelpke. Aber auch aus dem etablierten Parteienspektrum werden wieder vermehrt friedenspolitische Positionen - insbesondere solche, die eine grundlegende Abkehr von den militärisch/politischen Dogmen der bislang vertretenen sogenannten „Sicherheitspolitik“ fordern - sichtbar werden, denn das erweiterte Parteienspektrum zwingt zur Positionierung einzelner Abgeorndeter auch und gerade in den neuerdings sehr eng verbundenen Bereichen innere und äußere Sicherheit.

Dieser wünschenswerte Effekt wird die parlamentarischer Auseinandersetzung nicht nur zu militär- und sicherheitspolitischen Spezialthemen befördern, sondern auch richtungsentscheidende Kernthemen wie der nicht-militärischen Friedenssicherung oder der zivilen Konfliktbearbeitung Raum in der parlamentarischen Debatte eröffnen. Dies ist - gerade nach dem umstrittenen Parlamentsbeteiligungsgesetz - dringend notwendig.

Negativ zu bewerten ist, dass die noch amtierende Bundesregierung offensichtlich den neuen Mehrheitsverhältnisse nicht vertraut und die Entscheidung über die Weiterführung der Afghanistan - Einsätze der Bundeswehr nicht denjenigen überlassen möchte, die vom Souverän dafür gewählt wurden. Fürchtet Sie, dass die Kritik an diesen verfehlten Einsätzen zu laut wird?

Insbesondere Entscheidungen über militärische Einsätze sind aus Sicht der DFG-VK Gewissensentscheidungen die jeder gewählte Abgeordnete des neuen deutschen Bundestages ohne Fraktionszwang und unabhängig seiner Parteizugehörigkeit verantwortlich treffen muss. Die Verantwortung der gerade gewählten Volksvertreter darf nicht durch angebliche - durch die vorangegangene Regierung geschaffene - „Sachzwänge“ verschleiert werden.

Positiv zu bewerten ist, dass gerade bei den kleineren Parteien interessante Ansatzpunkte für erstaunlich konkrete und wünschenswerte Veränderungen deutlich wurden. So forderte z.B. die FDP unlängst den sofortigen Abzug aller in Deutschland stationierten US-Atomwaffen - dies ist zu begrüßen.

Joachim Thommes, Politischer Geschäftsführer der DFG-VK


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