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Friedensbewegung kritisiert geplanten AWACS-Einsatz in Afghanistan
Im Wortlaut: Pressemitteilungen des "Friedensratschlags" und der "Grünen Friedensinitiative"
Am 17. Juni 2009 beriet der Deutsche Bundestag in erster Lesung über den Einsatz von AWACS-Flugzeugen in Afghanistan. Die Friedensbewegung erhob Protest. Im Folgenden dokumentieren wir Pressemitteilungen des Bundesausschusses Friedensratschlag sowie der Grünen Friedensinitiative.
Der Friedensratschlag veröffentlichte zum selben Zeitpunkt ein Massenflugblatt, das wir als pdf-Datei hier dokumentieren: "Kein AWACS-Einsatz am Hindukusch!".
Der Antrag der Bundesregierung kann hier heruntergeladen werden: Beteiligung deutscher Streitkräfte ....
Mit AWACS noch tiefer in den Sumpf des Afghanistankrieges
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Bundesregierung will NATO-Einsatz durch zusätzliche AWACS-Flugzeuge
erweitern
- AWACS-Einsatz völkerrechtswidrig
- Friedensbewegung appelliert an Abgeordnete: Stimmen Sie mit NEIN
- Auf die Tagesordnung des Bundestags gehört der Rückzug der Bundeswehr
Kassel/Hamburg, 17. Juni 2009 - Anlässlich der 1. Lesung im Bundestag
über den Antrag der Bundesregierung, AWACS-Flugzeuge der NATO nach
Afghanistan zu entsenden, erklären Lühr Henken und Dr. Peter Strutynski
in einer ersten Stellungnahme:
Zur Lage im Krieg-
Seit August 2003 hat die NATO das Kommando über ISAF in Afghanistan.
Sie hat die Truppen von damals etwa 5.000 auf heute 61.000 mehr als
verzwölffacht. Das hat nicht zur Befriedung und zum Aufbau des Landes
geführt - ganz im Gegenteil. Die Anschläge der Taliban in Afghanistan
erreichten Anfang Juni den höchsten Stand seit dem Beginn des Krieges
vor bald acht Jahren!
- Die Bilanz des Krieges und die gegenwärtige Lage in Afghanistan sind
niederschmetternd: Es wurden 9.000 Zivilpersonen getötet - von 50.000
Opfern insgesamt. In der Drogenproduktion wird 2009 eine Rekordernte
erwartet. Acht Millionen Menschen leiden Hunger. Nur 25 Prozent der
Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser.
- Das alles war die Bundesregierung 3 Milliarden Euro wert, die in den
Bundeswehreinsatz am Hindukusch bisher gesteckt wurden.
- Inzwischen ist der Krieg auf Pakistan ausgeweitet worden. Auch das hat
Chaos und Tod zur Folge. Die Kampfhandlungen im Nordwesten Pakistans
lösten die mit drei Millionen Flüchtlingen größte Fluchtwelle seit 1947
aus!
Was ist AWACS?
AWACS-Flugzeuge, leicht zu erkennen an den RADAR-Tellern auf dem Rumpf,
überwachen den Luftraum im Umkreis von über 300 km aus einer Flughöhe
von 10 km. Sie sind "fliegende Flughafen-Tower". Jede AWACS-Crew besteht
zu etwa einem Drittel aus Bundeswehrsoldaten. Das
Verteidigungsministerium behauptet, dass das AWACS-Mandat nur der
"Überwachung des zivilen Luftverkehrs" diene, also gar keinen
militärischen Auftrag habe. Verschwiegen wird, was die AWACS sonst noch
können: Sie können auch "Aufgaben der taktischen Gefechtsführung"
wahrnehmen. Dabei halten sie die Zielanflugkorridore für Kampfbomber,
Kampfhubschrauber und unbemannte Kampfdrohnen frei. Sie dienen auch als
Kommunikationsrelais zwischen Kampfflugzeugen, der Kommandostation und
Bodentruppen und können somit auch Feuerleitfunktionen übernehmen.
AWACS intensiviert den Krieg
Insbesondere Bombardements von Dorfbewohnern haben zur Eskalation des
Krieges und zum Anwachsen des militärischen Widerstands in Afghanistan
geführt. Der Einsatz der AWACS-Maschinen ermöglicht eine Ausweitung der
Luftangriffe. NATO-AWACS-Maschinen können auch den angrenzenden Luftraum
Pakistans und Irans, aber auch Chinas überwachen und Flugbewegungen
koordinieren. Dies führt nicht nur zur Intensivierung, sondern auch zur
Ausweitung des Krieges.
AWACS ist völkerrechtswidrig
Dem US-Einsatz Operation Enduring Freedom (OEF) fehlt das UN-Mandat und
er kann nicht als Akt der Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta
angesehen werden. OEF ist völkerrechtswidrig! In der Praxis wird eine
AWACS-Crew nicht einen ISAF- von einem OEF-Einsatz unterscheiden können,
einfach schon deshalb nicht, weil der Oberbefehlshaber beider ein und
dieselbe Person ist: ein US-General. Deshalb ist auch ein AWACS-Einsatz
unter "ISAF"-Fahnen völkerrechtswidrig und muss auch aus diesem Grund
abgelehnt werden. Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass der
Bundestag im November 2008 bei der Verlängerung des OEF-Mandats wegen
der Brisanz des Einsatzes in Afghanistan Mittel- und Zentralasien aus
dem Einsatzgebiet herausgenommen hat. Soll das heute nicht mehr gelten?
Der Bundeswehreinsatz in den AWACS-Flugzeugen bindet Deutschland direkt
in die Luftkriegsoperationen in Afghanistan ein. Das ist eine neue
Qualität des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Deutschland gerät immer
tiefer in den schmutzigen Krieg hinein. AWACS bedeutet demnach eine
weitere Verschärfung des Afghanistankrieges - mit deutscher Beteiligung.
Aus all diesen Gründen fordert der "Friedensratschlag" die Abgeordneten
des Bundestags auf, den Antrag der Bundesregierung abzulehnen. "Setzen
Sie dagegen auf die Tagesordnung des Parlaments den Rückzug der
Bundeswehr aus dem Krieg!", heißt es in der Erklärung.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Hamburg,
Peter Strutynski, Kassel
Zu der Entscheidung der NATO, im Afghanistan-Krieg Awacs-Flugzeuge
einzusetzen erklärt die Grüne Friedensinitiative:
Die NATO-Verteidigungsminister haben sich letzte Woche nicht nur darauf verständigt,
die Truppenzahlen auf über 100.000 (also das Niveau des sowjetischen Afghanistan-
Krieges) zu erhöhen, sondern beabsichtigen, unter der ISAF-Flagge auch Awacs-Flugzeuge
zum Einsatz in der Kriegsregion zu schicken.
Diese Entscheidung hat rein gar nichts mit der Verbesserung der zivilen Luftfahrt über
Afghanistan zu tun, aber viel mit dem Krieg in Afghanistan. Denn seit 2006 haben die
Luftangriffe der westlichen Militärstreitkräfte drastisch zu genommen. Jetzt sollen die
AWACS sollen die NATO-Kriegsführung optimieren, schließlich sind sie nicht vom Roten
Kreuz oder der Lufthansa angefordert worden.
Die Awacs sollen die Luftbewegungen der verschiedenen Flugzeuge koordinieren, die von
den diversen Militärkräften eingesetzt werden. Die Lufteinsätze von Isaf, OEF und
autonom agierenden US-amerikanischen Truppen können so besser auf einander
abgestimmt werden. Bei Angriffen wären die Awacs insofern mit von der Partie, weil sie
dafür sorgen, dass zivile Flugzeuge nicht im Weg sind, die Angriffe damit ungestört und
effektiver ablaufen können, die Bomben also ihren Weg finden. Vermutlich werden von
Aufständischen bedrängte Bodentruppen die AWACS außerdem als Relaisstationen
nutzen, als Ersatz für fehlenden direkten Funkkontakt in unwegsamen Gelände.
Da Deutschland einen Großteil der AWACS-Besatzung stellt und auch einen hohen
finanziellen Betrag (ca. 16 Mio. EUR) übernehmen soll, muss sich in den nächsten Wochen
der Bundestag mit den AWACS befassen. Da die Bundesregierung den NATO-Beschluss
mit herbeigeführt hat, wird sie volle Unterstützung für diese Kriegsmaßnahme
beantragen. Die Entsendung der NATO Flugzeuge ist nach der Ausdehnung des NATO
geführten ISAF-Einsatzes auf ganz Afghanistan ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr der
Krieg in Afghanistan inzwischen zu einem Krieg der NATO geworden ist.
Wir fordern alle deutschen Bundestagsabgeordneten, insbesondere die der GRÜNEN
Fraktion auf, bei dieser Abstimmung gegen die Intensivierung des Krieges und damit mit
NEIN zu votieren.
Für die Grüne Friedensinitiative
Uli Cremer, Wilhelm Achelpöhler
Hamburg /Münster 17.6.2009
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