Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kriege um Wasser, Energie, Rohstoffe

Das neue Buch aus der AG Friedensforschung Kassel erschienen

Nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2008/09 ist die europäische kapitalistische Welt 2011 in eine neue Krise geschlittert, die jetzt auch die Staatshaushalte der EU-Mitglieder und die gemeinsame Währung bedroht. Zugleich wurde die Welt Zeuge eines beispiellosen Aufbruchs der Menschen im arabischen Raum – mit ungewissem Ausgang. Die Mandatierung einer Militärintervention in Libyen durch den UN-Sicherheitsrat - von der NATO bereitwillig in einen sieben Monate dauernden Luftkrieg „umgesetzt“ – deutet eine „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts an, die aus friedenswissenschaftlicher Sicht einen Rückfall in die Theorie vom „gerechten Krieg“ darstellt. Daneben bleiben alle überkommenen Probleme der internationalen (Gewalt-)Beziehungen auf der Agenda: die diversen Konflikte in Zentralafrika und am Horn von Afrika, der erklärte Krieg in Afghanistan und der unerklärte Krieg in Pakistan, die schwierige Versorgung der Menschen in der Dritten Welt mit bezahlbaren Lebensmitteln, mit sauberem Wasser und beim Zugang zu Gesundheitsdiensten, die fortschreitende Klimaerwärmung oder die Zunahme rechtsradikaler bis faschistoider Bewegungen und Parteien in Nord-, Mittel- und Osteuropa.

Der vorliegende Band der „Kasseler Schriften zur Friedenspolitik“ analysiert diese und andere Probleme der Entwicklung unseres Planeten aus friedenspolitischer Sicht. Den Texten liegen Vorträge und Referate des 17. Friedenspolitischen Ratschlags (Dezember 2010) und der „Friedensvorlesung“ 2011 an der Uni Kassel zu Grunde.

Mit Beiträgen von:
Detlef Bimboes * Maybrit Brehm * Murat Çakır * Heinrich Hannover * Helge von Horn * Živadin Jovanović * Christian Koch * Ralph M. Lüdtke * Ueli Mäder * Hans Mausbach * Jürgen Nieth * Bernhard Nolz * Werner Ruf * Ulrich Schneider * Michael Schulze von Glaßer * Arne C. Seifert * Peter Strutynski * Achim Wahl * Jürgen Wagner * Rolf Wekeck

Im Folgenden veröffentlichen wir das Vorwort zum Buch sowie das Inhaltsverzeichnis. Bezugsmöglichkeiten finden Sie am Ende dieser Datei.

Vorwort

Das Jahr 2011 gehört zweifellos der arabischen Welt. Die Umbrüche, die sich in Nordafrika und im Nahen Osten seit den Revolten in Tunesien und Ägypten vollzogen haben, mögen in ihren Ergebnissen noch längst nicht vorherbestimmbar sein, sie haben aber jetzt schon die Welt verändert. Vor allem haben sie die westliche Wahrnehmung der arabischen oder islamisch geprägten Gesellschaften radikal in Frage gestellt. Da stehen plötzlich Bevölkerungen auf, denen man demokratisches Engagement und Zivilcourage zuletzt zugetraut hatte. Doch die Regierungen der westlichen Staaten haben nach anfänglichem Zögern sehr schnell erkannt, dass ein Zuviel an Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein in dieser ölreichen Region ihren eigenen Interessen schaden könnte. So halten insbesondere die führenden NATO-Staaten weiter an ihrer „strategischen“ Partnerschaft mit dem wahabitischen Unterdrückungssystem in Saudi-Arabien fest und stützen – so gut es eben vor der Weltöffentlichkeit geht – die reaktionären Regime in Jemen, Bahrain und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Dem libyschen Volk hat die NATO nicht erlaubt, sich frei zwischen der autoritären Herrschaft Gaddafis und den „Rebellen“ aus dem Osten des Landes oder für einen anders gearteten Weg zu entscheiden. Großbritannien und Frankreich haben sehr schnell die Gunst der Stunde erkannt und – mit Unterstützung der USA – einen vom Mandat des UN-Sicherheitsrats nicht gedeckten Regimewechsel herbeigebombt. Zwar hatte sich der „bad boy“ Gaddafi seit knapp einem Jahrzehnt mit dem Westen arrangiert, seiner „revolutionären“ Vergangenheit abgeschworen, sich von Massenvernichtungswaffen getrennt und auf Drängen der Europäischen Union die Mittelmeergrenze für afrikanische Flüchtlinge unüberwindbar gemacht. Es blieben aber doch genügend Vorbehalte gegenüber dem ehemaligen „Revolutionsführer“ und unsicheren Kantonisten, um ihn lieber ganz los zu werden. Die NATO erledigte diesen Job unter dem Vorwand, ein drohendes Massaker unter der Zivilbevölkerung verhindern zu müssen. Dass während des sieben Monate dauernden Bombenkriegs zwischen 50.000 und 60.000 Menschen starben, wird in der „Erfolgsbilanz“ der NATO verschwiegen.

Der vorliegende Band befasst sich schwerpunktmäßig mit weiteren Entwicklungen in den internationalen Beziehungen, insbesondere hinsichtlich ihrer andauernden Militarisierung. Sind nicht von den Ereignissen im arabischen Raum zeitweise andere drängende Probleme überlagert oder ganz in den Hintergrund gedrängt worden? Zu nennen sind etwa der Afghanistankrieg und dessen Ausweitung auf Pakistan, die Finanz-und Schuldenkrise, die enormen Preissteigerungen auf den weltweiten Nahrungsmittelmärkten, die offenkundige Kapitulation der „Weltgemeinschaft“ vor der drohenden Klimakatastrophe, die sich weiter öffnende Schere zwischen reichen und armen Staaten und die zunehmende soziale Polarisierung in den Gesellschaften der „Ersten Welt“.

Die Texte dieser Publikation beruhen zu einem Teil auf Referaten, die beim letzten Friedenspolitischen Ratschlag gehalten worden waren, zum Teil aber auch auf Vorträgen der letzten „Friedensvorlesungsreihe“ an der Universität Kassel. Während der „Friedensratschlag“ unter dem Motto stand „Kampf um Rohstoffe, Wasser, Energie - Die Ausplünderung der Welt stoppen - Die atomare Selbstzerstörung der Menschheit verhindern“ und ein dem entsprechendes Themenspektrum bearbeitete, konzentrierte sich die „Friedensvorlesung“ 2011 auf die Analyse der Umbrüche in der arabischen Welt. Auch sie können möglicherweise dem sich zuspitzenden globalen Kampf um Rohstoffe und Energien zugeordnet werden. Zu Wort kommen Expertinnen und Experten, die sich in ihrer Forschungsarbeit seit langem mit der Region sowie mit politischen und sozialen Prozessen befassen – aus historischer, politikwissenschaftlicher, soziologischer, ethnologischer und kulturwissenschaftlicher Sicht. Aber auch die praktische Seite friedenspolitischer Bemühungen „von unten“ kommt nicht zu kurz.

Wie immer fallen die Antworten der kritischen Friedensforschung und der Friedensbewegung auf die gegenwärtigen Herausforderungen vielschichtig und unterschiedlich aus. Sie erheben aber alle den Anspruch, akute oder drohende Gewaltkonflikte vornehmlich oder ausschließlich mit zivilen, nicht-militärischen Mitteln zu bearbeiten. Interventionen und Krieg dürfen nach dem Selbstverständnis der Herausgeber und der AG Friedensforschung kein Mittel der Politik sein.

Den Autorinnen und Autoren, die ihre Manuskripte für die Publikation aufbereitet und teilweise aktualisiert haben, möchten wir an dieser Stelle herzlich danken. Alle noch vorhandenen Fehler haben allein die Herausgeber zu verantworten.

Kassel, den 3. November 2011

Ralph-M. Luedtke und Peter Strutynski

Aus dem Inhalt:

  • Vorwort
  • Peter Strutynski: Die einen dürfen nicht, die anderen können nicht. Ein Blick auf Friedensforschung und Friedensbewegung
  • Maybritt Brehm, Christian Koch: 20 Jahre bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • Werner Ruf: Ex Oriente Lux – oder regime change light?
  • Arne C. Seifert: Der politische Islam in Zentralasien und Europa – Gegner oder demokratische Partner?
  • Murat Çakır: Die Türkei zwischen allen Stühlen? NATO Partner, Ordnungsfaktor und Nahost-Vermittlerin
  • Achim Wahl: Der Aufbruch Lateinamerikas – Brasilien, eine neuer Global Player?
  • Živadin Jovanović: Der Balkan: Eine Region des Friedens oder der Instabilität
  • Jürgen Nieth: Schatzkammer Arktis?
  • Jürgen Wagner: Ein Militärisch-Auswärtiger Dienst für EUropas imperiale Machtpolitik
  • Michael Schulze von Glaßer: Vom Klassenzimmer in den Krieg. Nachwuchswerbung und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr an Schulen
  • Rolf Wekeck: Verringerung der Armut? Senkung der Kindersterblichkeit? UN-Millenniums-Entwicklungsziele – Eine Bilanz
  • Ueli Mäder: Wie soziale Ungleichheit globale Konflikte verursacht
  • Bernhard Nolz: Das Soziale verteidigen – Sachstand und Widerstand
  • Ulrich Schneider: Geschichtspolitik in internationaler Dimension – eine Herausforderung auch für die Friedensbewegung
  • Hans Mausbach: Reden vor Gericht – Lesung und Gespräch mit Heinrich Hannover
  • Heinrich Hannover: Darf man Hitler-Generale Massenmörder nennen? Der Fall Lorenz Knorr, Landgericht Wuppertal, 1964
  • Helge von Horn: Wenn Neonazis in der Friedensbewegung wildern
  • Ulrich Schneider: Europa auf dem Weg nach rechts?
  • Detlef Bimboes: Wachsen und Weichen – Produktion, Lebensweise und Konsum umwälzen
  • Autorenverzeichnis
Bibliografische Angaben:
Ralph-M. Luedtke, Peter Strutynski (Hrsg.): Kriege um Wasser, Energie, Rohstoffe. Die Plünderung der Welt stoppen – Die Politik entmilitarisieren, Kassel 2011, Kasseler Schriften zur Friedenspolitik, Bd. 18 (ISBN 978-3-934377-36-3

Bezugsadressen:

Verlag Winfried Jenior, Lassallestr. 15, D-34119 Kassel; Tel.: 0561-7391621, Fax 0561-774148;
E-Mail: Jenior@aol.com
oder
AG Friedensforschung, Tel. 0561/93717974; e.mail: strutype@uni-kassel.de
oder peter.strutynski@gmx.de


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