Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ein politischer Mehltau legt sich über das Land"

Horst Schmitthenner (IG Metall) auf dem Friedenspolitischen Ratschlag

Auf der abschließenden Podiumsdiskussion beim 8. Friedenspolitischen Ratschlag äußerte sich das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Metall wie folgt:

Auch diese Tagung hat einmal mehr das Ergebnis erbracht, dass es zahlreiche Argumente gegen diesen Krieg gibt. Einmal, dass Krieg generell kein Mittel der Politik darstellen darf, aber auch, weil durch diesen Krieg die Interessen bestimmter Kreise in den USA und der NATO-Staaten durchgesetzt und nicht die Freiheit und Zivilisation gegen den Terror verteidigt werden. Weil das Elend in Afghanistan weiter zunimmt, und das Geld in den westlichen Ländern für Kriegsführung verpulvert wird, anstatt es für vernünftige Zwecke zu verwenden.

Durch diesen Krieg wird der Einfluss der UNO weiter zurückgedrängt und damit auch das Primat des Politischen. Damit geht in den einzelnen westlichen Ländern eine immer stärkere Repression einher, die sich in der Bundesrepublik in Form der Sicherheitspakete niederschlägt.Hier sind wir uns im Grundsatz schnell einig, auch wenn wir sicherlich gemeinsam daran arbeiten müssen, die einzelnen Interessen, die hinter diesem Krieg stehen, noch präziser herauszuarbeiten.

Ich möchte mein Hauptaugenmerk aber auf die Rolle Opposition gegen den Krieg damit verbunden die innenpolitische Situation legen. Mein Eindruck ist, dass sich langsam ein politischer Mehltau über das Land legt. Wofür Helmut Kohl mehrere Jahre gebraucht hatte, das scheint unter der Regierung Schröder im Krieg innerhalb weniger Monate vollzogen zu werden. Wer, wie die IG Metall, den Bundeskanzler kritisiert, während der im Ausland weilt, dem wird vom General Müntefering sofort eine Dolchstoßlegende gestrickt.

Denjenigen SPD-Abgeordneten, die z.B. im Rahmen des Somalia-Einsatzes Kritik an der Politik der Bundesregierung äußerten, erging es allerdings trotz der Anwesenheit des Kanzlers im Inland nicht besser. Ihnen wurde mehr oder weniger unverblümt der Entzug Ihres Bundestagsmandates bei den nächsten Wahlen in Aussicht gestellt. Wenn ein Nachrichtensprecher Vergleiche zwischen der Denkstruktur des US-Präsidenten und Osama bin Laden zitiert, muss er schon um seinen Job fürchten.

In diesem Klima fanden die Parteitage von SPD und Grünen statt. Politische Opposition gegen diesen Krieg wurde dort kaum artikuliert und kam in der Presse erst recht nicht vor. Auch aus den Kirchen war in letzter Zeit lediglich verhaltene Kritik zu hören.

Ich möchte darauf aufmerksam machen: Wir als IG Metall haben uns erst nach langen schwierigen Debatten zu einem NEIN zum Krieg durchgerungen. Auch dieses NEIN wird immer wieder umkämpft. Dies zeigen die Beschlüsse des Internationalen Metallarbeiterkongresses, das zeigt aber auch die bisherige Beschlusslage im DGB. Gleichzeitig gibt es in vielen Organisationsgliederungen anderer Gewerkschaften vorwärtsweisende Diskussionen und Beschlüsse.

Dennoch ist offensichtlich: Wir haben einerseits kaum Institutionen, die sich unmissverständlich gegen den Krieg aussprechen und dafür auch mobilisieren und in der Gesellschaften Mehrheiten verändern wollen. Andererseits lehnt ein wesentlicher Teil der Bevölkerung diesen Krieg ab.

In dieser Situation stehen wir als Friedensbewegung vor der Aufgabe, die außerparlamentarische Bewegung weiter zu festigen. Wir müssen Alternativen zur Kriegspolitik entwickeln und gemeinsame Aktivitäten gegen den Krieg initiieren. Diese müssen die Regierung soweit unter Druck setzen, dass ein Kurswechsel möglich wird. Dieser Wechsel bezieht sich sowohl auf das eigene Verhalten, Soldaten für diesen Krieg zur Verfügung zu stellen, als auch ihre Rolle der Bundesrepublik im Rahmen der UNO und der NATO.

Eine Gefahr besteht auch immer darin, dass viele in Resignation verfallen, wenn es gegen mächtige Interessen und eine Phalanx von Institutionen geht. Aber: Ich denke der Einsatz lohnt sich, auch wenn es nicht mehr gelingt, diesen Afghanistan-Einsatz zu verhindern. Es geht kurzfristig darum, ob weitere Staaten - weil sie im Verständnis der US-Administration Schurkenstaaten sind - mit Krieg überzogen werden. Mittelfristig geht es um alle Eingangs von mir aufgeführten Fragen, die Auseinandersetzung hört mit dem Afghanistan-Krieg ja nicht auf, wir befinden uns mitten drin. Widerstand ist nötig, Widerstand lohnt sich!


Mehr zum "Friedensratschlag 2001"

Zur Themenseite "Gewerkschaften und Frieden"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage