Friedensbewegung zum Jahresende
Eine Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Jahresende 2003.
Pressemitteilung
-
2003: Katastrophenjahr und Jahr der Friedensbewegung
- Anzeige am Heiligen Abend in überregionalen Tageszeitungen
- Friedensratschlag mit Aktionsvorschlägen
- Schwerpunkte: EU-Verfassung, Abrüstung und Kriegstribunal
Nach Jahresabschlussberatungen im Bundesausschuss Friedensratschlag
erklärte dessen Sprecher Peter Strutynski:
Das abgelaufene Jahr war aus friedenspolitischer Sicht janusköpfig:
Einerseits war es eine Katastrophe. Der gegen den Willen der Vereinten
Nationen und fast aller Staaten der Welt geführte Angriffskrieg gegen
Irak konnte nicht verhindert werden. Es war ein Präventivkrieg nach der
neuen Militärdoktrin der USA, dem möglicherweise weitere Kriege gegen
sog. "Schurkenstaaten" folgen werden. Die negativen Folgen für die
"Weltordnung" und das Völkerrecht sind noch nicht absehbar. Andererseits
fanden 2003 weltweit die größten Massenaktionen gegen einen drohenden
Krieg statt. Diese Aktionen, die in London, zwei Millionen, in Madrid
zwei Millionen, in Rom zwei Millionen und in Berlin eine halbe Million
Menschen auf die Straße brachten, zeigten die Kraft und
Mobilisierungsfähigkeit der Friedensbewegung und anderer sozialer und
politischer Bewegungen. Das Kriegsjahr 2003 war zugleich das Jahr der
Wiedergeburt der Friedensbewegung.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag veröffentlicht am Heiligen Abend
in mehreren Tageszeitungen eine Anzeige, in der die Grundpositionen der
Friedensbewegung verdeutlicht werden: "Wir verlangen eine grundsätzliche
Abkehr von der sich ausbreitenden internationalen Kriegspolitik. Wir
wehren uns gegen den Ausbau der Bundeswehr zur weltweiten
Interventionsarmee. Wir brauchen weder Marschflugkörper, Streubomben,
Eurofighter noch Korvetten. Wir wollen mit Abrüstung bei uns anfangen."
Die Anzeige wurde unterzeichnet von mehr als 600 Einzelpersoen und
zahlreichen lokalen, regionalen und bundesweiten Friedensorganisationen
sowie gewerkschaftlichen Gruppen und sozialen Bewegungen.
Der "Friedensratschlag", der vor zwei Wochen seinen Jahreskongress in
Kassel abgehalten hat, schlägt eine Reihe von Aktionen im kommenden
Frühjahr vor. Unterstützung sollen folgende
Aktionen finden:
-
die Aktivitäten der Friedensbewegung anlässlich der
"Sicherheitskonferenz" am 6./7. Februar 2004 in München;
- ein beim Europäischen Sozialforum beschlossener Aktionstag am 20. März
2004 für den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und für die
Durchsetzung eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost; hierzu
werden dezentrale Aktionen im ganzen Land stattfinden;
- Aktionstage vom 20. März bis zum 3. April 2004 für Frieden und soziale
Gerechtigkeit; die Friedensbewegung wird u.a. die europäischen
Großaktionen am 3. April gegen den Sozialabbau unterstützen.
- Initiativen für ein anderes Europa am 9. Mai 2004 - gegen den Ausbau
der Europäischen Union zu einer weltweiten militärischen
Interventionsmacht und gegen eine Verfassung, die zur Aufrüstung
verpflichtet.
Zur Situation im Irak nach der Festnahme Saddam Husseins stellt der
Sprecher des Friedensratschlags fest:
Die heiß diskutierte Frage nach dem Gerichtsort für ein Verfahren gegen
Saddam Hussein ist falsch gestellt. Im Irak erwartet ihn kein
rechtsstaatliches Verfahren, solange dort nicht wirklich Unabhängigkeit
und Demokratie herrschen. Bis dahin sollte Saddam in Den Haag in
Gewahrsam genommen werden. Gleichzeitig muss ein Tribunal über die
Kriegsverbrechen der Kriegsallianz (insbesondere USA und Großbritannien)
eingeleitet werden. Es muss ein Tribunal
"von unten" sein, da nach Lage der Dinge in absehbarer Zeit nicht zu
erwarten ist, dass den Aggressoren ein Prozess beispielsweise vor einem
UN-Tribunal gemacht wird. Für die Friedensbewegung ist es ein
verlockender Gedanke, dass Saddam Hussein, George W. Bush und Tony Blair
dereinst nebeneinander auf der Anklagebank in Den Haag sitzen.
Vorerst aber stehen für die Friedensbewegung andere Fragen im
Mittelpunkt: Wie kann durch politischen Druck die Besatzung im Irak
beendet und die UNO als Akteur endlich ins Spiel gebracht werden? Wie
kann der Bevölkerung im Irak, die durch zwölfjähriges Embargo und den
Aggressionskrieg der Alliierten unermessliches Leid erfahren hat, auf
humanitärem Weg jenseits der offiziellen "Wiederaufbauhilfe" geholfen
werden? Und vor allem: Wie können weitere "Präventivkriege" der USA und
ihrer Verbündeter gegen beliebige Staaten rechtzeitig verhindert und
damit das geltende Völkerrecht verteidigt werden?
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 23. Dezember 2003
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