Friedensbewegung: Lob und Tadel für Nobelpreiskomitee
Pressemitteilung: Bundesausschuss Friedensratschlag traf sich in Kassel
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag im Anschluss an dessen Tagung in Kassel am 11. Oktober 2003.
Pressemitteilung-
Lob und Tadel für Nobelpreiskomitee
- Abrüstung statt Sozialabbau
- Nein zur EU-Verfassung
- Großer Friedenspolitischer Ratschlag im Dezember einberufen
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die iranische Anwältin
Schirin Ebadi stand zwar nicht auf der Tagesordnung des Treffens des
Bundesausschusses Friedensratschlag am Wochenende in Kassel, spielte
aber in den Diskussionen am Rande der Tagung eine Rolle. Ganz
überwiegend wurde die Entscheidung des Nobelkomitees freudig begrüßt.
Wird doch hier eine bekennende Muslimin und Menschenrechtlerin aus dem
Iran ausgezeichnet, die immer für Gewaltlosigkeit und für zivile
Konfliktlösungen eingetreten ist. Frau Ebadi hat den
völkerrechtswidrigen Irakkrieg kritisiert und lehnt jede gewaltsame äußere Einmischung in die
Angelegenheiten ihres eigenen Staates mit derselben Konsequenz ab.
Kritisch wird in Kreisen der Friedensbewegung indessen angemerkt, dass
der weltweite Widerstand gegen den Irakkrieg vom Preiskomitee
unberücksichtigt gelassen wurde. Dieses einzigartige Engagement von
Millionen und Abermillionen Menschen in der ganzen Welt hätte durch eine
Teilung des Preises eine besondere Würdigung verdient.
Im Zentrum des Friedenstreffens in Kassel stand der sich artikulierende
Widerstand gegen die weit reichenden Sozialabbaupläne von Bund und
Ländern. Der Friedensratschlag hat hierzu einen Unterschriften-Appell
"Abrüstung statt Sozialabbau" gestartet, der bisher bundesweit auf gute
Resonanz stößt. Darin wird gefordert, die Mittel für Militär, Rüstung
und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zu streichen und die frei
werdenden Mittel für zivile Zwecke einzusetzen. Der Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag stellt hierzu fest: "Wir sind uns
zwar darüber im Klaren, dass selbst eine Reduzierung der Rüstung auf
Null die großen Löcher in den Sozialkassen nicht stopfen kann. Dazu
müssten weitere Maßnahmen etwa zum Subventionsabbau oder zur stärkeren
Besteuerung der Superreichen ergriffen werden. Die Kürzung der nutzlosen
Rüstungsausgaben könnte aber ein wichtiger Schritt zu mehr sozialer
Gerechtigkeit in diesem Land sein." Der Bundesausschuss
Friedensratschlag beschloss, sich an die Delegierten der bevorstehenden
Gewerkschaftstage (IGM und ver.di) zu wenden, um für Unterstützung der
Forderungen der Friedensbewegung zu werben.
Widerstand kündigt die Friedensbewegung auch der Verabschiedung der
EU-Verfassung in der jetzigen Form an. Der Verfassungsentwurf macht aus
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Militärpakt - mit
europäischen Eingreiftruppen, einer europäischen Rüstungsagentur und der
Verpflichtung der Mitgliedestaaten, ihre "militärischen Kapazitäten
ständig zu verbessern". Der Bundesausschuss Friedensratschlag ruft alle
demokratischen und friedensorientierten Abgeordneten sowie die Parteien
in der EU auf, sich der Militarisierung der EU zu widersetzen und Nein
zur EU-Verfassung zu sagen. "Europa", so der Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag, "muss wieder zum Thema der
Friedensbewegung werden und öffentlich debattiert werden. Die Welt
braucht Entwicklungsperspektiven und kein neues Militärbündnis." Die
deutsche Friedensbewegung weiß sich in dieser Haltung einig mit ihren
Partnerorganisationen in anderen europäischen Staaten.
Für den 6. und 7. Dezember lädt der Bundesausschuss Friedensratschlag zu
einem großen "Friedenspolitischen Ratschlag" nach Kassel ein. Dort soll
über "Perspektiven einer friedlichen Welt" beraten werden. Dabei sollen
die Erfahrungen aus dem Irakkrieg ausgewertet und Möglichkeiten
diskutiert werden, Konflikte in der Welt durch nicht-militärische,
zivile Maßnahmen zu lösen. Auch der Krieg gegen Irak, dies zeigt die
anhaltende Gewalt, habe kein Problem in dem Land wirklich lösen können.
Das beste, was den Menschen im Irak und in der Region heute passieren
könnte, wäre der schleunige Abzug der Besatzungstruppen und die
Übernahme der politischen Verantwortung durch die Vereinten Nationen und
das irakische Volk. Zum "Ratschlag" in Kassel werden als Referenten
zahlreiche Friedensforscher/innen, ehemalige UN-Repräsentanten und
OSZE-Koordinatoren sowie Vorsitzende bzw. Sprecher/innen von
Gewerkschaften und sozialen Bewegungen erwartet. Die jährlichen
"Friedensratschläge" sind die bedeutsamsten Zusammenkünfte der
Friedensbewegung.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 12. Oktober 2003
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