Irak: Sieben Gründe für die Beendigung der Militärintervention
Eine Antwort aus der Friedensbewegung an US-Außenminister Powell
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zur jüngsten Diskussion um die Behandlung des Irak.
Pressemitteilung
Mit den gegenwärtigen Versuchen der Kriegsallianz, die Vereinten
Nationen in die Verantwortung für den Irak zu nehmen, befasste sich am
Wochenende der Sprecherkreis des Bundesausschusses Friedensratschlag.
Der Aufforderung des US-Außenministers Powell an die Kritiker der
US-Politik, konstruktive Ideen für die Behandlung des Irak zu
entwickeln, kommt der Friedensratschlag mit der folgenden Erklärung
nach.
Sieben Gründe für die Beendigung der Militärintervention - Keine
deutschen Soldaten in den Irak!
(1) Die Probleme, die sich zur Zeit im Irak vor den Besatzungsmächten
auftürmen, sind "hausgemacht". Sie sind Resultat eines
völkerrechtswidrigen und politisch verheerenden Krieges, der zu Recht
von der großen Mehrheit in diesem Land, der weltweiten Friedensbewegung
und von den meisten Regierungen abgelehnt wurde. Der Krieg beruhte von
Anfang an auf Lügen und fabrizierten "Beweisen" für die Bedrohung durch
angebliche irakischeMassenvernichtungswaffen. Niemand kann von einem
Kriegsgegner verlangen, nach dem Krieg darüber hinweg zu sehen und so zu
tun, als hätte der angloamerikanische Angriffskrieg gar nicht stattgefunden.
(2) Die Vereinten Nationen haben durch ihren Sicherheitsrat den Krieg zu
keiner Zeit befürwortet. Im Gegenteil: Auf der Grundlage eines klaren
Mandats durch die UN-Resolution 1441 (2002) sollten UN-Inspekteure die
Einhaltung früherer Beschlüsse über die Beseitigung von irakischen
Massenvernichtungswaffen überwachen und einen Krieg abwenden. Der
Überfall auf den Irak am 20. März hat diese Bemühungen der UNO zunichte
gemacht. Die Aggressoren bombten auch die UNO in eine schwere Krise.
(3) Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, in der UNO-Truppen dem
militärischen Befehl des Aggressors unterstellt werden würden, wäre ein weiterer Schritt zur
Unterminierung der Autorität der Vereinten Nationen und ihrer
Institutionen. Die Regierungen, die den Irakkrieg abgelehnt haben, weil
sie ihn für einen politischen Fehler gehalten haben, dürfen sich nun
unter keinen Umständen der Kriegsallianz unterordnen, indem sie Truppen oder andere
Hilfen für die Besatzungsmacht bereit stellen.
(4) Mit der Resolution 1483 (2003) vom 22. Mai hat der UN-Sicherheitsrat
einen halsbrecherischen Spagat versucht: Einerseits hat er die
Aggressoren mit allen Befugnissen zur Beherrschung des Irak
ausgestattet; die Besatzungstruppen lenken seither als "Behörde"
("authority") die Geschicke des Landes. Andererseits besteht die
Resolution auf der territorialen Integrität des Irak und der
Souveränität des irakischen Volkes und verlangt ausdrücklich, "dass der
Tag, an dem die Iraker sich selbst regieren, schnell kommen muss".
(5) Der militärische Widerstand im Irak, dem fast täglich Soldaten der
Kriegsallianz zum Opfer fallen, und die zunehmenden Terroranschläge
gegen Symbole der Besatzung oder des "Westens" sind vor allem eine Folge
der Fremdbestimmung des Landes durch die Besatzer. Wenn es richtig ist,
dass die überwiegende Mehrheit der Iraker das diktatorische Regime
Saddam Husseins abgelehnt hat, dann ist nicht einzusehen, warum dem
irakischen Volk nicht auch die volle politische Souveränität
zurückgegeben wird. "Demokratie" können nicht nur die US-Amerikaner
buchstabieren.
(6) Eine Verstärkung der militärischen Besatzung Iraks durch
UN-mandatierte Truppen dient nicht der "Stabilisierung" des Landes. Was
die irakischen Menschen brauchen, sind zivile Helfer, die beim
Wiederaufbau der Infrastruktur helfen. Was die Menschen brauchen, sind
Trinkwasser, Elektrizität, Benzin, Nahrungsmittel, Medikamente,
Wirtschaftshilfe und Arbeitsplätze. Was sie auf keinen Fall brauchen,
sind ausländische Soldaten. Ihre Anwesenheit wird die verdeckten
militärischen Angriffe und die heimtückischen Terroranschläge eher noch
weiter herausfordern.
US-Verwalter Paul Bremer hat vor kurzem erklärt, dass nach dem Krieg
Mitglieder von Terrornetzwerken in den Irak eingedrungen seien. (Vor dem
Krieg wurde uns weisgemacht, der Irak wäre bereits ein Hort und
Zufluchtsort des Terrorismus.) Die andauernde ausländische Besatzung
sorgt also dafür, dass der Irak zu dem gemacht wird, weswegen vor zwei
Jahren gegen Afghanistan Krieg geführt wurde. Auch deshalb lehnen wir
deutsche Soldaten im Irak ab.
(7) Aus Sorge um die Entwicklung im Irak und im Interesse des Erhalts
der Vereinten Nationen und ihrer völkerrechtlichen Grundlagen hält der
Bundesausschuss Friedensratschlag folgende Alternativen für notwendig:
-
Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak.
- Die UNO sollte die Aufsicht über die zu organisierenden Wahlen, die
Ausarbeitung einer Verfassung, den Aufbau der Zivilverwaltung sowie die
Einrichtung und Kontrolle eines Fonds zur
Beseitigung der Kriegsschäden übernehmen.
- Beauftragung des "regierenden Rats" mit der Abhaltung demokratischer
Wahlen zur Etablierung einer Interimsregierung.
- Die Kriegsallianz, insbesondere die USA und Großbritannien, wird
verpflichtet, für die Kosten der Schadensbeseitigung aufzukommen
(Reparationen in Höhe von 4 Mrd. US-Dollar pro Monat für einen noch
festzulegenden Zeitraum können mit dem durch den Abzug der Truppen
gesparten Geld finanziert werden).
Der Bundesausschuss Friedensratschlag wird diese Vorschläge den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages und - soweit es geht - der
Öffentlichkeit bekannt machen. Auch die Friedensbewegung würde ihrem
Anspruch und ihrem guten Ruf, den sie sich mit den Protesten gegen den
Krieg erworben hat, nicht gerecht, wenn sie nun stillhält. An die
Adresse der Bundesregierung geht die Forderung, alles zu unterlassen,
was den Irakkrieg nachträglich legitimieren würde, und alles zu tun, was
den Menschen und der zivilen Entwicklung im Irak zugute kommt.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 6. September 2003
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