"Wer nicht gehorcht, dem werden Ohren und Finger abgeschnitten"
Globaler Bericht über das Schicksal von Kindersoldaten
Eine Pressemitteilung von terre des hommes
Osnabrück, 12. Juni 2001
"Im Lager wurden wir an der Waffe ausgebildet. Wer nicht gehorchte, dem wurden Ohren und Finger
abgeschnitten. Ich wollte nicht an den Massakern teilnehmen. Sie bedrohten mich mit der Erschießung,
falls ich mich weigern sollte."
Odur Leko (14) wurde mit 8 Jahren von der Lord Resistance Armee in Uganda verschleppt.
Mehr als eine halbe Million Kinder sind von Regierungstruppen, Paramilitärs, Zivilmilizen und einer großen
Anzahl verschiedener nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen in mehr als 85 Ländern rekrutiert worden. Diese
Zahlen veröffentlichte heute die Internationale Coalition zum Stop des Einsatzes von Kindersoldaten in ihrem
ersten Weltbericht. Insgesamt sind 300.000 dieser Kinder in 41 Ländern an Kampfhandlungen aktiv beteiligt.
In Deutschland unterstützt die Deutsche Koordination Kindersoldaten, in der acht namhafte Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeiten, die Arbeit der Internationalen Coalition.
Die 450 Seiten umfassende Studie "Global Report on Child Soldiers 2001" ist der erste umfassende und
aktuelle Bericht über den Einsatz von Kindersoldaten. Er bietet neue Detailinformationen über die militärischen
Rekrutierungen von Regierungstruppen, Zivilmilizen, Paramilitärs und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in
180 Ländern. Das Steuerungskomitee der Internationalen Coalition wird Amnesty International, Defence for
Children International, Human Rights Watch, dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten, dem Genfer Büro der Quäker
bei den Vereinten Nationen, Save the Children Sweden für die Internationale Allianz Save the Children,
Internationale Föderation terre des hommes, World Vision International und verschieden regionale
Nichtregierungsorganisationen aus Lateinamerika, Afrika und Asien gebildet. Das internationale
Koordinierungsbüro hat seinen Sitz in London.
Der Bericht stellt fest, dass mit einigen Ausnahmen sich die Situation in Lateinamerika, auf dem Balkan, im
Nahen Osten und Nordafrika verbessert hat - neue Generationen von Kindern jedoch sind im Afrika südlich
der Sahara, in Teilen Asiens und des pazifischen Raums gefährdet.
Der Einsatz von Kindersoldaten ist nicht auf die Entwicklungsländer beschränkt: die britische und die US -
Armee haben die gleiche Praxis wie Myanmar, Sudan oder Afghanistan und entsenden unter 18-jährige in
Kampfeinsätze.
Industrieländer haben personelle Engpässen zu bewältigen und verstärken daher ihre Anstrengungen zur
Anwerbung von jungen Rekruten. Großbritannien rekrutiert Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr und entsendet
17- jährige routinemäßig in Kampfeinsätze. Die USA haben unter-18-jährige im Golfkrieg, in Somalia und auf
dem Balkan eingesetzt.
"Die weite Verbreitung und leichte Erhältlichkeit moderner Kleinwaffen hat dazu beigetragen, dass es immer
mehr Kindersoldaten gibt. Durch sie können selbst kleinere Kinder im Kampf zu effektiven Killern werden."
sagte Andreas Rister, der Sprecher der deutschen Koordination.
Internationale politische und militärische Unterstützung für Streitkräfte und bewaffnete Gruppen, die Kinder
einsetzen, oftmals verknüpft mit der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen wie Diamanten oder Öl haben in
vielen Fällen Konflikte verschärft und mehr Kinder in den Krieg hineingezogen.
Andreas Rister: "Selbst wenn nur einige wenige Kinder als Soldaten an einem Konflikt teilnehmen, geraten alle
Kinder der Gemeinschaft - gleich ob Zivilisten oder Kombattanten - unter Verdacht." Im Eintrag zu Kolumbien
wird ein Fall geschildert, bei der die Armee einen Schulausflug in der Provinz Antioquia mit einer
Guerillagruppe verwechselte, sechs Kinder wurden getötet, sechs weitere schwer verletzt.
Nicht nur die Kinder in den Konfliktzonen sind gefährdet: viele Kinder werden im Ausland unter den
Flüchtlingspopulationen oder in der ethnischen Diaspora rekrutiert oder über Grenzen verschleppt.
Kinder wurden in europäischen Ländern und in Nordamerika durch bewaffnete Gruppen aus dem Kosovo und
aus Kurdistan rekrutiert.
Seit dem letzten Juni haben 80 Länder einen neuen Vertrag über das Verbot des Einsatzes von Kinder als
Soldaten unterzeichnet, allerdings haben erst fünf Staaten ratifiziert. Am 25 Mai 2000 verabschiedete die UN-
Generalversammlung dieses Zusatzprotokoll über die Beteiligung von Kinder in bewaffneten Konflikten zur
UN-Kinderrechtskonvention, es verbietet die Teilnahme von Kindern unter 18 Jahren an Feindseligkeiten und
fordert alle Staaten auf, das Mindestalter für militärische Rekrutierungen anzuheben.
"In den vergangenen Jahren verzichteten immer mehr Regierungen auf die Rekrutierung von Kindern unter 18
Jahren zum Militär. Sogar einige der bewaffneten Gruppen haben sich inzwischen diesem Prinzip verpflichtet."
sagte Andreas Rister
"Um eine Welt zu schaffen, in dem kein Kind mehr Soldat sein muss, sollten alle Regierungen auf der Welt das
Zusatzprotokoll sofort ratifizieren und in ihren Ländern verwirklichen. Auch die Bundesregierung sollte die
Ratifizierung endlich auf den Weg bringen und sich zur Altersgrenze 18 Jahre sowohl für Wehrpflichtige wie
auch bei der Anwerbung von Freiwilligen bekennen."
Der Bericht wird weltweit am Dienstag, dem 12. Juni veröffentlicht. In Johannesburg und New York finden
internationale Pressekonferenzen statt. Ab Dienstag, 12. Juni, 11.00 Uhr ist er unter www.tdh.de verfügbar.
Verantwortlich: terre des hommes-Pressereferat
Für Rückfragen: Andreas Rister, Sprecher der Deutschen Koordination Kindersoldaten
Telefon: (05 41) 71 01 122
Telefax: (05 41) 71 01 196
a.rister@tdh.de
Siehe auch: Zusammenfassung des "Globalen Berichts über Kindersoldaten 2001"
in der Übersetzung durch terre des hommes.
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