Globaler Bericht über Kindersoldaten
Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Unter dem englischen Originaltitel "GLOBAL REPORT ON CHILD SOLDIERS 2001", veröffentlichte die Coalition to Stop the Use of Child Soldiers im Mai 2001 einen umfassenden Bericht über Kindersoldaten in aller Welt. Der komplette Bericht ist einschließlich der 180 Länderstudien auf Englisch unter www.child-soldiers.org
erhältlich und auch in Buchform erschienen. Weitere Informationen gibt es bei terre des hommes, Postfach 4126, 49031 Osnabrück, Tel.: 0541-7101122/116; Fax: 0541/7101196, Email: Kinderrechte@tdh.de oder unter www.Kindersoldaten.de.
Von terre des hommes (Andreas Rister) stammt auch die folgende Übersetzung des Originaltextes.
Kindersoldaten: Globaler Bericht 2001 - Ein Überblick
Zu jeder Zeit sind mehr als 300.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren - sowohl Mädchen wie Jungen -
in den Streitkräften und bewaffneten Oppositionsgruppen von mehr als 30 Ländern als Soldaten im
Kampfeinsatz. Weitere hunderttausende unter 18-jährige wurden in Regierungsarmeen, Paramilitärs, Milizen
und eine Vielzahl von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in 85 Staaten. Rekrutiert. Weltweit erhalten
Millionen Kinder militärisches Training und werden in Jugendbewegungen und Schulen indoktriniert. Und
obwohl die meisten von ihnen zwischen 15 und 18 Jahre alt sind, berichtet dieser Weltreport doch auch von
einem erst sieben Jahre alten Kindersoldaten.
Diese Statistiken können nur ein Schlaglicht auf das Problem werfen, denn täglich werden Kinder
zwangsrekrutiert, entführt, gefangen genommen, verwundet oder sogar getötet. Viele der heute erwachsenen
Soldaten wurden als Kind rekrutiert, sie wuchsen in militärischen Zusammenhängen heran. Eine wesentliche
Ursache für die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen besteht in vielen Ländern im unzureichenden
System der Geburtenregistrierung, es kann schwierig sein, das Alter festzulegen.
Konflikte kommen und gehen: je länger sich ein bewaffneter Konflikt hinzieht, umso wahrscheinlicher ist es,
dass Kinder an ihm aktiv teilnehmen. In den vergangenen Jahren kamen neue Generationen von Kindersoldaten
in Asien und Afrika zum Einsatz, während die große Zahl der in Lateinamerika und im Nahen Osten
kämpfenden Kinder langsam zurückging. In den Ländern der industrialisierten Welt gibt es einen generellen
Trend zu Berufsarmeen aus Freiwilligen und die Abschaffung der Wehrpflicht; zusammen mit ökonomischen
und sozialen Veränderungen führt dies zu Problemen bei der Aufrechterhaltung der Truppenstärke und übt
einen erheblichen Druck auf die Senkung des Rekrutierungsalters aus.
Während viele Kinder direkt an der Front kämpfen müssen, werden andere als Spione, Boten, Wächter,
Träger, Diener oder Sexsklaven missbraucht; zudem werden Kinder oftmals zum Verlegen und Räumen von
Minen eingesetzt oder darauf konditioniert, Grausamkeiten zu begehen, oftmals sogar gegen die eigenen
Familien und Gemeinschaften. Die meisten Kindersoldaten werden in der Armee körperlich missbraucht und
erleiden andere Entbehrungen; in Extremfällen werden sie in den Selbstmord getrieben oder selbst zu Mördern,
wenn sie die Misshandlungen nicht länger ertragen können. Der Einsatz von Kindersoldaten hat zudem
Auswirkungen auf alle in den Konfliktzonen lebende Kinder: sie sind generell verdächtig und werden von den
kämpfenden Parteien angegriffen.
Manche Kinder werden zwangsweise rekrutiert, andere werden durch Armut, Diskriminierung und
Entfremdung in die bewaffneten Einheiten getrieben. Viele Kinder schließen sich bewaffneten Gruppen an,
nachdem sie Zeuge oder Opfer staatlicher Übergriffe wurden. Die leichte Erhältlichkeit moderner
Handfeuerwaffen hat ebenfalls den Einsatz von Kindersoldaten gefördert, selbst das kleinste Kind kann damit
zu einem effizienten Killer werden. Oftmals wurden Konflikte verschärft durch internationale politische und
militärische Unterstützung für Streitkräfte und bewaffnete Gruppen, die Kindersoldaten einsetzen. Verbunden
mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, z.B. Diamanten oder Öl, wurden so Konflikte verschärft und noch
mehr Kinder in den Kriege hinein gezogen.
Viele Regierungen und bewaffnete Oppositionsgruppen geben an, dass sie Kinder einsetzen, um einen Mangel
an erwachsenen Soldaten auszugleichen. Oftmals werden Kinder jedoch ganz bewusst eingezogen, weil sie
Kinder sind - sie sind billig, entbehrlich und ohne Probleme zu furcht- und gedankenlosem Gehorsam zu
konditionieren. Manchmal werden die Kinder zur Erreichung dieser Ziele mit Drogen und Alkohol versorgt.
Kindersoldaten werden oft im Ausland, unter Flüchtlingspopulationen oder der ethnischen Diaspora
angeworben und über die Grenzen gebracht. Kinder aus Angola, Burundi, Kenia, Ruanda und Unganda haben
Seite an Seite mit ihren erwachsenen Befehlshabern im Bürgerkrieg der Demokratischen Republik Kongo
gekämpft. Aus verschiedenen westeuropäischen Ländern wurden Kinder durch bewaffnete Gruppen aus
Kurdistan oder dem Kosovo rekrutiert.
In vielen Ländern werden Kinder in Schulen und Jugendorganisationen militärisch trainiert und politisch
indoktriniert, oft als Methode zur Steigerung der Wehrbereitschaft oder der Rekrutenzahlen. Tausende von
irakischen Kindern zwischen 10 und 15 Jahren sind Mitglied im Ashbal Saddam (Saddams Löwenklub), einer
nach dem Golfkrieg 1991 gegründeten Jugendbewegung, es wird über das Training an Kleinwaffen,
Nahkampfübungen und Unterricht in Infanterietaktik berichtet. In den Vereinigten Staaten gibt es vom Militär
durchgeführte Programme für Kinder ab 8 Jahre. In den "Young Marines" tragen Jungen und Mädchen im
Alter von 8 - 18 Jahren Uniformen, haben militärische Dienstgrade und nehmen an Exerzierübungen teil. Das
Programm hat über 200 Einheiten in der ganzen Nation, im Frühjahr 2001 nahmen 14865 Kinder und
Jugendliche teil.
Auswirkungen auf Kinder
Kindersoldaten verlieren nicht nur ihre Kindheit, Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten - sie riskieren
zudem körperliche Verletzungen, psychische Traumata und sogar den Tod. Im Vergleich mit erwachsenen
Soldaten müssen Kinder oftmals zusätzliche Nachteile in Kauf nehmen.
Weithin werden sie als billiger und entbehrlicher Gebrauchsgegenstand angesehen, sie erhalten daher vor dem
Fronteinsatz nur wenig oder gar kein Training. In den frühen 80-Jahren wurden während des Iran- Irak
Krieges Tausende von iranischen Kinder direkt aus der Schule zusammen mit den Revolutionsgarden in die
Frontlinie geschickt, vielfach mit einem symbolischen Schlüssel für das den Märtyrern verheißene Paradies
versehen. In jüngerer Zeit wurden während des äthiopisch- eritreischen Grenzkriegs bei Massenaushebungen
der äthiopischen Regierungsarmee Tausende von Mittelschülern auf Marktplätzen und in Dörfern
zwangsrekrutiert, eine große Zahl wurde bei Sturmangriffen in die feindlichen Minenfelder geschickt. Die
Unreife der Kinder kann dazu führen, dass sie außerordentliche Risiken auf sich nehmen - mit den Worten des
Kommandanten einer bewaffneten Gruppe in der Demokratischen Republik Kongo: " (Kinder) sind gute
Kämpfer, weil sie jung sind und sich beweisen wollen. Sie glauben, es sei alles ein Spiel, daher sind sie so
furchtlos."
Es gibt Berichte über erst siebenjährige Kinder, die sich an Kämpfen beteiligt haben. Einige dienen als Träger
(für Lebensmittel und Munition) oder Boten, andere als Spione. Beispielsweise werden in Myanmar Zivilisten,
Kinder ab 10 Jahren eingeschlossen, zu Trägerdiensten für das Militär gezwungen und sogar als Minensucher
und menschliche Schutzschilde eingesetzt: die Internationale Arbeitsorganisation berichtete 1999, dass Kinder
mit Ästen und Stöcken die Straßen fegen mussten, um Minen zu entdecken oder zur Explosion zu bringen.
Sobald die Kinder stark genug sind, um Sturmgewehre oder halbautomatische Waffen zu bedienen
(normalerweise mit 10 Jahren), werden sie als Frontkämpfer eingesetzt. Ein ehemaliger Kindersoldat aus
Burundi: "Wir verbrachten schlaflose Nächte mit dem Warten auf den Feind. Meine erste Aufgabe war es, eine
Lampe für die älteren Rebellen zu tragen. Später wurde mir gezeigt, wie man Handgranaten einsetzt. Etwa nach
einem Monat trug ich ein AK-47 danach bekam ich sogar ein deutsches G-3."
Wenn sie nicht im Kampfeinsatz sind, sieht man die Kinder oft an check-points auf den Straßen. In Afghanistan
kontrollieren junge Religionsschüler aus Pakistan für die Taliban Stadtzentren und Verkehrsknotenpunkte, so
werden erfahrene Kämpfer für Fronteinsätze frei. Andere, wie der 15-jährige Stevica aus der früheren
Republik Jugoslawien, haben Unterstützungsaufgaben: "Ich pflege die Waffen, schreibe Berichte und koche.
Ich arbeite für die serbischen Tiger. 100 von uns sind aus Mazedonien, wir sind aber alle Serben."
In vielen Ländern werden auch Mädchen als Soldaten eingesetzt, ihre Zahl ist allerdings sehr viel geringer als
die der Jungen. Zahlreiche Regierungen und bewaffnete Gruppen überall in der Welt steigern die Rekrutierung
und die von weiblichen Personen zu erfüllenden Aufgaben in ihren Streitkräften, in vielen Fällen betrifft dies
auch unter 18 jährige Mädchen. Beispielsweise werden in Sri Lanka seit Mitte der 80- er Jahre junge
tamilische Mädchen, oftmals Waisen, systematisch von den oppositionellen "Befreiungstigern für Tamil Eelam"
(LTTE) rekrutiert. Als "Birds of freedom" bezeichnet, werden sie als Selbstmordattentäter trainiert, weil sie die
Sicherheitsmaßnahmen der Regierung besser unterlaufen können. Im Oktober 1999 waren unter den 140
LTTE- Kadern, die in der Schlacht von Ampakamam im Norden des Landes von Sicherheitskräften getötet
wurden, 49 Kinder, 32 von ihnen waren Mädchen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren.
Mädchen sind der Gefahr der Vergewaltigung, der sexuellen Sklaverei und des Missbrauchs in besonderer
Weise ausgesetzt, allerdings liegen auch Berichte über die Ausbeutung von Jungen zu diesen Zwecken vor. Die
14-jährige Concy A. wurde aus Kitgum in Uganda von der Lord Resistance Army (LRA) in den Sudan
verschleppt und erzählte "wie sie an Männer übergeben wurden. Ich wurde einem Mann zugeteilt, der gerade
seine Frau ermordet hatte. Ich bekam kein Gewehr, half aber bei den Entführungen und den
Lebensmittelplünderungen der Dorfbevölkerung. Mädchen, die sich weigerten und keine LRA- Frauen werden
wollten, wurden zur Abschreckung öffentlich hingerichtet." Grace A. bekam im offenen Gelände ein Baby, der
Vater des Mädchens war einer der (LRA) Entführer: "Ich nahm das Gewehr und das Kind auf den Rücken"
und setzte den Kampf gegen die Regierungstruppen fort. In Kolumbien werden Mädchen in den bewaffneten
Gruppen oftmals Opfer von sexuellem Missbrauch. Die größte kolumbianische Guerillabewegung (FARC)
vertreten eine Politik der "sexuellen Freiheit", es gibt Berichte über junge Mädchen den zwangsweise ein Pessar
eingesetzt wurde; eine 15 - jährige Kindersoldatin war schwanger, als sie im Kampf getötet wurde.
Sogar in den Streitkräften der industrialisierten Länder, bei denen man eigentlich von zivilisierterem Umgang
ausgehen sollte, sind junge Rekruten - und besonders Mädchen - Schikanen und Missbrauch ausgesetzt. In
den vergangenen Jahren wurden unter 18-jährige Rekruten in der Britischen Armee schikaniert und erniedrigt,
dies schloss Scheinhinrichtungen, Simulation von Vergewaltigungen, "Regimentsbäder" in Erbrochenem und
Urin und das erzwungene Essen von Schlamm ein. Im August 1997 wurde eine 17-jährige Rekrutin der
Britischen Armee während eines Manövers von einem betrunkenen Ausbilder zu sexuellen Handlungen genötigt
und vergewaltigt. Sie erklärte dem Richter, "dass sie nicht geschrien hat, weil er ein Sergeant war und einen
höheren Dienstgrad hatte. Man darf den Boss nicht missachten." (Der Ausbilder wurde im November 1998 zu
sieben Jahren Haft verurteilt.) 1999 verbannte ein Schulbezirk im US-Staat Washington die Rekruteure der
Armee aus den Schulen, weil gegen zahlreiche Angehörige der Armee eines örtlichen Rekrutierungsbüros
wegen sexueller Belästigung von High-School Mädchen ermittelt wurde.
Neben dem Risiko, getötet oder im Kampf verletzt zu werden, leiden Kindersoldaten unverhältnismäßig stark
unter der Härte des Militärlebens. Jüngere Kinder brechen unter den schweren Traglasten zusammen,
Unterernährung, Infektionen der Atemwege, Hautkrankheiten und andere Beschwerden sind weit verbreitet.
Kindersoldaten können zudem durch Drogen und Alkoholmissbrauch gefährdet werden ( sie werden auch oft
zur Abstumpfung gegen Gewalt benutzt), sie werden Opfer von Geschlechtskrankheiten inklusive AIDS/HIV
und ungewollten Schwangerschaften. Verluste des Gehörs oder des Sehvermögens sind weit verbreitet, ebenso
Verletzungen durch Landminen.
Rücksichtsloser Drill und andere Formen der Misshandlung verursachen oft Verletzungen oder gar Todesfälle
bei den jungen Soldaten. In Paraguay starben 56 unter-18-jährige während ihres Militärdienstes, allein 6 von
ihnen im Jahre 2000. Am 3. April 2001 wurde der 17-jährige Héctor Adán Macial von einem Kameraden
erschossen, weil er sich weigerte, ihm Zigaretten zu geben. Er starb auf Grund unzureichender medizinischer
Versorgung, die Streitkräfte argumentierten, dass Intensivpflege zu teuer wäre. Macial wurde mit 16 Jahren
rekrutiert, es wird berichtet, dass die Armee die Unterschrift seiner Mutter unter der Einwilligung zur
Rekrutierung gefälscht hat. Zwischen 1982 und 1999 starben 92 Rekruten im Alter von 16 und 17 Jahren
während ihres Dienstes in der britischen Armee, vier dieser Soldaten starben an Verwundungen, die sie sich im
Kampf zugezogen hatten. Im Jahr 1998 ertrank ein 16-jähriger Soldat der königlichen Marineinfanterie
während eines 30 - tägigen Einzelkämpfertrainings, er sollte mit voller Ausrüstung einen Fluss überqueren. Es
war der vierte Todesfall während des Trainings in zweieinhalb Jahren.
Kinder werden oft brutal behandelt, die Strafen für Fehler oder Desertion sind hart. Im Mai 2001 wurden in
der Demokratischen Republik Kongo vier Kinder im Alter zwischen 14 und 16 Jahren durch ein Militärgericht
auf Grund eines Sondergesetzes zur Bekämpfung von Plünderungen und Raubzügen von Kindersoldaten zum
Tode verurteilt. In Äthiopien klagten junge Wehrpflichtige, dass Kameraden, die während der Angriffe zu
entkommen suchten, erschossen wurden; andere, die lebend von den Sturmangriffen zurück kehrten wurden
misshandelt, der Desertion angeklagt und in Erdlöcher gesperrt. Im September 2000 formulierte das UN-
Komitee generelle Bedenken über die Anwendbarkeit des Militärstrafrechts auf unter 18-jährige Rekruten,
dies ist möglicherweise ein Verstoß gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes und den
internationalen Standards der Jugendgerichtsbarkeit.
In vielen Ländern droht kapitulierenden, gefangenen oder entflohenen Kindersoldaten Misshandlung, Folter
oder sogar der Tod. Am 26 Mai 2000 wurde im nepalischen Dorf Urma ein 17-jähriges Mädchen zusammen
mit fünf anderen verdächtigen Maoisten getötet, angeblich war sie verwundet und hatte sich ergeben wollen. In
Burundi hat die Regierung Kinder über lange Zeit ohne Anklage oder Verfahren inhaftiert und gefoltert, viele
von unter dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit bewaffneten Oppositionsgruppen. Andere sind Racheakten
ihrer Dorfgemeinschaften ausgesetzt und erhalten nur wenig Schutz. Am 25 Oktober 2000 überfiel in Sri Lanka
ein Mob aus nahe gelegenen Dörfern das Bindunuwewa Rehabilitationszentrum, der Angriff forderte 26 Opfer
im Alter zwischen 14 und 23 Jahren. Die näheren Umstände werden derzeit untersucht. In Sierra Leone
wurden zahlreiche bereits entlassene Kinder re- rekrutiert, manche direkt in den Rehabilitationszentren.
Selbst dann, wenn nur einige wenige Kinder als Soldaten an einem Konflikt beteiligt sind, geraten trotzdem alle
Kinder der Gegend unter Verdacht - ob sie Kombattanten oder Zivilisten sind, spielt dann keine Rolle mehr.
Das UN-Kinderrechtskomitee und der UN-Sonderberichterstatter zu Kindern in bewaffneten Konflikten
haben beispielsweise große Besorgnis über die außergerichtlichen Hinrichtungen, Folterungen und das
Verschwindenlassen von Jugendlichen im Nordosten Indiens geäußert, die der Kollaboration mit bewaffneten
Gruppen verdächtigt wurden. Am 15. August 2000 verwechselte eine Armeeeinheit in Pueblo Rico,
Kolumbien einen Schulausflug mit einer Guerillaeinheit und eröffnete das Feuer. Sechs Kinder im Alter
zwischen 6 und 10 Jahren starben, sechs weitere wurden verwundet.
Das Verständnis für die gesamten psychologischen Auswirkungen der Beteiligung von Kindern am bewaffneten
Konflikt beginnt sich erst zu entwickeln, besonders für diejenigen Kinder, die Zeuge von Grausamkeiten
wurden oder sie selbst begangen haben. Die Zeugenaussage eines 14 -jährigen Mädchens, das von der
Rebellenbewegung RUF in Sierra Leone im Januar 1999 verschleppt wurde: "Ich habe gesehen, wie Menschen
die Hände abgeschnitten wurden, wie ein 10-jähriges Mädchen vergewaltigt wurde und dann starb, und wie so
viele Menschen lebendig verbrannt wurden... So oft habe ich still in mein Herz geweint, weil ich nicht laut zu
weinen wagte." Aus Algerien gibt es einen Bericht über etwa 12-jährige Jungen, die ein 15-jähriges Mädchen
enthaupteten und mit dem Kopf "Fangen" spielten.
In vielen Teilen der Erde gibt es wachsende Erfahrungen mit der körperlichen und psychologischen
Rehabilitation von Kindersoldaten sowie ihrer erfolgreichen Reintegration in die Gesellschaft, einige davon
werden in diesem Bericht dokumentiert. Oftmals kombinieren diese Programme die letzten Erkenntnisse in
Psychologie und kindlicher Entwicklung mit traditionellen Bräuchen und Ritualen. Der Übergang von einem
hochmilitarisierten Umfeld zum Zivilleben kann extrem schwierig sein, besonders für diejenigen, die ihre
Familien verloren haben oder von ihnen abgelehnt werden oder die in Gesellschaften leben, deren soziale
Infrastruktur durch den jahrelangen Krieg erschüttert wurden. Besondere Aufmerksamkeit muss in solchen
Programmen den Erfahrungen und speziellen Bedürfnissen der Mädchen gewidmet werden, sie wurden in
Hilfsprogrammen oftmals übersehen und durch traditionelle patriarchalische Werte benachteiligt.
Diese Programme sind lebenswichtig für friedensschaffende Anstrengungen, die langfristige Stabilität und
Entwicklung von Nachkriegsgesellschaften. Die Vereinten Nationen haben, auch in der Sicherheitsrat-
Resolution 1314 vom August 2000, auf die Wichtigkeit der Einbeziehung von Entwaffnung, Demobilisierung
und Reintegration ehemaliger Kindersoldaten in Friedensverhandlungen und -vereinbarungen hingewiesen,
Geldgeber haben mehr Unterstützung für diesen kritischen Bereich zugesagt. Dringend notwendig sind aber
konsistentere und langfristige Verpflichtungen, wenn das Problem konsequent angegangen und gelöst werden
soll.
Ein globales Problem
Wie dieser Bericht zeigt, ist der Einsatz von Kindern als Soldaten ein weltweites Problem, das globale
Lösungen erfordert. Während in Afrika und Asien das Problem die kritischsten Ausmaße angenommen hat,
werden Kinder jedoch auch in Amerika, Europa und dem Nahen Osten von Regierungen und bewaffneten
Gruppen eingesetzt. Das folgende Kapitel bietet einen kurzen Überblick über jede Region, Details sind in den
Ländereintragungen dieses Berichts zu finden.
Die Berichte über die Regionen befinden sich auf unseren "Regionen"-Seiten:
Auf dem Weg zu einem weltweiten Bann des Einsatzes von Kindersoldaten
Die letzten Jahre haben auf internationaler Ebene einige wesentliche Durchbrüche im Hinblick auf einen
globalen Bann des Einsatzes von Kindersoldaten gebracht.
Die 1989 verabschiedeten und heute fast weltweit ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention definiert das Kind
als "jeder Mensch, der das Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht hat, so weit die Volljährigkeit nach dem für
das Kinder anzuwendenden Recht nicht früher eintritt" (Artikel 1). Trotzdem setzt sie für die militärische
Rekrutierung und die Beteiligung an bewaffneten Konflikten das niedrigere Alter von 15 Jahren fest, gleichzeitig
appelliert sie an die Staaten, bei Rekrutierungen unter 18 Jahren die Ältesten prioritär heranzuziehen. (Artikel
38).
Vom Jahr 1993 an unternahm das UN-Kinderrechtskommitee unter der Schirmherrschaft der
UN-Menschenrechtskommission verstärkte Anstrengungen, diese Bestimmungen zum Einsatz von
Kindersoldaten zu verschärfen. Neuen Schub bekam diese Debatte durch die bahnbrechende Studie zu
Kindern in bewaffneten Konflikten, die Graca Machel für die Vereinten Nationen im Jahr 1995 durchführte.
Der UN-Generalsekretär, UNICEF, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, der Sonderbeauftragte
des UN-Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte, viele Regierungen, Regionalzusammenschlüsse
und Nichtregierungsorganisationen verlangten das Verbot der militärischen Rekrutierung und die Beteiligung
von Kindern unter 18 Jahren an Feindseligkeiten (dies wurde als "straight 18" -Position bekannt).
Nach vielen Jahren der Verhandlung verabschiedete die UN- Vollversammlung am 25. Mai 2000 im Konsens
das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes über die Beteiligung von Kindern in
bewaffneten Konflikten. Das neue Zusatzprotokoll hilft bei der Korrektur der Unstimmigkeiten der
Kinderrechtskonvention, indem es das Mindestalter für die direkte Beteiligung an Kampfhandlungen, die
Wehrpflicht und für jede Form der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von 15 auf 18 Jahre
anhebt. Es fordert außerdem die Regierungen auf, das Mindestalter anzuheben und strikte Sicherungen
für jede Form der Rekrutierung von Freiwilligen unter 18 einzuführen.
Obwohl das Zusatzprotokoll hinter der "straight 18" Position zurückbleibt, stellt es doch einen signifikanten
Schritt in Richtung eines weltweiten Banns des Einsatzes von Kindersoldaten dar. Es stützt sich zudem auf eine
Reihe von weiteren wesentlichen Entwicklungen des internationalen Rechts:
-
Das römische Statut für einen Internationalen Strafgerichtshof (ICC, International Criminal Court)
definiert "die Einziehung oder Anwerbung von Kindern unter dem Alter von 15 Jahren in die
nationalen Streitkräfte oder ihr aktiver Einsatz bei Feindseligkeiten" als Kriegsverbrechen,
gleichgültig ob der Einsatz in einem internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikt
stattfand (Artikel 8)
-
Die Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über das Verbot und die sofortige
Aktion zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, die im November 2000 in Kraft trat,
definiert als "Kind" alle Personen unter 18 Jahren (Artikel 2) und legt fest, dass zu den schlimmsten
Formen der Kinderarbeit auch "...die erzwungene Rekrutierung oder die Wehrpflicht von Kindern
für den Einsatz in bewaffneten Konflikten" zählt (Artikel 3)
- Die afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes, die im November 1999 in
Kraft trat, verbietet die Rekrutierung oder direkte Partizipation an Feindseligkeiten oder interner
Auseinandersetzungen unter dem Alter von 18 Jahren (Artikel 22)
- Der UN-Sicherheitsrat (in den Resolutionen 1261 und 1314), die UN-Vollversammlung, die
UN-Menschenrechtskommission, die Organisation für afrikanische Einheit, die Organisation
amerikanischer Staaten, die OSZE und das europäische Parlament haben alle den Einsatz von
Kindersoldaten verurteilt
- Die Organisation der islamischen Konferenz hat die Nichtrekrutierung von (Flüchtlings-) Kindern in allen
Kriegssituationen verlangt; seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II hat für ein Ende des Einsatzes von
Kindersoldaten gebetet.
Das Zusatzprotokoll spiegelt zusammen mit den anderen Entwicklungen des internationalen rechtlichen
Rahmens den starken internationalen Konsens gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten wieder. Der Einsatz
von Kindern als Kriegswaffen ist wie der Einsatz von Landminen, von chemischen oder biologischen Waffen -
einfach unakzeptabel unter allen Umständen.
Die universelle Ratifikation des Zusatzprotokolls wird die Basis für einen weltweiten Bann des Einsatzes von
Kindersoldaten bilden, wenn sie von effektiven rechtlichen und programmatischen Maßnahmen begleitet wird.
Sie wird auf der fast vollständigen Ratifikation der Mutterkonvention zu den Rechten des Kindes aufbauen.
Zum Zeitpunkt dieser Publikation haben 79 Staaten das Zusatzprotokoll unterzeichnet, vier haben ratifiziert
(Canada, Bangladesh, Sri Lanka und Andorra), viele andere befinden sich im Ratifizierungsprozess. Zum
In-Kraft-Treten werden 10 Ratifikationen benötigt.
Die UN-Vollversammlung, der UN-Sicherheitsrat und der Generalsekretär haben alle Staaten aufgefordert,
das Zusatzprotokoll ohne Verzögerung zu zeichnen und zu ratifizieren. Dieser Ruf wurde auch von den
Ministern erhoben, die im September 2000 an der Konferenz über vom Krieg betroffenen Kindern in
Winnipeg teilnahmen.
Bei einer Serie von regionalen Konferenzen, die die Coalition organisierte, wurde diese Aufforderung noch
verstärkt.
Die Coalition to Stop the Use of Child Soldiers fordert in einer weltweiten Ratifikationskampagne alle Staaten
auf, ohne Verzögerung das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention ohne Vorbehalte zu ratifizieren
und für alle Formen der militärischen Rekrutierung mindestens 18 Jahre als Mindestalter festzulegen. Diese
Ratifikationskampagne wird durch den Sonderbeauftragter des Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten
Konflikten (SRSG), der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und UNICEF gebilligt und unterstützt.
Am bedeutsamsten ist die in diesem Bericht nachgewiesene Tendenz, dass eine Mehrheit der Länder keine
Kinder unter 18 Jahren rekrutiert. Viele nehmen die Gelegenheit wahr, um ihre derzeitige Rechtsprechung und
Praxis zu überprüfen und erhöhten das Mindestalter zur militärischen Rekrutierung auf mindestens 18 Jahre.
Sogar einige der nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, von jeder politischen Ausrichtung und aus jedem Teil
der Welt, sind internationale Verpflichtungen zur Einhaltung dieses Standards eingegangen.
Die UN selbst haben ein Mindestalter von 18 Jahren für die Teilnahme von Zivilpolizei und Militärbeobachtern
an UN- Friedensmissionen festgelegt, wobei sie ein Alter von 21 Jahren bevorzugen würde. Diese Einsätze
gehören mit zu den primären Funktionen, in denen sich viele Streitkräfte derzeit engagieren.
Die Coalition to Stop the Use of Child Soldiers hofft, dass dieser Bericht, die erste globale Übersicht ihrer Art,
ein neues Verständnis für dieses Problem und neue Ansätze für den Schutz der Kinder vor diesem Missbrauch
auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene zu entwickeln.
Warum müssen militärische Rekrutierungen von unter 18-jährigen verboten werden?
Die UN- Kinderrechtskonvention definiert das Kind im allgemeinen als jede Person mit einem Alter unter 18
Jahre.(Artikel 1) In der übergroßen Mehrheit aller Länder legt das nationale Recht 18 Jahre als Wahlalter fest,
weil damit der formale Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein mit seinen rechtlichen und moralischen
Verpflichtungen markiert wird. Die gleiche psychologische Reife sollte daher für die Entscheidung erforderlich
sein, den bewaffneten Streitkräften beizutreten.
Artikel 32 der UN- Kinderrechtskonvention verlangt von den Staaten, Kinder vor "jeder Arbeit zu schützen,
die gefährlich sein kann oder die Ausbildung des Kindes stört." Militärdienst kann die Gesundheit und
Sicherheit von Kindern gefährden. Einige Aspekte der Rekrutenausbildung- besonders Übungen mit scharfer
Munition und Ausdauertrainings - können Tod, Verletzung oder Traumata verursachen.
Die Machtverhältnisse im Militär machen junge Rekruten oft verletzlich für Schikanen, Mobbing, Missbrauch
und manchmal sogar Vergewaltigung.
Freiwillige Meldungen sind oft unfreiwillig: selten basiert sie auf dem freien Willen des Kindes, sondern werden
von Faktoren beeinflusst, die das Kind nicht kontrollieren kann. Die Linie zwischen Freiwilligkeit, Wehrpflicht
und Zwangsrekrutierung wird oftmals von verschiedenen Umweltfaktoren bestimmt und ist nicht eindeutig zu
ziehen, sie beeinflussen das Kind zur "freiwilligen Meldung". Kinder aus den ärmsten, am schlechtesten
ausgebildeten und marginalisierten Schichten der Gesellschaft werden oft ermuntert, den Streitkräften
beizutreten, sie gelten als Arbeitsmöglichkeit und ökonomische Alternative.
Sobald sie rekrutiert sind, gelten Kinder als Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte. Das internationale
humanitäre Recht, insbesondere die Genfer Rot-Kreuz-Protokolle von 1949 und ihre Zusatzprotokolle von
1977 ("Genfer Konvention) machen einen fundamentalen Unterschied zwischen "Zivilisten" und
"Kombattanten". Mitglieder von Streitkräften sind Kombattanten nach internationalem humanitärem Recht, dies
bedeutet, sie können legal töten und getötet werden, auch wenn sie unter 18 Jahre alt sind. Dies kann zu der
Situation führen, dass einer Person unter 18 Jahren die Teilnahme an Feindseligkeiten verboten wird, sie aber
nichtsdestotrotz ein legales Ziel ist, weil er oder sie rekrutiert und daher ein Mitglied der bewaffneten
Streitkräfte wurde.
In vielen Ländern sind die Geburtsregister mangelhaft oder nicht vorhanden, Kinder wissen nicht, wie alt sie
sind. In Mindestalter von 18 Jahren kann in einer solchen Situation von den Rekruteuren leichter eingehalten
werden, die Schätzung des körperlichen Entwicklungsstandes ist einfacher.
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