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Ostermarsch in der Garnisonsstadt

Von Andreas Fritsche *

Ein Denken und Handeln, das aus der Spirale der Gewalt herausführt und ein friedliches Miteinander ermöglicht. Das wünscht sich die Friedenskoordination Potsdam. Sie ruft auf zum 13. Potsdamer Ostermarsch am kommenden Sonnabend. Die Auftaktkundgebung beginnt um 14 Uhr am Brandenburger Tor. Als Redner angekündigt ist der frühere Europaparlamentarier Tobias Pflüger, der dem Bundesvorstand der Linkspartei angehört.

Über die Stationen Bassinplatz und Altes Rathaus geht es zur Abschlusskundgebung, die gegen 16 Uhr auf dem Platz der Einheit stattfinden soll. Wer sich nicht zutraut, die Strecke zu laufen, wird eingeladen, nur zum Auftakt oder nur zum Abschluss zu kommen. Angemeldet sei der Ostermarsch für 150 Personen, verrät Mitorganisator Horst Jäkel. Die LINKE, die DKP, die Freidenker, die Soziale Bewegung und andere unterstützen die Bemühungen.

»Krieg darf endlich kein Mittel der Politik mehr sein!«, heißt es im Aufruf. Gefordert wird dort der Rückzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, ein Verbot von Rüstungsexporten, die Abschaffung der Atomwaffen und die Auflösung der NATO. Angesichts 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August und 75 Jahre Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September »dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Stadt mehrfach Ausgangs- und Mittelpunkt dieser verheerenden Kriege war«, steht im Aufruf. »Potsdam, seit dem 18. Jahrhundert preußische Garnisonsstadt, war eines der Zentren des Militarismus und zugleich Nährboden für ultrakonservatives und nationalsozialistisches Gedankengut.« Der Aufruf verweist beispielsweise auf die Eroberungskriege von König Friedrich dem Großen.

Vor den Toren der Stadt in Geltow befinde sich heute das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, dass die Auslandseinsätze steuert. Dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Armee zum attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen wolle, interpretiert die Friedenskoordination als Versuch, das Militär »wieder hoffähig« zu machen. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen, lautete eine Losung nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch nach Einschätzung der Friedenskoordination sehen dies heute viele Politiker offenbar anders

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 8. April 2014


»Verhandeln ist besser als schießen«

Friedensbewegung will bei Ostermärschen gegen Kriegsgeschrei sowie in- und ausländische Neonazis demonstrieren. Gespräch mit Willi Hoffmeister **

Willi Hoffmeister ist Sprecher des Ostermarsches Rhein-Ruhr.

Die traditionellen Ostermärsche stehen kurz bevor. Wie sehr werden die Vorgänge in der Ukraine und die Stimmungsmache der selbsternannten westlichen Wertegemeinschaft bei den Aktionen der Friedensbewegung thematisiert?

Zunächst möchte ich feststellen, daß Friedensbewegte durch die Entwicklung in der Ukraine überrascht wurden. Das hat in den letzten Wochen zu einer ausgiebigen Beratungstätigkeit geführt, die sich auch bis zu den Ostermärschen fortsetzen wird. Friedensratschlag und Friedenskooperation haben ihre Erklärungen neben vielen anderen abgegeben und werden am 16. April gemeinsam in Kassel das weitere Vorgehen beraten. Zur Einschätzung des Themas möchte ich mich auf den Ostermarsch Rhein-Ruhr beziehen. Dieser letzte Konflikt konnte im Aufruf für 2014 wegen der frühen Endredaktion nicht berücksichtigt werden. Wir werden das mit einem Flugblatt nachholen. Das Thema wird sich sicherlich auch in den Redebeiträgen niederschlagen.

Sie selbst sind seit den frühen 1950er Jahren, damals gegen Remilitarisierung und Atomwaffen, in der Friedensbewegung aktiv. Fühlen Sie sich durch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert?

Es soll ja Menschen gegeben haben, die meinten, mit dem Ende der Blockkonfrontation sei der Weltfrieden gesichert. Nicht erst da, aber spätestens mit dem völkerrechtswidrigen Überfall der NATO 1999 auf Jugoslawien wurde mehr als deutlich, daß Rüstung und Krieg Bestandteil des Westens und der NATO sind. Um ihren Machteinfluß auszuweiten, ist ihnen jedes Mittel recht. In all den Überlegungen war und ist ihnen die Ukraine ein Filetstück. Wer, wie die USA, mal eben mit fünf Milliarden Dollar die Auseinandersetzungen in der Ukraine anheizt, verfolgt damit ein bestimmtes Ziel. Trotz aller gegenteiligen Versprechungen an Rußland, wurde die NATO-Grenze immer weiter gen Osten verschoben. Ich halte es in diesem Fall mit dem ehemaligen deutschen Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler (SPD), der sagt: »Kein russischer Präsident würde geduldig dabei zusehen, wie eine eindeutig antirussische Regierung in Kiew versucht, die Ukraine in Richtung NATO zu führen.«

In der Ukraine werden Nazigegner und Kommunisten zur Zeit von Faschisten verfolgt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dagegen vorzugehen?

Daß im ukrainischen »Übergangsparlament« eindeutig Rechtsextreme und Faschisten mitregieren, ist ein Skandal. Daß unsere Regierung sich nicht eindeutig davon distanziert, ein weiterer. Die innenpolitische Entwicklung in der Ukraine muß jeden Demokraten mit großer Sorge erfüllen. Die Friedensbewegung setzt dem Kriegsgeschrei die Position »Verhandeln ist besser als schießen« entgegen. Eine starke Beteiligung bei den Ostermärschen und klare Forderungen an die eigene Regierung könnten ein wichtiges Zeichen der Solidarität an die um Frieden und Deeskalation bemühten Menschen in der Ukraine und Rußland sein.

Beim Ostermarsch Ruhr wurde bisher nicht nur das Thema Krieg und Frieden thematisiert, sondern auch die überdurchschnittlich aktive Neonaziszene, deren Anhänger mehrfach versuchten, Zwischenkundgebungen der Ostermarschierer im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld zu stören. Was wollen Sie den Neofaschisten entgegensetzen?

Als erstes: Alle Versuche von Nazis, sich beim Ostermarsch einzumischen, werden unmißverständlich zurückgewiesen. Dazu gibt es klare Absprachen mit der Polizei.

Mit dem überörtlichen Ostermarsch-Auftakt am Karfreitag in Gronau und dem folgenden dreitägigen Weg durch das Rhein-Ruhr-Revier befassen sich drei der 17 Auftakt-, Zwischen- und Abschlußveranstaltungen speziell mit diesem Thema. Die Kundgebung am Ostermontag in Dortmund-Dorstfeld hat das Motto: Nein zu Rassismus und Krieg. Viele kommen nicht zuletzt deshalb nach Dorstfeld und beteiligen sich am letzten Stück des Weges. Schon für Karfreitag ruft das Dortmunder Friedenforum zum Mahngang und zur Gedenkveranstaltung für die von den Nazis 1945 ermordeten Antifaschisten in der Bittermark auf.

Interview: Markus Bernhardt

** Aus: junge Welt, Dienstag, 8. April 2014


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