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"Die NATO will die Kommunikation steuern"

Eine entsprechende Fachkonferenz soll in Essen stattfinden. Dagegen regt sich jetzt schon Widerstand. Ein Gespräch mit Siw Mammitzsch *


Ende November will die NATO-Einrichtung »Joint Air Power Competence Centre«, JAPCC, in Essen eine Konferenz unter dem Titel »Luftwaffe und strategische Kommunikation« abhalten. Die DKP Essen fordert nun den dortigen Oberbürgermeister Reinhard Paß, SPD, in einem offenen Brief auf, das zu verhindern. Welchen Stellenwert hat die Konferenz?

Von der Bedeutung her ist dieses Jahrestreffen des JAPCC mit der Sicherheitskonferenz in München gleichzusetzen. Was dort zur Entwicklung strategischer Kriegsführung angedacht wird, entwickelt es detailliert weiter. Im November 2014 kam das JAPCC zu dem Schluss, dass sich die NATO wieder auf einen »großen Krieg« einstellen müsse, und zwar mit einem Mix »nuklearer und konventioneller Potentiale«. Es bereitet offensiv einen dritten Weltkrieg vor.

Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz vom 23. bis 25. November ist die Kommunikation. Die NATO will sie so steuern, dass ihr interner Gegner – die Friedensbewegung also – geschwächt wird. In der Einladung zur geplanten Konferenz heißt es zum Beispiel, es gebe Kräfte, die dem Militär gegenüber »feindlich eingestellt« und eine Gefahr seien, weil sie die Unterstützung der Öffentlichkeit für militärische Maßnahmen untergrüben.

Das JAPCC hat also die Antikriegshaltung als Problem erkannt. Wendet es sich mit seiner Tagung direkt gegen Militärkritiker und Pazifisten?

Eines der vier geplanten Symposien wird sich mit den Medien beschäftigen. Geplant ist, Journalisten und PR-Experten der NATO zusammenzubringen, mit dem Ziel, künftig die Sicht der NATO besser in den Medien darzustellen. Die Militärstrategen sind offensichtlich unzufrieden damit, dass es die Friedensbewegung mit ihren Aktionen in der Vergangenheit geschafft hat, die Bevölkerungsmehrheit auf ihre Seite zu bringen. Ein Beispiel dafür ist der Ukraine-Konflikt. Ein Großteil der Deutschen war sich schnell bewusst, dass die Rolle Rußlands in diesem Konflikt falsch dargestellt wurde. Die einseitige Berichterstattung der Medien wurde auch heftig kritisiert.

Das JAPCC hat das Ziel, die öffentliche Meinung künftig stärker zu beeinflussen, um bei der Umsetzung militärischer Strategien schneller ans Ziel zu gelangen. Aus Papieren zur Konferenz geht hervor: Geplant ist, Russland mit einer Medienkampagne zu begegnen und in den NATO-Staaten weiter zu diskreditieren.

Wen begreift denn diese NATO-Denkfabrik genau als Störfaktor?

Gemeint sind offenbar all jene, die sich wagen, militärische Maßnahmen kritisch zu hinterfragen und sich zu einer friedlichen Welt zu bekennen. Aus unserer Sicht auch zum Beispiel der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß, der seit März 2010 den Titel »Mayor for Peace« trägt und damit die Stadt Essen in der Liste der »Kommunen für den Frieden« repräsentiert. Er sollte sich mit diesem Titel nicht nur schmücken, sondern ihm jetzt gerecht werden und dafür sorgen, dass diese Konferenz in den Essener Messehallen auf keinen Fall stattfindet. Deshalb wenden wir uns in einem offenen Brief an ihn: Erstens darf er dem JAPCC keine städtischen Räume zur Verfügung stellen. Zweitens soll er die Organisation auffordern, der Stadt fernzubleiben.

Welchen Stellenwert hat das JAPCC innerhalb der NATO?

Die Konferenz ist in der NATO als Kompetenzzentrum eingebunden. Beteiligt sind hochrangige Offiziere, Politiker, Medienvertreter, Wissenschaftler und Industrielle der NATO-Staaten. In deren Sinn ist es, militärisch in Konflikte wie in der Ukraine oder der Türkei einzugreifen. Aus deren Sicht ist es keine gute Idee, wenn die einzelnen Staaten weniger für ihr Militär ausgeben.

Wie wird die Friedensbewegung darauf reagieren?

Außerparlamentarische Gruppen sowie die Parteien Die Linke und DKP wollen eine solche Politik durchkreuzen. Sie dient nur den Interessen von Großkonzernen, denen es hauptsächlich um den weltweiten Zugang zu Rohstoffen geht. Wir werden diese Konferenz in keinem Fall unwidersprochen stattfinden lassen. Am 21. November gibt es dagegen eine Demonstration und andere Proteste.

Interview: Gitta Düperthal

* Siw Mammitzsch ist im Kreisvorstand Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) in Essen und Kandidatin für die dortige Oberbürgermeisterwahl am 13. September.

Aus: junge Welt, Freitag, 7. August 2015



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