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"Frieden" der Truppe gestört

Nach Antikriegscamp in Sachsen-Anhalt: Bußgeldverfahren gegen Besetzer des Gefechtsübungszentrums Altmark und Vorbereitungen für Aktionen 2015

Von Susan Bonath *

Die Proteste gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt) im August haben ein Nachspiel. Wie die Bundeswehr jetzt gegenüber lokalen Medien mitteilte, wurden rund 100 Verfahren gegen Friedensaktivisten eröffnet. Demnach wird ihnen Hausfriedensbruch vorgeworfen. Sie sollen wegen einer Besetzung des Truppenübungsplatzes während des »War starts here«-Camps bis zu 100 Euro zahlen. Wie Helmut Adolf, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) »Offene Heide« im Gespräch mit jW berichtete, verschickt das Bundesverteidigungsministerium derzeit Anhörungsbögen, in denen sich die Aktivisten zu ihren »Taten« äußern sollen.

Zu den Besetzungen hatten verschiedene am Camp beteiligte Gruppen aufgerufen. Mitgliedern der Initiative »Gewaltfreie Aktion – GÜZ abschaffen«, darunter Aktivisten der »Offenen Heide«, war es mehrmals gelungen, das Militärgelände friedlich in Beschlag zu nehmen. Unter dem Motto »Flöten statt töten« musizierten sie auf dem Platz, schlugen Zelte auf und lasen aus Kriegstagebüchern vor. Mit Transparenten kritisierten sie die deutsche Außenpolitik, Rüstungsexporte und Auslandseinsätze der NATO sowie die Aufrüstung der Truppe.

Im GÜZ Altmark erhalten jährlich bis zu 25.000 Bundeswehr- und NATO-Soldaten den letzten Schliff für Kriegseinsätze. Der rund 230 Quadratkilometer große Truppenübungsplatz gilt als der modernste Europas. Derzeit entsteht auf dem Gelände die Übungsstadt »Schnöggersburg« mit Hochhäusern, »Slums«, Flugplatz, Industriegebieten und U-Bahn nach westlichem Modell (jW berichtete). Auf 6,5 Quadratkilometern sollen Bundeswehr- und NATO-Soldaten ab 2017 für Einsätze in Großstädten trainieren. Just während der Proteste hatte die Truppe ihr Gelände um rund 40 Quadratkilometer erweitert. Möglich wurde das durch einen Waldtausch des Bundes mit dem Land Sachsen-Anhalt zu Jahresbeginn. So konnte der Altmarkkreis Salzwedel darauf verzichten, das Gelände um das GÜZ großflächig zur Protestverbotszone zu erklären. Gerichte hatten diese Maßnahme in den vergangenen Jahren für rechtswidrig erklärt.

BI-Sprecher Helmut Adolf sagte, man berate nun darüber, wie mit den Anhörungen umgegangen werden soll. Die »Gewaltfreie Aktion« empfiehlt, möglichst viele Mitstreiter sollten Antworten an das Ministerium schicken, in denen »unsere antimilitaristische Haltung deutlich wird«. Es sei wichtig, stets inhaltlich zu argumentieren, warum das GÜZ geschlossen werden müsse. Mit Bußgeldverfahren kennen sich die Aktivisten aus. Auch 2013 hatte eine Gruppe der BI »Offene Heide« das Militärgelände besetzt und war dafür mit Bußgeldern belangt worden. Einige Aktivisten hatten dagegen geklagt, aber vor dem Amtsgericht Bonn nicht recht bekommen. Mehrere Verfahren stehen noch aus. Dafür sammelt die BI Spenden. Es solle »klar werden, dass wir viele sind und unsere Solidarität lebt«, so Adolf.

Einschüchtern lassen sich die Kriegsgegner ohnehin nicht. Für den Sommer 2015 planen sie das vierte »War starts here«-Camp in der Altmark. Die BI lädt am 22. November zu einem ersten Vorbereitungstreffen ein. In der Geschäftsstelle des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Magdeburg (Olvenstedter Straße 10) soll es an diesem Tag ab 12 Uhr unter anderem um Formen und Ausweitung des Protests gehen. Der antimilitaristische Widerstand gegen das GÜZ müsse an Kontinuität gewinnen, heißt es.

www.offeneheide.de

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. November 2014


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