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Rotlicht: Internationaler Frauentag

Er ist ganz klar eine »Erfindung« der proletarischen Frauenbewegung: Der Internationale Frauentag (I.F.)

Von Jana Frielinghaus *

Das erste Mal wurde er – und das gleich in mehreren Ländern – im März 1911 mit Demonstrationen begangen, auf denen die Teilnehmerinnen insbesondere das aktive und passive Wahlrecht einforderten. Im Ersten Weltkrieg wurde er für Friedenskundgebungen genutzt und war gerade deshalb 1916 in Deutschland und Österreich zeitweilig verboten.

Vorläufer waren Streiks von Tabakarbeiterinnen sowie ein achtwöchiger erfolgreicher Ausstand von 20.000 Hemdennäherinnen 1908 in Manhattan. Die unmittelbare Anregung soll von einem Beschluss der US-Sozialistinnen ausgegangen sein, die sich 1909 dafür aussprachen, künftig jedes Jahr »am letzten Februarsonntag große Propaganda für das Frauenwahlrecht und die Idee des Sozialismus« zu betreiben. Die deutschen Sozialdemokratinnen Clara Zetkin und Käthe Duncker griffen die Idee auf, ernteten aber von den Männern in ihrer Partei zunächst nur Spott und Ablehnung ob dieser »Frauenrechtelei«. Mehr Erfolg hatten die beiden auf der zweiten internationalen Frauenkonferenz der Sozialistinnen im August 1910 in Kopenhagen, wo der von ihnen und Genossinnen aus den Vereinigten Staaten eingebrachte Vorschlag einstimmig angenommen wurde. Am 19. März 1911 kam es in Deutschland, Österreich, Dänemark, der Schweiz und den USA zu großen Frauenkundgebungen, -versammlungen und -demonstrationen für das Wahlrecht, für Arbeiterinnen- und Mutterschutz sowie für den Acht-Stunden-Tag. In den Folgejahren wurde die Zahl der Länder, in denen es Aktionen gab, immer größer.

Seit 1921 wird der I.F. weltweit am 8. März begangen. Mit dem Setzen dieses Datums wollten Kommunistinnen an die besondere Rolle erinnern, die Frauen, namentlich Arbeiterinnen, während der 1917er Revolutionen in Russland gespielt hatten. Denn am 8. März 1917 (nach dem alten russischen Kalender war es der 23. Februar) hatten Petersburger Textilarbeiterinnen mit ihrem Streik die Februarrevolution und die folgenden Umwälzungen eingeleitet, die zum Sturz des Zaren, zum Ende des Krieges und zur proletarischen Revolution im Oktober/November desselben Jahres führte.

Während er in den ehemals sozialistischen Ländern sehr bald zu einem Ehrentag ähnlich dem Muttertag mutierte, an dem Männer den Frauen Kaffee und Kuchen servierten und der – zumindest in der DDR – zuverlässig zum feucht-fröhlichen Gelage wurde, blieb er für eine Minderheit engagierter, meist linker Frauen in den westlichen Industriestaaten, aber auch in Entwicklungsländern, ein Kampftag für Gleichberechtigung. War er in der Bundesrepublik der 60er Jahre fast vergessen, so machten Kommunistinnen, Aktive der Demokratischen Fraueninitiative (DFI), Gewerkschafterinnen, später auch Sozialdemokratinnen und Frauen aus der autonomen Bewegung den 8. März wieder bekannt – geeint im Kampf gegen den Paragraphen 218, der Abtreibung kriminalisierte, und gegen den Krieg. Aber auch im Westen erlebte er eine zunehmende Entpolitisierung, nachdem er als »Weltfrauentag« ab 1977 im Kalender der Vereinten Nationen vermerkt worden war. In 30 Ländern ist er inzwischen sogar ein gesetzlicher Feiertag.

Immer wieder totgesagt, erlebt er in der Bundesrepublik in der Generation der heute 20- bis 35jährigen als »Frauen*kampftag«, ermutigend intensiv mit politischen Inhalten gefüllt, eine Renaissance. Nach einer erfolgreichen Demonstration vor einem Jahr mit rund 5.000 Teilnehmerinnen ruft das gleichnamige Bündnis für den kommenden Sonntag erneut zu einem kämpferischen Event auf. Der Link zum Demoaufruf fand sich 2014 sogar auf der Website von Alice Schwarzers Zeitschrift Emma. An gleicher Stelle erneuerte die Herausgeberin allerdings ihren Aufruf »Schafft den 8. März ab!« – u.a. mit dem Hinweis, dieser sei eine »sozialistische« Veranstaltung, »wir« hätten ihn »in den 70er Jahren« nicht gekannt, und aus »der Frauenbewegung« heraus sei er jedenfalls nicht entstanden. Aktuell findet sich zum Thema Frauentag bei Emma – nichts. Die Demo am 8. März in Berlin startet um 13 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz und endet um 16 Uhr am Brandenburger Tor.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. März 2015


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