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Bei allen Kämpfen dabei

Zum 85. Geburtstag der Sängerin und linken Aktivistin Fasia Jansen

Von Marina Achenbach *

Man müßte alles auf einmal beschreiben können: ihre Stimme, ihre unnachahmliche Art, mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen, ihre Anziehungskraft. Sie war ein schwarzes Kind aus Hamburg, im Ruhrgebiet von den 60ern bis in die 90er berühmt. Jetzt wird sich die Gesamtschule Alt-Oberhausen ihren Namen geben – auf Wunsch der Schülervertreter. Sie hatten sich unter mehreren Anwärtern für sie entschieden. Daß sie auch über 16 Jahre nach ihrem Tod am 29. Dezember 1997 nicht vergessen wird, wirkt wie ein Wunder in Zeiten, in denen alles darauf ausgerichtet scheint, Erinnerung eilig zu tilgen.

Fasias Vater Momolu Massaquoi war Generalkonsul von Liberia in Hamburg – der erste afrikanische Botschafter in Europa überhaupt. Ihre Mutter war Kindermädchen im Haus des Diplomaten. Er hatte vor, sich um seine Tochter zu kümmern, doch kurz nach ihrer Geburt am 6. Juni 1929 mußte er nach Liberia zurückkehren. Viel später erfuhr Fasia, daß er 1938 im Bürgerkrieg umgekommen war. Der wahre Vater wurde für sie der Mann, den ihre Mutter heiratete, der Hafenarbeiter und Kommunist Albert Jansen, der das Kind beschützte und stärkte. Als sie vier war und die Nazis die Macht übernahmen, begann eine zwölfjährige Verfolgung des »nichtarischen« Kindes: Druck auf die Eltern, das Mädchen ins Heim zu geben, eine hinterrücks verabreichte Injektion im Gesundheitsamt, die sie krank machte – was ihr gespritzt worden war, konnte nie aufgeklärt werden. Nach der 8. Klasse Verbot weiteren Schulbesuchs und jeglicher Ausbildung.

Aber die Familie und Nachbarn im proletarischen Hamburger Stadtteil Rothenburgsort schützten die Heranwachsende. Sie erfuhr neben Beleidigungen und körperlichen Attacken, was nur wenige rassistisch Verfolgte im faschistischen Deutschland erleben durften: Solidarität von Freundinnen, Lehrern, Bekannten.

Als 15jährige wurde sie gezwungen, in einer KZ-Küche zu arbeiten und an ausgehungerte Häftlinge aus dem KZ-Außenlager Neuengamme Wassersuppe auszuteilen. Das Erleben von tiefer Angst, über die sie lange nicht sprechen konnte, und als Gegenpol der Zusammenhalt und die Verläßlichkeit ihrer Umgebung blieben Fasias Fundament im Leben. Auch die Ahnung von Ideen einer gerechteren Welt, die sie vom Vater mitbekam. Zuneigung erwiderte sie freudig, trotz aller Vorsicht, und sie spürte, daß sie mit ihrer Offenheit Menschen für sich gewann.

Früh wollte sie Sängerin, auch Tänzerin werden. Sie konnte Blues singen. Auch politische Lieder verwandelte sie in Blues. Einen Marschrhythmus gab es mit ihr nicht, auch keine volkstümliche Lieblichkeit. Ihre Stimme war volltönend, früher hatte sie allein für sich gesungen, mit der Familie, im Kirchenchor. Sie lernte Schifferklavier spielen, die Eltern hatten sich das Instrument vom Munde abgespart. Im August 1951 fuhr sie zu den Weltfestspielen der Jugend nach Ostberlin. Dort lernte sie linke Jugendliche aus Oberhausen kennen. Kurz darauf zog sie in die Ruhrgebietsstadt. Dort schloß sie sich einer Volkstanzgruppe an, die ihre neuen Freunde wegen des Verbots der FDJ im Juni 1951 gegründet hatten, um auf diese Weise ihre Arbeit fortsetzen zu können. Sie begleitete die Tänzerinnen und Tänzer auf dem Akkordeon und tingelte mit ihnen durchs Land.

Durch ein einziges Lied, das sie auf einer kleinen Bühne für ihre Freunde anstimmte, wurde sie entdeckt. Es war das amerikanische »Black and White«. Damit hörten Gerd Semmer und Dieter Süverkrüp sie – und förderten sie von da an. Es folgten ab 1960 Auftritte bei den Ostermärschen, Fasia wurde von der IG Metall für große Tourneen engagiert, sang bei unzähligen politischen Ereignissen, schrieb eigene Lieder, stand auf kleinen und auf riesigen Bühnen, begleitet von Bands und Musikern, die auf sie eingeschworen waren wie die Conrads und besonders Walter Kurowski alias Kuro. Sie trat neben Angela Davis, mit Joan Baez, Franz Josef Degenhardt, Süverkrüp, Hannes Wader, Dietrich Kittner, Floh de Cologne, Gisela May, Hedy West auf.

Fasia war aber auch immer wieder dabei, wenn im Ruhrgebiet gestreikt wurde. Sie stärkte Stahlarbeiter und Arbeiterinnen mit ihrer Musik den Rücken und unterstützte Anwohner, die gegen den Abriß ihrer Siedlungen kämpften. Auch die Heinze-Frauen begleitete sie drei Jahre lang, während sie – schließlich mit Erfolg – um Gleichberechtigung mit den Männern bei der Entlohnung kämpften. Auf Frauenfriedensmärschen zog sie durch halb Europa. Da gab es Höhepunkte, aber auch Knochenarbeit. Fasia scheute vor keiner Schwierigkeit zurück. »Sie konnte sich mit allen Menschen verbinden, eine Ebene herstellen, als hätte sie dafür ein besonderes Sensorium«, erinnerte sich Kuro. Hannes Wader trat mit ihr vor Tausenden streikenden Hoesch-Arbeitern auf, darauf war er stolz. »Sie war vielleicht die authentischste Sängerin von uns allen. Weil sie das alles auch selbst und für alle offen lebte. Sie hatte einen einzigartigen, leuchtenden Charakter«, sagte er später. Heute wäre sie 85 Jahre alt geworden.

* Marina Achenbach ist Autorin des von der Fasia-Jansen-Stiftung herausgegebenen Buches: »Fasia. Geliebte Rebellin. Texte und Fotos«, (Asso Verlag, Oberhausen 2004, 302 S. 29,80 Euro)

Aus: junge Welt, Freitag, 6. Juni 2014



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