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"Eine Debatte hat es bisher nicht gegeben"

DGB-Spitze und Bundeswehr planen den Schulterschluß – in den Gewerkschaften regt sich Widerstand. Gespräch mit Barbara Tedeski


Barbara Tedeski ist Mitinitiatorin der Frauenfriedenskonferenz und des Aufrufs »Wir widersprechen«.


Sie zählen zu den Initiatorinnen des Aufrufs »Wir widersprechen«, der sich gegen eine enge Kooperation des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit der Bundeswehr stark macht. Eben das war 2013 bei einem Treffen von DGB-Chef Michael Sommer und dem damaligen Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vereinbart worden. Wie verlaufen die Debatten um dieses strittige Thema im DGB?

Eine Debatte, die diesen Namen verdient, hat bislang nicht stattgefunden. Sie wird aber gefordert, wie man aus verschiedenen gewerkschaftlichen Gremien hört. Zahlreiche Mitglieder aus allen Einzelgewerkschaften und aus DGB-Gremien haben sich gegen den Schulterschluß des DGB mit der deutschen Kriegspolitik ausgesprochen und täglich werden es mehr. Alleine in den vergangenen beiden Tagen sind über 50 neue Unterzeichner unseres Aufrufs dazugekommen.

Auf jeden Fall hat es die angekündigte gemeinsame Erklärung von DGB und Bundeswehr bis heute nicht gegeben – das ist doch schon ein Erfolg.

Vom 11. bis 16. Mai findet der DGB-Bundeskongreß in Berlin statt. Wird eine Kooperation mit der Bundeswehr auch dort eine Rolle spielen?

Das wird sicher geschehen. Es liegen dazu Anträge vor, zum Beispiel aus Baden-Württemberg. Zur Unterstützung sollten möglichst viele Menschen unseren Aufruf unterzeichnen.

Es geht schließlich nicht um eine Nebenfrage. Es brennt in Europa, und unsere Regierung ist einer der Brandstifter. Wenn 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs von einem neuen Krieg in Europa gesprochen wird, dürfen wir, die Gewerkschafter, nicht schweigen. Das ist das Lebensinteresse von Millionen Beschäftigten – hier und in der ganzen Welt.

Wie erklären Sie sich den offensichtlichen Kuschelkurs, den die DGB-Führung in Richtung Bundeswehr eingeschlagen hat?

Der Kampf um den Frieden ist nicht zu trennen vom Klassenkampf. Die Militarisierung der Gesellschaft und der nunmehr offen vollzogene Paradigmenwechsel in der Außen- und Innenpolitik wurden schon in den verteidigungspolitischen Richtlinien 2011 gefordert. Spätestens seit dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU ist das auch offizielles Regierungsprogramm.

Dort heißt es, ich zitiere: »Wir treten dafür ein, das Verständnis für die Besonderheiten des Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften sicherzustellen. Feierliche Gelöbnisse etwa sind Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft.« Und weiter: »Die Verantwortung für unsere Veteranen wollen wir gemeinsam tragen. Dies gilt auch für die Fürsorge für Verwundete und Versehrte und die würdige Gestaltung der Erinnerung an unsere Gefallenen und Toten. Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.«

Jetzt geht es in den Gewerkschaften darum, sich nicht vereinnahmen zu lassen und gegen dieses Regierungsprogramm zu mobilisieren. Leider war es in der Geschichte schon zweimal ein Verhängnis, daß Gewerkschaften die Anerkennung durch die Regierung wichtiger fanden als alles andere. Das hat Millionen das Leben gekostet.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, in den Gewerkschaften eine offensive Antikriegsposition durchsetzen zu können?

Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die mit Unbehagen die Kriegspolitik der Bundesregierung bezüglich der Ukraine oder die Stimmungsmache gegen Rußland sehen. Sie wollen, daß die Gewerkschaften Stellung nehmen gegen die eigene Regierung und gegen das hinter ihr stehende Kapital. Dafür können wir gemeinsam sorgen.

Der Aufruf »Wir widersprechen« hat bisher gute Dienste geleistet. Jetzt geht es darum, daß wir wirklich zusammenarbeiten. De Maizière ist nicht mehr für die Bundeswehr verantwortlich, und Michael Sommer wird nach dem Bundeskongreß nicht mehr Vorsitzender des DGB sein. Das Thema wird aber aktuell bleiben, die »Initiative Frauenfriedenskonferenz« wird ihre Arbeit auf jeden Fall fortsetzen.

www.wir-widersprechen.de

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Freitag, 4. April 2014


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