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"Ein pointiertes Flugblatt ist gerechtfertigt"

Landgericht München verurteilt Friedensaktivisten zu Geldstrafe von 2600 Euro. Gespräch mit Hermann Theissen


Hermann Theissen ist Mitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie und der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).


Um gegen die Lieferung von Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien zu protestieren, haben Sie vor einem Jahr in der bayerischen Landeshauptstadt Flugblätter an Mitarbeiter des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann verteilt. Das Landgericht München hat sie deshalb am Dienstag zu einer Geldstrafe von 2600 Euro verurteilt. Fällt so etwas nicht unter Meinungsfreiheit?

Das Landgericht in München hat die Auffassung vertreten, ich könne mich nicht darauf berufen, weil ich zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen aufgefordert habe. Allerdings hatte ich das Flugblatt auch vor Rheinmetall in Düsseldorf verteilt – deshalb hat parallel noch die Staatsanwaltschaft in meinem Wohnort Heidelberg ermittelt, war anderer Ansicht und stellte das Verfahren ein. Die Münchner Richterin meinte dagegen, meine Absicht sei gewesen, den Betriebsablauf zu stören. Mit dem Flugblatt hätte ich »schutzwürdige Interessen« des Rüstungskonzerns verletzt.

In dem Flugblatt hieß es: »Als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co KG sind Sie mittelbar oder unmittelbar an der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Leopard-2-Kampfpanzern beteiligt«. Sie forderten zu »Boykott- und Sabotagehandlungen« auf.

Ich bin nach wie vor der Meinung, daß in meinem Fall keine Straftat vorliegt. Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb meine Aussagen vom Recht auf Meinungsäußerung gedeckt sind. Der Aufruf weist auf die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien hin – und darauf, daß es selbst nach den Grundsätzen der CDU/FDP-Bundesregierung nicht angehen kann, dorthin Waffen zu liefern. Kaum ein Thema wurde in den vergangenen Jahren so kontrovers in der Öffentlichkeit und im Bundestag diskutiert. Dem Bundesverfassungsgericht liegt eine Organklage der Grünen vor, mit der die Bundesregierung zu verbindlichen Aussagen über den Panzerdeal gezwungen werden soll. Vor diesem Hintergrund ist ein pointiertes Flugblatt gerechtfertigt.

Weshalb hat das Landgericht München im Strafmaß sogar härter geurteilt hat als das Amtsgericht in erster Instanz?

Im Flugblatttext werden die Mitarbeiter aufgefordert, ihren informationellen Einblick der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daran macht das Gericht fest, daß sie zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen aufgefordert worden seien. Weil wir mit dieser Argumentation gerechnet hatten, stellte mein Anwalt Martin Heiming den Beweisantrag, den Miteigentümer von Krauss-Maffei Wegmann, Burkhart Braunbehrens, als Zeugen zu hören. Das Gericht hielt das nicht für notwendig. So aber hätten wir den Beweis erbringen können, daß die im Bundessicherheitsrat beratene Voranfrage zur Genehmigung jenes Rüstungsexports längst kein Geheimnis mehr war.

Welche Rolle spielt Braunbehrens?

Der Miteigentümer von Krauss-Maffei Wegmann ist selber ein entschiedener Kritiker. Er hält es grundsätzlich für richtig, daß Menschen auch in diesen Teilen der Erde im »arabischen Frühling« für ihre Rechte eintreten – und sieht es als Widerspruch an, zu dieser Zeit Panzer dorthin zu liefern.

Wie bewerten Sie die Diskussion des Themas im Bundestag?

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne äußern sich kritisch und beschweren sich, sie könnten ihrer Kontrollfunktion der Bundesregierung gegenüber nicht nachkommen. Sie wollen nicht erst im Nachhinein über Waffendeals informiert sein, weil sie dann keinen Einfluß mehr nehmen können. Bei Veranstaltungen vor der Bundestagswahl am 22. September sagen diese jetzigen Oppositionsparteien, sie wollten anders handeln, wenn sie an die Regierung kommen. Wie wir wissen, sind aber unter der rot-grünen Bundesregierung auch extrem viele Rüstungsgüter exportiert worden.

Ihr Anwalt wird beim Oberlandesgericht München Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Wie sind die Erfolgsaussichten?

Die Richterin muß ihre Auffassung revisionssicher darlegen. Das Argument dafür, daß hier Geheimnisverrat hätte stattfinden können, wäre, unlauterem Wettbewerb zu unterstellen. Tatsächlich stellt Kraus Maffei Wegmann allerdings als einziger Konzern diesen Panzer her.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 11. Juli 2013


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