Zeichen des Friedens geht um die ganze Welt
Das "Peace"-Sign wurde vor 50 Jahren für die britische Anti-Atomwaffen-Bewegung entworfen
Von Alexander Lang *
Es war längst aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten. Doch mit Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 erlebte das fast vergessene Friedenssymbol eine ungeahnte Renaissance: Überall auf der Welt formten Menschen auf Freiflächen und Plätzen menschliche „Peace“-Zeichen. Demonstranten malten sich den Kreis mit dem Ypsilon ins Gesicht, trugen bedruckte T-Shirts oder steckten sich „Peace“-Pins als Protest gegen den Krieg an ihre Kleidung.
Jeder kennt das Logo der Kriegsgegner, das die Hippies der 1960er Jahre populär machten: Das „Peace“-Zeichen wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Der britische Künstler und Grafiker Gerald Holtom entwarf es am 21. Februar 1958. Auftraggeber war die britische Anti-Atomwaffen-Bewegung, die sich ein Erkennungszeichen für ihren ersten Ostermarsch wünschte. Die Protestierer machten sich am 7. April 1958 von London aus zur Atomwaffenfabrik in Aldermaston auf. 500 Lollipops aus Pappkarton mit Holzstilen wurden dafür mit der neuen Friedensgrafik beklebt.
Ursprünglich habe er das Zeichen des christlichen Kreuzes zum Symbol der Atomwaffengegner gestalten wollen, erinnerte sich Holtom später. Er verwarf die Idee, weil er befürchtete, dass „in den Augen des Ostens das christliche Kreuz Synonym für die Kreuzzugstyrannei war, die in Belsen, in Hiroshima und in der Herstellung und Erprobung der Wasserstoffbombe gipfelte“.
Das Zeichen, das nie urheberrechtlich geschützt wurde, ging schnell als allgemeines Friedenssymbol um die Welt. Es reihte sich ein neben dem alten christlichen Friedenszeichen, der weißen Taube mit dem Olivenzweig im Schnabel. Zunächst übernahm die amerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King in den 1960er Jahren das „Peace“-Zeichen in ihrem Kampf für mehr Freiheit und Gleichheit. Es wurde zu einer Ikone des Jugendprotests gegen den Vietnamkrieg und das sogenannte Establishment.
„Peace“-Zeichen-Erfinder Holtom, der während des Zweiten Weltkriegs den Waffendienst aus Gewissensgründen verweigert hatte, bediente sich dafür beim internationalen Winkeralphabet der Seefahrt: Die stilisierten Buchstaben „N“ und „D“ legte er für die Bezeichnung „Nuclear Disarmament“ (Nukleare Abrüstung) übereinander. Das „N“ formen zwei schräg nach unten ausgestreckte Fahnen. Beim „D“ weist jeweils eine Fahne nach oben und nach unten. Der Kreis steht bildhaft für den Erdball.
Als Symbol der Opposition hat das „Peace“-Zeichen nicht ausgedient, betont Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. „Wir benutzen es aktuell für unsere Ostermarsch-Aktivitäten“, sagt der Sprecher des Netzwerks der deutschen Friedensbewegung. Als eine „Stil-Ikone“ sei das Zeichen tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verwurzelt. Das „Wagenrad“ werde immer mit wichtigen Aktionen der Friedensbewegung verbunden wie dem ersten Ostermarsch sowie den Großdemonstrationen gegen die atomare Nachrüstung in Deutschland in den 1980er Jahren.
„Die Taube hat Vorrang“, sagt Pfarrer Friedhelm Schneider aus Speyer. Kirchliche Friedenskämpfer bedienten sich eher des biblischen Friedenssymbols, um ihre pazifistische Haltung zu demonstrieren. „Sie ist tiefer im kollektiven Bewusstsein verankert.“ Nicht nur der Himmelsbote, von dem das Buch Genesis berichtet, auch die „Regenbogenfahne“ der italienischen Friedensbewegung seien in kirchlichen Kreisen populärer als Holtoms Zeichen, weiß der Leiter der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz. Auch die katholische Friedensbewegung „pax christi“ mit Sitz im hessischen Bad Vilbel tritt mit Taube und Regenbogenfahne für den Frieden ein.
Im Laufe eines halben Jahrhunderts habe das „Peace“-Zeichen einen Bedeutungswandel erfahren, sagt Schneider, der für die Friedensarbeit der pfälzischen Landeskirche zuständig ist. Es werde verwässert durch Kommerz und Kitsch: Modefirmen schicken ihre Models damit behängt auf den Laufsteg. Neben dem Kreuz ist es für Popstars eine „coole“ Sache. Und manch einer trägt seine Gesinnung auf der Baseball-Kappe oder als Tattoo auf dem Bizeps. Esoteriker und Satanisten wollen in dem Zeichen gar die Todesrune oder das umgekehrte Kreuz des Antichristen sehen. Repressiven Staaten war es immer ein Dorn im Auge: Das Apartheid-Regime in Südafrika versuchte es im öffentlichen Leben zu unterdrücken.
Den weltweiten Erfolg des einfachen, stimmgabelförmigen Zeichens erklärt sich Pfarrer Schneider vor allem durch seine religiöse und weltanschauliche Deutungsoffenheit. „Wer für den Frieden ist, kann es sich zu eigen machen.“ Mancher christliche Friedensaktivist wolle in ihm einen Fußabdruck der Taube sehen, für andere bleibe es ein grafisch verfremdetes Flaggensymbol. Dennoch werde das Zeichen „kein Soldat im Einsatz tragen“, ist er überzeugt.
Es signalisiert Gewaltverzicht und das Eintreten für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung – ein Grund, weshalb sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer mit Sitz in Bremen mit dem Zeichen identifizieren kann, sagt der Bundesvorsitzende Walter Herrenbrück. Den Dienst an der Waffe abzulehnen, sei ein Teil des Friedensdienstes, betont der frühere Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche. Eines anderen „Erkennungszeichens“ bedient sich der Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel: „Eine von Picasso gestaltete Taube“, sagt Sprecher Peter Strutynski, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Friedensforschung an der Universität Kassel. Das „Peace“-Sign trete als Zeichen der Friedensbewegung in Deutschland meist nur noch in Verbindung mit den alljährlichen Ostermärschen in Erscheinung. Zuletzt habe die Friedensbewegung die öffentliche Diskussion in der Frühphase des Irak-Kriegs stark beeinflusst.
Gebräuchlich ist bei kirchlichen und nicht kirchlichen Organisationen vor allem die „Pace“-Regenbogenfahne.Weder Bedeutungsunterschiede noch eine Hierarchie kann der Sozialwissenschaftler Strutynski bei den Friedenszeichen ausmachen. Die Bevorzugung mancher Symbole sei wohl von zeitlichen Moden abhängig. Die italienische „Pace-Fahne“ erfahre seit den Protesten gegen die Bush-Regierung eine einzigartige Karriere. „Offenbar entsprach sie dem Bedürfnis der Demonstranten, ein leicht tragbares, auffälliges und buntes Erkennungszeichen zu verwenden.“
Das „Victory“-Handzeichen, berühmt geworden durch den früheren britischen Premier Winston Churchill, bekomme man in der Friedensbewegung kaum zu Gesicht. Dem Zeichen fehle die Eindeutigkeit anderer Zeichen, sagt Strutynski. Die Wahlkämpfer um die Präsidentschaft in den USA verwendeten es genauso wie Neonazis.
Auch die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) in Bonn, ein Dachverband zur Koordination von internationalen Freiwilligendiensten in der evangelischen Kirche, hat sich vom „Peace“-Zeichen verabschiedet. In der Gesellschaft werde es kaum mehr wahrgenommen, hat Geschäftsführer Jan Gildemeister beobachtet. „Manche jungen Leute tragen es, wissen aber häufig vermutlich nicht mehr, was dessen Bedeutung ist.“ Politisch sei das „Peace“-Zeichen eher der „autonomen“, anarchistischen Szene zuzuordnen, wo es mit dem durchgebrochenen Gewehr konkurriere.
Besonders junge Menschen seien kaum für eine kontinuierliche Friedensarbeit zu begeistern, klagt Gildemeister. Friedensorganisationen litten schwer unter Nachwuchsmangel. In der Kirche sei die Friedensarbeit teilweise Opfer von Einsparungen geworden. Dennoch werde dem Einsatz für eine gewaltfreie Welt innerkirchlich eine etwas größere Aufmerksamkeit geschenkt als in der Gesellschaft insgesamt.
Das zerbrochene Gewehr hat die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK) mit Sitz in Frankfurt gewählt. Für die nach eigenen Angaben älteste deutsche Friedensorganisation sei es „ein Zeichen der Vergangenheit“ , sagt Bundesgeschäftsführer Monty Schädel. Dennoch hat das „Peace“-Zeichen in einer kriegerischen Welt nicht ausgedient: Bei ihrer Demonstration vor den Toren der Atomwaffenfabrik Aldermaston am 50. Jahrestag des ersten Ostermarschs am Ostermontag, 24. März, haben es die Teilnehmer ganz sicher wieder im Gepäck.
* Aus: Evangelischer Kirchenbote (Sonntagsblatt für die Pfalz), Nr. 7, 17. Februar 2008
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