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"Für die Beendigung aller Kriege - insbesondere der Kriege in Afghanistan und im Irak" - Proteste gegen NATO-Gipfel

Eine Agenda der Friedensbewegung für 2009

Im Folgenden dokumentieren wir die "Friedenspolitischen Schwerpunkte 2009", die der Bundesausschuss Friedensratschlag am 5. Dezember 2008 in Kassel verabschiedet hat.



Friedenspolitische Schwerpunkte 2009

Herausgegeben vom Bundesausschuss Friedensratschlag

2009 jährt sich zum 70. Mal der Beginn des zweiten Weltkrieges. Er wurde initiiert durch die faschistische Diktatur, einem in der Krise nach 1929 in Deutschland etablierten Bündnis aus alten Eliten, Großindustrie und Militär, zur Sicherung ihrer Macht und Profite. Faschismus und Krieg töteten 55 Millionen Menschen, verursachten weltweit Elend und ungeheure Zer-störungen. Deshalb gilt: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Die vermeintlich „neue Weltordnung“ nach 1989 hat sich als kriegerisch und sozial wie kulturell zerstörerisch erwiesen. Heute, nach Jahren neoliberaler Deregulierung, brutalen Sozialabbaus, Hochrüstung und zunehmender Kriege hat der Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte den globalen Kapitalismus in eine tiefe Legitimationskrise gestürzt.

Um eine politische Wende zu erreichen, sind die Lehren aus dem Kampf gegen Faschismus und Krieg zur Geltung zu bringen. Das heißt: Beendigung aller Einsätze der Bundeswehr und Druck für die Beendigung aller Kriege - insbesondere der Kriege in Afghanistan und im Irak -, Auflösung der ausländischen Militärstützpunkte, Abrüstung und die Abschaffung der NATO. Die Ziele der UNO-Charta, auf der Grundlage des Völkerrechts "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren" und "den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern", sind hoch aktuell.

Mit der Abwahl der Bush-Politik hat die Bevölkerung der USA ein Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit gesetzt. Abrüstung, Frieden und sozialer Fortschritt können aber nur durch Widerstand, außerparlamentarische Bewegung und gesellschaftliche Aufklärungsarbeit erstritten werden. Als Teil der außerparlamentarischen Bewegung werden wir uns in den Europa- und Bundestagswahlkampf 2009 einmischen, mit dem Ziel eine globale Friedensordnung zu einer entscheidenden Frage zu machen.


I. Kriege und Kriegsdrohungen beenden - den Frieden beginnen

Afghanistan-Krieg: Die Politik der USA führt zunehmend zu einer Eskalation des Krieges. Gleichzeitig haben die kritischen Stimmen gegen den fortdauernden Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zugenommen, auch bei den etablierten Parteien. Die Anwesenheit von US- und NATO-Truppen ist das Hauptproblem für Afghanistan und verhindert einen zivilen Aufbau. Eine dauerhafte Lösung kann hingegen nur durch Abzug aller ausländischen Truppen und mit Unterstützung der afghanischen Nachbarstaaten erzielt werden.

Irak-Krieg: Entgegen der offiziell verbreiteten Meinung, dass die BRD nicht am Krieg im Irak beteiligt sei, kommt der BRD durch die Bereitstellung von Militärstützpunkten, Logistik und zivilen Objekten (wie z. B. die Flughäfen Leipzig und Hahn als Drehscheiben für Truppentransporte) eine herausragende Bedeutung bei der Kriegsführung zu. Dazu gehören auch. Wir fordern deshalb, dass die Stationierungsverträge mit den USA aufgekündigt werden. Wir fordern ein Ende der Besatzung und wenden uns gegen die systematische Destabilisierung des Irak, wozu auch die Kriegshandlungen der türkischen Armee im Nord-Irak beitragen.

Iran-Kriegsdrohungen: Wir wenden uns entschieden gegen die Destabilisierung des Iran und Kriegsdrohungen gegen das Land. Wir klären darüber auf, dass die als „Diplomatie" umschriebene Sanktionspolitik unter aktiver Beteiligung der Bundesregierung zu einer Eskalationsstrategie gehört. Diese kann angesichts von nach wie vor vorhandenen Angriffsplänen seitens der USA und Israels zu einem weiteren Krieg mit nicht vorhersehbaren weiteren Folgen führen. Das wollen wir verhindern.

Kriegsverbrechen durch Uranmunition: Wir wollen verstärkt über die vor allem im Irak und im ehemals jugoslawischen Staatsgebiet erfolgte radioaktive Verseuchung durch Uranmuni¬tion ausgestatteten Waffen und die dadurch verursachten Kriegsverbrechen aufklären. Des¬halb muss auch eine Ächtung dieser Waffen gefordert werden.

Kriegspropaganda: Wir wollen der Lügen und Kriegspropaganda aufdecken, wie z.B. die Verschleierung der wahren Interessen der Militäreinsätze durch Begriffe wie „Friedensmissionen“ und „humanitäre Interventionen“. Wir werden aber auch schönfärberischen Umschreibungen von Kriegen als „Luftschläge“ u.ä. entgegentreten.


II. Für die Einhaltung des Völkerrechtes - gegen das NATO-Kriegsbündnis und die EU-Interventionspolitik

Kosovo-Kolonialpolitik: Fast 10 Jahre nach dem NATO-Überfall auf Jugoslawien wurde die völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo in ein NATO-Protektorat betrieben - eine moderne Form des Kolonialismus. Wir fordern die Rücknahme der NATO-Fremdherrschaft und die Wiederherstellung des Völkerrechts.

NATO-Expansion: Die Osterweiterung der NATO ist auch Teil einer aggressiven Strategie der Einkreisung Russlands. Ein Beitrag dazu ist die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen. Wir werden anlässlich des 60. Jahrestages der NATO-Gründung die sich verschärfende aggressive Stoßrichtung der NATO anklagen und uns für die Abschaffung dieses Kriegsbündnisses einsetzen. Daher rufen wir zu gemeinsamen, vielfältigen Protesten zum NATO-Gipfel auf.

EU-Militarisierung: Wir wenden uns dagegen, dass die EU-Militarisierung – entgegen des irischen „Nein“ - mit dem Lissabon-Vertrag in institutionalisierter Form weiter vorangetrieben wird. Wir werden deshalb bei den bevorstehenden Wahlen zum Parlament der EU diese Gefahren thematisieren.

Helsinki II: Statt EU-Militärblock, NATO-Osterweiterung und US-Raketen, wollen wir Abrüstung und friedliche Koexistenz. Wir unterstützen den Vorschlag des russischen Präsidenten Medwedjew für eine KSZE Tagung „Helsinki-II“, um die internationalen Beziehungen in Europa dauerhaft friedlich zu gestalten.

Atomwaffen: Wir setzen uns ein für den Abzug aller Atomwaffen von deutschem Territorium und die Beendigung der direkten oder indirekten nuklearen Teilhabe der Bundeswehr. Wir unterstützen alle Initiativen und Kampagnen, die auf atomare Abrüstung gerichtet sind, wie z.B. „unsere Zukunft - atomwaffenfrei“ und die internationale Bürgermeister-Initiative „Mayors for peace“.

Palästinakonflikt: Das seit Jahrzehnten andauernde, völkerrechtswidrige israelische Besatzungsregime der Palästinensergebiete ist u. a. durch die Abriegelung des Gaza-Streifens im Jahre 2008 weiter verschärft worden. Die Lösung des Nahostkonfliktes erfordert gleiches Rechts aller Menschen in der Region auf eine menschenwürdige Existenz. Wir arbeiten solidarisch mit palästinensischen und israelischen Friedenskräften zusammen und unterstützen sie in ihren Forderungen nach zwei gleichberechtigten Staaten in den Grenzen von 1967.


III. Für Abrüstung und ökologische Konversion statt Sozialabbau

Rüstungsprogramme: Anknüpfend an die Kampagne „Spart endlich an der Rüstung“ set¬zen wir unser Engagement fort für eine radikale Reduzierung der staatlichen Rüstungs¬ausgaben. Wir brauchen soziale, kulturelle, bildungs- und arbeitspolitische Maßnahmen und die Konversion der Rüstungsindustrie in zivile, nützliche Produktion verbunden mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Militärstandorte: Wir unterstützen Bürger- und Friedensinitiativen, die sich gegen US-Militärstützpunkte wie die US AirBase in Ramstein oder gegen vorhandene und geplante Bundeswehrübungsplätze engagieren (Colbitz-Letzlinger Heide, Kyritz-Ruppiner-Heide, Nörvenich). Wir wenden uns gegen die Militärpolitik der NATO und die Nutzung von US-Militärbasen in Europa für die Kriegsführung in aller Welt. 35 % aller US-Militärstützpunkte außerhalb der USA befinden sich auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland.

Waffenhandel: Wir unterstützen Aktivitäten gegen deutsche Rüstungsexporte, die auch wesentlichen Anteil an der Destabilisierung in Krisenregionen haben. Deutschland ist der größte Waffenexporteur in der Europäischen Union. Wir unterstützen die weltweite Kampagne „Waffen unter Kontrolle (Control Arms)“ für ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zur Unterbindung des Waffenhandels in Konfliktregionen.

Ressourcenverschwendung: Wir wollen die durch Globalisierung und Kriegsführung verursachten Ressourcenverschwendungen im Zusammenhang mit der Umwelt- und Klimadiskussion thematisieren. Dabei wollen wir die neoliberal definierte „Energiesicherheit“ mit anderen Inhalten belegen, die im Interesse aller Menschen und einer nachhaltigen Entwick¬lung liegen.


IV. Für Demokratie und Menschenrechte – gegen Notstandsmaßnahmen und innere Militarisierung

Präventiver Sicherheitsstaat: Wir fordern die Rücknahme der im Zusammenhang mit dem „Kampf gegen den Terror“ erlassenen Gesetze zum Ausbau des „präventiven Sicherheitsstaates“. Damit sollen Menschen eingeschüchtert und kriminalisiert werden, die demokratische Grundrechte wahrnehmen. Wir bekämpfen alle Bestrebungen, mittels weiterer Grund-gesetzänderungen Notstandsmaßnahmen mit einem Bundeswehreinsatz im Inneren zu ermöglichen.

Flüchtlinge und Bleiberecht: Wir fordern angesichts der weltweit zunehmende Zahl von Flüchtlingen eine nachhaltige, humane Entwicklungspolitik für die Länder der dritten Welt und treten der neoliberalen Ausbeutung durch USA und EU entgegen. Wir solidarisieren uns mit Flüchtlingen in unserem Land, indem wir für alle ein Bleiberecht bei uns fordern.

Kriegsdienstverweigerung und Asyl: Wir unterstützen das internationale Recht auf Kriegsdienstverweigerung in all seinen Formen, inklusive Widerstandes innerhalb der Streitkräfte und Desertation. Wir unterstützen die Initiative, deutsche und ausländische SoldatInnen über ihre Grundrechte zu informieren. Ausländische SoldatInnen, die aus Gewissensgründen desertieren, müssen Asylrecht in Deutschland bekommen. Wir unterstützen die „Anti-Rekrutierungskampagne“ in Deutschland als Teil des Widerstands gegen den Afghanistan- und andere Kriege.

Kassel, den 5. Dezember 2008
Bundesausschuss Friedensratschlag


Anhang: Terminkalender 2009
  • 6. – 8. Februar NATO-Sicherheitskonferenz in München
    Gegenkonferenz der Friedensbewegung
  • 24. März 10. Jahrestag des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien
    Europäische Friedenskonferenz in Berlin am 14./15.3.
  • 3. und 4. April NATO-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung
    Gegengipfel der Friedensbewegung in Straßburg
  • 10. – 13. April Ostermärsche
  • 1. Mai
    Thematisierung von Rüstung und Sozialabbau
  • 7. Juni Wahl zum EU-Parlament
    Thematisierung der EU-Militarisierung
  • 6. August Hiroshima-Tag
    Gegen Atomwaffen und atomare Teilhabe Deutschlands
  • 1. September Antikriegstag
    Aktuelle Bezüge zum 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen
  • 27. September Bundestagswahl
    Themen: Afghanistan, Rüstungswirtschaft und Sozialabbau, Militarisierung nach innen und außen
  • 15.-18.Oktober Sozialforum in Deutschland, veranstaltet im Wendland
  • Oktober-Dezember Aktionen gegen die Verlängerung der Afghanistan Mandate
  • 9. November Jahrestag der Reichspogromnacht
  • 5./6. Dezember 16. Friedenspolitischer Ratschlag in Kassel
  • 12. Dezember: 30 Jahre "Raketenbeschluss" der NATO



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