Werkzeugkasten für die Revolution
Ein neues Buch gibt nützliche Tipps für bunten Protest
Von Johanna Treblin *
Die Autoren Andrew Boyd und Dave Oswald Mitchell präsentieren in ihrem Buch »Beautiful Trouble« kreative Protestformen und dazugehörige Taktiken.
Am Straßenrand zwischen zwei Autos steht ein Einmannzelt auf einem Stück Kunstrasen. Daneben ist ein Campingtisch aufgebaut. Ein paar Parkbuchten weiter liegt Rollrasen aus und ein Mann grillt Würstchen. In Flint, Michigan, USA, wird der internationale Park(ing) Day begangen. »Am Verhältnis von Parks und Parkplätzen kann man beobachten, ob eine Stadt für Autos oder für Menschen gebaut ist«, so Lester Brown, Präsident des Earth Policy Institute mit Sitz in Washington D.C. Dieses Verhältnis wollen die Teilnehmer des globalen Aktionstages jedes Jahr am 21. September umdrehen und eine kritische Debatte darüber anzetteln, wie öffentlicher Raum gestaltet wird und wie die Lebensqualität in Städten verbessert werden kann.
Parkplätze zu Parks umfunktionieren ist eine Form des kreativen Protests, dessen vielfältige Formen Andrew Boyd und Dave Oswald Mitchell in ihrem Buch »Beautiful Trouble« und der dazugehörigen Website vorstellen. Neben konkreten Beispielen für Aktionen und Porträts von Menschen, die kreative Protestformen ausüben, bündeln die Autoren verschiedene Taktiken. Aus diesen wiederum ergeben sich eine Reihe von Prinzipien, die eingehalten werden sollten, damit Aktionen erfolgreich verlaufen. Theorien schließlich betten die Aktionen in ein »Gesamtbild« ein.
Viele der Taktiken haben die Herausgeber bereits selbst ausprobiert. Andrew Boyd ist Autor des »Activist Cookbook« und hat unter anderem eineinhalb Jahre vor Occupy Wallstreet die Bewegung »The Other 98%« gegründet. Hinter beiden Bewegungen steckt die gleiche Grundidee: Geld und Macht sind in einem - oder zwei - Prozent der Bevölkerung konzentriert. »The Other 98%« ging zum ersten Mal am US-amerikanischen »Tax Day« an die Öffentlichkeit, dem Tag, an dem die Amerikaner ihre Einkommenssteuererklärungen abgeben müssen. Ziel der Bewegung ist es, den großen Einfluss von Lobbyisten auf den Kongress in Washington D.C. einzudämmen.
Auch Ideen und Vorschläge anderer Aktivistengruppen sind in Buch und Website eingeflossen. Die Herausgeber beziehen sich auf die Yes Men, ein Aktivistenduo, das Taktiken der Kommunikationsguerilla nutzt: Sie gaben sich unter anderem als Sprecher der Welthandelsorganisation und ExxonMobil-Vertreter aus und fälschten eine Ausgabe der »New York Times« mit lediglich guten Nachrichten. Mit ihrem Yes Lab unterstützen sie andere, in ihren Protestformen selbst kreativer zu werden. Partner von »Beautiful Trouble« ist auch Code Pink, eine Friedensbewegung von Frauen, die sich dafür einsetzen, »US-finanzierte Kriege und Besatzungen« zu beenden. Die dadurch frei werdenden Gelder sollen in Bildung und Gesundheit gesteckt werden. Code Pink ruft online zu E-Petitionen auf und demonstriert unter anderem in Solidarität zu Bradley Manning, der WikiLeaks Dokumente zum Afghanistankrieg zugespielt haben soll und daher in einem Militärgefängnis einsitzt. Code-Pink-Gründerin Medea Benjamin kämpft außerdem gegen den Einsatz von Drohnen.
»Beautiful Trouble« ist laut Herausgebern für Aktivisten und Künstler konzipiert. »Die Aufgabe des Künstlers ist es, die Revolution unwiderstehlich zu machen«, sagt Boyd. Die Aufmachung des Buches wiederum sieht aus, als sei versucht worden, es unwiderstehlich für Designer zu machen - es wirkt eher wie ein Museumskatalog als ein Aktions-Handbuch. Jeder Taktik ist eine Doppelseite gewidmet. Vorgestellt werden die direkte Aktion, der Generalstreik, das Forumstheater und Flashmobs. Unter »Kreativer Störung« zeigt ein Foto den ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Rick Santorum vor einem seiner Wahlplakate, während er mit Konfetti überschüttet wird. Darauf folgt - wie bei allen Taktiken - eine kurze Einordnung, wann die »kreative Störung« am besten genutzt werden kann.
Anschließend folgt ein Beispiel mit Interventionsmöglichkeiten. Schließlich wird das der Aktion zugrunde liegende Prinzip benannt, in diesem Fall: »Versetze deine Zielperson in ein Entscheidungsdilemma«. In der Regel folgt am Ende ein Kasten mit möglichen Schwierigkeiten bei der Anwendung der jeweiligen Taktik.
Die Sammlung ist bei weitem nicht vollständig. Die Herausgeber animieren ihre Leser, Taktiken und Beispiele zu ergänzen sowie neue Prinzipien zu formulieren. »Mach deine Aktion leicht adaptierbar«, so die Teilnehmer der Buchvorstellung von »Beautiful Trouble« in Berlin. Auf der Homepage sind Dokumentvorlagen abgelegt, in die Leser weitere Vorschläge eintragen können. Allerdings: Obwohl kollaborative Redaktionsarbeit angekündigt wird, sollen die Vorschläge per E-Mail eingeschickt werden - auf der Homepage selbst können sie nicht weiter diskutiert und vervollständigt werden.
»Beautiful Trouble« gehört in jedes Aktivistenregal - oder sollte als Lesezeichen im Browser gespeichert werden, denn alle Inhalte sind auch online frei zugänglich. Einige der Aktionen sind zwar bereits bekannt. Doch haben die Herausgeber die Fallbeispiele so aufbereitet, dass schnell erkennbar ist, für wen sie in welcher Situation geeignet sind. Die Prinzipien helfen dabei, politische Aktionen gut vorzubereiten und bis zum Ende durchzudenken.
Mehr Informationen im Internet unter: beautifultrouble.org Buch: »Beautiful trouble - a toolbox for revolution«, OR Books
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 05. Dezember 2012
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