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Empörung über Waffenexporte

Ostermärsche in mehr als 80 Orten bundesweit

Von Ines Wallrodt *

Über die Ostertage schaffen es Orte wie Bruchköbel, Wedel oder Ellwangen überregional ins Bewusstsein. Denn auch in diesen wenig bekannten Ecken der Bundesrepublik sind Ostermärsche gegen Rüstungsexporte und Kriege geplant. Die Hochphase der Friedensbewegung mag 30 Jahre her sein, dennoch existieren bis heute in kleinsten Städten lokale Friedensinitiativen und regionale Friedensbündnisse. Über 80 Mahnwachen, Fahrradtouren, Spaziergänge und Demonstrationen weist der Kalender des Netzwerks Friedenskooperative für die Ostertage aus. Die ersten Veranstaltungen haben bereits stattgefunden. Der größte Teil konzentriert sich jedoch auf das Wochenende und den Ostermontag.

Im Mittelpunkt der Kritik stehen bei den Ostermärschen in diesem Jahr die massiven Waffenexporte Deutschlands. Die Bundesrepublik liefert selbst in Kriegs- und Krisenländer sowie an autoritäre Regime wie Saudi-Arabien. Die Empörung unter Friedensbewegten darüber ist groß. Waffenlieferungen wie an die Golfdiktatur seien »eine gewollte Unterstützung von Despoten und eine Kampfansage an die demokratischen Bewegungen in den arabischen Ländern«, kritisiert Manfred Stenner, Geschäftsführer der Friedenskooperative. Diese würden mit deutschen Panzern niedergeschlagen. Saudi-Arabien habe es im Nachbarstaat Bahrein vorgeführt.

Darüber hinaus protestieren die Ostermarschierer gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr von Afghanistan bis Mali und fordern statt dessen die zivile und politische Bearbeitung von Konflikten. Auf heftige Ablehnung stößt die geplante Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Einem Appell an die Bundesregierung haben sich innerhalb weniger Tage mehr als 80 Organisationen angeschlossen, auch jenseits der klassischen Friedensbewegung, darunter der Chaos Computer Club, die Naturfreunde sowie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

Ostermärsche setzen vielerorts regionale Schwerpunkte und protestieren gegen markante Militäreinrichtungen wie das Drehkreuz Ramstein für die Kriegseinsätze der USA, die NATO-Kommandozentrale in Kalkar oder die in Büchel gelagerten US-Atomwaffen. Vor drei Jahren – am 26. März 2010 – hatte der Bundestag fraktionsübergreifend bekräftigt, den Abzug dieser Atombomben vorantreiben zu wollen. »Stattdessen wird nun die Betriebsdauer der Bomben sogar verlängert«, kritisieren Friedensgruppen die geplante Modernisierung und warnen: »Die Schwelle für ihren Einsatz würde sinken.« Das Bremer Friedensforum fühlt sich in seinem Aufruf zum samstäglichen Ostermarsch durch neue Informationen des Senats bestärkt. Bremische Häfen seien »Drehscheibe für Waffen und Munition«, habe eine parlamentarische Anfrage ans Licht gebracht. Jeden Tag würden dort 33 Tonnen »todbringender Fracht« für den Export verladen. Ein Grund mehr für die Friedensaktivisten, ein Zeichen gegen Rüstung und Krieg zu setzen.

Die voraussichtlich größte Demonstration wird am Ostermontag unter dem Motto »Friedenspolitik statt Kriegspolitik« gleichzeitig in Offenbach, Frankfurt am Main und Darmstadt starten, schätzt das Netzwerk Friedenskooperative. Die drei Züge werden sich zu einer zentralen Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg vereinigen. Mehrere Tausend Teilnehmer werden auch bei den Ostermärschen in München, Stuttgart und im Ruhrgebiet erwartet.

Politiker der Opposition äußerten sich zustimmend über die Aktionen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Ostermärsche seien eine wichtige Tradition. Linken-Vorstand Wolfgang Gehrcke erklärte, »alle, die sich an den vielfältigen Demonstrationen zu Ostern beteiligen, tragen den Gedanken an eine friedfertige und global gerechte Welt in die Gesellschaft«. Seine Partei fordere auch zu Ostern, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückzuholen.

Eine skeptische Position zu den Ostermärschen formulierte der Marburger Konfliktforschers Johannes M. Becker. An den Aktionen würden Menschen vor allem zur Beruhigung des eigenen Gewissens teilnehmen, zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Sie seien vor allem für sich selbst dabei und nicht, um wirklich etwas zu bewegen. Denn den Teilnehmern sei bewusst: »Ostermärsche beeindrucken die Politik nicht.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 30. März 2013


Kämpfe in Afghanistan

Bundeswehr kehrt in Provinz Badachschan zurück. Ostermarschierer fordern sofortigen Abzug der deutschen Armee aus allen Auslandseinsätzen

Von Arnold Schölzel **


Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischer Armee und Aufständischen in der nordöstlichen Provinz Badachschan streben einem neuen Höhepunkt zu. Am Donnerstag unterrichtete die Bundesregierung den Bundestag, das deutsche Regionalkommando habe zur Unterstützung der einheimischen Streitkräfte wieder Truppen in die Region verlegt. Erst am 9. Oktober 2012 hatte die Bundeswehr die Schließung ihres Feldlagers in Faisabad gefeiert und die Provinz an afghanische Sicherheitskräfte übergeben. Fünf Monate danach häufen sich Meldungen über Angriffe von Aufständischen, bei denen in den vergangenen Wochen etwa 60 Militärangehörige und Polizisten ums Leben kamen. Bei einer der verlustreichsten Attacken der letzten Jahre wurden allein am 6. März 17 Soldaten getötet. Am Sonnabend vergangener Woche tötete das afghanische Militär 50 gegnerische Kämpfer. Dennoch ist die Kabuler Marionettenregierung in weiten Teilen der Provinz nicht präsent.

Die Bundeswehrführung in Afghanistan versucht laut Spiegel online, das Desaster herunterzuspielen. Sie bezeichnete die Rückkehr deutscher Soldaten nach Badachschan als Routine im Übergabeprozeß. Die Bundeswehr solle nicht in die Kämpfe eingreifen, sondern nur bei der Operationsführung behilflich sein. Wörtlich heißt es aber bei Spiegel online: »Seit Tagen fliegen Kampfjets der NATO-Schutztruppe Luftangriffe auf die Stellungen der Angreifer in den Bergen. Dabei wurde laut der Unterrichtung der Bundeswehr ›eine erhebliche Anzahl‹ an feindlichen Kämpfern getötet.« Radio Free Europe/Radio Liberty zitierte am Donnerstag den US-Militärexperten David Young, der vom »Scheitern« der afghanischen Streitkräfte bei der »Sicherung« Badachschans sprach.

Ungeachtet der Lage bereiten sich die 15 NATO-Staaten, die ab 2014 an der weiteren Besetzung Afghanistans teilnehmen wollen, auf die Mission »Resolute Support – Energische Unterstützung« vor. Das Bundesverteidigungsministerium teilte am Donnerstag mit, daß sich Vertreter der 15 Länder in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin zu ersten Abstimmungsgesprächen getroffen haben. Derweil erklärte Exbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Spiegel laut Vorabmeldung zum Afghanistan-Krieg: »Die Entscheidung war zum damaligen Zeitpunkt richtig.« Ob aber der ganze Einsatz »über mehr als zehn Jahre richtig war, das wird man erst später, vielleicht sogar erst in Jahrzehnten, beurteilen können«.

Mit Ostermärschen und Mahnwachen in verschiedenen deutschen Städten protestierte dagegen die deutsche Friedensbewegung am Karfreitag gegen Krieg, Gewalt und atomare Bedrohungen. Eine der vorrangigen Forderungen sei der sofortige Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen und der Abzug der »Patriot«-Raketen aus der Türkei, teilte die koordinierende Friedens- und Zukunftswerkstatt in Frankfurt am Main mit. Insgesamt sind am Osterwochenende bis zu 80 Kundgebungen geplant. Erste Aktionen in Kehl, Biberach, Suhl und Erfurt am Donnerstag hätten »eine gute Resonanz« gefunden. Am Freitag gab es Veranstaltungen unter anderem in Dortmund, Münster und Biberach. Dabei wurden auch Militärstandorte wie etwa Ramstein oder Büchel, wo US-Atomraketen lagern, einbezogen.

In diesem Jahr stehen vor allem der Protest gegen deutsche Rüstungsexporte und gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen im Mittelpunkt der Ostermärsche.

* Aus: junge Welt, Samstag, 30. März 2013


Mörderisches Drehkreuz

Von Christian Klemm ***

An diesem Wochenende finden in mehr als 80 deutschen Städten die traditionellen Ostermärsche statt. Ausgerechnet jetzt hat sich die Justiz nicht gerade als ein Partner der Friedensbewegung erwiesen. Im Gegenteil: Das Kölner Verwaltungsgericht wies die Klage eines Aktivisten zurück, die US-Airbase in Ramstein diene einer völkerrechts- und verfassungswidrigen Kriegsführung.

Die Militärbasis in der Pfalz ist als Luftdrehkreuz für Kriegseinsätze berühmt berüchtigt. Sie liegt strategisch günstig: auf halbem Weg zwischen den Vereinigten Staaten und den Kriegsgebieten Irak und Afghanistan. Deshalb ist es kein Zufall, dass der Nachschub für die US-Truppen über Ramstein erfolgt. Vielmehr ist der Stützpunkt fester Bestandteil einer Außenpolitik, die zehntausenden Zivilisten in den vergangenen Jahren das Leben gekostet hat.

Völkerrechtlicher haben immer wieder darauf hingewiesen, dass beide Kriege nicht durch internationales Recht legitimiert sind. Deshalb hätte die Klage auch Erfolg haben können. Hatte sie aber nicht, was schade ist, die Friedensbewegung aber nicht davon abhalten sollte, den Gang vor Gericht erneut zu versuchen. Bedenklicher aber als die Entscheidung des Gerichts ist die Haltung der Bundesregierung, die die US-Armee in Ramstein schalten und walten lässt. Damit trägt sie zumindest eine Mitschuld an dem, was US-Soldaten am anderen Ende der Welt anrichten. Egal, ob die Bundeswehr mitkämpft oder nicht.

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 30. März 2013 (Kommentar)


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