Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nein zu Krieg und Rüstung! Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr!

Inge Höger beim Ostermarsch 2013 in Bremen *

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner!

Vor gut 10 Jahren, am 20. März 2003, begann der völkerrechtswidrige Krieg der USA und ihrer Koalition der Willigen gegen den Irak. Vor Beginn des Irak-Krieges fanden weltweit die größten Antikriegsdemonstrationen der Geschichte statt. Dem Beginn des Irak-Krieges ging eine ungeheure Propagandaschlacht voraus. Er wurde mit Lügen vorbereitet und mit angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak begründet. Die damalige Bundesregierung zog eine versteckte Beteiligung an dem Krieg vor, um die Bundestagswahl 2003 nach den großen Friedensdemonstrationen zu gewinnen.

Trotz der millionenfachen Proteste sind die USA und ihre europäischen Verbündeten in den Irak einmarschiert, den sie vorher 10 Jahre lang ausgehungert hatten. Schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen wurden bereits vor Beginn des Krieges Opfer der schärfsten Sanktionen, die je gegen einen Staat verhängt wurden - unter anderem starben 500.000 Kindern! Für die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright war das Mittel zum Zweck. Mehr als 150.000 Menschen starben in dem Krieg, ohne dass die verantwortlichen Politiker, zum Beispiel George Bush und Tony Blair, jemals für ihre Lügen zur Rechenschaft gezogen worden sind.

Es ist uns als Friedensbewegung seither nicht wieder gelungen, so viele Menschen gegen Kriegseinsätze auf die Beine zu bringen wie damals gegen den Irak-Krieg. Scheinbar hat die völlige Ignoranz der Herrschenden für Abermillionen protestierende Menschen eine Desillusionierung ausgelöst. Trotzdem sollten wir uns nie mit Kriegen abfinden, sondern unseren Protest immer wieder auf die Straße tragen. Die Proteste gegen den NATO-Gipfel 2012 in Chicago machen Mut, dass die Internationale Friedensbewegung sich nie mit Kriegen abfinden wird.

Eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist gegen Krieg. Wir wollen dieser Mehrheit bei den Ostermärschen eine Stimme geben.

Die Beteiligung an der völkerrechtswidrigen Bombardierung Jugoslawiens 1999 war erst der Anfang immer weiteren Kriegsbeteiligungen Deutschlands. Beim Krieg gegen Afghanistan erklärte der damalige Kanzler Schröder die uneingeschränkte Solidarität mit den USA und wollte von Anfang an mit Truppen dabei sein, um Deutschland am Hindukusch zu verteidigen. In der stillschweigenden Unterstützung des Krieges gegen den Irak fand dies seine Fortsetzung. Und inzwischen ist Deutschland weltweit dabei, wenn es um Krieg und Besatzung geht. Deutschland ist in dem langjährigen Krieg gegen Afghanistan einer der Haupttruppensteller. Der NATO-Krieg gegen Afghanistan geht inzwischen ins zwölfte Jahr und ein Ende ist trotz gegenteiliger Ankündigungen nicht absehbar. Ganz im Gegenteil wurde dieser Krieg von den USA auf Pakistan ausgeweitet. Deutsches Militär spielt bei der Kontrolle der EU-Kolonie Kosovo, am Horn von Afrika im Kampf gegen angebliche Piraten, in Mali und an der türkisch-syrischen Grenze eine zentrale Rolle. Anscheinend sind die Regierenden in unserem Land mal wieder auf der Suche nach einem „Platz an der Sonne“ - und ein Ende ist nicht abzusehen. Legen wir ihnen das Handwerk!

Die deutsche Rüstungsindustrie feiert Rekordabschlüsse, die Rüstungsexporte boomen, auch hier am Rüstungsstandort Bremen. Exportiert wird nicht nur in EU und NATO-Ländern, sondern zunehmend in Länder, die Entwicklungshilfe beziehen und in viele Krisenregionen der Welt; auch an die despotischen Regime des Golf-Kooperationsrates. Gegen politisch missliebige Regime wie Syrien oder den Iran werden die Golf- Monarchien hemmungslos aufgerüstet. Ganz im Sinne der neuen Merkel-Doktrin, die besagt: „Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen… Das schließt auch den Export von Waffen mit ein.“

Deutsche Soldaten und deutsche Waffen in die halbe Welt zu schicken ist in den letzten 15 Jahren leider zur Normalität geworden – diese Art von Normalität wird die Partei DIE LINKE niemals hinnehmen!

Nein zu Auslandseinsätzen und Verbot von Rüstungsexporten! – das sind unsere Forderungen! Dafür demonstrieren wir wieder bei den diesjährigen Ostermärschen.

Eine Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den Krieg in Afghanistan und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trotzdem beschließt eine Mehrheit im deutschen Bundestag immer wieder gegen den Willen des Volkes die Beteiligung an Kriegen. Die Ignoranz der Herrschenden gegenüber der Antikriegshaltung der Bevölkerungsmehrheit ist symptomatisch für die Aushöhlung demokratischer Errungenschaften in diesem Land. 2003 konnten SPD und Grüne mit dem Versprechen, sich nicht am Krieg gegen den Irak zu beteiligen, die Bundestagswahlen gewinnen und die LINKE aus dem Parlament verdrängen.

Inzwischen wissen wir, dass die Schröder-Fischer-Regierung durch Überflugrechte und Erlaubnis der Nutzung der US-Flugbasen in Deutschland den US-amerikanischen Krieg gegen den Irak erst möglich gemacht hat. Deutsche Geheimdienstagenten haben in Bagdad Ziele für die US-Bomben ausspioniert und die Daten an die USA weiter gegeben. All das kam erst nach und nach ans Licht. Im Parlament gab es bis 2005 nur zwei kritische Stimmen gegen die deutsche Kriegspolitik – die der beiden PDS-Abgeordneten, die als einzige noch im Bundestag saßen.

Inzwischen allerdings hat die Friedensbewegung mit den LINKEN wieder eine Vertretung im Parlament. Seit die Linke 2005 mit einer starken Fraktion in den deutschen Bundestag einzog, werden Kriegsbeteiligungen und Rüstungsgeschäfte wieder zum Thema gemacht. Vorher war sich die Allparteienkoalition von CDU/CSU über FDP bis zu SPD und Grünen bei allen Auslandseinsätzen und Waffengeschäften einig. Die Linksfraktion macht Kriegsbeteiligungen wieder zum Thema in den Ausschüssen und im Parlament und auf der Straße. Deshalb will die große Einheitspartei der Neoliberalen mitsamt den sie unterstützenden Medien uns am liebsten wieder aus dem Parlament verbannen.

DIE LINKE sagt Nein zum Krieg und zur Aufrüstung der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz!

Vor einigen Wochen bin ich deshalb in eben diesem Parlament heftig beschimpft worden, als ich mich gegen die Anschaffung bewaffneter Drohnen durch die Bundesregierung aussprach. Die Bundesregierung hatte auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion geantwortet, sie stehe vor der Anschaffung bewaffneter Drohnen. Daraufhin haben die LINKEN eine aktuelle Stunde zu dem Thema beantragt. Verteidigungsminister de Maizière bemühte sich in dieser Debatte, die Anschaffung von Kampfdrohnen zu verharmlosen. „Wir können nicht sagen: Wir bleiben bei der Postkutsche, während alle anderen die Eisenbahn entwickeln“, erklärte er. Außerdem seien Drohnen billiger und einfacher einzusetzen als Kampfflugzeuge. Das zeigt schon, wohin die Reise geht. Deutschland will sein Militär noch besser für internationale Einsätze ausrüsten.

Drohnen sind unbemannte Flugzeuge und angeblich ein militärtechnologischer Fortschritt. Ich sage: Drohnen sind lautlose Killer. Sie ermöglichen einen fast unauffälligen und reibungslosen Übergang von ziviler zur Gewaltpolitik, vom Frieden zum Krieg ohne Kriegserklärung. Bei angeblichen Antiterroreinsätzen in Afghanistan und Pakistan, im Irak, im Jemen, in Somalia und Libyen und in den Palästinensergebieten führen die USA und Israel immer wieder „gezielte Tötungen“ gegen vermeintliche Terroristen mit bewaffneten Drohnen durch. Sie nennen das harmlos „targeted killings“. Aber das sind Morde ohne Gerichtsurteil und unter Verletzung der Souveränität des Einsatz-Staates. Diese Drohneneinsätze sind schlicht völkerrechtswidrig. Bei diesen Aktionen kommen regelmäßig Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben. Ganze Hochzeitsgesellschaften wurden in Pakistan schon durch diese unbemannten Flugzeuge angegriffen und viele Menschen getötet. Später heißt es dann lakonisch, das seien Kollateralschäden.

Kriegsminister de Maizière hat sich im Bundestag ganz klar für solche Tötungen ausgesprochen, mit dem freundlichen Hinweis, dass die Soldaten nun mal dafür ausgebildet werden, gezielt zu töten und nicht wie wild rumzuballern. Zynischer geht es nicht! Die Verdächtigen, die da umgebracht werden, sind oft auch Unbeteiligte, gegen die irgendwann mal jemand einen Verdacht geäußert hat. Und die eben erwähnten „Kollateralschäden“ zeigen, dass Drohnen einem wild rumballernden Amokläufer recht ähnlich sind.

Der Einsatz von US-Drohnen hat bereits viele Opfer gefordert. Die genaue Zahl ist unbekannt. Denn Einsatzregeln, praktische Ergebnisse und sogar die Zahl der mit Drohnen durchgeführten Angriffe unterliegen der Geheimhaltung. Deshalb gibt es nur Schätzungen über die Zahl der Opfer. Nach Angaben der britischen Initiative „Bureau of Investigative Journalism“ wurden allein in Pakistan zwischen 2.593 und 3.365 Menschen getötet. Zusätzlich gab es zwischen 1.249 und 1.389 Verletzte. Aufgrund einer sehr vorsichtigen Begriffsdefinition wurden zwischen 475 und 890 Zivilistinnen und Zivilisten durch US-Drohnen ermordet, darunter 170 Kinder. Das ist das Ergebnis dieser Kriegführung allein in Pakistan, ohne das Pakistan jemals der Krieg erklärt wurde.

Nun plant auch die Bundesregierung die Anschaffung solcher Killerwaffen. Wir sagen Nein zur Beschaffung von Drohnen!

Die Regierung behauptet, der Einsatz von Kampfdrohnen würde die Kriegführung optimieren. Es würde eine neue Dimension der militärischen Auseinandersetzung geschaffen. Kriegsminister de Maizière meint, Kampfdrohnen seien ethisch neutral oder sogar ethisch von Vorteil, weil kein Soldat drin sitzt, der beim Einsatz umkommen könnte. Es wird Jagd gemacht auf Menschen mit modernen Drohnen und die eigenen Verluste sollen gering gehalten werden. Das ist skandalös! Denn die Menschen im Einsatzgebiet sterben real. Die Zeit titelte kürzlich:
"Der Präsident hakt das Ziel ab, der Pilot am Bildschirm drückt auf den Knopf. Nun will auch die Bundeswehr Kampfdrohnen einsetzen."
Hier wird die Illusion von einem sauberen Krieg geschaffen, bei dem die Soldatin oder der Soldat zu Hause vom Home Office aus mal eben ein paar Ziele bombardiert und dann ein Computerspiel spielt oder das Baby wickelt.

Völkerrechtlich ist der Einsatz von Drohnen höchst problematisch und umstritten. Drohnen verletzten die territoriale Integrität anderer Staaten. Sie sind ein eklatanter Verstoß gegen das in der UN-Charta festgelegte Gewaltverbot in internationalen Beziehungen. Die USA und Israel berufen sich auf das Recht auf Selbstverteidigung. Aber auch in diesem Fall ist der Einsatz von Waffen durch das humanitäre Völkerrecht geregelt. So verbietet die Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen militärische Angriffe auf Zivilkrankenhäuser, Sanitätstransporte, Frauen und Kinder. Außerdem ist es verboten, Waffen zu verwenden, die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen. Und es sind Waffen verboten, die nicht zwischen Militärangehörigen und Zivilisten unterscheiden. Völkerrechtler bezeichnen den Einsatz bewaffneter Drohnen deshalb als Verletzung des Völkerrechts.

Auch Völkerrechtler der Bundesregierung kommen zu dem Ergebnis, dass beim Einsatz von Drohnen die Trägerstation zum Kriegsgebiet wird und somit völkerrechtlich ein legitimes Angriffsziel der Gegner. Drohnen bewirken also, dass der Krieg zurück nach Europa kommt. In einer Studie der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung heißt es:

Der Drohneneinsatz „provoziert … asymmetrische Reaktionen… Je stärker sich aber die Soldaten der überlegenen Seite dem Schlachtfeld entziehen und Maschinen ihren Platz einnehmen lassen, umso mehr wächst für die unterlegene Seite der Anreiz, den Konflikt in das Herkunftsland der Truppen zu tragen. Terrorexperten sehen deshalb die Gefahr, dass die Anzahl der Angriffe auf zivile Ziele in westlichen Staaten steigen wird, je mehr die Automatisierung des Krieges voranschreitet.“

Die Drohnenpläne der Bundesregierung erhöhen also die Terrorgefahr bei uns in Deutschland. Das ist unverantwortlich.

Es ist zu befürchten, dass die Hemmschwelle für den Einsatz militärischer Gewalt sinken wird, wenn dabei keine eigenen Soldatinnen und Soldaten getötet werden können. Oder ist irgendjemand ernsthaft der Meinung, dass die US-Regierung Bodentruppen nach Pakistan schicken würde? Ich sage: Das beste Mittel gegen tote Soldatinnen und Soldaten ist, gar nicht erst Krieg zu führen.

Aus den USA sind inzwischen die ersten Fälle von Soldatinnen und Soldaten bekannt, die an ihrem Computerabschussplatz für scharfe Waffen an posttraumatischer Belastungsstörung erkrankten. Offenbar ist das, was sie per Mausklick am anderen Ende der Welt anrichten, doch nicht so ethisch unbedenklich, wie Obama und de Maizière behaupten.

Die Linke fordert deshalb: Kein Einsatz und keine Beschaffung von Drohnen! Wir wollen einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, der Drohnen umfassend ächtet, der die Produktion, den Erwerb und den Einsatz von Drohnen wirksam verbietet.

Krieg ist die schlimmste Menschenrechtsverletzung und auch die schlimmste Umweltverschmutzung, die es gibt.

Wir sagen Nein! Nein zum Krieg, Nein zu Kampfdrohnen und anderem Kriegsgerät! Nein zu Rüstungsexporten!

* Inge Höger ist Bundestagsabgeordnete der Fraktion Die Linke. Rede beim Bremer Ostermarsch, 30. März 2013.


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