Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Wer von der Krise spricht, soll vom Krieg nicht schweigen!"

Rede von Linda Schneider beim Ostermarsch 2012 in München *

Kampf für Demokratie heißt auch Kampf gegen Militarisierung. Das gilt zum Ostermarsch 2012 mehr denn je!

Ist es nicht sogar „5 nach 12“, wenn
  • Bundeswehreinsätze im Ausland Jahr für Jahr zunehmen ...
  • die Bundeswehr Schritt für Schritt seit Jahren von einer Verteidigungsarmee zur Interventionsarmee umgebaut wird
  • und Rüstungsexporte seit Jahren ausgeweitet werden,
aber zugleich der soziale Friede im eigenen Land immer weniger Wert ist.
  • In Zeiten, in denen die Kluft zwischen Arm und Reich zunimmt, in Zeiten, in denen es anscheinend normal ist – nein sogar als Erfolg gemeldet wird,
  • wenn es noch immer über 3 Mio offiziell registrierte Arbeitslose gibt und
  • wir gleichzeitig sage und schreibe mehr als 13 Millionen prekäre Beschäftigte haben – in Leiharbeit, Werkvertrag, geringfügig beschäftigt usw., die alle kaum davon leben können und damit automatisch auch in der Rente in Armut landen,
  • in Zeiten, in denen für eine Transfergesellschaft für Beschäftigte von Schlecker – hpts. Frauen - der Staat (insbes. Bayern) - keine 70 Mio übrig hat, aber u.a. 500 Milliarden für die Bankenrettung da war
  • in Zeiten, in denen eine rechtsradikale Bande über viele Jahre ungestört morden konnte und 13 Jahre als Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ unentdeckt bleiben konnte,
  • in Zeiten, in denen Neonazis trotzdem ungeniert weitermachen (können) – und das sogar mit bundesweit mobilisierten Demos am 1. Mai- wie 2012 in Hof geplant!
Und das sind nur einige wenige - bundesrepublikanische Betrachtungen ...

Frieden schaffen mit Waffen – soll das die Devise des 21. Jh sein? Somalia –Bosnien -Kosovo – Afghanistan -Horn von Afrika….um nur einige Beispiele zu nennen ... Beispiele für militärische Einsätze gibt es inzwischen leider viele, zu viele!

Begonnen haben militärische Auslandseinsätze mit deutscher Beteiligung bereits Anfang der 90er Jahre; also bereits 20 Jahre werden wir immer mehr an diese Auslandseinsätze „gewöhnt“. Ich nenne hier nur die wichtigsten – aber sie dürfen nicht vergessen werden:

1. KOSOVO 1999: es ist und bleibt ein völkerrechtswidrige Krieg mit deutscher Beteiligung – egal, wie! - angeblich ging es um elementare Rechte der albanischen Frauen und Männer im Kosovo. Ich frage hier: Wollen wir tatsächlich humanitäre Hilfe mit Waffeneinsatz?

2. Die Beteiligung von EU-Mitgliedsstaaten am Irak-Krieg – Deutschland zwar dieses Mal nicht mittendrin, aber allemal verdeckt dabei.

3. Auch in Afghanistan haben EU-Mitgliedsstaaten und Deutschland längst ihre Unschuld verloren, wenn sie sie jemals hatten.

Mittlerweile sehen selbst ein Großteil der Presse und viele Politiker den Krieg in Afghanistan als Fehler. Keines der angeblichen Kriegsziele wurde erreicht:
  • Menschen- und Frauenrechte wurden nicht erkämpft
  • demokratischen Grundsätzen in den bisherigen Wahlen in Afghanistan: ein Hohn
  • Wiederaufbau und Entwicklung des Landes: Fehlanzeige
  • Was bleibt, sind Gewalt, Mohnanbau und Korruption.
Aber: Wird die Beendigung des Krieges wirklich forciert? Immer noch sind über 4.000 bundesdeutsche Soldaten im Einsatz und sind damit drittstärkstse Kontingent am Hindukusch. Es gibt nur eine Forderung: Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan!

Und genauso lehnen wir militärische Einsätze gegen Syrien und den Iran ab! Denn: Die Welt würde nur unsicherer, aber nicht friedvoller Hier wird Geld verbrannt, das u.a.für die Bildung unserer Kinder fehlt.

Bereits heute – 2012 - sind 7000 deutsche Soldaten im Einsatz - weltweit. Und: mit Krieg und Rüstung wird viel Geld verdient – auch in Deutschland:
  • Platz 3 bei den weltweiten Rüstungsexporten und
  • Platz 1 in Europa
Allein an Griechenland gehen 15 % des deutschen Rüstungsexportes! Aus diesen Verträgen wird Griechenland nicht entlassen. Nein: In Griechenland muss v.a. der soziale und öffentliche Bereich beschnitten werden. Es müssen Menschen darunter leiden, die für die Finanz- und Wirtschaftskrise absolut gar nichts können. Soziale Gerechtigkeit bleibt dabei immer mehr auf der Strecke.

Und: Die Finanz- u. Wirtschaftskrise berührt selbsverständlich den Rüstungsexport und die Rüstungskosten nicht: In der NATO wird 1084 Milliarden Dollar/Jahr für Rüstung ausgegeben! Schon 81 Milliarden Dollar würden reichen um den weltweiten Hunger zu beenden.

Da dürfen wohl folgende Fragen schon erlaubt sein:
  • Ist es überhaupt gewollt, diese Probleme zu lösen? Weil man dann feststellen müsste, dass man (= die USA, auch EU) Teil des Problems sind...
  • Oder die Frage: geht es bei dem Krieg gegen den Terror, doch auch mehr um andere Interessen – um einen Krieg um Rohstoffe und Marktzugang?
Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libanon und Israel/Palästina, Iran… usw. zeigen doch mehr als eindringlich: Mit militärischen Einsätzen können keine Konflikte gelöst werden und auch kein Terrorismus bekämpft werden! Nein – im Gegenteil: Kriege lösen keine Probleme. Sie sind doch vielmehr Grund für die sich steigernde Gewalt in der Welt.

Und eins möchte ich an dieser Stelle auch betonen: Die Demütigung von Menschen hat noch nie dazu beigetragen, extremistischen Gruppen den Zulauf zu entziehen! Müssen wir noch mehr Hungern, Selbstmordanschlägen, Entführungen in den sog. „Krisenregionen“ zusehen, nur um - immer und immer wieder - festzustellen: Frieden schaffen mit Waffen ist unmöglich!

Und trotzdem erleben wir eine zunehmende Militarisierung im eigenen Land.
  • Zivil-militärische Zusammenarbeit wird ausgebaut;
  • Militär in Schulen, Unis und Arbeitsämter; viele junge Menschen werden allerorts angeworben für die Bundeswehr;
  • Militärforschung an den Universitäten.
Zeigt das alles nicht deutlich: Die Bundeswehr wird Schritt für Schritt auf eine Interventionsarmee vorbereitet? Und immer mehr weg von einer Armee zur ausschließlichen Landesverteidigung, wie es das Grundgesetz zwingend vorschreibt. Geht es nicht - schon wieder - um deutsche Interessen in der Welt, die im Zweifelsfall auch militärisch durchgesetzt werden sollen?

Ist das übertrieben? Dazu die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der BRD 2011:
Künftig sind die Einsätze der Bundeswehr "...Grundlage des Selbstbehauptungswillens und der Verteilgungsbereitschaft der Nation".

Und wo braucht es den nationalen Selbstbehauptungswillen im Zweifelsfall? Für "freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung - [sie] sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung" - und "Zugangsbeschränkungen können konfliktauslösend" sein.

Und was wir in Deutschland vorfinden, setzt sich selbstverständlich in der EU fort. Hören wir von den vielen Millionen Menschen in der EU, die von Armut, lang anhaltender Arbeitslosigkeit, Prekarität, sozialer Ausgrenzung betroffen sind und noch mehr betroffen werden - angesichts der Daumenschrauben, die viele Länder ihrer Bevölkerung aufbürden – im Namen der Finanz- und Wirtschaftskrise?

Tatsache ist und bleibt: Die Interessen der Menschen in der EU, in Europa u. anderswo werden dann am besten wahrgenommen, wenn wir uns für ein soziales, friedliches, solidarisches Europa einsetzen und wenn wir endlich aufhören, unsere eigenen ungelösten Aufgaben in andere Regionen der Welt zu exportieren.

Deswegen:
  • Wir wollen keine Kriegsforschung an Hochschulen – wir sind für die Zivilklausel.
  • Wehrt Euch gegen den Einfluss der Bundeswehr an Schulen!
  • Stoppt die Militarisierung der Gesellschaft
Wir wollen:
  • Friedensforschung an den Hochschulen und „Friedensbildung“ für Kinder an den Schulen,
  • atomare wie allgemeine Abrüstung statt Aufrüstung und Sozialabbau,
  • eine demokratische und zivile Antwort auf die seit langem fortwährende Kriegspolitik in Deutschland und der EU!
Und: demokratische und friedliebende Gruppen, die auch Rückhalt in der Bevölkerung haben, brauchen unsere politische Unterstützung. Wir brauchen eine unkomplizierte Gewährung von Asyl für politisch Verfolgte statt Abschiebung in Krisenherden, die oft durch militärische und politische Intervention erst entstanden ist.

Die Völker im Nahen Osten haben ein Anrecht auf Frieden, Abrüstung, Demokratie und Soziale Gerechtigkeit.

Es liegt doch auf der Hand: Bekämpft werden müssen nicht die Völker Bekämpft werden muss die soziale Ungerechtigkeit in der Welt.

Notwendig ist und bleibt eine Politik, die die soziale Spaltung vermindet und letztendlich aufhebt und damit militärische Aggressionen vermeidet - und keine soziale Spaltung à la bayerischem Innenminister Herrmann, der gerade am Osterwochenende im BR verkünden muß: "Mulitkultur am Ende": Alle muslimischen Verbände können sich nicht integrieren, sind zur Integration nicht bereit. Welch‘ eine Pauschalierung und welch‘ eine Osterbotschaft!

Lasst uns für die politische Gestaltung der EU und der europäischen Integration kämpfen, weil wir ein zukunftsfähiges solidarisches und friedliches Europa wollen.

Hierzu gibt es auch aktuell den Aufruf von GewerkschafterInnen und WissenschaftlerInnen: "Europa neu begründen! Den Marsch in den Ruin stoppen! Die Krise durch Solidarität und Demokratie bewältigen!" Eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Entwicklung in Europa die Forderung nach der Neubegründung (Initiatoren sind Annelie Buntenbach, Frank Bsirske, Rudi Hickel, Steffen Lehndorff und Hans-Jürgen Urban. [www.europa-neu-begruenden.de])

Zum Schluß: Wir dürfen nicht nachlassen, für Frieden einzustehen: ALLEIN Friede ist die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben - hier und weltweit! Es lohnt sich, für den Frieden einzustehen - jederzeit und überall, aber insbesondere auch hier in Deutschland, das in seiner Geschichte den Nationalsozialismus vorzuweisen hat
  • der mehr als nur Krieg brachte,
  • der u.a. auch das Zusammenleben von Menschen vergiftete und zerstörte.
Deswegen: Lassen wir niemals zu, dass Neonazis unsere Gesellschaft vergiften- sich Raum verschaffen - den Frieden im Inneren zerstören Verteidigen wir die öffentlichen Räume – jederzeit und überall!

Wehret den Anfängen!

Denn: "Wer von der Krise spricht, soll vom Krieg nicht schweigen!" ... so die 2. Frauenfriedenskonferenz der ver.di Frauen München am 30./31.3.2012.

Rede bei der Kundgebung beim Münchner Ostermarsch am 7. April 2012.

Dokumentiert: Erklärung der 2. Frauen-Friedenskonferenz der ver.di Frauen München am 30./31.3.2012

Wer von der Krise spricht, soll vom Krieg nicht schweigen!

Wo man hinschaut, wird es offensichtlich: Die allgemeine Krise des Kapitalismus weitet sich aus. Ein Ende ist nicht absehbar – im Gegenteil, das Problem verschärft sich und die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter. In Staaten wie z.B. Griechenland werden breiteste Bevölkerungsschichten in die absolute Verelendung getrieben, doch auch in unserem Land arbeitet inzwischen jede/r Vierte im Niedriglohnsektor. Besonders bitter trifft es unsere Zukunft, die Jugendlichen. Aber auch die wachsende Altersarmut lastet schwer auf Allen.

Keine gewerkschaftliche Versammlung, keine Kundgebung findet statt, die nicht die Folgen der Krise unmittelbar zum Gegenstand hat!

Doch wo man auch hinschaut, wird ebenso offensichtlich: Es herrscht viel zu viel Schweigen über den Bruder der Krise, den Krieg. Hat nicht gerade unsere eigene Geschichte den Zusammenhang zwischen Krise und Krieg grausam bewiesen? Der ersten Weltwirtschaftskrise folgte der 1. Weltkrieg; der zweiten Weltwirtschaftskrise mit 6 Millionen Arbeitslosen folgte der 2. Weltkrieg mit 6 Millionen Toten im eigenen Land und 50 Millionen Toten weltweit.

Und je weniger die jetzige dritte Weltwirtschaftskrise durch Vernichtung von Werten Erfolg bringt bei der künstlichen Beatmung des Kapitalismus desto mehr rückt er heran: der Krieg, den niemand will und für den doch die Alarmzeichen immer deutlicher werden:
  • Wenn Angela Merkel öffentlich im Bundestag erklärt: „Niemand sollte glauben, dass ein weiteres halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Europa selbstverständlich ist. Es ist es nicht“,
  • wenn nach den verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung „schwache Staaten“ bereits ein Grund für den Einsatz der Bundeswehr sind,
  • wenn bei wachsender Abhängigkeit vom Export schon seit Jahren die Sicherung der Rohstoffe und der Exportwege als Kriegsgrund angegeben und die deutsche Armee mehr und mehr zur Einsatzarmee nach außen umgebaut wird,
  • wenn wir und unsere Kinder in Schulen und Hochschulen einer wachsenden Militarisierung ausgesetzt sind und ein flächendeckendes Reservistennetz unter der Behauptung des „Katastrophenschutzes“ für den Einsatz nach innen aufgebaut wird,
dann ist es höchste Zeit, das Schweigen zu brechen!

In diesem Sinne wollen wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 2. Frauen-Friedenskonferenz, in die Betriebe und Dienststätten, in die Gewerkschaften und Organisationen hineinwirken.




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