Friedensgrüße statt Kriegstrommeln
Wenn die Menschen nicht mitspielen beim Kriegsgeheul ihrer Vertreter
Von Sabine Schiffer *
Wenn die Menschen nicht mitspielen beim Kriegsgeheul ihrer Vertreter
Alle reden vom Irankrieg. Seit über 15 Jahren wird die Warnung davor, dass der Iran in
wenigen Monaten über die Atombombe verfügen würde, durch die Medien gejagt – mal
mit weniger, mal mit mehr Vehemenz. Nun scheint es einigen zu bunt geworden zu sein
und israelische und iranische Bürger, denen die bellizistische Rhetorik ihrer Staatsführer
zu bedrohlich erschien, setzten ein Zeichen dagegen. Ein Zeichen gegen den Krieg, ja
mehr noch, ein Zeichen für die Liebe und den gegenseitigen Respekt.
Wer hätte das gedacht? Bahnt sich da etwa eine transnationale Facebook-Revolution an?
Via social networks hat der israelische Designer Ronny Edry die Initiative „Iranians, we
love you – we will never bomb your country“ gestartet. Er gab alles dafür, seine Frau und
sein Kind posierten für die Poster. Und prompt kam die Reaktion aus dem Osten. Iraner
eröffneten die Facebook-Seite „Iran loves Israel“ und sendeten per Youtube-Video ihre
Friedensbotschaften zurück, wobei sie eine mögliche Verfolgung im eigenen Land in Kauf
nahmen. Niemand verbarg sein Gesicht, versuchte seine Identität zu verschleiern. Man
setzt sich über die üblichen Grenzziehungen und Angstszenarien hinweg. Großartig!
Dies ist ein anschauliches Beispiel für das, was Herrmann Göring bei den Nürnberger
Kriegsverbrecherprozessen bedauerte und wofür er das Mittel der Propaganda lobte:
„Natürlich wollen die einfachen Leute keinen Krieg: Weder in Rußland noch in
England und auch nicht in Deutschland. Das ist klar. Aber schließlich sind es die
Führer des Landes, die die Politik bestimmen und es ist immer eine einfache
Sache, die Leute mitzuziehen, ob in Demokratie oder faschistischer Diktatur oder
einem Parlament oder kommunistischer Diktatur. Stimme oder nicht, die Leute
können immer dazu gebracht werden, den Wünschen ihrer Führer zu folgen. Das ist einfach. Alles, was Sie tun müssen, ist, ihnen zu sagen, daß sie angegriffen werden und die Kriegsgegner dafür zu denunzieren, daß ihnen Patriotismus fehlt
und sie das Land einer Gefahr aussetzen. Es funktioniert in jedem Land
gleichermaßen.“
Vielleicht bieten die neuen Medien tatsächlich mehr Möglichkeiten, den Teufelskreis
erfolgreicher Kriegs-PR zu durchbrechen?! Wir dürfen gespannt sein. Wobei bei aller
Rhetorik gar nicht klar ersichtlich ist, ob „der Westen“ wirklich im Iran oder auch in Syrien
ein neues Kriegsfass aufmachen will. Hier erscheinen mir einige unserer Medien etwas
vorlaut. Fakt ist, dass die geostrategischen Interessen in der Region des Mittleren Ostens
intensiver werden. Angesichts von Rohstoffverknappung und mehr Migration ist man
bereit, für deren Durchsetzung noch massiver aufzutreten. Die Aufstockung von Rüstungsexport,
Bundeswehretat und NATO sprechen eine deutliche Sprache. Nicht Verhandlungen
fairer Preise für Rohstoffe und Fertigwaren stehen auf dem Programm, sondern
Kontrolle, Ausbeute und Unterdrückung. Allerdings ist auch etlichen Strategen klar
geworden, dass Krieg vielleicht gar nicht das probate Mittel zur Erreichung dieser Ziele ist,
wie u.a. die Eskalation und das vielfache Leiden in Afghanistan zeigt. Es gibt freilich noch
andere Mittel und Wege zu Dominanz und seltenen Erden… Dabei kann man am Beispiel
Afghanistans gut sehen, was auf uns zukommt: Redet man vor dem Krieg nicht mit den
Gegnern, muss man es eben nach dem Krieg tun – das gleiche Ergebnis also, nur mit
vielen zerstörten Leben hüben wie drüben auf dem künstlich verlängerten Weg.
Dass es nun bei der gesamten Rhetorik um einen Angriff auf Iran mitnichten um Hilfe für
Israel geht, sondern das kleine Land notfalls auf dem Altar der Geschichte geopfert wird,
wird angesichts der „höheren Ziele“, die in Strategiepapieren von PNAC (Project for a New
American Century) bis zum besagten Konzept des Greater Middle East formuliert sind,
deutlich. Umso dringlicher erscheint da eine langjährige Kampagne wie die Gideon Spiros,
der einen atom- und chemiewaffenfreien Nahen Osten fordert. Dies würde bedeuten, dass
auch Deutschland keine Waffen mehr in die Region liefert – und wir überhaupt mehr über
den Zusammenhang zwischen Waffenproduktion und deren Gebrauch nachdenken.
Statt Warenembargos bräuchten wir also Waffenembargos!
Dass sich einige Israelis von der Verteidigungs- und Loyalitätsrhetorik nicht mehr blenden
lassen, ist umso besser. Man kann nur hoffen, dass dies anderen Menschen ebenso
gelingt, in Afrika, Sri Lanka, auf dem Balkan und anderswo, wo Menschengruppen gezielt
gegeneinander aufgebracht wurden, um Einmischung und Kontrolle zu erzielen.
Für die Friedensbewegung steht beim Handeln im Kleinen also immer das Große und Ganze mit auf dem Programm. Fairer Handel und dezentrale Energiegewinnung ohne
neokoloniale Strukturen, wie sie sich bei einem Großprojekt wie Desertec schon wieder
abzeichnen, gehören damit ebenso zum friedenspolitischen Engagement wie das Anprangern von Rüstungsforschung und die Rekrutierung unserer Kinder als
Kanonenfutter in den Schulen. Natürlich arbeitet auch die Bundeswehr mit PR und versucht aktuell mittels Loyalität fürs Soldatenschicksal für den Krieg zu werben. Das sich
Mischen unter die Jobbörsen an den Bildungseinrichtungen suggeriert zudem, dass das
Töten ein ganz normaler Beruf sei. Können wir es zulassen, dass der Ausruf des Entsetzens von 1945 „Nie wieder Krieg!“ zum Auslaufmodell werden soll?
Junge Rekruten sagen mir, dass sie es für legitim erachten, dass sie für die Sicherung von
Rohstoffen und deren Transportwegen in sog. Auslandseinsätze geschickt werden. Viele
finden es o.k., zur Sicherung eines unnatürlichen Wohlstands für wenige hierzulande und
auf Kosten der Mehrheit der Menschen hier wie anderswo auf der Welt auch das Mittel
der Gewalt einzusetzen – eine Gewalt, die sie hinter dem Begriff „Sicherheit“ kaum noch
zu erkennen vermögen.
-
Wie viele Firmen sind inzwischen bereit, für den Schutz ihrer Patente Gewalt
anzuwenden?
- Und wie viele Menschen sind inzwischen bereit, für ihre vermeintliche Sicherheit
den Einsatz von Gewalt und Kontrolle zu tolerieren?
Dabei stehen auch sie auf der Liste derjenigen, die die Zeche für die Aufrüstung zu zahlen
haben – mit weniger sozialer Sicherung, weniger Bildung und mehr Arbeit für weniger
Auskommen.
Solange wir aber auf ein ominöses Wirtschaftswachstum setzen, das nicht das
existenzielle Gemeinwohl aller verfolgt, wird die Gewalt als zwanghafter Begleiter von
Ausbeute und Konsum, welche manche mit Wohlstand oder gar Glück verwechseln,
weiter seine Opfer fordern. Und Gewalt und Unterdrückung stärken bekanntlich die
radikalen Kräfte, die dann wiederum den Vorwand für noch mehr Gewalt und Kontrolle
liefern können.
Traditionell an Ostern wird dieser Zusammenhänge gedacht, aber Friedensgrüße statt
Kriegsgetrommel – wie es uns Israelis und Iraner derzeit vormachen – sind jederzeit eine
Option für die Mehrheit der Menschen, die wissen, dass sich Ungerechtigkeit und
künstliche Hierarchien langfristig nicht halten werden.
Dr. Sabine Schiffer, Medienwissenschaftlerin; Leiterin des IMV-Institut für Medienverantwortung, Erlangen.
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um ein Redemanuskript für den Ostermarsch 2012 in Erlangen.
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