"Noch nie so viele Kriege"
Berliner Friedensbewegung mobilisiert zum 30. Ostermarsch. Themen sind Waffenexporte und ein drohender Krieg gegen den Iran sowie Solidarität mit Mumia Abu-Jamal
Von Kerem Schamberger *
Für diesen Samstag (7. April) ruft die Berliner Friedensbewegung zum mittlerweile 30. Ostermarsch auf. Das von mehr als 40 Organisationen unterstützte Bündnis hat sich zur traditionellen Protestaktion mehrere Schwerpunkte gesetzt. Neben der Forderung nach einem sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan stehen die aktuellen Kriegsdrohungen gegen den Iran und die Auseinandersetzungen in Syrien im Mittelpunkt.
In ihrem Aufruf kritisieren die Organisatoren, daß die kriegerische Außenpolitik der Bundesrepublik mit ihren Sanktionen gegen Syrien und den Iran einen »Regime change« durchsetzen will. Sie betonen, daß »die Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung eines Landes ausschließlich Angelegenheit seiner Bevölkerung ist«. Sich mit der Bevölkerung zu solidarisieren, »heißt vor allem, die Gewaltspirale zu beenden und sich jeglicher Intervention von außen zu widersetzen«, so das Bündnis. Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination konstatierte auf einer Pressekonferenz in dieser Woche, daß es noch nie so viel Kriege wie heute auf der Welt gegeben hätte.
Lühr Henken, einer der Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag, stellte fest, daß der in den letzten Tagen diskutierte Annan-Plan für Syrien Hoffnung auf eine Beilegung des Konflikts gemacht hätte. Der Waffenstillstand müsse aber von allen Parteien, also auch von den Aufständischen, eingehalten werden. Eine Lösung des Konflikts sei nur durch Dialog, einen Waffenstillstand und den Stopp der Waffenlieferungen aus dem Ausland zu erreichen. Die Zusage von arabischen Staaten über die Zahlung von mehr als 269 Millionen Dollar an die syrische Opposition am vergangenen Wochenende in Istanbul, die unter anderem zum Kauf von Waffen genutzt werden sollen, sei dafür das falsche Zeichen. Inbezug auf die Kriegsdrohungen gegen den Iran stellte Henken klar, daß dem Land die friedliche Nutzung von Atomenergie erlaubt werden müsse. Er betonte aber, daß die Friedensbewegung die Nutzung von Atomenergie grundsätzlich ablehne und für einen atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Osten eintrete, unter Einbeziehung Israels.
Uwe Hiksch von den Naturfreunden machte darauf aufmerksam, daß der diesjährige Ostermarschaufruf konsequent antimilitaristisch sei und wieder breite Unterstützung gefunden habe. Unterschrieben haben unter anderem die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, die Landesschülervertretung sowie Die Linke und die DKP.
Die Berliner Friedensaktivisten starten am Samstag um 12.30 Uhr am Potsdamer Platz. Die Route führt unter anderem an Lobbyverbänden der Rüstungsindustrie und großen Rüstungsunternehmen wie Krauss-Maffei Wegmann vorbei. Die Waffenexporte der Bundesrepublik sind im Jahr 2011 um 50 Prozent gestiegen. Demonstrationsziel wird auch die BW Fuhrpark GmbH. Diese eher unbekannte Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn stellt der Bundeswehr und ausländischen Streitkräften nach eigenen Angaben mehr als 26000 Fahrzeuge zur Verfügung, darunter auch Wagen mit militärischer Sonderausstattung.
Erstmals greift das Ostermarschbündnis auch die Forderung nach Freilassung des seit mehr als 30 Jahren inhaftierten Mumia Abu-Jamal auf. So soll mit dem Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal die US-Botschaft mit einem 600 Meter langem Transparent umzingelt werden. In einer Erklärung sprechen die Organisatoren davon, daß der weltweit wohl prominenteste politische Gefangene neben seiner Arbeit als Journalist und Schriftsteller gleichzeitig ein »Ankläger gegen die militärischen Hegemonialansprüche der USA« sei. Durch die Zusammenarbeit mit dem Free-Mumia-Bündnis, solle der Ostermarsch auch für jüngere Menschen attraktiver werden.
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. April 2012
Gedenken an Opfer von Rechts
Münchner Ostermarsch erinnert an Tote des Neonaziterrors und setzt sich für eine gerechte Wirtschaftsordnung ein
Von Kerem Schamberger **
Auch in München gehen die Ostermarschierer zum 30. Mal auf die Straße. Unter dem Motto »Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt« werden in der bayrischen Landeshauptstadt bis zu 1000 Demonstranten erwartet. Die vom Münchner Friedensbündnis organisierte Demonstration wird dieses Jahr unter anderem vom Flüchtlingsrat, der DKP, der Linkspartei und dem Deutschen Freidenkerverband unterstützt. Die Organisatoren fordern in ihrem Aufruf einen sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan sowie den Austritt der BRD aus der NATO. Ziel sei die Schaffung einer friedlichen Gesellschaft ohne Armee. Die militärischen Drohungen gegen den Iran und Syrien werden strikt abgelehnt. Es gäbe »keine Rechtfertigung für Militärinterventionen, die alles noch schlimmer machen und mit Menschenrechten nichts zu tun haben«, heißt es im Aufruf.
Mit dem Hinweis, daß eine friedliche Welt nur mit einer gerechten Wirtschaftsordnung möglich sei, schaffen die Ostermarschorganisatoren die Verbindung zwischen Kapitalismus und Krieg. Franz Iberl betonte im Gespräch mit junge Welt, daß durch Verschärfung des Neoliberalismus auch die Aufrufe zur Demonstration konsequenter und bewußter geworden seien. Für viele Friedensaktivisten sei in den letzten Jahren der Zusammenhang zwischen Krieg und neoliberalem System immer klarer geworden.
Zum ersten Mal beginnt die Demonstrationsroute an der Münchner Theresienwiese. Dort steht das Mahnmal für die Opfer des Oktoberfestattentats im Jahr 1980. Mit der Aufdeckung von zehn Morden der terroristischen Neonazigruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« sei es an der Zeit, den Opfern rechter Gewalt auch im Rahmen des Ostermarsches zu Gedenken, so Iberl. Die Auftaktrede hält Ernst Antoni, Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und Gewerkschaftsfunktionär von ver.di.
Auch das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus ruft zum Ostermarsch auf. In einer eigenen Erklärung warnt der Zusammenschluß vor einem Krieg gegen den Iran: Dieser hätte, »egal unter welchem Vorwand, unabsehbare Folgen für die Menschen im Iran, in Israel und in allen Ländern der Region«. Für alle, die sich von einem iranischen Atomprogramm bedroht fühlten, gäbe es eine naheliegende Lösung: »Die sofortige Aufnahme von Verhandlungen aller Beteiligten in dieser Region über eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten«, so das Bündnis, das die jährlichen Proteste gegen die sogenannte NATO-Sicherheitskonferenz mitorganisiert.
Für die Osterfeiertage sind in Bayern mehr als zehn Ostermärsche angekündigt, darunter in Nürnberg, Landshut und Würzburg.
** Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. April 2012
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