Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

MTU – der unterschätzte Rüstungsriese

Zwei Reden von Jürgen Grässlin beim Ostermarsch 2012 in Friedrichhafen *

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!


Wir haben uns heute vor der Motoren- und Turbinen-Union in Friedrichshafen versammelt. Die MTU blickt auf eine bewegte und äußerst aussagekräftige Firmengeschichte zurück: von der Unternehmensgründung 1909 in Bissingen/Enz, dem Umzug 1911/12 nach Friedrichshafen bis hin zur Umstellung der Produktion auf Militärfahrzeuge 1933. Bis 1945 lieferte das Vorläuferunternehmen Maybach Motorenbau rund 140.000 Motoren für den Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten aus. 1969 wurde die MTU Friedrichshafen GmbH gegründet, 2006 wurde die Tognum Unternehmensgruppe mit MTU als Kernmarke. Im Jahr darauf folgte der Börsengang als Aktiengesellschaft.

Im Jahr 2008 erzielte das Unternehmen einen Jahresumsatz von 3,1 Milliarden Euro. 2010 begann die Montage von Motoren mit NORINCO. Dieser chinesische Staatskonzern zählt zu den führenden Waffenproduzenten im Reich der Mitte. Die NORINCO-Produktpalette reicht von Handfeuerwaffen und Sprengstoffen bis hin zu Panzern und Antriebskomponenten für strategische Atomwaffen.[1]

Im 3. Quartal 2011 meldete die Daimler AG, die Übernahme von Tognum sei „erfolgreich abgeschlossen“. Die Daimler AG und Rolls-Royce Holdings plc sichern sich rund 99 Prozent der Tognum-Aktien.[2]

MTU – der unterschätzte Rüstungsriese

Längst zählt MTU, genauer gesagt die Daimler/Rolls-Royce-Beteiligungsgesellschaft Tognum, zu den weltweit führenden Herstellern von Dieselmotoren und Antriebssystemen für zivile und militärische Schiffe, schwere Land- und Schienenfahrzeuge und Industrieantriebe.

Vielsagend ist die aktuelle Werbung von MTU. Im Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie 2011/2012 wirbt das Unternehmen: „Unter extremen Bedingungen benötigen Sie ein Antriebssystem, auf das Sie sich verlassen können. Mit mehr als 60 Jahren Erfahrung in militärischen Anwendungen ist MTU die erste Wahl, wenn es um den Antrieb gepanzerter Fahrzeuge geht.“ Dabei erfüllt MTU „individuellste Antriebswünsche“.[3]

Mehr als 60 Jahre ist auch der versteckte Hinweis darauf, dass sich die nationalsozialistische Reichswehr im Zweiten Weltkrieg auf die MTU und deren Motoren verlassen konnte. Individuellste Antriebswünsche hegen Militärs menschenrechtsverletzender und diktatorischer Regime heute in aller Welt. Auch sie werden von MTU/Tognum bestens bedient.

Wer so schamlos für Waffenbestandteile wirbt, zeigt wessen geistiges Kind er ist. Nicht nur Waffenwerbung wie diese, sondern Waffenwerbung generell gehört verboten!

Verbreitung von MTU-Dieselmotoren der Tognum AG in Militärschiffen:

Die MTU wirbt damit, seit Anfang der fünfziger Jahre mehr als 10.000 Antriebs- und Bordstromsysteme an nahezu alle Marinen der Welt geliefert zu haben. Im Bereich konventioneller U-Boot-Motoren ist das Friedrichshafer Unternehmen „Weltmarktführer“. Lang ist die Tognum-Lieferliste laut Studie der Kritischen Aktionäre. Hier eine Auswahl der Verbreitung von MTU-Dieselmotoren der Tognum AG in Militärschiffen.

MTU-Dieselmotoren finden sich in
  • Patrouillenbooten für die Marine Ägyptens,
  • Korvetten und Patrouillenboote für Bahrain,
  • U-Boote, Fregatten und Patrouillenbooten für Indonesien,
  • Korvetten und Patrouillenboote für Saudi-Arabien,
  • U-Boote, Fregatten, Patrouillenboote und Zerstörer für Südkorea,
  • ein Flugzeugträger, Fregatten und Korvetten für Thailand und
  • Korvetten und Patrouillenboote für die Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Menschenrechtslage in all diesen Ländern ist desaströs, die Sicherheitslage vielfach dramatisch. Viele dieser Länder liegen in Krisengebieten. Mit jeder kriegerischen Auseinandersetzung, bei der MTU-Motoren im Einsatz sind, macht sich die Geschäftsführung von Tognum mitschuldig am Morden!

MTU-Dieselmotoren wurden geliefert an die Marine Indiens, Pakistans und Chinas. Sie finden sich in Patrouillenbooten von Taiwan und China – allesamt verfeindete Staaten. MTU-Dieselmotoren wurden eingebaut in Kriegsschiffe Griechenlands und der Türkei – gleichsam feindlich gesinnte Länder, die sich seit Jahrzehnten in ihrer Hochrüstung überbieten und zwischen denen kriegerische Auseinandersetzungen nie ausgeschlossen werden können. Dennoch lieferte MTU Dieselmotoren beispielsweise für U-Boote des Typs 209 und Fregatten des Typs MEKO 200 HN bzw. MEKO 200 an Griechenland und die Türkei!

Diese profitorientierte Geschäftspolitik ist zutiefst beschämend!

MTU-Dieselmotoren für U-Boote und Fregatten in Griechenland? Was für absurde Geschäfte angesichts der Finanzkrise und der Not der Bevölkerung dieses Landes![4]

Allein diese begrenzte Auswahl belegt: Tognum/MTU ist ein Global Player kriegerischer Auseinandersetzungen auf den Weltmeeren. Anders als die weithin bekannten Waffenschmieden Daimler/EADS, Krauss-Maffei Wegmann, Rheinmetall, Diehl, ThyssenKrupp Marine Systems oder Heckler & Koch ist Tognum/MTU ein unterschätzter Rüstungsriese. Denn die MTU-Motoren sind weithin unsichtbar – aber umso wirkungsvoller. Sie bringen Militärfahrzeuge und Kampfpanzer zu den Schlachtfeldern und Kriegsschiffe zu den Orten der Seeschlachten.

Menschenverachtender und verwerflicher kann Wirtschaftspolitik nicht sein!

In diesen Tagen sieht sich Günter Grass heftigster Kritik und Diffamierung ausgesetzt. Dabei hat der Lübecker Literaturnobelpreisträger zu Recht auf die Gefahr hingewiesen, dass Israel von Deutschland mit U-Booten aus- und hochgerüstet wird. Laut einer Studie der Kritischen Aktionäre finden sich MTU-Dieselmotoren in Korvetten, Patrouillenbooten und U-Booten der israelischen Marine. Das vierte und fünfte U-Boot sind bei Howaldtswerke-Deutsche Werke (HDW) nahezu vollendet. Der Vertrag für das sechste U-Boot des Typs Dolphin wurde seitens der deutschen und der israelischen Regierung im März 2012 unterzeichnet. Dieses und andere U-Boote wären durch Umrüstung atomwaffenfähig.[5]

Günter Grass gebührt Dank für seine mahnenden Worte. Das gegen ihn verhängte Einreiseverbot ist falsch und unberechtigt!

MTU-Antriebe für Militärfahrzeuge und Kampfpanzer

Wie bei Kriegsschiffen besitzt MTU auch bei militärischen Landfahrzeugen eine Jahrzehnte währende Tradition. Offensiv werden auf der Firmenhomepage Panzer beworben: „Bei militärischen Konflikten suchen Kampfpanzer den direkten Kontakt.“ Mobilität sei „eines der wichtigsten Kriterien“ und „ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg der Missionen“. Gemeint sind auch Kriegseinsätze. Um äußerst mobile und effizient gepanzerte Fahrzeuge realisieren zu können, würden „kraftvolle und zugleich kompakte Antriebssysteme benötigt“. Anforderungen, die die MTU-Motoren der Baureihen 837, 870 und 880 – laut Eigenwerbung – „in beeindruckender Weise“ erfüllen. Eingebaut in Kampfpanzer der Typen LEOPARD 1, LEOPARD 2 und LECLERC TROPICALISÉ hätten sich diese MTU-Motoren „einen hervorragenden Ruf erworben und setzen weltweit Maßstäbe in Bezug auf Mobilität, Leistungsdichte und Zuverlässigkeit“.[6]

Zweifelsohne ist MTU Friedrichshafen erfolgreich beim Bau vom Panzermotoren, zweifelsohne hat sich MTU Friedrichshafen bei aggressiv operierenden Militäreinheiten und kriegsführender Staaten seinen Ruf erworben. Obwohl zwischen Indien und Pakistan bereits vier Kriege tobten, wurden 124 indische ARJUN-Kampfpanzer mit MTU-838-Ka-501-Motoren aus Friedrichshafen ausgerüstet.[7] Zudem sollen in US-amerikanischer Lizenz gefertigte MTU-MB-873-Motoren in israelische Merkava-4-Panzer eingebaut worden sein. Diese Mk4-Panzer wurden u.a. bei der Operation Cast Lead, OCL (Operation gegossenes Blei) gegen Palästinenser eingesetzt – mehr als eintausend Menschen starben, Tausende wurden verwundet, darunter zahlreiche Kinder.[8]

Zwei Beispiele von vielen, bei denen MTU-Motoren tödliche Dienste verrichten. Der folgenschwerste aber steht noch aus: Der vom Bundessicherheitsrat im Sommer 2011 genehmigte Export von 270 Kampfpanzern LEOPARD 2 an das Königshaus in Saudi-Arabien. Die Lieferungen soll in der Version A7+ erfolgen: für „urbane Operationen“ in Städten wie Riad oder Mekka, bestens geeignet zur Unterdrückung der Demokratiebewegung im eigenen Land.[9] Mit einer Motorleistung von 1.500 PS erreicht der 67,5 Tonnen schwere LEOPARD 2 eine Geschwindigkeit von bis zu 72 km/h. Bei einer Reichweite von immerhin 450 Kilometern kann der Flächenstaat Saudi-Arabien nicht nur Staatsgebiet militärisch sichern, sondern nach Belieben in Nachbarstaaten intervenieren. Auch weitergehende Angriffe gegen den Iran über irakisches bzw. gegen Israel über jordanisches Territorium sind keinesfalls auszuschließen.[10]

Die in der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ zusammengeschlossenen Organisationen haben beschlossen, diesen Panzerexport mit gewaltfreien Aktionen verhindern zu wollen. Gemeinsam mit Peter Grottian von attac und Martin Singe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie wollen wir zivilen Ungehorsam praktizieren an den Orten der Verantwortung des geplanten Panzergeschäfts: beispielsweise in München, Kassel, Düsseldorf und auch in Friedrichshafen, wo die Kampfpanzer und ihre Bestandteile gefertigt werden. Weitere Aktionen sollen vor dem Bundeskanzleramt und dem Deutschen Bundestag, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesausfuhramt stattfinden, wo die politischen Entscheidungen getroffen bzw. der Export genehmigt wird.

Noch sind die LEOPARD-2-Panzer nicht ausgeliefert, noch kann dieser Rüstungsexport mit einem breit getragenen Protest gestoppt werden!

Den Opfern eine Stimme geben – für Rüstungskonversion

Die Opfer – Tote und Verstümmelte – der MTU-Rüstungsexportpolitik sind unzählbar, sie gehen in die Abertausende. Ihre Stimmen erreichen weder die Stadt noch die Waffenschmiede, ihre Schreie ersticken ungehört. Wir wollen den Opfern der MTU-Geschäftspolitik eine Stimme geben, wir wollen zur Umkehr auffordern.

Unsere Forderungen richten sich an die Geschäftsführung: Steigen Sie aus dem Geschäft mit dem Tod aus! Unsere Forderungen richten sich an die christlichen Kirchen: Haben Sie den Mut, die Wahrheit auszusprechen! Sprechen Sie in den Kirchen über die MTU-Rüstungsexporte und die verwerflichen Folgen dieser Wirtschaftsweise!

Unsere Forderungen richten sich an die IG Metall: Geben Sie den entscheidenden Impuls, indem Sie konkrete Modelle zur Rüstungskonversion – der Umstellung auf eine nachhaltige zivile Fertigung – bei MTU erarbeiten. Wir fordern: Brennstoffzellen-Motoren für zivile Schiffe statt Dieselmotoren für Kriegsschiffe!

In diesem Sinne muss sich in Friedrichshafen ein „Runder Tisch der Rüstungskonversion“ zusammenfinden, bei dem neben Firmenvertretern und Gewerkschaftern alle gesellschaftlich betroffenen Verbände und Organisationen repräsentiert sind. Ausgehend von Friedrichshafen sollte der Impuls in die Rüstungsregion Bodensee gesandt werden. Rüstungskonversion ist das Gebot der Stunde!

Quellen:
  1. „Rüstungsatlas Bodensee” der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL) vom Oktober 2010, S. 16
  2. Geschäftsbericht der Daimler AG 2011, S. 8
  3. Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie 2011/2012, S. 820
  4. „Rüstungsatlas Bodensee”, a.a.O., S. 18 ff.
  5. „Deutschland liefert U-Boot nach Israel“, in tagesschau.de vom 20.03.2012
  6. http://www.mtu-online.com/mtu/anwendungen/militaerische-fahrzeuge/kampfpanzer/index.de.html?no_cache=1&sword_list%5B0%5D=leopard
  7. http://www.waffenvombodensee.com/mtu-motoren-fur-chinesische-panzer/mtu-und-menschenrechte/panzer-fur-indien/
  8. http://www.waffenvombodensee.com/mtu-motoren-fur-panzer/
  9. janes.com; EUROSATORY 2010
  10. Website von Krauss-Maffei Wegmann, www.kmweg.de, LEOPARD_PSO


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!


Laut Recherchen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zählen Deutschland, die Schweiz und Österreich zu den führenden Rüstungsexportnationen: Im Fünf-Jahres-Vergleich von 2006 bis 2010 rangiert Österreich auf Platz 24, die Schweiz auf Platz 13 und Deutschland auf dem dritten Platz der Weltwaffenexporteure.[1] Damit ist die Bundesrepublik Deutschland Europameister beim Waffenhandel – was für eine Schande!

Doch Platzierungen wie diese rufen bei den Regierungen unserer Länder, die für den Export von Kriegswaffen verantwortlich sind, und bei Rüstungsmanagern, die die Produktion von Kriegswaffen verantworten, Zuspruch und Zufriedenheit hervor. Für mich Grund genug, Waffenproduktion und Waffenhandel kritisch zu hinterfragen.

Der Tod ist ein gern gesehener Gast

Friedrichshafen liegt fern vom Krieg. Fern von den Schlachtfeldern der Kriege und Bürgerkriege, wo westliche Truppen kämpfen und bekämpft werden, wo der so genannte „Krieg gegen den Terror“ geführt wird. Fern von Schlachtfeldern, auf denen Kugeln Köpfe treffen, Granaten Körper zerfetzen, Bomben in Menschenmengen explodieren und der Waffentod seiner Erfolge frönt.

Der Waffentod ist ein gern gesehener Gast bei der RUAG Defence in Thun in der Schweiz, bei den deutschen Firmen EADS in Ottobrunn, bei Krauss-Maffei Wegmann in München und Kassel, bei Rheinmetall in Düsseldorf, bei ThyssenKrupp Marine Systems in Hamburg, bei Diehl in Nürnberg, bei MTU Aero Engines in München.

All diese Unternehmen finden sich im Ranking der aktuell veröffentlichten Top 100 der Rüstungsriesen in aller Welt.[2] Gern gesehen ist der Waffentod auch in Oberndorf, beim Gewehrhersteller Heckler & Koch – angesichts von Millionen Opfern Europas tödlichstes Unternehmen.

Der Tod ist ein Meister vom Bodensee

Nur allzu gerne gastiert der Waffentod am wunderschönen Bodensee, dem Ort des Tourismus und der Toten fernab. Seine Reise führt ihn von der Schweizer Firma Sti Hartchrom in Steinach zur Mowag in Kreuzlingen. Auf der deutschen Seite reist der Waffentod zu ATM Computersysteme nach Konstanz, weiter zu Mine Wolf Systems und zu Rheinmetall Soldier Systems nach Stockach.

Von dort aus fährt er entlang der Nordseite des Sees. Der Waffentod kennt all die Rüstungsproduzenten, reist nach Salem zur RST Radar Systemtechnik und nach Immenstaad zu EADS Astrium. In Friedrichshafen besucht er die Avitech AG und die Zahnradfabrik. Bei der Motoren- und Turbinen-Union – seit 2006 zur Tognum-Gruppe gehörend – wird dem Tod der blutrote Teppich ausgerollt. Diesen dürfen für gewöhnlich nur schlimmste Menschrechtsbrecher und Diktatoren betreten. Ein kleiner Abstecher zu den Zeppelin Mobile Systems in Meckenbronn, schon geht die Fahrt weiter zu AC&S Aerospace in Langenargen und letztlich zur Liebherr Aerospace in Lindenberg.[3]

Für den Tod gibt es Gründe zuhauf, kalt grinsend Dank zu sagen:

Ich danke der Motorwagen-AG in Kreuzlingen. Mit ihren Panzerwagen hat die Mowag der Armee Saudi-Arabiens geholfen, die Demokratiebewegung in Bahrain blutig zu nieder zu schlagen! weiß der Waffentod.

Ich danke Mercedes-Benz für die Lieferung von Motoren aus dem Daimler-Werk Mannheim an MTU/Tognum. In Friedrichshafen wurden die Motoren hochgerüstet. In Mannschaftstransportwagen BTR-4 gelangten sie über die Ukraine nach Thailand! Mit vergleichbaren Panzerfahrzeugen wurde bereits 2010 ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt![4]

Ich danke der MTU für die Lieferung von mehr als 300 Motoren vom Typ MTU-883 an China. Die chinesischen Militärs benötigen die Motoren für ihre ZTZ-99-Panzer. Mit Freuden erinnere ich mich an das Tiananmen-Massaker im Juni 1989 nahe dem Platz des Himmlischen Friedens! sagt der Waffentod satanisch.[5]

Ich danke der EADS Astrium in Friedrichshafen für die Beteiligung bzw. Herstellung von Überwachungsdrohnen und Satelliten – dual use, zivil wie militärisch einsetzbar. Für die EUROHAWK liefert das Werk die Elektronik. Dank der Militärsatelliten erhalten kriegsführende Armeen Zieldaten für tödliche Treffer! lacht der Waffentod herzhaft.[6]

In diesem Zusammenhand danke ich dem nahe gelegenen Karl-Maybach-Gymnasium, dem Graf-Zeppelin Gymnasium und der Claude-Dornier Gewerbeschule in Friedrichshafen und dem Ellenrieder Gymnasium in Konstanz für die Kooperationsvereinbarungen mit dem Rüstungsriesen EADS. Endlich kommen Kinder und Jugendliche frühzeitig mit Kriegswaffen in Kontakt. Oder wie der Leiter von EADS Cassidian so treffend formulierte: „Wir brauchen Ingenieure.“ [7]

Ich danke der Firma Diehl für die lange währende vertrauensvolle Zusammenarbeit mit israelischen Rüstungsfirmen. Mit deren Waffen werden völkerrechtswidrig Kriege geführt! jubiliert der Waffentod.[8]

Ich danke der Firma LIEBHERR, die Militärhelikopter von EUROCOPTER ausstattet, die auch im Afghanistan-Krieg ihre Aufgaben verrichten!

All das sind exemplarische Einblicke in das Waffenarsenal vom Bodensee. Die besten Botschaften des Todes aber sind die der Aufträge kommender Kriegseinsätze. Alsbald können die Kassen der Konzerne noch lauter klingeln:

Sollen wir den Export von 270 LEOPARD-2-Kampfpanzern mit MTU-Motoren für Saudi-Arabien bewilligen? fragen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister den Waffentod im geheim tagenden Bundessicherheitsrat.

Aber ja! grinst der Sensenmann. In Saudi-Arabien wird die Scharia vollzogen. Für die Arabische Halbinsel wurde jüngst eine Fatwa zum Verbot nicht-muslimischer Gotteshäuser ausgerufen! Wir brauchen die Kampfpanzer im Kampf gegen Andersgläubige, gegen die Demokratiebewegung und gegen äußere Feinde! schnalzt der Waffentod mit der Zunge.

Das Beste aber hat sich der Waffentod zum Schluss aufgehoben: Motoren für U-Boote nach Israel:

Und soll ich den Vertrag für den Export eines sechsten U-Bootes – wieder mit Dieselmotoren von MTU – an die israelische Marine bewilligen? fragt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière.

Aber ja! grinst der Sensenmann. Seit 1975 hat die MTU Dieselmotoren für U-Boote Israels geliefert. Mit Umbauten kann dieses U-Boot atomwaffenfähig gemacht werden. Haben Sie schon einmal einen Atompilz gesehen? Sicherlich noch nicht über Teheran! zeigt der Tod sein strahlendes Lächeln.

Noch blüht das Geschäft mit dem Waffentod am Bodensee – genau das werden wir ändern:

Aufschrei gegen Waffenhandel!

Vorbei die Zeit des Hinnehmens, des Ignorierens, des Wegschauens, des Stillschweigens und damit der tödlichen Akzeptanz. Gekommen ist die Zeit des sichtbaren Protestes, der gewaltfreien Aktionen, des lautstarken Aufschreis.

Wir schweigen nicht länger, wir erdulden nicht länger, wir schauen nicht länger weg – wir schauen hin. Viele von uns werden sich im Rahmen der Aufschrei-Kampagne und dem gemeinsamen Bündnis mit Aktionen des Zivilen Ungehorsams gegen den LEOPARD-2-Export nach Saudi-Arabien wehren!

Wir schreien auf gegen Kriegsprofite für die Waffenschmieden am Bodensee, erzielt durch Waffenhandel mit kriegführenden Staaten!

Wir schreien auf gegen den Waffenhandel mit menschenrechtsverletzenden Regierungen in China, Israel, Pakistan und Saudi-Arabien, Thailand und Ukraine – um nur einige wenige von weitaus mehr zu nennen!

Wir schreien auf gegen die Produktion des Todes und gegen die Sicherung von rund 7000 Arbeitsplätzen im Raum Bodensee in der Industrie des Todes!

Wir schreien auf gegen Kooperationsvereinbarungen von Schulen mit Rüstungsbetrieben wie der EADS!

Wir schreien auf als Stimme abertausender getöteter und verstümmelter Menschen in der Folge der Rüstungsexporte vom Bodensee!

Wir schreien auf für Frieden, für Gerechtigkeit, für das Leben!

Genau deshalb haben wir im Mai 2011 Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! ins Leben gerufen. Unterstützen auch Sie die Kampagne gegen Rüstungsexporte. Schon heute sind wir mehr als 100 Mitgliedsorganisationen aus der Friedens- und Menschenrechtsbewegung, aus der kirchlichen Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit und viele weitere Einzelpersonen – so viele wie nie zuvor. Woche für Woche schließen sich weitere Organisationen unserem Bündnis an. Gemeinsam müssen wir so stark werden, dass wir die Politik zum Stopp des Waffenhandels zwingen.

Wir schreien auf für die Ergänzung des Grundgesetzes: In Zukunft muss es in Artikel 26 (2) heißen: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht exportiert“!

Wir unterstützen den „Aufruf für eine rüstungsfreie Zone Bodensee“. Wir fordern Rüstungskonversion und damit die Sicherung der Arbeitsplätze durch die Umstellung der militärischen auf eine nachhaltige zivile Fertigung!

Lassen Sie uns alle zusammen den Waffentod vom Bodensee vertreiben. Was wäre das für ein Signal, wenn die Reise durch die heutige Rüstungsregion zur zukünftigen Friedensfahrt wird: durch die rüstungsfreie Zone Bodensee!

Quellen/Links:
  1. SIPRI Yearbook 2011, „The suppliers of major conventional weapons, 2006 – 10”, p. 302
  2. „The SIPRI Top 100 arms-producing and military services companies, 2010”, www.sipri.org, März 2012
  3. Weitere Informationen siehe „Rüstungsatlas Bodensee” der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL) vom Oktober 2010
  4. http://www.waffenvombodensee.com/mtu-motoren-fur-panzer/mtu-motoren-gegen-demonstranten-in-thailand/
  5. http://www.waffenvombodensee.com/mtu-motoren-fur-chinesische-panzer/
  6. http://www.waffenvombodensee.com/eads2/militarsatelliten/ und http://www.waffenvombodensee.com/eads2/satelliten/wikileaks/
  7. http://www.waffenvombodensee.com/eads2/schule-und-uni/gzg-kmg-cds/
  8. http://www.waffenvombodensee.com/diehl-uberlingen-eine-firma-geht-uber-leichen2/waffen-fur-israels-kriege/
* Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) sowie Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.); Träger des Aachener Friedenspreises 2011, Buchautor.

Die Reden wurden gehalten beim Friedensweg 2012 am Bodensee am 9. April 2012 vor MTU und im Katholischen Gemeindesaal, Friedrichhafen.


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