Zähe Kämpfer für offene Heide
Initiative protestiert seit 15 Jahren gegen Bundeswehr-Übungsplatz
Von Karsten Wiedener *
Dieser Gegner erscheint unbezwingbar. Seit nunmehr 15 Jahren will die Bürgerinitiative Offene
Heide Panzer und Soldaten aus der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt verbannen. Die
Teilnehmerzahl bei den Friedenswegen ist kleiner geworden, und auf der Habenseite findet sich so
gut wie nichts. Doch Sprecher Helmut Adolf gibt auch nach 15 Jahren und 180 Protestwanderungen
nicht auf. »Es werden solange jeden ersten Sonntag im Monat Friedenswege stattfinden, bis der
letzte Waffenträger aus der Heide verschwunden ist«, sagt der 50-jährige Eisenbahningenieur
entschlossen. Mit dem ersten Friedensweg und einem Zeltlager bei Gardelegen war am 1. August
1993 die Bürgerinitiative entstanden.
Die 60 000 Hektar große Heidelandschaft nördlich von Magdeburg gilt als eine der größten
unbesiedelten Flächen in Deutschland. Auf rund einem Drittel davon betreibt die Bundeswehr einen
Gefechtsübungsplatz, auf dem inzwischen auch Truppen anderer Staaten vor allem für
Auslandseinsätze trainieren.
Mit den Wanderungen soll die Heide »Stück für Stück« symbolisch in Besitz genommen werden.
Fast 1000 Kilometer hat Adolf dabei zurückgelegt, ob bei klirrendem Frost, sengender Hitze oder
Gewitter. Regelmäßig haben die Aktivisten argwöhnische Begleiter: Weil die Wanderungen nach
Versammlungsrecht angemeldet werden, ist immer auch die Polizei dabei. Und häufig passen
Feldjäger der Bundeswehr auf, dass ja niemand hinter eine gedachte Linie tritt, die die zahllosen
Verbotsschilder untereinander verbindet. An der Grenze des »Militärischen Sicherheitsbereichs«
wird vor Übungs- und Laserbetrieb sowie vor Blindgängern gewarnt.
An Ideen für besondere Angebote bei den Friedenswegen hat es nie gemangelt. So lädt die
Bürgerinitiative zu ihren Touren Pilzkundler, Ornithologen und Volkschöre ein, oder es wird mit
Flößen auf einem Bach geschippert. Doch die Bundeswehr hat sich etabliert, ein geplanter
Naturpark um das Militärgelände herum kam mangels Zustimmung in den Kommunen nicht
zustande. Außerdem wurde der 1997 zwischen Bund und Land geschlossene Heidekompromiss vor
drei Jahren gelockert. So bleibt auch der Südteil der Heide auf Dauer im Besitz des Bundes. Nach
dem ersten Abkommen war ein Abzug des Militärs im Jahr 2006 vorgesehen.
Der anfangs 150 Mitstreiter zählende Kern der Bürgerinitiative ist auf 30 bis 40 geschrumpft. Die
meisten von ihnen kommen aus den Regionen Magdeburg und Stendal. Viele der Menschen vor Ort,
die die Initiative eigentlich dabei haben möchte, sind im Schützen- oder Fußballverein ihres Dorfes,
sagt Adolf. »Da ist es für sie schwierig, mitzuwandern, wenn der Vereinschef Elektriker ist und einen
Großauftrag erwartet, weil er beim Kommandanten eine kaputte Glühlampe auswechselt hat.«
Ohnehin machten sich viele der Kommunen falsche Hoffnungen auf Arbeit durch das Militär. »Das
Aus für die Militärübungen muss politisch entschieden werden«, betont Adolf. Und so unternimmt er
mit seinen Mitstreitern immer wieder Vorstöße bei Abgeordneten in Bund und Land. Auch wenn ein
Umdenken in der Politik noch weitere Jahre auf sich warten lassen sollte, ist die Zuversicht von Adolf
ungebrochen; »Wie schnell kam die politische Wende in der DDR, das hatte doch auch bis zuletzt
niemand für möglich gehalten.«
epd
* Aus: Neues Deutschland, 29. Juli 2008
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