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Zurück zu Glanz und Gloria?

Eine öffentliche Beförderung von Soldaten zu Offizieren sorgt in München für Protest

Von Rolf-Henning Hintze, München *

Militärkapellen spielen in der Kirche, Soldaten werden öffentlich befördert: Deutschland sei auf dem Weg zurück in vergessen geglaubte Zeiten, so die Kritiker der jüngsten Schauappelle der Bundeswehr.

Begleitet von Protesten sind in der Münchner Innenstadt erstmals Soldaten bei einem öffentlichen Beförderungsappell zu Offizieren befördert worden. Die Proteste verschiedener Friedensgruppen richteten sich auch gegen einen ökumenischen Gottesdienst für die Soldaten in der barocken Theatinerkirche. Seit Jahrzehnten hatten solche Appelle in der Bundeswehrhochschule Neubiberg stattgefunden.

Bereits auf dem Weg zum Gottesdienst wurden Soldaten und Angehörige vor der Feldherrnhalle am Freitagnachmittag mit einem riesigen Kurt-Tucholsky-Zitat konfrontiert: »Jubel über militärische Schauspiele ist Reklame für den nächsten Krieg.« Am Eingang der Kirche hatten sich christliche Pazifisten mit einem Jesuswort postiert: »Glücklich sind, die auf Gewalt verzichten, denn sie werden die ganze Erde besitzen.« Auf anderen Plakaten hieß es »Kein Werben fürs Sterben«.

Die evangelische Militärdekanin in Neubiberg, Barbara Hepp, hatte für ihre Predigt den Psalm 32 – »Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind« – gewählt. Dazu spielte das »Luftwaffenmusikcorps « – in der Kirche.

Kurz nach Beginn des Gottesdienstes begannen auf dem Vorplatz die ersten Reden gegen die Zeremonie. Leidenschaftlich wandte sich der Münchner Grünenfraktionschef Siegfried Benker gegen ein neues »Hand in Hand« von Kirche und Militär. Besonderen Anstoß nahm er am Hofgarten als Ort für die Zeremonie. Dort versammeln sich Jahr für Jahr revanchistische Gruppen an einem Kriegerdenkmal mit der Aufschrift »Sie werden auferstehen«. Benker brachte seine Kritik ausdrücklich nicht im Namen der Grünenfraktion vor.

Nach dem Gottesdienst wurden die Soldaten von einem rund 200- stimmigen Trillerpfeifenkonzert empfangen. »Bedenkt, es gibt auch die Rückbeförderung auf der Totenbahre « wurde ihnen zugerufen, als sie unter Polizeischutz zum Hofgarten gingen. Der Aktionskünstler Wolfram Kastner winkte als Soldat in Kampfuniform Seit an Seit mit einem falschen Priester zu. Für Aufsehen sorgte auch ein Jubelgast mit Gauck-Maske.

Auf der Protestkundgebung hatte zuvor Claus Schreer vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus die öffentliche Beförderung als Kriegsverherrlichung bezeichnet. Die weltweiten Militäreinsätze der Bundeswehr hätten mit Landesverteidigung nicht das Geringste zu tun, es gehe in Wirklichkeit um Wirtschaftsinteressen wie die Sicherung des ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen. Scharf wandte sich Schreer gegen Bundespräsident Joachim Gaucks Wort vom Soldaten als »Mutbürger« und erinnerte an Oberst Klein, der im afghanischen Kunduz für den Tod von 140 Menschen verantwortlich gewesen sei. Zu den Rednern gehörten u.a. der bayerische Verfassungsrichter Klaus Hahnzog (SPD) und Jürgen Rose, Oberstleutnant a. D. der Bundeswehr.

Beim Appell im Hofgarten der Residenz fehlten Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wegen der Fiskalpakt- Abstimmungen in Berlin. Sie wurden durch Staatssekretär Stéphane Beemelmans und Staatskanzleichef Thomas Kreuzer vertreten.

Deren Reden brav zu lauschen, erwies sich als ein hartes Los. Bei brütender Hitze erlitten mehrere Soldaten Schwächeanfälle.

* Aus: neues deutschland, Montag, 2. Juli 2012


Protest von 300 Kriegsgegnern gegen die öffentliche Offiziersbeförderung in München

Bericht der Veranstalter

Erstmals in der Geschichte der Münchner Bundeswehruniversität wurde am 29. Juni die Beförderung von Offiziersanwärtern als öffentliches Militärschauspiel im Herzen der Stadt München zelebriert. Der sogenannte Beförderungsappell für rund 600 Offiziersanwärter wurde im Anschluss an einen Militärgottesdienst im von der Polizei hermetisch abgeriegelten Hofgarten, unweit des Soldaten beider Weltkriege errichteten Kriegerdenkmals bezelebriert.

Als die 600 Offiziersanwärter die Kirche verließen, wurden sie von den Demonstranten mit Transparenten wie „Soldat sein ist kein Beruf, sondern Töten auf Befehl“ „Kein Werben fürs Sterben“ und einem gellenden Pfeifkonzert empfangen.

Die Proteste richteten sich auch gegen die Kirche, die dem Militär ihren Segen erteilte. „Militär und Kirche Hand in Hand“ oder „Abschlachten mit Gottes Segen“ stand auf einigen der Protestplakate. Die Theatinerkirche war bereits am Vorabend von etwa 20 Demonstranten für drei Stunden besetzt worden, um bei den Kircheoberen dagegen zu protestieren, dass sie mit dem Militärgottesdienst Krieg und Waffengewalt gut heißen und den zukünftigen Befehlsinhabern der Bundeswehr den kirchlichen Segnen erteilen.

Auf der Protestkundgebung auf dem Odeonsplatz sprachen: Siegfried Benker, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90-die Grünen im Stadtrat, der frühere Bürgermeister Klaus Hahnzog (SPD), Brigitte Wolf, Stadträtin der Partei Die Linke, Oberstleutnant a. D. Jürgen Rose, die ver.di Gewerkschaftssekretärin Hedwig Krimmer und Claus Schreer vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus.

Alle Redner übte scharfe Kritik an dem von Staat und Bundeswehr inszenierten Militärspektakel, weil es zur Rechtfertigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr genutzt werde und der Kriegsverherrlichung diene.

Siegfried Benker wandte sich gegen die Militarisierung des öffentlichen Raums und kritisierten insbesondere die „Geschichtsvergessenheit“ der Bundeswehr, die Wahl des Ortes am Kriegerdenkmal, „einem Ort des politischen Revanchismus“, an dem sich häufig auch faschistische Organisationen zur Heldenverehrung versammeln würden.

Klaus Hahnzog sagte, die Feierlichkeiten im Hofgarten sollten ein Bekenntnis zu den Streitkräften selbst sein – und damit zu deren militärischen Einsätzen, die in aller Regel mit Menschenopfern verbunden sind.„Denkt an die Opfer der Bundeswehr-Einsätze, diese Einsätze sind keine dringend notwendige Friedenspolitik.“

Hedwig Krimmer erinnerte an die von Deutschland ausgegangenen beiden Weltkriege. Die arbeitenden Menschen, sagte sie, seien immer die Hauptleidtragenden von Militarismus und Krieg.

Claus Schreer sagte u.a.: Die Zielsetzungen für den Einsatz der Bundeswehr seien geradezu atemberaubend verfassungswidrig und völkerrechtsfrei. Ginge es nach dem Grundgesetz, dann müsste diese Bundeswehr auf der Stelle aufgelöst werden, weil die weltweiten Militäreinsätze Deutschlands mit Landesverteidigung nicht das Geringste zu tun hätten.


Zum Protest gegen das Militärspektakel hatten zahlreiche Münchner Persönlichkeiten, aus Kunst und Kultur, aus Friedensorganisationen und Bürgerinitiativen, aus Gewerkschaften und Parteien aufgerufen, darunter:
der Liedermacher Konstantin Wecker, der Filmautor und Regisseur Peter Lilienthal, der Maler und Aktionskünstler Wolfram Kastner, Ecco Meineke, Kabarettist, Mitglied des Ensembles „Münchner Lach- und Schieß“, Martin Löwenberg ehemaliger KZ-Häftling, der ver.di Bezirkvorsitzendre Harald Pürzel, der Vorsitzender der ver.di Jugend München Ben Wermuth, Martin Pilgram, Sprecher von pax christi München, der Fraktionsvorsitzender im Münchner Stadtrat (B'90/Grüne) Siegfried Benker, der Bayerischer Verfassungsrichter Dr. Klaus Hahnzog (SPD), die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke Nicole Gohlke, die Bundestagsabgeordnete und Landessprecherin und von Die Linke Bayern Eva Bulling-Schröter, der Sprecher der DKP München Kerem Schamberger und Jürgen Rose, Oberstleutnant a. D. und Vorstandsmitglied im Darmstädter Signal.

Bundesweite Unterstützung bekam der Protestaufruf u.a. vom Bundesausschuss Friedensratschlag, von Bundesvorstandsmitgliedern der Humanistischen Union und der Generalsekretärin von pax christi Deutschland.



Kundgebungsrede anlässlich der Proteste gegen den Beförderungs-Appell der Bundeswehr am 29.Juni 2012 in München.

Claus Schreer

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner

Das Militärspektakel, das heute hier in aller Öffentlichkeit zelebriert wird, soll wenn es nach dem CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer geht, zu einem „klaren und öffentlichen Bekenntnis für unsere Streitkräfte“ werden zu einem Bekenntnis für die Kriegseinsätze Deutschlands. darum geht es der politischen und militärischen Führung unseres Landes.

Weil es zu den weltweiten Auslandseinsätzen der Bundeswehr so gut wie keine Zustimmung in der Bevölkerung gibt, sind die Spitzenpolitiker der staatstragenden Parteien – allen voran der neue Bundespräsident – verzweifelt darum bemüht, mehr Rückhalt an der "Heimatfront" zu bekommen. Deshalb werden wieder Ehrenkreuze verliehen, Heldengedenkfeiern und öffentliche Gelöbnisse veranstaltet. Und diesem Zweck dient auch die heutige Offiziersbeförderung. Sie wird als Propaganda-Show inszeniert – als eine Reklame für den Krieg.

Wir, die wir zu den heutigen Protesten aufgerufen haben, lehnen diese staatlich organisierte Verherrlichung des Soldatentums entschieden ab. Wir lehnen alle Propaganda-Auftritte der Bundeswehr und jede Kriegsverherrlichung ab. Dieses militärische Schauspiel hier im Münchner Hofgarten verdient weder Beifall noch schweigende Zustimmung – sondern den lautstarken Protest.

Die in ihrer Ausgeh-Uniform herausgeputzten 600 Offiziersanwärter, die heute ihre Beförderungsurkunde erhalten, werden in den zukünftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr Befehle erteilen und Befehle durchzusetzen, Befehle zum Töten, Befehle zum Mord. Dafür wurden sie ausgebildet.

Ginge es nach dem Grundgesetz, dann müsste diese Bundeswehr auf der Stelle aufgelöst werden, denn mit Landesverteidigung haben die weltweiten Militäreinsätze Deutschlands nicht das Geringste zu tun. Die Zielsetzungen für den Einsatz der Bundeswehr sind geradezu atemberaubend verfassungswidrig und völkerrechtsfrei.

Um die Bundeswehr in Marsch zu setzen, muss weder die Bundesrepublik, noch einer ihrer NATO-Verbündeten von irgend einem Land militärisch bedroht werden. Krieg wird dann geführt, wenn er den eigenen wirtschafts- und machtpolitischen Interessen dient. Seit Jahren schon ist das der regierungs-offizielle Auftrag für die Bundeswehr.

Bundeswehrrichtlinien werden zwar immer noch schönfärberisch als „Verteidigungs-Politische Richtlinien“ bezeichnet, tatsächlich aber steht dort schon seit Jahren in aller Offenheit und Klarheit: „Landesverteidigung entspricht nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen“. Stattdessen sei die Bundeswehr heute „unverzichtbares Instrument, um die Interessen Deutschlands und seinen internationalen Einfluss zu wahren“ und ebenso unverblümt werden nackte Wirtschaftsinteressen, wie die Sicherung des ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen und Handelswegen zur zentralen Aufgabe der Bundeswehr erklärt.

Exakt zu diesem Zweck wird die Bundeswehr seit Jahren für weltweite Militärinterventionen umstrukturiert und zugerichtet. Für ihre weltweiten Einsätze soll die Bundeswehr schneller, flexiebler und robuster werden. Auch die militärischen Beschaffungsprogramme dienen ausschließlich dazu, die globale Einsatz- und Kriegsfähigkeit der Bundeswehr zu steigern und direkt vor unserer Haustür wird der Krieg trainiert.

Ein zentraler Ort dafür ist das GÜZ. Das GÜZ ist das Gefechtsübungszentrum, das die Bundeswehr, bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt betreibt. Es ist der modernste Truppenübungsplatz Europas. Hier wird Krieg geübt, ausprobiert, vorbereitet.

Derzeit wird dort eine moderne Großstadt nachgebaut, mit U-Bahn, einem Flughafen, einer Innen- und Altstadt, mit Plattenbauten,, Industrie- und Elendsvierteln – „eine Stadt die überall auf der Welt stehen könnte”, sagt der Leiter des Gefechtsübungszentrums Oberst Michael Matz.

Hier findet das Kampftraining für die Auslandseinsätze der Bundeswehr statt. Vom Häuserkampf bis zum Panzergefecht, mit Laserwaffen, Rauchbomben und Kunstblut werden hier die militärischen Fähigkeiten für jedes denkbare Kriegsszenario erprobt. Antimilitaristen aus der ganzen Bundesrepublik werden dort vom 12. bis 17. September ein Protestcamp errichten, an dem wir uns beteiligen sollten.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner

Politiker und Bundeswehrkommandeure werden heute im Hofgarten wieder salbungsvolle Reden halten. Sie werden der Öffentlichkeit die altbekannten Märchen von den westlichen Werten, von Freiheit und Menschenwürde auftischen und sie werden die tapferen Bundeswehrsoldaten – vielleicht mit den Worten von Bundespräsident Gauck als „Mutbürger in Uniform“ loben – „Mutbürger“, wie etwa Bundeswehroberst Klein, der in Kunduz den Befehl zur Bombardierung von zwei Tanklastern gab und 140 Zivilisten ermorden ließ.

Mit dieser sogenannten Wertegemeinschaft, die sich durch Krieg am Leben hält, will ich und wollen wir nichts zu tun haben. Wir werden uns mit ihrer Politik, die in die Katastrophe führt, nicht abfinden. Die Kriegsablehnung, der Protest und der Widerstand dagegen wird weiter wachsen und alle Militärpropaganda, alle ihre schönfärberischen Selbstdarstellungen und ihre Kriegsrechtfertigungen werden auf Dauer daran nichts ändern. Dafür werden wir sorgen.

Und immer mehr Menschen werden auch begreifen, dass die Bundeswehr nicht zur Verteidigung da ist, sondern allein den Zweck hat, deutsche Großmachtinteressen – die Interessen einer kleinen Minderheit durchzusetzen und dass deshalb diese Bundeswehr abgeschafft werden muss.


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