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Nicht schon wieder!

Gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Die Friedensbewegung wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen den von der Bundesregierung geplanten Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien. Vor Wochen schon haben Bundeskanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping und Außenminister Fischer versprochen, an einem in Aussicht gestellten NATO-Kontingent nur unter drei Bedingungen teilzunehmen:
  1. Müssten die terroristischen UCK-Kämpfer bereit sein "freiwillig" ihre Waffen abzugeben, sodass die NATO sie nur "einzusammeln" bräuchte.
  2. Müsste im Gegenzug die mazedonische Regierung garantieren, dass der albanischen Bevölkerungsminderheit mehr Rechte eingeräumt werden (z.B. Albanisch als zweite Amtssprache, mehr Selbstverwaltung in den Kommunen).
  3. Müsste ein "stabiler und dauerhafter" Waffenstillstand herrschen.
Die beiden ersten Bedingungen sind nun nach dem "Friedensabkommen" vom 13. August von den Konfliktparteien in Mazedonien zumindest versprochen worden. Mit der dritten Bedingung ist es allerdings schlecht bestellt: Die UCK setzte auch nach dem Abkommen ihre Angriffe gegen makedonische Polizei- und Militärstützpunkte fort. Bisher kann noch nicht einmal davon die Rede sein, dass der Waffenstillstand begonnen habe, geschweige denn dass er sich bereits "stabilisiert" hätte und "belastbar" sei.

Dennoch will die Regierung vom Bundestag ein Mandat für einen Bundeswehreinsatz. Damit bricht sie ihr eigenes Wort und gefährdet zudem das Leben der deutschen Soldaten.

Fünf Gründe gegen einen Bundeswehreinsatz

Wir sagen NEIN zum Einsatz der Bundeswehr und der NATO in Mazedonien, und zwar aus fünf Gründen:
  1. Zu allererst muss festgehalten werden, dass der innere Konflikt in Mazedonien - der noch dazu von außen, nämlich vom Kosovo her unterstützt wird - zunächst eine innere Angelegenheit der Makedonier selbst ist. Es geht um die territoriale Unversehrtheit des makedonischen Staates. Wie der mit seinen Minderheiten umgeht, ist selbstverständlich nicht mehr nur seine eigene Sache, sondern Einmischung im Sinne der Wahrung der universellen Menschenrechte ist durchaus erlaubt, ja sogar geboten. Die Einmischung selbst muss aber im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, es müssen gewaltfreie und zivile Instrumente eingesetzt werden. Die NATO-Staaten, die gerade erst vor wenigen Monaten ihr Herz für Mazedonien entdeckt haben, hätten jahrelang Gelegenheit dazu gehabt.
  2. Zum zweiten kann nicht oft genug auf die Eskalationsgefahr hingewiesen werden, die ein NATO-Einsatz heraufbeschwören könnte. Für die UCK, in deren kollektiver Erinnerung die NATO seit dem Jugoslawienkrieg 1999 als Verbündeter weiterlebt, bedeutet ein militärisches Eingreifen der NATO natürlich eine Bestätigung ihrer bisherigen Guerillataktik und eine riesige Ermutigung mit dieser Taktik fortzufahren. Sollte die NATO, sollten insbesondere die Truppenkontingente der Führungsmacht USA bei ihrem Einsatz stärker für die albanische Seite Partei ergreifen, werden sie unweigerlich in Konflikt mit der mazedonischen Regierung und ihrer Armee geraten. Sollten die NATO-Truppen indessen ihren Auftrag mehr im Sinne Mazedoniens erfüllen (z.B. durch ein konsequentes Vorgehen bei der Entwaffnung), werden sie die bewaffnete Feindschaft der albanischen Terroreinheiten kennen lernen. Ein Anschwellen der militärischen Auseinandersetzung bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einer Ausbreitung des Konflikts (nach Montenegro, nach Serbien) wären die wahrscheinliche Folge.
  3. Das heißt drittens nicht, dass die NATO "zuschauen" muss. Sie steht - als KFOR-Truppe - mit über 40.000 Soldaten im Kosovo. Dort kann sie das tun, was sie in den beiden zurückliegenden Jahren so sträflich versäumt hat: die UCK restlos entwaffnen, ihre Verbände auflösen und die Grenze zu Mazedonien für den Waffen- und Menschenschmuggel endgültig dicht machen. Die NATO hat bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien versprochen, für ein "multiethnisches" Kosovo zu kämpfen. Als Besatzungsmacht hat sie es jedoch zugelassen, dass das Kosovo bis heute ethnisch nahezu vollständig "gesäubert" wurde: Mehr als 250.000 Serben, Roma und andere nicht-albanische Bevölkerungsgruppen sind aus dem Kosovo mehr oder weniger unsanft vertrieben worden.
  4. Viertens gilt es, die UNO ins Spiel zu bringen. Bundesaußenminister Fischer verwies am 14. August, also einen Tag nach dem Abkommen in Skopje, triumphierend darauf, dass der UN-Sicherheitsrat am Vorabend in einem Beschluss einstimmig das diplomatische Engagement von NATO, EU und OSZE in Mazedonien begrüßt habe. Damit, so Fischer, zeige die Staatengemeinschaft ihre "geschlossene Unterstützung" für den Friedensplan (FR, 15.08.2001). Von einem wirklichen UN-Mandat für einen Militäreinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta kann aber überhaupt keine Rede sein. Der UN-Sicherheitsrat hat die mazedonischen Konfliktparteien nämlich lediglich zur Einhaltung des Waffenstillstands und zur Verwirklichung des Friedensabkommens aufgerufen. Die "volle Unterstützung" der "internationalen Gemeinschaft" für das Engagement von NATO, EU und OSZE ist nicht in der Sicherheitsratserklärung enthalten, sondern stammt aus einer Erklärung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan.
  5. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Vereinten Nationen mit ihren Peace-keeping-Instrumenten (Vermittlungsdienste, Beobachter bis hin zu leicht bewaffneten "Blauhelmen") am besten dafür eignen, als Schiedsrichter in einem so gearteten Konflikt wie dem in Mazedonien aufzutreten. Gerade wenn die NATO gebetsmühlenartig wiederholt, dass ihr Einsatz nur einer "freiwilligen" Entwaffnung der UCK diene und sich jeglicher bewaffneter Einsatz gegen eine der beiden Konfliktparteien verbiete, hat sie in Mazedonien schon gar nichts zu suchen. Waffen einsammeln und registrieren kann die UNO mindestens genau so gut; hierüber verfügen die Vereinten Nationen auch schon über Erfahrungen aus verschiedenen Konfliktgebieten der Welt (z.B. zuletzt aus Sierra Leone).

Warum?

Wenn NATO und Bundesregierung dennoch so eifrig auf die eigene militärische Karte setzen, so ist dahinter eine andere Absicht zu vermuten:
  • Einmal geht es wohl darum, Mazedonien in eine Art "NATO-Protektorat" zu verwandeln, um mit ihm schalten und walten zu können, wie es der NATO beliebt.
  • Zum anderen soll mit dem Militäreinsatz in Mazedonien der Welt demonstriert werden, dass es in der Politik auch ohne UNO geht. Die Weltstaatengemeinschaft, die sonst so oft beschworen wird, muss erkennen, dass in ihr nur die NATO (und damit in erster Linie die übermächtigen USA) das Sagen hat.
Dem können wir nicht zustimmen. Deshalb sagen wir NEIN zum NATO- und Bundeswehreinsatz in Mazedonien.

Kassel/Frankfurt/Hamburg/Berlin, 16. August 2001
Bundesausschuss Friedensratschlag

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