Friedensorganisationen wenden sich gegen EU-Verfassungsentwurf
Presseerklärung der "Kooperation für den Frieden"
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung der "Kooperation für den Frieden", die am 15. Mai ihre Jahres-"Vollversammlung" abgehalten hat.
Die in der „Kooperation für den Frieden“ zusammengeschlossenen
Organisationen haben sich in einer in Kassel verabschiedeten
Erklärung gegen den verteidigungspolitischen Teil des EU-
Verfassungsentwurfs gewandt und ein Referendum zur Verfassung auch
in Deutschland gefordert. Die Erklärung unter dem Titel „Gegen
Euromilitarismus – Für ein friedensfähiges Europa“ wendet sich gegen
die im Entwurf vorgesehene Verpflichtung zur Aufrüstung und die
„präventive Anwendung militärischer Gewalt“.
„Die Gemeinsame Au+en- und Sicherheitspolitik muss zu einer
Gemeinsamen Au+en- und Friedenspolitik umgewandelt werden.
Militärische Kapazitäten müssen abgebaut, Kapazitäten für zivile
Konfliktbearbeitung müssen aufgebaut werden“, hei+t es in der
Erklärung. Das geplante „Amt für Rüstung, Forschung und militärische
Fähigkeiten“ soll durch ein „Amt für Zivile Konfliktbearbeitung“
ersetzt werden.
Für diese Ziele setzt sich auch eine in der "Kooperation für den Frieden"
geführte Kampagne zur Europawahl ein, bei der die EP-KandidatInnen zu
verteidigungs- vs. friedenspolitischen Zielsetzungen befragt werden.
(Dokumente dazu auf der website www.koop-frieden.de)
Bei ihrer Versammlung hat die „Kooperation für den Frieden“ einen
neuen SprecherInnenkreis gewählt. Die SprecherInnen der
„Kooperation“ sind:
-
Susanne Grabenhorst vom „Mönchengladbacher Friedensforum“,
- Matthias Jochheim von den „Ärzten zur Verhütung des Atomkrieges
(IPPNW)“, und
- Kathrin Vogler vom „Bund für Soziale Verteidigung“
F.d.R.: Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative
Anlage 1:
Erklärung „Gegen Euromilitarismus – Für ein friedensfähiges Europa“
Europa trägt besondere Verantwortung für den Frieden - nach innen
und in der Welt. Unser Kontinent blickt auf eine leidvolle
Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen zurück. Zwei
Weltkriege mit Millionen von Opfern erschütterten die Welt im jüngst
vergangenen Jahrhundert. Die europäischen Kolonialmächte haben die
von ihnen beherrschten Völker und Regionen mit einer blutigen Spur
von Unterdrückung, Ausbeutung und kriegerischer Unterwerfung
überzogen. Auch heute, im Zeitalter der Globalisierung, übt die EU
strukturelle Gewalt aus, unter der die Menschen im Süden unseres
Globus leiden. Die Kehrseite der europäischen Integration ist die
Ausgrenzung des armen "Restes" der Welt, die Abschottung der
Reichtums-Festung EU-Europa - vor allem gegenüber Flüchtlingen.
Opfer dieser Politik sind die Staaten und Völker an der europäischen
Peripherie und im Süden, die ihrem - von der EU mitverursachten -
Schicksal von Armut, Unterentwicklung und Gewaltkonflikten
überlassen werden. Zudem tragen Rüstungsexporte, Militärhilfe,
Söldnerfirmen aus Europa zur Verschärfung gewaltsamer Konflikte in
der Dritten Welt bei. Darüber hinaus intervenieren europäische
Mächte einzeln oder im Verbund immer wieder direkt militärisch in
den Ländern des Südens - mit zunehmender Tendenz.
Falsche Weichenstellung: Militarisierung der EU
Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit sind die Weichen der EU-
Politik in eine friedenspolitisch verhängnisvolle Richtung gestellt
worden: die EU wird militarisiert. Eine Militärgro+macht EU-Europa
nimmt in gro+en Schritten Gestalt an. Hatte bereits der Vertrag von
Maastricht eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik und eine
Europäische "Verteidigungs"union als Ziele festgelegt, so ist unter
dem Schlagwort "Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik"
(ESVP) seit den EU-Gipfeln von Köln und Helsinki 1999 eine ganze
Reihe von entsprechenden konkreten Ma+nahmen beschlossen und z.T.
bereits umgesetzt worden: Einrichtung eines ständigen
sicherheitspolitischen Komitees und eines Militärstabes und -
ausschusses in Brüssel sowie eines Ad-Hoc-Ausschusses der
beitragenden Länder im Falle von EU-Militäroperationen u.a. Die
Aufstellung einer EU-Eingreiftruppe von rund 60.000 Mann und Frau
ist der sichtbarste und bedenklichste Ausdruck dieses
Militarisierungsprozesses. Jüngst wurde eine EU-Sicherheitsstrategie
verabschiedet (das so genannte Solana-Papier "Ein sicheres Europa in
einer besseren Welt" vom Dezember 2003), die unter anderem mit
militärischen Einsätzen zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von
Massenvernichtungswaffen droht und auch die präventive Anwendung
militärischer Gewalt - sprich: kriegerische Aggressionen - vorsieht.
Hierfür müsse man "die Mittel für die Verteidigung aufstocken" - das
hei+t: aufrüsten.
Nein zu dieser EU-Verfassung
Die Verpflichtung zur Aufrüstung ist auch in der zur Verabschiedung
anstehenden EU-Verfassung fest geschrieben. Im Artikel I-40 dieser
"Verfassung für Europa" verpflichten sich "die Mitgliedstaaten, ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Hierbei soll
unter anderem ein neu zu schaffendes "Amt für Rüstung, Forschung und
militärische Fähigkeiten" (Art. I-40, Abs. 3) helfen. Au+erdem ist
eine militärische Beistandsverpflichtung beim Kampf gegen den
internationalen Terrorismus vorgesehen.
Im Vorgriff auf diesen Artikel I-42 der EU-Verfassung haben sich die
Staats- und Regierungschefs der EU bereits bei ihrem Treffen am 25.
März 2004 dazu verpflichtet, alle ihnen "zur Verfügung stehenden
Mittel einschlie+lich der ... militärischen" zu mobilisieren, um
terroristischen Bedrohungen "vorzubeugen".
Parlamentarische und gerichtliche Entscheidungs- und
Kontrollverfahren bei militärischen Interventionen sind nicht
vorgesehen. In dem Verfassungsentwurf hei+t es lapidar und klar:
"+ber militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat"
(Art. I-40, III-205).
Die Regelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung bleibt laut
Verfassungsentwurf den Einzelstaaten vorbehalten, die von Staat zu
Staat unterschiedlichen Repressionen gegenüber
Kriegsdienstverweigerern werden mithin legitimiert. Wir fordern, das
Recht auf umfassende Kriegsdienstverweigerung ohne Diskriminierung
als Grundrecht in der EU-Verfassung für alle Staaten als verbindlich
zu erklären.
Friedensförderung statt Militarisierung
Das im EU-Verfassungsentwurf proklamierte Ziel, den Frieden zu
fördern (Art. I-3), ist begrü+enswert. Doch die auf Aufrüstung und
Militärinterventionen abzielenden Bestimmungen der Verfassung sowie
die praktischen Militarisierungsschritte widersprechen dieser
Proklamation. Deswegen müssen diese Bestimmungen aus der Verfassung
gestrichen und die bisher durchgeführten Militarisierungsma+nahmen
rückgängig gemacht werden. Statt mehr militärisches Gewicht in die
Waagschale der weltpolitischen Machtkonkurrenzen zu legen, sollte
die EU bewusst die militärische Komponente in ihrer Politik abbauen
und ein eigenständiges Profil als friedensfördernde Akteurin
entwickeln. Bescheidene Ansätze hierfür gibt es bereits: Die
Gemeinsame Au+en- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) sieht auch
Ma+nahmen der nicht-militärischen Krisenbewältigung und
Konfliktprävention vor. Doch stehen diese in Hinsicht auf politische
Bedeutung und finanzielle Ausstattung ganz im Schatten der
militärischen Dimension und sind dieser ein- und untergeordnet.
Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden. Die Gemeinsame Au+en- und
Sicherheitspolitik muss zu einer Gemeinsamen Au+en- und
Friedenspolitik umgewandelt werden. Militärische Kapazitäten müssen
abgebaut, Kapazitäten für zivile Konfliktbearbeitung müssen
aufgebaut werden. Wir fordern statt des "Amtes für Rüstung,
Forschung und militärische Fähigkeiten" ein "Amt für Zivile
Konfliktbearbeitung".
Für ein atomwaffenfreies Europa
Eine Friedensmacht Europa muss nicht nur auf militärische
Integration und Interventionskapazitäten verzichten, sondern auch
auf Atomwaffen. Die Nuklearmächte Frankreich und Gro+britannien
sind zur Aufgabe ihres Nukleararsenals zu bewegen; Von Deutschland
fordern wir den Verzicht auf jegliche nukleare Teilhabe. Die EU muss
sich dazu verpflichten, Test, Herstellung, Lagerung und Transport
sowie Einsatz von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen zu
unterlassen. Ein atomwaffenfreies Europa wäre ein bedeutender
Schritt zu einer atomwaffenfreien Welt. Die EU muss sich für die
vollständige Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen weltweit
unter Kontrolle der Vereinten Nationen einsetzen.
Für ein Referendum über die Verfassung
In Deutschland sollte - wie in anderen EU-Staaten auch - in einem
Referendum über die Zustimmung zur EU-Verfassung entschieden werden.
Anlage 2:
In der „Kooperation für den Frieden“ wirken mit:
Aachener Friedenspreis, http://www.aachener-friedenspreis.de
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), http://www.friedensdienst.de
Aktionsgemeinschaft Friedenswoche Minden, http://www.friedenswoche-minden.de
Antikriegsbündnis „Menschen für den Frieden Düsseldorf“,
http://www.antikriegsbuendnis-duesseldorf.de
Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion KURVE Wustrow,
http://www.kurvewustrow.org
Bremer Aktion für Kinder (BAKI)
Bund demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi), http://www.bdwi.de
Bund für Soziale Verteidigung (BSV), http://www.soziale-verteidigung.de
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), http://www.bbu-online.de
Christen für gerechte Wirtschaftsordnung (CGW), http://www.cgw.de
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, (DFG/VK) http://www.dfg-vk.de
EUCOMmunity http://www.uwi-ev.de/eucomunity.htm
Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung von Kriegsdienstverweigerern (EAK) http://www.eak-online.de
Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland – Friedensausschüsse
Frauennetzwerk für den Frieden e.V., http://www.frauennetzwerk-fuer-frieden.de
Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) http://www.forumzfd.de
Friedensforum Münster http://www.friedensladen.de
Friedensinititiative Nottuln e.V. http://www.fi-nottuln.de
Friedensrat Müllheim
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Hauptvorstand, http://www.gew.de
Internationale JuristInnen gegen ABC-Waffen (IALANA), http://www.ialana.de
Infostelle für Friedensarbeit, Meckenheim
Deutsche Sektion der Internationalen -rzte zur Verhütung des Atomkrieges / -rzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), http://www.ippnw.de
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)
Internationaler Versöhnungsbund – deutsche Sektion, http://www.versoehnungsbund.de
Komitee für Grundrechte und Demokratie, http://www.grundrechtekomitee.de
Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung in der Region Ingolstadt
Leserinitiative Publik e.V. http://www.publik-forum.de
Mönchengladbacher Friedensforum
NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ http://www.natwiss.de
Netzwerk Friedenskooperative http://www.friedenskooperative.de
Netzwerk Friedenssteuer http://www.quakers.net/nwfs/
Ökumenisches Zentrum für Umwelt-, Friedens- und Eine-Welt-Arbeit, Berlin, http://www.oekumenischeszentrum.de
Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF), http://www.friedenskultur.de
Pax Christi – Deutsche Sektion http://www.paxchristi.de
Rhöner Friedenswerkstatt im UNESCO-Biosphärenreservat, Künzell
Ver.di-Jugend http://www.verdi-jugend.de
Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden http://www.wfga.de
Siehe auch:
Ja zu Europa - Nein zur Militärverfassung!
Bundesausschuss Friedensratschlag: Presseerklärung und Stellungnahme aus der Friedensbewegung zur Verfassung und zur Europawahl (12. Mai 2004)
Zurück zur Seite "Friedensbewegung"
Zur Europa-Seite
Zurück zur Homepage