Sicherheit durch Recht und Demokratie
Im Wortlaut: Die "Friedenspolitischen Richtlinien" der "Kooperation für den Frieden"
Im Folgenden dokumentieren wir die "Friedenspolitischen Richtlinien", die von der "Kooperation für den Frieden" im November 2003 verabschiedet wurden. Die "Kooperation für den Frieden" ist nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss aus 35 Friedensorganisationen. Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte die "Richtlinien" auf ihrer Dokumentationsseite am 8. Dezember 2003.
1.Vorwort
"Krieg und Gewalt bilden einen Teufelskreis mit den anderen Bedrohungen, unter denen die Menschheit leidet: Armut, globale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Verschwendung von Rohstoffen."
(aus der Grundsatzerklärung der Kooperation für den Frieden)
Im Mai 2003 legte der Bundesverteidigungsminister erstmals nach 11 Jahren neue "Verteidigungspolitische Richtlinien" für die Bundeswehr vor. Mit diesen Richtlinien eröffnet er der Bundeswehr die Perspektive einer Interventionsarmee, deren Einsatzmöglichkeiten ausdrücklich "weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch" begrenzt sein sollen und für die nur der "politische Zweck" bestimmend ist (Ziff. 57). Dabei beruft sich der Verteidigungsminister auf das angeblich "weite Verständnis von Verteidigung, das sich in den letzten Jahren herausgebildet" habe (Ziff.4).
Diesen Richtlinien zur Kriegsplanung stellen unsere Friedenspolitischen Richtlinien eine Perspektive nachhaltiger Politik entgegen. Sie sind in der Kooperation für den Frieden entstanden.
Im Januar 2003 schlossen sich in Hannover über 30 Organisationen der Friedensbewegung zur "Kooperation für den Frieden" zusammen. Die im Protest gegen den Irakkrieg begonnene Zusammenarbeit wollen sie fortsetzen und ausweiten, hin zu einer Kooperation für friedensgestaltende Politik. Gemeinsam fordern sie einen Politikwechsel, der tiefer geht als nur der Verzicht auf die Beteiligung an Kriegen.
Diese Thesen formulieren, nicht zuletzt an die Adresse der Bundesregierung, Anforderungen für eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient. Gleichzeitig sind sie Grundlage für die Diskussion über Perspektiven der Friedensbewegung und Arbeitsmaterial für die Kooperation: Offen für Ergänzungen, Veränderungen und Anpassungen an neue Entwicklungen.
2.Die Ursachen von Krieg und Gewalt
Monokausale Kriegs- und Konfliktursachen sind selten. Vor allem die kapitalistisch vorangetriebene Globalisierungspolitik befördert aktuell die Ursachen von Gewalt und Krieg.
2.1.Armut und Verelendung
Strukturelle Ursachen gegenwärtiger Konflikte liegen in der immer tieferen ökonomischen und sozialen Kluft zwischen verschiedenen Regionen und sozialen Gruppen. Diese Ungleichheit lässt sich nur verringern, indem die Folgen der Kolonialisierung und die sich für einen Großteil der Menschheit ungünstig auswirkende internationale Arbeitsteilung überwunden werden. Es müssen faire Bedingungen für die Produktion und den Handel der Entwicklungsländer durchgesetzt werden.
Das sich zuspitzende Einkommens- und Wohlstandsgefälle ist ein permanentes Potential für Instabilitäten und Konflikte, nicht nur im Verhältnis der Entwicklungsländer zu den Industrieländern, sondern auch innerhalb sich entwickelnder Regionen. Sie schaffen oder verstärken ökonomische und militärische Konflikte um vorhandene oder neu entdeckte Ressourcen.
2.2.Die Gewalt des Globalisierungsprozesses
Nach dem Ende des geo-politischen Ost-West-Konflikts erleben wir die Ausweitung des geo-ökonomischen Konflikts um wirtschaftliche und technologische Vorherrschaft. Der Globalisierungsprozess bedeutet in seinem Kern eine umfassende Umverteilung ökonomischer Macht, die sich zunehmend in eine Umverteilung politischer Macht umsetzt. Diese politische Macht wird durch die Androhung und den Einsatz militärischer Gewalt von den USA und zunehmend auch von der EU abgesichert. Diese Politik wird selbst zu einer Ursache von Hass und Gewalt.
2.3.Destabilisierung
Durch viele Faktoren werden gesellschaftliche und staatliche Gefüge destabilisiert: Demografische Veränderungen, knapper werdende Ressourcen, Umweltkatastrophen bedingt durch den einsetzenden Klimawandel. Gesundheitliche Folgeerscheinungen wie Tuberkulose, HIV/AIDS, Malaria, Cholera und Ebola kommen hinzu. Landflucht und die Entstehung riesiger Ballungszentren, die kaum noch menschlich gestaltbar sind, sind Ausdruck dieser Fehlentwicklungen.
2.4.Fundamentalismus
All dies vermengt sich mit kulturellen, religiösen und ethnischen Konfliktursachen oder führt zu nachträglichen "Aufladungen" durch diese Faktoren. Fundamentalismen aller Seiten vertiefen die Differenzen ; Minderheiten fühlen sich oder sind real unterdrückt. Oft werden sie noch von anderen Mächten und Interessen missbraucht.
2.5.Einhaltung der Menschenrechte
Frieden ist auf Dauer nur zu gewinnen, wenn die wachsende Spaltung der Welt abgebaut und der Teufelskreis von Angst, Rache und Vergeltung überwunden wird. Alle Menschen haben ein unveräußerliches Grundrecht auf ein Leben ohne Ausbeutung und Verelendung, ohne Armut und Hunger, ohne Verfolgung und Vertreibung, ohne Gewalt, Terror und Krieg.
3.Sicherheitsbedürfnis - Sicherheitspolitik
Das verbreitete und auch geschürte Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung wird durch eine militärisch fixierte Sicherheitspolitik missbraucht.
Die Bundesrepublik Deutschland wird aktuell und auf absehbare Zeit militärisch nicht bedroht. Alle Länder, die von ihrer wirtschaftlichen und geostrategischen Lage aus Deutschland angreifen könnten, sind mit ihm verbündet.
3.1.Ein anderer Sicherheitsbegriff
Während in der Vergangenheit die Sicherheit eines Landes in erster Linie als Sicherheit vor militärischen Angriffen auf sein Territorium definiert wurde, wird seit Ende des Ost-West-Gegensatzes zunehmend ein erweiterter Sicherheitsbegriff konstruiert. Er bezieht eine Vielfalt so genannter "Risiken" in die Bedrohungsanalyse ein, insbesondere solche, denen sich die deutsche Wirtschaft im globalen Konkurrenzkampf ausgesetzt sieht. Wir halten die militärische Sicherung von Rohstoffen, Märkten und Transportwegen nicht für einen Akt der Bedrohungsabwehr, sondern für Aggression gegenüber weniger stark gerüsteten Volkswirtschaften.
Der "Human security"-Ansatz der UN bietet eine Basis für nicht-militärische Sicherheitsstrategien. Eine umfassende Analyse der vielfältigen heutigen Sicherheitsbedrohungen (ökologische Katastrophen, sozioökonomische Verwerfungen, Erosion von demokratischen und menschenrechtlichen Normen) führt unweigerlich zu einem alternativen Sicherheitsbegriff, der menschliche Sicherheit durch Entwicklung, Recht und demokratische Partizipation fördert.
3.2.Neue private Gewalt-Akteure
An die Stelle klassischer militärischer Konfrontation zwischen Staaten treten mehr und mehr so genannte asymmetrische gewaltsame Konflikte innerhalb von Staaten und Gesellschaften. Beispiele hierfür sind die Bürgerkriege in Tschetschenien, Liberia, Kongo oder Sri Lanka. Private "Gewaltunternehmer" wie kriminelle Organisationen und Terrorismusnetzwerke, oft unterstützt von staatlichen und wirtschaftlichen Interessensgruppen, beeinflussen entscheidend Form und Ausgang von gewaltsamen Konflikten und Kriegen - und damit die sich entwickelnden politischen Ordnungssysteme.
Diese Konflikte betreffen die Sicherheit Deutschlands höchstens mittelbar, indem sie regional destabilisierend wirken und einen Nährboden für kriminelle und terroristische Strukturen darstellen. Dem Sicherheitsbegriff einer weltweiten "Human security" verpflichtet, muss Deutschland jedoch aktiv an der Deeskalation und Beilegung dieser Konflikte mitwirken. Gerade für solche Konfliktlagen setzen wir auf die Weiterentwicklung und den Ausbau der Krisenprävention und Zivilen Konfliktbearbeitung.
3.3.Krieg gegen Terror: der falsche Weg
Eine Bedrohung für die deutsche Gesellschaft, der nicht mit polizeilichen Mitteln begegnet werden könnte, geht vom "internationalen Terrorismus" derzeit nicht aus. Je mehr sich die deutsche Außenpolitik an militärischen Interventionen weltweit beteiligt, desto mehr wird jedoch auch die Gefahr von Anschlägen gegen die Bundesrepublik zunehmen. Die beste Prävention gegenüber Terrorismus ist die Beseitigung seiner Ursachen. Wer terroristischen Gruppierungen den Boden entziehen will, muss auf militärische Interventionen verzichten und stattdessen in die Bekämpfung der Armut investieren. Wer Terror bekämpfen will, muss sich für Völkerverständigung und für Brücken zwischen den Kulturen engagieren, der muss wirksame Beiträge für die Lösung regionaler Konflikte (Nahost) leisten, der muss neokoloniale Machtpolitik abbauen und diesenTendenzen in der internationalen Politik entgegentreten, der muss sich für eine auf Gleichberechtigung und Partnerschaft basierende Politik zwischen den Regionen der Welt engagieren.
3.4.ABC-Waffen - eine Gefahr nicht nur in "falschen" Händen
Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ist ein ernst zu nehmendes Risiko für den Frieden. Dabei geht die Gefahr nicht nur von diktatorischen Regimen oder Terrororganisationen aus. Der Besitz von Massenvernichtungswaffen eröffnet immer auch die Option ihres Einsatzes. Die Militärdoktrin der USA und die aktuelle Nato-Strategie sehen ihn ganz offen vor. Der Einsatz uranhaltiger Munition und die Entwicklung taktischer Atomwaffen senken die atomare Hemmschwelle. Die willentlich aufrecht erhaltene Teilung der Welt in Atomwaffen-Besitzer und Nicht-Besitzer sowie das unterminierende Verhalten vieler Staaten bei weiteren Verträgen zu Massenvernichtungswaffen fördert ihre Proliferation. Eine Weiterverbreitung von Atomwaffen kann nur erfolgreich verhindert werden, wenn - wie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt - auch die Atomwaffenstaaten ihre Arsenale vollständig abrüsten. Für die Bundesrepublik bedeutet das, den Beschluss des internationalen Gerichtshofes zur Ächtung der Atomwaffen in konkrete Politik umzusetzen.
3.5.Der Krieg in den Datennetzen
Die Abhängigkeit der Informationsgesellschaften vom globalen elektronischen Datenaustausch bringt neue Sicherheitsrisiken mit sich. Die Vernichtung und Manipulation von Daten im "Cyberwar" kann die Infrastruktur eines Landes lahm legen und seine Wirtschaft zerstören. Notwendig sind daher international verbindliche Normen, die solche Angriffe verbieten und ahnden.
4.Solidarität mit den Opfern der Kriege
Die Kriege des 20. Jahrhunderts haben mehr als 60 Millionen Menschen unmittelbar das Leben gekostet. Bei den gegenwärtigen Konflikten sind 80 Prozent der Opfer ZivilistInnen. In den 90er Jahren kamen fast 3,6 Millionen Menschen in Kriegen ums Leben, darunter fast die Hälfte Kinder, ungefähr 1,5 Millionen. Vier Millionen Menschen sind behindert und weitere 10 Millionen traumatisiert. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Binnenvertriebenen stieg im selben Jahrzehnt um 50% auf 12,1 Millionen (UNHCR). In großer Zahl werden Frauen bei kriegerischen Auseinandersetzungen Opfer sexueller Gewalt. Es gibt weltweit schätzungsweise 300.000 KindersoldatInnen. Jährlich fordern die in 90 Ländern der Welt liegenden Landminen und Munitionsreste bis zu 20.000 Opfer.
Diese zerstörerischen Kriegsfolgen gehen über die unmittelbaren Verluste an Leben und Gesundheit hinaus. Die Kriegsschäden an der natürlichen Umwelt, an der notwendigen sozialen und ökonomischen Infrastruktur, aber auch an rechtlichen und ethischen Normen des Zusammenlebens schaffen die Basis für weitere gewaltsame Konflikte.
Aus der Erfahrung mit Krieg und Gewalt und aus der Betroffenheit über deren Folgen ist die Friedensbewegung entstanden und gewachsen. Es ist nur zu verständlich, wenn angesichts dieser Tatsachen Menschen in vielen Ländern der Erde die Steuern für Militär und Rüstung verweigern und ein Friedenssteuergesetz fordern.
Solidarität mit den Kriegsopfern bedeutet, ihren Anspruch auf Wiederherstellung ihrer Fähigkeiten und auf aktive Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse zu respektieren, und die dazu notwendigen Mittel einzufordern und bereitzustellen.
Für Schutz, Betreuung und Hilfe zur Selbsthilfe der Opfer sind u.a. folgende Schritte erforderlich:
-
Offene Grenzen und gesicherter Aufenthalt für die Opfer von Krieg und gewaltsamer Unterdrückung, auch und gerade in Deutschland und der EU; Wiederherstellung des Asylrechts; uneingeschränktes Asylrecht für verfolgte Kriegsdienstverweigerer und Deserteure.
- Bereitstellung adäquater Möglichkeiten zur medizinisch-psychologischen Behandlung und sozialen Rehabilitation von Gewaltopfern, hier und in den betroffenen Regionen. Rehabilitation traumatisierter Menschen hat eine gewaltmindernde und damit kriegspräventive Funktion.
- Förderung demokratischer Selbstorganisation von Flüchtlingen, Bereitstellung von Kommunikationsmedien in den Zufluchtsländern. Effiziente Rechtshilfe für Flüchtlinge und Kriegsopfer, damit sie erlittene Verletzungen von Kriegsvölkerrecht oder Menschenrechten dokumentieren, veröffentlichen und vor geeignete nationale und internationale Gerichte bringen können.
- Finanzierung eines bei der UN angesiedelten Kriegsopfer- und Wiederaufbaufonds.
- Hilfe zur Selbsthilfe: Wiederaufbau kriegszerstörter Gebiete, nicht zur Profitmaximierung und Herstellung quasi-kolonialer Abhängigkeit, sondern mit dem Ziel, die eigenständige Entwicklung der betroffenen Bevölkerung zu ermöglichen.
5.Friedenspolitik als Querschnittsaufgabe - was kann die Bundesregierung tun?
Neben dem Abbau von Gewalt will eine Strategie des Friedens Bedingungen für die Gestaltung des positiven Friedens erhalten, herstellen und optimieren, und zwar auf allen Ebenen des Handelns und in allen Feldern des Lebens: politisch, ökonomisch, ökologisch, soziokulturell, individuell. Das unterscheidet eine Strategie des Friedens von einem Verständnis von Sicherheitspolitik, das den vorbeugenden Einsatz politischer, diplomatischer und ökonomischer Mittel nie ohne das militärische - als letztes oder als äußerstes - Mittel sieht.
Friedenspolitik in einem umfassenden Sinn beschäftigt sich nicht nur mit der Abwehr konkreter Kriegsgefahr, sondern schafft mittel- und langfristig Bedingungen für einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, Solidarität und einem nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen beruht. Deswegen ist Friedenspolitik nicht nur Thema für das Außen- oder Verteidigungsressort, sondern gehört als Querschnittaufgabe in alle Politikbereiche.
5.1.Außenpolitik
Außenpolitik ist ein Kernbereich der Friedenspolitik. Die Beziehungen zu anderen Staaten sind so zu gestalten, dass gewaltsame Konflikteskalation ausgeschlossen wird. Die dazu notwendigen Methoden und Institutionen müssen fortlaufend weiter entwickelt werden. Gleichzeitig tritt eine friedensorientierte Außenpolitik in allen internationalen Bündnissen für deren Entmilitarisierung und für die Einhaltung völkerrechtlicher Normen und Verträge ein. Grundlage ist die Erkenntnis, dass in unserer Welt die einseitige Durchsetzung eigener nationaler Interessen letztlich dem Überlebensinteresse der ganzen Menschheit zuwider läuft.
5.2.Verteidigungspolitik
Verteidigungspolitik, die den Frieden sichern will, muss dafür sorgen, dass militärische Bedrohungspotenziale abgebaut werden - auch und zuerst im eigenen Land sowie in den Bündnissen, in denen Deutschland mitwirkt. Erst recht in einer Situation wie heute, in der Deutschland militärisch nicht bedroht ist, gibt es eine Chance zum Umbau der Verteidigungspolitik zu einer nicht-militärischen Sozialen Verteidigung, das bedeutet die Verteidigung von Werten und Normen mit gewaltfreien Mitteln.
5.3.Innen- und Justizpolitik
In der Innenpolitik und im Justizwesen ist ein Paradigmenwechsel erforderlich. Eine Gesellschaft, die innere Konflikte gewaltförmig eskalieren lässt, kann nach außen nicht gewaltvermeidend wirken. Insbesondere im Umgang mit MigrantInnen und Flüchtlingen und auch im Erhalt der sozialen Netze zeigt sich die Friedensfähigkeit einer Gesellschaft. Hier wird in den vergangenen Jahren von der offiziellen Politik vorwiegend auf Abschreckung und Aufrüstung gegen die Armutsmigration gesetzt, wodurch Ausländerfeindlichkeit befördert wird. Vielerorts ist die Zivilgesellschaft da schon weiter: umfangreiche Projekte der Integration und Kooperation, Zivilcouragetrainings, StreitschlichterInnenprogramme und Mediation sind Ansätze, die es noch stärker als bisher zu fördern und zu gestalten gilt.
5.4.Wirtschafts- und Energiepolitik
Eine Frieden fördernde Wirtschaftspolitik stellt nicht die Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft in das Zentrum ihres Wirkens, sondern richtet sich auch nach den Interessen der Länder des Südens. Sie sorgt dafür, dass diese eine echte Entwicklungschance haben (Steuer- und Zollerleichterungen für fair gehandelte Produkte; Abbau von Zöllen, Einfuhrbeschränkungen, nationalen Subventionen).
Eine solche politische Ausrichtung verbietet die Förderung von Rüstungsproduktion und -export und erfordert massive Anstrengungen zur Rüstungskonversion. Die deutsche Wirtschaft kann in relativ kurzer Zeit eine Umstellung auf zivile Produkte erreichen.
Gerade auch die Energiepolitik bedarf im Interesse des Friedens tiefgreifender Umstrukturierungen, weg von den fossilen Ressourcen. Eine konsequente Ausrichtung auf erneuerbare Energien und dezentrale Energieversorgung würde nicht nur die eigene Sicherheit vor militärischen oder terroristischen Angriffen erhöhen, sondern zugleich dazu beitragen, Kriegen um die Kontrolle fossiler Energien oder ihrer Transportwege den Boden zu entziehen.
5.5.Forschungs- und Bildungspolitik
Friedensforschung und Friedenserziehung sind ein wichtiger Teil friedlicher Zukunftsgestaltung. Sie zu fördern und weiter auszubauen ist daher zwingender Bestandteil umfassender Friedenspolitik. Friedenserziehung darf sich dabei nicht nur auf die gewaltfreie Lösung von Alltagskonflikten beziehen, sondern muss Kinder, Jugendliche und Erwachsene ermutigen und befähigen, sich mit politischen und sozialen Konflikten weltweit zu beschäftigen und eigene Beiträge zu ihrer Lösung zu entwickeln. Dazu wäre - über die StreitschlichterInnenkurse hinaus - ein eigenes Unterrichtsfach "Gewaltfreie Konfliktaustragung" oder "Zivile Konfliktbearbeitung" ab Sekundarstufe I einzuführen, um systematisch zur Vertiefung und Verbreitung einer "Kultur des Friedens" (UN) beizutragen.
5.6.Entwicklungspolitik
Eine auf Friedensförderung ausgerichtete Entwicklungspolitik kann Wesentliches zur Vermeidung und zur Beendigung von Gewalt beitragen. Hierbei geht es nicht nur, aber auch um Quantität: Die Bundesregierung steht seit dreißig Jahren in der Pflicht, die UN-Forderung von 0,7% des Bruttosozialproduktes für Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen. Friedensfördernd ist eine Entwicklungspolitik, wenn sie die Lebensgrundlagen und Partizipationsmöglichkeiten der Armen verbessert, den Bildungsstand erhöht und die besonderen Belange von Frauen berücksichtigt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist derzeit mitverantwortlich für den Zivilen Friedensdienst, der als Friedensfachdienst Projekte der Gewaltprävention und der Konflikttransformation umsetzt. Diese Projekte sind massiv auszubauen, in neue politische Strukturen zu überführen und regelmäßig auf ihre Wirkung hin zu evaluieren.
6.Bundeswehr: Abrüstung und Entmilitarisierung
6.1.Militärische Verteidigung ist überflüssig.
Die aktuelle Sicherheitslage (s. Kap.3) bietet die Möglichkeit zu umfassender Abrüstung und Entmilitarisierung. Daraus ergeben sich materielle, personelle, strukturelle und finanzielle Konsequenzen: Die Bundeswehr kann schrittweise abgebaut werden. Ziel ist eine Bundesrepublik ohne Armee. Wichtige Schritte auf diesem Weg sind: die drastische Reduzierung der Truppenstärke, die Abschaffung der Wehrpflicht und Standortkonversion, die sukzessive Senkung des Militär- und Rüstungshaushaltes.
Die Auflösung der UdSSR und des Warschauer Paktes, die Wiedervereinigung Deutschlands und die Osterweiterung der EU haben auch die Bündnisverteidigung im ursprünglichen Sinn überflüssig gemacht. Jetzt erst recht: Die Nato ist aufzulösen. Terrorismusbekämpfung ist primär eine polizeiliche und nachrichtendienstliche Aufgabe in internationaler Zusammenarbeit. Militär kann dieser Bedrohung nicht wirksam begegnen und ist kontraproduktiv. Hier gibt es keine Aufgabe für die Bundeswehr.
6.2.Vorübergehende Aufgabe: Peacekeeping
Peacekeeping kann noch eine Aufgabe der Bundeswehr sein. Dies ist der klassische Blauhelmeinsatz - unabdingbare Voraussetzung ist die Zustimmung der beteiligten Konfliktparteien.
Angestrebt werden der Abbau nationaler Armeen - also auch der Bundeswehr - und die Einrichtung multinationaler UN-Kapazitäten, die Peacekeeping-Aufgaben im Sinne der UN-Charta übernehmen. Umstritten ist in der Kooperation, ob dies nur nach Kapitel VI -mit Zustimmung aller Konfliktparteien- oder auch nach Kapitel VII -als Intervention- geschehen darf.
Über jeden Einsatz der Bundeswehr hat der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit zu entscheiden.
6.3.Kriegsfolgen-Beseitigung durch zivile Kräfte
Für spezialisierte Aufgaben wie Minenräumung, medizinische Betreuung und Wiederaufbau in Krisen- und Kriegsgebieten sind Technische Hilfswerke und neue zivile Formationen nötig. Diese brauchen neben der handwerklichen Qualifizierung vor allem eine auf Friedensstiftung (Kommunikation, Mediation, …) ausgerichtete Ausbildung. Der Schutz ziviler AufbauhelferInnen hat durch polizeiliche Kräfte zu erfolgen. Auch ehemalige Soldaten der Bundeswehr können als umgeschulte Fachkräfte zur Verschrottung von Waffen - auch von Massenvernichtungswaffen - ausgebildet und eingesetzt werden.
6.4.Schritte zur Abrüstung
Abrüstung verlangt klare Strukturen, braucht Arbeitskraft und kostet Geld. Aufgaben wie die Verschrottung und Vernichtung von Waffen - gerade von Atomwaffen, Chemiewaffen - und die Minenräumung sind kostenintensiv und aus dem bisherigen Verteidigungshaushalt zu finanzieren. Dafür wird jährlich der Verteidigungshaushalt um fünf Prozent gekürzt. Mit diesen steigenden Mitteln werden Abrüstung und Konversion, aber auch Projekte ziviler Konfliktbearbeitung und später auch Entwicklungs- und Sozialaufgaben finanziert.
Ein Vorschlag für die Organisation der Abrüstung, der Umwandlung militärischer Liegenschaften und der Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Fertigung ist die Einrichtung eines neuen Bundesministeriums/Bundesamtes für Abrüstung und Konversion.
6.5.Beendigung von Rüstungsexporten - Konversion
Die umfassende Abrüstung in der Bundesrepublik ermöglicht auch eine umfassende Konversion. Ziel ist es, Rüstungsforschung, -produktion und -exporte komplett zu beenden. Erste Schritte dazu sind: Waffenexporte in Krisen- und Kriegsregionen werden sofort beendet. Mit Regierungen, die völkerrechtswidrige Kriege führen, werden keine weiteren Rüstungsgeschäfte getätigt. Der Export von Kleinwaffen, welche in den "neuen" Kriegen und Bürgerkriegen die meisten Opfer fordern, ist schärfstens zu reglementieren, die Lizenzproduktion dieser Waffen in anderen Ländern ist zu verbieten.
7.Europa: Friedens- statt Militärmacht im UN-Rahmen
Europa trägt besondere Verantwortung für den Frieden - nach innen und in der Welt. Deutschland hat hier eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Unser Kontinent blickt auf eine leidvolle Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen zurück. Zwei Weltkriege mit Millionen von Opfern erschütterten die Alte Welt im jüngst vergangenen Jahrhundert. Die europäischen Kolonialmächte haben die von ihnen beherrschten Völker und Regionen mit einer blutigen Spur von kriegerischer Unterwerfung, Unterdrückung und Ausbeutung überzogen. Auch heute, im Zeitalter der Globalisierung, übt Europa strukturelle Gewalt aus, unter der die Menschen im Süden unseres Globus leiden. Zudem tragen Rüstungsexporte, Militärhilfe und Söldnerfirmen aus Europa zur Verschärfung gewaltsamer Konflikte in der " Dritten Welt " bei. Darüber hinaus intervenieren europäische Mächte einzeln oder im Verbund immer wieder direkt militärisch in den Ländern des Südens - mit zunehmender Tendenz.
7.1.Frieden nach innen - Gewalt nach außen
Innerhalb Europas konnten nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs große Fortschritte zu einer Friedensordnung gemacht werden. Die zunächst westeuropäische Integration (EWG - EG - EU) hat dazu beigetragen, dass gewaltsamer zwischenstaatlicher Konfliktaustrag - auch zwischen ehemaligen "Erzfeinden" wie Frankreich und Deutschland - innerhalb des Integrationsraums undenkbar geworden ist. Auch wenn kriegerische Gewalt im EU-Gebiet nicht völlig verschwunden ist (Nordirland, das Baskenland, Korsika), so kann die EU doch im Vergleich zu anderen Weltregionen als Friedenszone gelten. Mit der Überwindung der Ost-West-Blockkonfrontation konnte auch die Gefahr eines (nuklearen) Dritten Weltkriegs, der vor allem auf europäischem Boden ausgetragen worden wäre, gebannt werden. Der KSZE-Prozess und die OSZE haben zur Ausweitung der europäischen Friedenszone beigetragen; die EU-Erweiterung kann diese Entwicklung weiter befördern und stabilisieren. Die Kehrseite dieser Friedens-Medaille jedoch ist die Ausgrenzung des armen "Restes" der Welt, die Abschottung der Reichtums-Festung EU-Europa und eine militärgestützte Interventionspolitik nach außen. Opfer dieser Politik sind die Staaten und Völker an der europäischen Peripherie (Balkan, Kaukasus) und im Süden, die ihrem - von der EU mitverursachten - Schicksal von Armut, Unterentwicklung und Gewaltkonflikten überlassen werden.
7.2.Militarisierung Europas im Wettlauf mit den USA
Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit sind die Weichen der EU-Politik in eine friedenspolitisch völlig falsche Richtung gestellt worden: die EU wird militarisiert. Eine Militärgroßmacht EU-Europa nimmt in atemberaubendem Tempo und mit großen Schritten Gestalt an. Hatte bereits der Vertrag von Maastricht eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik und eine Europäische "Verteidigungs"union als Ziele festgelegt, so sind unter dem Schlagwort "Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik" seit den EU-Gipfeln von Köln und Helsinki 1999 eine ganze Reihe von entsprechenden konkreten Maßnahmen beschlossen und z.T. bereits umgesetzt worden: Einrichtung eines ständigen sicherheitspolitischen Komitees und eines Militärstabes und -ausschusses in Brüssel sowie eines Ad-Hoc-Ausschusses der beitragenden Länder im Falle von EU-Militäroperationen u.a. Die Aufstellung einer EU-Eingreiftruppe von rund 60.000 Mann und Frau ist der sichtbarste und bedenklichste Ausdruck dieses Militarisierungsprozesses. Der Entwurf der EU-Verfassung und auch das Solana-Papier (Herbst 2003) verdeutlichen die Strategie einer militärischen EU-Außenpolitik, die - sogar unter Umgehung des Europa-Parlaments - Militäreinsätze europäischer Soldaten auf der ganzen Welt ermöglichen soll. Sowohl der Verfassungsentwurf als auch die aktuellen Strategiediskussionen sehen dafür eine Aufrüstung Europas vor. Die im Verfassungsentwurf vorgeschlagene "European Armaments, Research und Capabilities Agency" weist in die falsche Richung: Statt Strukturen der Kriegsvorbereitung sollten Strukturen ziviler Konfliktbearbeitung ausgebaut werden. Außerdem ist zu beachten, dass das Verfassungsrecht der EU nicht die im Grundgesetz festgeschriebenen Grenzen des Rückgriffes auf militärische Maßnahmen aushöhlen darf.
Die EU ist nicht mehr nur Zivilmacht. Dieser Euromilitarismus wird nicht zuletzt anti-amerikanisch begründet. Um unabhängig(er) von den USA handlungsfähig zu sein und mehr Einfluss auf die Entscheidungen der US-Regierung zu bekommen - so die herrschenden Eliten in EU-Europa -, müsse man militärisch stärker werden. In der Konsequenz läuft dieser Ansatz auf eine zusätzliche Militarisierung hinaus. Da auf die (US-geführte) Nato nicht verzichtet werden soll, kommt zu dieser eine EU-Militärmacht noch hinzu. Nichts allerdings spricht angesichts der Geschichte und des aktuellen Verhaltens der europäischen Staaten dafür, dass eine EU-Militärmacht von ihren Mitteln "zurückhaltender", "verantwortungsbewusster", "völkerrechtskonformer" Gebrauch machen wird als die USA. Die zunehmende Militarisierung der Weltordnung, die maßgeblich von den USA vorangetrieben wird, wird durch eine Militarisierung der EU nicht gestoppt werden können - im Gegenteil.
7.3.Von der Militärmacht zur Friedensmacht
Wenn die EU tatsächlich zum Frieden in der Welt beitragen und "Friedensmacht" werden will, dann müssen die angesprochenen Militarisierungs-Schritte wieder rückgängig gemacht werden. Insbesondere muss auf die Fähigkeiten zur militärischen Intervention verzichtet werden. Statt mehr militärisches Gewicht in die Waagschale der weltpolitischen Machtkonkurrenzen zu legen, sollte die EU in Abgrenzung zur militarisierten Politik der Hegemonialmacht USA (und anderen) bewusst auf die militärische Komponente in ihrer Politik verzichten und ein eigenständiges Profil als friedensfördernde Akteurin entwickeln. Bescheidene Ansätze hierfür gibt es bereits: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) sieht auch Maßnahmen der Nicht-militärischen Krisenbewältigung und Konfliktprävention vor. So wurden ein Ausschuss und Koordinierungsmechanismen für nicht-militärische Aspekte der Krisenbewältigung gebildet; für europäische Friedenskonsolidierungs- und Präventions-Missionen wird ein Kontingent von bis zu 5000 PolizeibeamtInnen bereit gestellt; ein Programm für Konfliktprävention wurde verabschiedet, entsprechende Strukturen ansatzweise aufgebaut. Doch stehen diese Maßnahmen in Hinsicht auf politische Bedeutung und finanzielle Ausstattung ganz im Schatten der militärischen Dimension, sind dieser ein- und untergeordnet. Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) muss zu einer Gemeinsamen Außen- und Friedenspolitik (GAFP) umgewandelt werden, was nur bei vollständigem Verzicht auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspölitik (ESVP) und auf das Ziel einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) möglich ist.
7.4.Keine europäische Atommacht
Eine Friedensmacht Europa muss nicht nur auf militärische Integration und auf Interventionskapazitäten verzichten, sondern auch auf Atomwaffen. Die Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien sind zur Aufgabe ihres Nukleararsenals zu bewegen; Deutschland muss auf jegliche nukleare Teilhabe verzichten. Europa muss zur Atomwaffenfreien Zone werden. Darüber hinaus: Eine Friedensmacht Europa muss auf Rüstungskooperation (insbesondere den Aufbau einer Europäischen Rüstungsagentur) und Rüstungsexporte sowie die Militarisierung ihrer Außengrenzen verzichten.
7.5.Die Mauern der Festung Europa einreißen
Friedenspolitik geht weit über den engeren Bereich von Sicherheit und Konfliktbearbeitung hinaus. Will die EU Friedensmacht sein, dann muss sie sich für Flüchtlinge und Asylsuchende öffnen, ihre entwicklungspolitischen Anstrengungen massiv verstärken und eine im Nord-Süd-Verhältnis Gerechtigkeit schaffende globale Strukturpolitik betreiben. Das bedeutet z.B. Öffnung der eigenen Märkte, Abbau der Agrarsubventionen, Schuldenerlass für die ärmsten Länder des Südens.
7.6.Das Völkerrecht stärken, die UN reformieren, die OSZE aufwerten
Die Staaten der EU sollen für eine Stärkung des Völkerrechts und die Reform der UN eintreten. Dies kann geschehen durch eine aktive Unterstützung der Initiativen von Seiten der NGOs zum Abschluss weiterer Abrüstungsverträge, durch Rücknahme nationalstaatlicher Vorbehalte gegenüber völkerrechtlichen Verträgen (z.B. des deutschen Vorbehalts gegenüber der UN-Kinderkonvention), durch Stärkung der zivilen Kompetenz der OSZE, durch ein Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung, welches allein dem Ziel der Abrüstung und der Fortentwicklung des internationalen Rechts verpflichtet ist.
Bezüglich der UN sind Bestrebungen zur Reform der UN-Charta nachdrücklich zu unterstützen (z.B. Verzicht auf die Sonderstellung der fünf Großmächte im Sicherheitsrat).
Das Gewaltverbot der UN-Charta muss angesichts der völkerrechtswidrigen Kriege gegen Jugoslawien 1999 und gegen den Irak 2003 von allen Staaten erneuert und bekräftigt werden.
Der internationale Strafgerichtshof ist als verbindlicher Ort für eine persönliche Verantwortung der Regierenden weiter zu entwickeln sowie als Instanz zur Aufarbeitung von Regierungsverbrechen und vergleichbaren Verbrechen gegen die Menschheit anzuerkennen.
8.Zivile Konfliktbearbeitung als Alternative zum Militär ausbauen
Weil das Zusammenleben von Menschen und Völkern immer von Konflikten geprägt ist, werden Strukturen und Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung gebraucht.
8.1."Zivile Konfliktbearbeitung" (ZKB) ist der bewusste Einsatz nicht-militärischer Mittel zur Vermeidung, Beilegung und Nachsorge gewaltsamer Auseinandersetzungen.
ZKB ist ein weites Aufgabenfeld und zugleich ein Gesamtsystem von Institutionen und Mitteln. Der Grundgedanke ist die Suche nach Lösungen, die für alle Beteiligten eines Konfliktes akzeptabel sind. Die ZKB ist von der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden und zu fördern, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Auf keinen Fall sind ZKB-Maßnahmen in militärische Maßnahmen einzuordnen oder diesen unterzuordnen.
8.2.Instrumente der Zivilen Konfliktbearbeitung
Für internationale Konflikte werden u.a. folgende Instrumente der ZKB genutzt:
Friedenssicherung und Gewaltprävention (peacekeeping):
Frühwarnsysteme, die rechtzeitig vor einem gewaltsamen Ausbruch warnen und Möglichkeiten aufzeigen, wie gewaltverhütend eingegriffen werden kann, werden aufgebaut, bzw. bestehende wie das Konfliktverhütungszentrum der OSZE in Wien werden unterstützt.
Im Zentrum dieser Arbeit steht die genaue Beobachtung der Konfliktgegenstände, der Anliegen der Konfliktparteien, der Gefahren der Eskalation sowie der Sichtweisen aller Beteiligten.Ebenso wichtig ist das Monitoring,d.h. die Beobachtung und Überwachung umstrittener Ereignisse, z.B. von Wahlen, um damit internationale Präsenz zu zeigen, zu dokumentieren und Öffentlichkeit herzustellen. Eine weitere Möglichkeit ist der Schutz gefährdeter Personen durch Begleitung internationaler Beobachter.
Friedensschaffung, Problemlösungsansatz (peacemaking):
Mit Hilfe von stiller Diplomatie können indirekte Kontakte zwischen Konfliktparteien etabliert oder Verhandlungsvoraussetzungen geschaffen werden.(z.B. einen Verhandlungsort zur Verfügung stellen). Mediation kann angeboten werden, um in den Verhandlungsvorgang vermittelnd einzugreifen.
Gewalterfahrungen führen oft zu kollektiven Traumata. Deswegen sind Methoden wichtig, mit denen der Beziehungsaspekt der beteiligten Gruppen auf unterer gesellschaftlicher Ebene wieder verbessert werden kann. Genauso wichtig ist die Stärkung der Konfliktbearbeitungskompetenz der Konfliktparteien, welche durch Friedenserziehung, Beratung, Schulung u.s.w. zu erreichen ist.
Auch durch Schiedsgerichtsbarkeit, durch positive und negative Sanktionen kann zwar mittels Druck, aber auf nicht-militärischem Wege, Einfluss in Richtung Problemlösung genommen werden.
Friedenskonsolidierung (peacebuilding):
Durch Aufbau-, Entwicklungs-, Flüchtlings- und humanitäre Hilfe wird zur Stabilisierung des Friedens beigetragen. Kredite, Fachkräfte und Wiedereingliederungsbeihilfen sind dabei weitere Möglichkeiten.
Hilfen beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen stärken die zivilgesellschaftliche Ebene und damit die Möglichkeiten der jeweiligen Gesellschaft, mit ihren Konflikten auf gewaltvermeidende Art umzugehen.
8.3.Notwendiger Ausbau des Zivilen Friedensdienstes
Der Zivile Friedensdienst, ein von Nichtregierungsorganisationen mit professionellen Fachkräften angebotenes Konfliktmanagement, das in nationalen und internationalen Konflikten mit den Methoden der gewaltfreien Konfliktaustragung tätig wird, ist weiter auszubauen.
8.4.Vernetzung der Zivilen Konfliktbearbeitung
In der nächsten Zukunft ist vor allem die Vernetzung der Träger ziviler Konfliktbearbeitung (national, international und auf unterer, mittlerer und oberer gesellschaftlicher Ebene) und die Öffentlichkeitsarbeit zur ZKB eine wichtige Aufgabe der Politik, um diese Methoden in der Gesellschaft bekannt zu machen und zu verankern. Auch die friedenspolitische Bildung ist deshalb ein wichtiges Anliegen, ebenso die Forschung über und für die ZKB im Rahmen der Friedens- und Konfiktforschung. Institutionen, die dazu beitragen, sind zu fördern bzw. auszubauen z.B. "Die Deutsche Stiftung für Friedensforschung (DSF)" und die "Plattform Zivile Konfliktbearbeitung".
Für diese Arbeit müssen die entsprechenden Ressourcen bereitgestellt werden. Es geht nicht an, dass das Militär als "letztes Mittel" tausendfach besser ausgestattet ist, als die Mittel der ersten Wahl, die Mittel ziviler Konfliktbearbeitung.
Die Erfolgsaussicht einer Friedensstrategie liegt im frühen Einwirken auf Anlässe und Motive von Konflikten. Das bedarf der beständigen kritischen Überprüfung der gesellschaftlichen Funktionen von Konflikten im wechselnden sozialen Zusammenhang. Dem Aufbau einer Kultur des Friedens kommt inner- und zwischengesellschaftlich größte Bedeutung zu. Dabei sind eine Ethik des persönlichen Gewaltverzichts und das Training von Dialog und Kommunikation zu fördern. Die Erfahrungen und Strategien von Kriegsdienstverweigerung und Friedensdiensten sind unverzichtbar und müssen produktiv weiterentwickelt werden.
Die Mitglieder der Kooperation für den Frieden setzen auf die Kraft der Gewaltfreiheit. Gegen die herrschende Militärpolitik sind Widerspruch und Protest notwendig. Darüber hinaus gibt es Formen des direkten gewaltfreien Widerstandes und zivilen Ungehorsams gegen Militär, Kriegsvorbereitungen und Krieg. Wir verstehen solchen Widerstand in der Traditionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams, den z.B. Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela und Aung San Soo Kyi ausgeübt haben. Die gewaltfreien Widerstandsaktionen in Mutlangen gegen die atomare Aufrüstung mit Pershing-II-Raketen bis hin zu den Airbase-Blockaden gegen den Irak-Krieg sind beispielhaft. Frieden wird uns nicht von oben geschenkt, wir müssen ihn von unten auch durch gewaltfreien zivilen Ungehorsam erstreiten!
Ermutigung zum Ungehorsam ist das friedenspädagogische Gebot der Stunde!
Wenn wir in diesem Papier von "Friedenspolitischen Richtlinien" sprechen, ist klar, dass dies als konträre Assoziation zu den regierungsoffiziellen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" gemeint ist. Letztere funktionieren jedoch nur, solange ihnen gegenüber bürgerlicher und soldatischer Gehorsam geleistet wird. Diesen Gehorsam gilt es künftig entschiedener zu verweigern. Die reale Politik der vergangenen Jahre hat eines deutlich gemacht: Wir werden nur soviel an Friedenspolitik bekommen, wie wir selbst durchsetzen! Deswegen setzen wir auf friedenspolitische Bewegung von unten, mit fantasievollen Aktionen und überzeugenden Kampagnen!
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