Die Atommächte müssen voran gehen - Atomwaffen aus Deutschland abziehen
Friedensratschlag zum Hiroshimatag 2009
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 5. August 2009 - In über 50 Orten Deutschlands finden in diesen
Tagen Gedenkveranstaltungen aus Anlass der Atombombenabwürfe über
Hiroshima und Nagasaki vor 64 Jahren statt. Zu den Hintergründen und
Zielen der Aktionen der Friedensbewegung erklärte der Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel:
Vor 64 Jahren, am 6. und 9. August 1945, warf die US-Luftwaffe die
ersten beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab. Eine Druck- und
Hitzewelle bisher unbekannten Ausmaßes verwandelte die Städte in ein
Inferno. Die Angriffe kosteten 200 000 Menschen das Leben. Unzählige
erlitten grausame Verletzungen, viele sterben noch heute, teilweise in
der 2. und 3. Generation, an den Folgen. Das alles ist bekannt.
Bekannt ist auch, dass diese Einsätze keineswegs dazu dienten, den Krieg
zu verkürzen. Entsprechende Behauptungen von besonders verbohrten
Vertretern einer "uneingeschränkten" Solidarität mit den amerikanischen
Befreiern, entbehren jeder Grundlage. Japan war bereits militärisch
besiegt, seine Kapitulation stand unmittelbar bevor. Den USA ging es
nicht darum, amerikanisches Leben zu schonen (indem japanisches
massenhaft aufs Spiel gesetzt wurde!), sondern Ziel war es, die neuen
Waffen zu testen und der Welt, insbesondere aber der Sowjetunion die
militärische Macht der USA zu demonstrieren. Das war das Signal zum
kalten Krieg und löste letztendlich das weltweite atomare Wettrüsten aus.
Heute scheint zwar die atomare Bedrohung der Welt geringer geworden zu
sein, dennoch sind die bestehenden Atomwaffenarsenale noch voller
Risiken und Unwägbarkeiten. Mehrere Tausend Atomsprengköpfe - jede von
ihnen mit einer größeren Sprengkraft als die Hiroshima-Bombe - haben
allein die USA und Russland in ihren Bunkern und Startrampen; über
jeweils mehrere Hundert Bomben verfügen die anderen drei "offiziellen"
Atomwaffenmächte China, Großbritannien und Frankreich. Hinzu kommen
einige hundert Sprengköpfe bzw. Bomben in den Händen von Indien,
Pakistan, Israel und Nordkorea - vier Länder, die den
Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben bzw. ihn wieder
gekündigt haben (Nordkorea). Und der Iran wird beschuldigt nach
Atomwaffen zu streben. Hat nicht das perverse atomare
Abschreckungsdenken, das die Großmächte vorexistieren, als "logische"
Konsequenz, dass sich Regionalmächte wie der Iran - umgeben von
indischen, pakistanischen und israelischen Atomwaffen sowie von
US-amerikanischen Stützpunkten und Flugzeugträgern - Atomwaffen zulegen
wollen, um unangreifbar zu werden? Hätte Irak seiner Zeit tatsächlich
über Massenvernichtungswaffen verfügt, wäre er dann von den USA 2003
angegriffen worden? Wohl kaum!
Doch der Friedensbewegug geht es nicht um die Billigung eines iranischen
Atomwaffenprogramms - vielmehr muss immer und immer wieder die
Verantwortung der Großmächte betont werden. Sie müssen mit gutem
Beispiel voran gehen, bevor sie anderen Vorschriften machen. Und das
iranische Atomprogramm eignet sich nicht für israelisches oder
westliches Säbelrasseln, sondern muss auf politischem Weg gelöst werden.
Die zerstörerische Wirkung der verfügbaren Atomwaffen reicht immer noch
aus, die Welt mehrfach für jegliches menschliche Leben auf Jahrtausende
unbewohnbar zu machen - keine Entwarnung also für die Zivilisation.
Auch auf deutschem Boden lagern noch Atomsprengköpfe. Sie gehören den
USA und werden in Büchel (Rheinland-Pfalz) aufbewahrt. Über ihre Anzahl
wird Stillschweigen bewahrt; Experten gehen aber davon aus, dass es sich
um ca. 20 Atomwaffen handelt. Die Bundesregierung weigert sich bisher
beharrlich, den Abzug dieser Waffen aus Deutschland zu verlangen, weil,
wie zuletzt die Kanzlerin wieder betonte, Deutschland an der atomaren
"Teilhabe" im Rahmen der NATO festhalten wolle. Deutsche Tornado-Piloten
würden im "Ernstfall" die tödliche Fracht transportieren. Dies
widerspricht der internationalen Position Deutschlands als einem
"atomwaffenfreien" Staat, der auch den Atomwaffensperrvertrag
ratifiziert hat.
In seiner berühmten "Prager Rede" vom 5. April d.J. verkündete
US-Präsident Brack Obama seine Vision einer atomwaffenfreien Welt. Damit
fand er Zustimmung auch bei der Friedensbewegung diesseits und jenseits
des Atlantiks. Seinen guten Worten müssen aber auch gute Taten folgen.
Die Welt, insbesondere die Atomwaffen-Schwellenländer brauchen
Vorbilder. Ein Vorbild wäre z.B. eine Vereinbarung der beiden
Atom-Supermächte USA und Russland, ihre Arsenale in einem ersten
Schritt radikal zu verringern. Dies sieht im Übrigen auch der
Nichtverbreitungsvertrag in seinem Art. 6 vor. Er verlangt von den
Atomwaffenstaaten die atomare Abrüstung.
Vorbildlich wäre auch der Abzug der 20 US-Atomwaffen aus Deutschland -
niemand außer vielleicht ein paar Abschreckungsfreaks aus der CDU/CSU
würde sie vermissen. Obama könnte das Teufelszeug auch abziehen, ohne
die Bundesregierung zu fragen.
Aktionen und Veranstaltungen zum Hiroshima-Nagasaki-Gedenken finden vom
5. bis zum 9. August u.a. statt in Bayreuth, Berlin, Bochum, Bonn,
Braunschweig, Bremen, Büchel (Atomwaffenlager), Darmstadt, Dortmund,
Düsseldorf, Elmshorn, Essen, Flensburg, Frankfurt/M., Freiburg, Fürth,
Gammertingen, Gilching, Gorleben, Güstrow, Hamburg, Hannover, Heilbronn,
Hildesheim, Karlsruhe, Kassel, Kastel, Kelsterbach, Kiel, Koblenz, Köln,
Krefeld, Kyritz-Ruppiner Heide, Leipzig, Lüdenscheid, Mainz, Mannheim,
München, Münster, Nottuln, Nürnberg, Oberhausen, Oldenburg, Osnabrück,
Siegen, Stuttgart, Sylt, Tettnang, Todendorf, Tübingen, Wedel und
Wiesbaden.
(Kalender der Veranstaltungen: http://www.friedenskooperative.de/termine.htm)
Das Hiroshima-Gedenken ist weltumspannend. Die zentralen Veranstaltungen
finden in Hiroshima selbst statt. In allen europäischen Hauptstädten
wird es ebenfalls Mahnungen geben. Die Wiener Friedensbewegung
veröffentlicht jährlich unzählige Stellungnahmen zum Hiroshimatag:
www.hiroshima.at (externer Link)
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
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