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Nicht "deutscher Weg" sondern friedlicher Weg - Bundestagswahl: "Frieden wählen" - Flutopferhilfe statt "Panther"

Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel/Stuttgart, 19. August 2002

So sehr die Friedensbewegung den außenpolitischen Schwenk der rot-grünen Bundesregierung in der Irak-Frage begrüßt, so sehr warnt sie davor, diesen mit einem eigenen "deutschen Weg" zu begründen. "Deutsche" Wege haben in der Außenpolitik der letzten hundert Jahre stets in die Isolierung und zwei Mal sogar in die Katastrophe von Weltkriegen geführt. Einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg - und nichts anderes wäre ein US-Krieg gegen Irak - abzulehnen, ist keine "deutsche", "französische" oder "russische" Angelegenheit, sondern ein Gebot der Menschlichkeit und ein Auftrag der UN-Charta und des Grundgesetzes, wonach Angriffshandlungen generell verboten sind. Die Friedensbewegung empfiehlt daher der Bundesregierung, ihr Nein zum Irak-Krieg ausschließlich friedenspolitisch zu begründen. Wenn die CDU/CSU-Opposition eine solche Position mit einer angeblichen "Sonderrolle" Deutschlands zu diffamieren versucht, ist darauf hinzuweisen, dass es in Europa mit Ausnahme Großbritanniens keine Regierung gibt, die einen US-Krieg unterstützen möchte.

In allen europäischen Ländern - einschließlich Großbritannien - gibt es in der Bevölkerung eindeutige Mehrheiten gegen eine Beteiligung an einem drohenden US-Krieg. Die rot-grüne Koalition ist also gut beraten, wenn sie jetzt ihr Nein gegen einen solchen Krieg deutlich formuliert. Diesem Nein müssen aber auch Taten folgen:
  • Es muss deutlich gemacht werden, dass Deutschland keinerlei militärische und finanzielle Unterstützung dieses Krieges leisten wird.
  • Die Bundesregierung muss sofort alle deutschen Truppen aus Kuwait und die Marineverbände aus der Golfregion zurückholen.
  • Den USA muss im Falle eines Krieges die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland einschließlich der US-Basen wie Spangdahlem, Ramstein und Frankfurt Airport verweigert werden.
Die Friedensbewegung wird sich in den nächsten Tagen und Wochen mit diesen Forderungen massiv in den Bundestagswahlkampf einmischen. Ziel ist es, die Zahl der Bundestagsabgeordneten, die sich klipp und klar für diese Positionen aussprechen, über die PDS-Fraktion hinaus zu vergrößern.

Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, die laufenden Beschaffungsprogramme der Bundeswehr auszusetzen und mit den eingesparten Mitteln ein Milliardenprogramm für die vom Hochwasser geschädigten Menschen und Regionen aufzulegen. Insbesondere die zwei Milliarden Euro für einen neuen Schützenpanzer (ursprünglicher Name "Panther"), deren Beschaffung am 12. September im Haushaltsausschuss auf der Tagesordnung steht, sollen für den Wiederaufbau der Flutopferregionen eingesetzt werden. Auch muss der Beschluss über 8,6 Mrd. Euro für die Beschaffung der 73 Militär-Airbusse A 400 M rückgängig gemacht werden. Deutschland sollte sich diesbezüglich - und ausnahmsweise - ein Vorbild an Österreich nehmen, deren konservative Regierung die Bestellung eines neuen Kampfflugzeugs reduziert und die dadurch frei werdenden Mittel in die Katastrophenhilfe investiert. Ein solcher Schritt wäre ein guter Einstand für den neuen Verteidigungsminister Peter Struck.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Anne Rieger, Stuttgart (Sprecherin; 2. Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen)
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)

Flutopferhilfe statt Kampfpanzer und Militärtransporter

Die Bundeswehr soll ihre Beschaffungsprogramme zugunsten der Flutopfer streichen. Zwei Mrd. Euro für 410 Schützenpanzer will der Haushaltssausschuss am 12. September beschließen. Das Geld ist als Soforthilfe für die hunderttausenden Flutopfer bundes-, europa- und weltweit weit dringender notwendig. Die Panzer sind überflüssig.

Angesichts der größten Flut in Deutschland seit mehr als 1000 Jahren muss ebenso der Beschluss über 8,6 Mrd. Euro für die 73 Militärbusse A 400 M rückgängig gemacht bzw. ausgesetzt werden. Wie Bundeskanzler Schröder richtig sagte, brauchen die Opfer der Flut, "erhebliche Mittel". Vorbild sollte - ausnahmsweise - die konservative österreichische Regierung sein, die ihre Bestellung von Eurofighter um ein Viertel reduzieren will. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte nach einer Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Die Hilfe für die Opfer müsse Vorrang haben". Geholfen hatte bei diesem Beschluss sicher das Volksbegehren gegen den Abfangjäger in Österreich.

Romano Prodi, Ratspräsident der Europäischen Kommission wäre gut beraten, europaweit die Österreicher in Fragen Aufrüstungsreduzierung als Vorbild zu nehmen. So könnten allein mit den 18 Mrd. Euro Umsatz, mit denen der Europäische Luftfahrtkonzern EADS für die 196 Militärtransporter rechnet, den Flutopfern wirksame Hilfen zur Verfügung gestellt und gleichzeitig die Wirtschaft angekurbelt werden. Daran gemessen erweisen sich die fünf Milliarden Euro Hochwasserhilfe als recht spärlicher Beitrag.

Auch ohne neuen, überteuerten Militärtransporter ist die Bundeswehr offensichtlich gut in der Lage, ihre Auslandseinsätze mit dem derzeitigen Militärtransporter Transall durchzuführen. Der neue Minister im Militärministerium Peter Struck wäre gut beraten, aus dem für 2003 geplanten Militärhaushalt von 24 Mrd. Euro, einige Mrd. Euro für die Katastrophenhilfe zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel sollte er sich dabei an der Spendenfreudigkeit der Deutschen nehmen, die bereits jetzt Millionen Euro zum größten Teil aus ihren privaten Finanzen zur Verfügung gestellt haben.

Positiv ist zu sehen, dass 19.000 Bundeswehrsoldaten im Katastropheneinsatz in den ostdeutschen Gebieten sind, und weitere 7.500 auf ihren Einsatz warten. Das hilft den Menschen allemal besser, als die ca. 10.000 Soldaten, die zur Zeit auf drei Kontinenten in neun Ländern Kriegseinsätze durchführen. Ökonomisch und unter Friedensgesichtspunkten könnten allerdings ein aufgestocktes Technisches Hilfswerk die gleichen Arbeiten wie die Bundeswehrsoldaten billiger und effizienter durchführen.

Anne Rieger, Sprecherin des Bundesausschusses Friedensratschlag und 2. Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen
Stuttgart, 19. August 2002


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